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OGH vom 27.03.2013, 7Ob38/13h

OGH vom 27.03.2013, 7Ob38/13h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache des Bewohners F***** F*****, geboren am , *****, vertreten durch das Institut für Sozialdienste Vorarlberg, Poststraße 2/4, 6850 Dornbirn, (Dr. H***** S*****) als Bewohnervertreter, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Einrichtungsleiters Prim. Univ.-Prof. Dr. E***** Wenzl, Leiter der Abteilung für Allgemein- und Thoraxchirurgie des Landeskrankenhauses Feldkirch, Carinagasse 47, 6800 Feldkirch, vertreten durch Dr. Rolf Philipp und Dr. Frank Philipp, Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ 2 R 19/13d-22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 62 Abs 1 AußStrG ist gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss der Revisionsrekurs nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Eine solche Frage zeigt der außerordentliche Revisionsrekurs des Einrichtungsleiters nicht auf:

Er beruft sich auf „ständige Rechtsprechung“ des Obersten Gerichtshofs, wonach dem behandelnden Arzt bei Vorliegen von Dokumentationsmängeln der Nachweis mangelnder Relevanz durch andere Beweismittel offen stehe, und zwar „durch alle nach der ZPO zulässigen“. Er wendet sich gegen die rekursgerichtliche Beurteilung, dass eine Behebung gravierender Dokumentationsmängel durch Zeugenaussagen oder Sachverständigenbeweis ausscheide. Das Rekursgericht habe die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz auf Grund dieses „von ihm statuierten Beweisverwertungsverbots“ zu Unrecht verneint.

Dem ist vorweg zu erwidern, dass auch im Verfahren außer Streitsachen der nur von wenigen, hier nicht relevanten Ausnahmen durchbrochene Grundsatz gilt, dass ein in zweiter Instanz verneinter Verfahrensmangel (hier: vermisster weiterer Zeugen- und Sachverständigenbeweis sowie fehlende Anleitung) im Revisionsrekurs nicht mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0050037; RS0043919; RS0030748; 7 Ob 3/13m; 7 Ob 206/12p mwN).

Diese Mängel können also gar nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden. Davon abgesehen zeigt der Revisionsrekurs aber auch keine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung auf.

Mängel in der Dokumentation können nach der vom Rekursgericht zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung nachträglich nur soweit beseitigt werden, als der Grund für die Beschränkung aus anderen Urkunden objektivierbar ist und es in der Krankengeschichte nur unterlassen wurde, auf diese zu verweisen; ergibt sich in der Zusammenschau der Bestandteile der Krankengeschichte und der Mitteilung kein Zweifel am zu Grunde liegenden Sachverhalt, so liegt kein relevanter Dokumentationsmangel, der zur Unzulässigkeit der Maßnahme führen muss, vor (7 Ob 208/12g mwN). Daher hat der Oberste Gerichtshof auch schon ausgesprochen, dass zum einen die Behebung gravierender Mängel der Dokumentation durch Zeugenaussagen ausscheidet (RIS-Justiz RS0127659); zum anderen die Dokumentation, wenn sie ihren Zweck erfüllen soll, nicht im Nachhinein durch Ergebnisse eines aufwändigen Beweisverfahrens unter Einholung eines Sachverständigengutachtens „ ergänzt “ werden kann (RIS Justiz RS0127659 [T2]).

Dieser Standpunkt wird auch von der Lehre geteilt. Da das Gesetz explizit eine schriftliche Dokumentation der Maßnahme verlangt und diese zu einer Zulässigkeitsvoraussetzung der Freiheitsbeschränkung macht, lässt sich nach Reisenhofer (Anm zu 7 Ob 235/11a in EvBl 2012/102) mit der besprochenen Entscheidung (und auch mit der E 7 Ob 249/11k; zu beiden: ÖZPR 2013/13 [ Zierl ]) „plausibel argumentieren“, dass dieser schriftlichen Dokumentationspflicht [zwar] auch dann Genüge getan ist, wenn Grund, Art, Beginn und Dauer der Freiheitsbeschränkung aus der Zusammenschau mehrerer, zeitnah zur Maßnahme verfasster Schriftstücke hervorgehen, selbst wenn diese nicht aufeinander verweisen. Demgegenüber lassen sich jedoch Zeugenaussagen oder nachträgliche Sachverständigengutachten nicht als schriftliche Dokumentation im Sinn des § 6 HeimAufG interpretieren und können daher ganz unabhängig von ihrem Beweiswert im Einzelfall die aus der Mangelhaftigkeit der Dokumentation resultierende Rechtswidrigkeit der Freiheitsbeschränkung nicht beseitigen (vgl auch 7 Ob 237/11w samt Hinweis von Hoch in EvBl 2012/148, 1015 [1017 mwN] und zust Glosse von Kopetzki in RdM 2012/168, 300 [303 f]).

Da sich der Revisionsrekurswerber mit den dargelegten Grundsätzen nicht weiter auseinandersetzt, zeigt er auch nicht auf, weshalb von dieser Rechtsprechung abgegangen werden müsste. Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn der eingangs zitierten Bestimmung ist der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.