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OGH vom 13.03.2013, 3Ob4/13d

OGH vom 13.03.2013, 3Ob4/13d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden, den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen J*****, wegen Entscheidung über das Erbrecht (§ 161 Abs 1 AußStrG), über den Revisionsrekurs der Testamentserben 1. E*****, 2. G*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. F. X. Berndorfer, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 366/12t 23, womit dem Rekurs der Testamentserben gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Urfahr-Umgebung vom , GZ 5 A 234/11t 16, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerber sind schuldig, dem gesetzlichen Erben Dr. F*****, vertreten durch Mag. Dr. Christian Janda, Rechtsanwalt in Kremsmünster, dessen mit 1.537,66 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 256,27 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Urfahr Umgebung vom wurde zu GZ 8 P 169/06k 23 für J***** rechtskräftig ein Sachwalter zur Besorgung der Vermögensverwaltung und zur Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden und Gerichten bestellt.

Punkt 3 des Bestellungsbeschlusses lautet wörtlich:

„Es wird darauf hingewiesen, dass die betroffene Person ihren letzten Willen nur mündlich vor dem Gericht oder einem Notar erklären kann (§ 123 Abs 1 AußStrG iVm § 568 ABGB).“

Die Sachwalterbestellung beruhte auf einem vom Gericht im Bestellungsverfahren eingeholten neurologisch psychiatrischen Gutachten, das zum Schluss gelangte, dass der Betroffene nicht testierfähig sei; jedenfalls aber ein Testament nur vor Gericht oder vor dem Notar errichtet werden sollte.

Am errichtete der Betroffene ein Testament bei einem öffentlichen Notar, mit welchem er die nunmehrigen Revisionsrekurswerber zu gleichen Teilen als Erben einsetzte.

Eine in einem Protokoll über die Testamentserrichtung aufgenommene Erklärung, dass sich der Notar davon überzeugt habe, dass der letzte Wille vom Betroffenen frei und mit Überlegung erklärt worden sei, fehlt.

Der Betroffene starb am .

Die Revisionsrekurswerber gaben am eine bedingte Erbantrittserklärung aufgrund des Testaments ab; der Sohn des Verstorbenen gab am selben Tag eine bedingte Erbantrittserklärung aufgrund seines gesetzlichen Erbrechts ab. Er berief sich auf die Ungültigkeit des Testaments wegen des ihm anhaftenden Formmangels und wegen der Testierunfähigkeit des Betroffenen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung.

Das Erstgericht stellte in Punkt 1 seines Beschlusses das Erbrecht des gesetzlichen Erben fest und wies in Punkt 2 die Erbantrittserklärungen der Testamentserben ab. Das Testament entspreche nicht den Formerfordernissen des § 568 ABGB.

Das Rekursgericht gab dem dagegen von den Testamentserben erhobenen Rekurs nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung für zulässig, dass zur Frage, ob der Hinweis auf die besondere Formvorschrift für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung im Spruch des Sachwalterbestellungsbeschlusses auch gleichzeitig eine Anordnung iSd § 568 ABGB enthalte, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass § 568 ABGB idF BGBl I 2004/158 vorsehe, dass eine Person, für die ein Sachwalter bestellt werde, nur mündlich vor Gericht oder vor dem Notar testieren könne, soferne dies gerichtlich angeordnet sei. § 123 Abs 1 Z 5 AußStrG könne nur so ausgelegt werden, dass der dort vorgesehene Hinweis nur dann erfolgen müsse, wenn das Gericht eine entsprechende Anordnung treffe. Dieses Verständnis decke sich auch mit der Beweislage zum Zeitpunkt der Sachwalterbestellung, habe doch der im Sachwalterbestellungsverfahren tätige Sachverständige ausgeführt, dass der Betroffene nicht testierfähig sei. Daraus folge aber, dass das Gericht des Sachwalterbestellungsverfahrens unzweifelhaft gemäß § 568 ABGB angeordnet habe, dass der Betroffene nur mündlich vor Gericht oder Notar testieren könne.

Die Testamentserben streben mit ihrem gegen die Rekursentscheidung erhobenen Revisionsrekurs eine Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen im Sinne einer Feststellung des Erbrechts der Testamentserben und einer Abweisung der Erbantrittserklärung des gesetzlichen Erben an. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der gesetzliche Erbe beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen; hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittig ist, dass das Testament, sollte dem Sachwalterbestellungsbeschluss eine Beschränkung auf die Testamentsformen des § 568 ABGB zu entnehmen sein, nicht den Formerfordernissen des § 568 ABGB entspricht, weil ein Protokoll fehlt, das die Erklärung enthält, dass der Notar sich davon überzeugt habe, dass der letzte Wille frei und mit Überlegung geschehen sei (7 Ob 115/99h NZ 2000, 147 [zur Vorgängerbestimmung § 569 ABGB idF vor dem KindRÄG 2001]; 4 Ob 69/03f; 6 Ob 282/07z ua).

Auf die in erster Instanz behauptete Erbunwürdigkeit des gesetzlichen Erben kommt der Revisionsrekurs ebensowenig zurück wie auf das erstmals im Rekurs behauptete (vom Rekursgericht als unzulässige Neuerung eingestuft) Vorliegen der Voraussetzungen des § 597 ABGB.

Der Revisionsrekurs thematisiert vielmehr ausschließlich, dass der Sachwalterbestellungsbeschluss offenkundig ausgehend von der Rechtslage vor Inkrafttreten des FamErbRÄG 2004 (BGBl I 2004/58) einen Hinweis iSd § 123 Abs 1 Z 5 AußStrG enthalte, nicht jedoch die Anordnung, dass der Betroffene nur mündlich vor Gericht oder Notar testieren könne.

Dazu wurde erwogen:

1. Bis zum Inkrafttreten des FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58 konnten Personen, denen ein auch nur einstweiliger (10 Ob 81/05tiFamZ 2006/84 [ Tschugguel ]) Sachwalter bestellt war, gemäß § 568 ABGB nur mündlich vor Notar oder Gericht testieren. Korrespondierend dazu regelte § 245 Satz 2 AußStrG 1854, dass bei Bestellung eines Sachwalters auf die besondere Formvorschrift für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung (§ 568 ABGB) hinzuweisen ist (vgl auch § 244 AußStrG 1854, der allgemein den Inhalt des Sachwalterbestellungsbeschlusses regelte).

2. Die generelle Anordnung in § 568 ABGB wurde in der Lehre mit dem Hinweis als zu starr kritisiert, dass keine Begründung ersichtlich sei, warum bei einer ohnehin am Beeinträchtigungsgrad des Betroffenen orientierten Bestellungsmethode die Sachwalterbestellung ohne Rücksicht auf deren Art und Umfang ipso iure auch die zur Verfügung stehenden Testamentsformen einschränken sollte ( Spitzer , Neues zu letztwilligen Verfügungen. Ein Beitrag zu Nottestament und Testierfähigkeit, NZ 2006/14; Zankl/Mondel in Rechberger , AußStrG 2 [2013] § 123 Rz 5 mwN).

3. Dieser Kritik trug der Gesetzgeber durch die am in Kraft getretene Änderung des § 568 ABGB Rechnung, der nun regelt, dass eine Person, für die ein Sachwalter bestellt ist, sofern dies gerichtlich angeordnet ist, nur mündlich vor Gericht oder Notar testieren kann. Eine Beschränkung der unter Sachwalterschaft stehenden Personen auf die Testamentsformen des § 568 ABGB tritt daher nicht mehr automatisch ein, sondern nur dann, wenn der individuelle Sachwalterbestellungsbeschluss dies zum Schutz des Betroffenen vorsieht (RV 471 BlgNR 22. GP 29; 9 Ob 48/06h).

4. § 123 Abs 1 Z 5 AußStrG idF BGBl I 2003/11, der zwar ebenfalls mit in Kraft trat, aber im Unterschied zum FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58 bereits 2003 beschlossen wurde, bestimmt, dass der Sachwalterbestellungsbeschluss den Hinweis auf die besondere Formvorschrift für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung (§ 568 ABGB) zu enthalten hat.

Erkennbar hat der Gesetzgeber bei Schaffung des § 123 Abs 1 Z 5 AußStrG die erst später beschlossene Änderung des § 568 ABGB nicht berücksichtigt (vgl auch die RV zu § 123 AußStrG, abgedruckt bei Fucik/Kloiber , Außerstreitgesetz [2005], die darauf verweisen, dass die Bestimmung im Wesentlichen §§ 244 und 245 AußStrG aF entspricht).

5. Die sich daraus ergebende Unklarheit zwischen § 123 Abs 1 Z 5 AußStrG („der Beschluss hat den Hinweis auf die besondere Formvorschrift zu enthalten“) und § 568 ABGB („sofern gerichtlich angeordnet“) ist im Hinblick auf die zeitliche Abfolge der Beschlussfassung und aus teleologischen Erwägungen dahin aufzulösen, dass das Pflegschaftsgericht in seinem Bestellungsbeschluss nur die tatsächlich verfügte Beschränkung auf die Testamentsformen des § 568 ABGB aufzunehmen hat. Der Ansicht ( Zankl/Mondel in Rechberger , AußStrG 2 § 123 Rz 5), der Beschluss müsse gemäß § 123 Abs 1 Z 5 AußStrG generell aussprechen, ob eine Beschränkung verfügt wird, also auch einen Hinweis auf die „Nichtbeschränkung“ enthalten, ist zwar aus Gründen der Rechtsklarheit durchaus etwas abzugewinnen. Fehlt allerdings ein entsprechender Ausspruch, ist eben keine Beschränkung iSd § 568 ABGB angeordnet worden.

Unter der weiteren Voraussetzung, dass der Betroffene zum Testierzeitpunkt tatsächlich testierfähig war, wäre ein Testament in diesem Fall auch dann gültig, wenn es an sich formgültig, aber nicht vor Gericht oder Notar errichtet wurde.

6. Der im Anlassfall zu beurteilende Sachwalterbestellungsbeschluss enthält nun zwar tatsächlich (bloß) den Hinweis darauf, dass der Betroffene seinen letzten Willen nur mündlich vor Gericht oder dem Notar erklären kann.

Entgegen der im Revisionrekurs vertretenen Auffassung ist aber das Rekursgericht im konkreten Fall zutreffend davon ausgegangen, dass dieser „Hinweis“ als Anordnung iSd § 568 ABGB idF des FamErbRÄG 2004 zu verstehen ist: Der Sachwalterbestellungsbeschluss gründete sich auf das im Bestellungsverfahren eingeholte Gutachten, das entsprechend der damals schon geltenden Fassung des § 568 ABGB durch das FamErbRÄG 2004 ausdrücklich zur Frage der Testierfähigkeit des Betroffenen Stellung bezog, diese verneinte und jedenfalls eine Beschränkung iSd § 568 ABGB forderte. Der Sachwalterbestellungsbeschluss ist daher dahin auszulegen, dass das Gericht dem Ergebnis des durchgeführten Verfahrens entsprechend eine Beschränkung iSd § 568 ABGB verfügte. Eine gerichtliche Entscheidung ist im Zweifel so auszulegen, dass ihr keine Deutung gegeben wird, die sie als gesetzwidrig erscheinen ließe (RIS Justiz RS0008802).

7. Daraus folgt zusammengefasst, dass die Vorinstanzen wegen des fehlenden Protokolls darüber, dass der letzte Wille frei und mit Überlegung erklärt wurde, zutreffend von der Formungültigkeit des Testaments ausgingen.

8. Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 78 AußStrG iVm § 185 AußStrG.