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OGH vom 16.12.1998, 3Ob256/98p

OGH vom 16.12.1998, 3Ob256/98p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ing. Peter T*****, vertreten durch Rechtsanwalts-Partnerschaft Gabler & Gibel in Wien, wider die verpflichtete Partei Wolfram B*****, wegen S 427.192,02 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten vom , GZ 11 R 59/98f-8, womit infolge von Rekursen der Drittschuldner Ing. L***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Peter Ponschab, Rechtsanwalt in Wien, und Dr. Peter P*****, der Beschluß des Bezirksgerichtes Purkersdorf vom , GZ 1 E 56/98z-2, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen über die gestellten Verwertungsanträge werden als nichtig aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung in diesem Umfang nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Kosten des Verfahrens über den Verwertungsantrag der betreibenden Partei zu behandeln.

Text

Begründung:

Das Erstgericht hatte der betreibenden Partei gegen den Verpflichteten neben der Fahrnisexekution auch gemäß §§ 331 ff EO die Exekution durch Pfändung der der verpflichteten Partei gegen den Drittschuldner Ing. L***** GmbH angeblich zustehenden Gesamtrechte (Ansprüche) auf Übertragung des Eigentums laut Kaufvertrag vom durch grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes ob 182/1000 Anteilen an einer Liegenschaft bzw den im Zuge der Begründung von Wohnungseigentum laut Nutzwertfestsetzungsergebnis zu berichtigenden Liegenschaftsanteilen zum Zwecke der Begründung des Wohnungseigentums an einer bestimmten Wohnung bewilligt. Zugleich erging gegenüber diesem Drittschuldner und dem weiteren Drittschuldner, dem Rechtsanwalt Dr. Peter P***** als beiderseitigem Treuhänder gemäß dem Kaufvertrag vom , das Verbot, die Liegenschaft in das grundbücherliche Eigentum des Verpflichteten zu übertragen, und das Verbot dieser Verfügung über die gepfändeten Ansprüche (Gesamtrechte) aufgrund bücherlicher Einverleibung des Eigentumsrechtes ob der genannten Liegenschaft an den Verpflichteten.

Zugleich beantragte die betreibende Partei die Ermächtigung, dieses Gesamtrecht (die gepfändeten Ansprüche) im Namen der verpflichteten Partei geltend zu machen und für diesen die zur Ausübung der gepfändeten Rechte (Ansprüche) erforderlichen Erklärungen wirksam für die verpflichtete Partei abzugeben, indem die betreibende Partei unter Vorlage des Kaufvertrages, der steuerlichen UB und der sonstigen erforderlichen Unterlagen beim Grundbuchsgericht die Einverleibung des Eigentumsrechtes zugunsten des Verpflichteten beantragt und erwirkt (§ 333 EO); weiters die Verpflichtung des Drittschuldners, Rechtsanwalt Dr. Peter P*****, welcher als beidseitiger Treuhänder gemäß dem Kaufvertrag vom fungiere, der betreibenden Partei alle für die Einverleibung des Eigentumsrechtes erforderlichen Originalunterlagen, insbesondere den Kaufvertrag vom , die UB, den Rangordnungsbeschluß etc auszufolgen.

Das Erstgericht bewilligte sämtliche Anträge am Tage ihres Einlangens mit Stampiglienaufdruck.

Eine Zustellung dieses Beschlusses an den Verpflichteten erfolgte bislang nicht.

Ausschließlich gegen die Verpflichtung des Treuhänders, dem Betreibenden sämtliche zur Verbücherung notwendigen Urkunden auszufolgen, erhoben die Drittschuldnerin Ing. L***** GmbH und Rechtsanwalt Dr. Peter P***** Rekurs.

Ungeachtet des von ihm zitierten Umfangs der Anfechtung hob das Rekursgericht nicht nur diesen Teil der erstgerichtlichen Entscheidung, sondern auch jenen auf, womit die betreibenden Partei ermächtigt wurde, die gepfändeten Ansprüche im Namen der verpflichteten Partei geltend zu machen und für diese[n] die zur Ausübung der gepfändeten Rechte erforderlichen Erklärungen abzugeben. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Rekursgericht aus, daß den Drittschuldnern das Rekursrecht zustehe, weil sowohl die Ing. L***** GmbH als auch der Treuhänder durch die ungerechtfertigten Aufträge zur Leistung gesetzwidrig belastet würden (RPflSlgE 1989/25). Bei der Exekution nach § 331 Abs 1 EO habe das Exekutionsgericht die Art der Verwertung des Rechtes auf Antrag des betreibenden Gläubigers nach Einvernehmung des Verpflichteten und aller Gläubiger, zu deren Gunsten Pfändung erfolgte, zu bestimmen. Dies bedeute, daß nach der Pfändung zwingend ein Verwertungsantrag und eine Vernehmung des Verpflichteten stattzufinden habe. Da nach seiner Ansicht besondere die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses rechtfertigende Umstände nicht vorlägen, sprach es aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei, mit dem sie die Abänderung der Rekursentscheidung dahin begehrt, daß die Verwertungsanträge nicht abgewiesen würden, sondern die entsprechende Bewilligung des Erstgerichtes lediglich aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werde.

Das Rekursgericht weiche von der ständigen Rechtspraxis bei der Exekution auf andere Vermögensrechte ebenso ab wie von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Wie sich auch aus mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ergebe, sei es zulässig und grundsätzlich sogar üblich und geboten, gleichzeitig mit dem Antrag auf Pfändung auch den Verwertungsantrag zu stellen und die diesbezüglichen Anträge zu verbinden. Demnach hätte die richtige Auffassung des Rekursgerichtes, daß eine Entscheidung über den Verwertungsantrag nach Einvernahme des Verpflichteten erfolgen dürfe, nicht zur Abweisung der entsprechenden Anträge, sondern zur Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichtes führen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Wenn auch nicht ausdrücklich, so doch der Sache nach (und gemäß § 408 Abs 2 ZPO ohne Rechtsnachteil für sie) macht die betreibende Partei eine Nichtigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen geltend. Darüber hinaus legt die Revisionsrekurswerberin richtig dar, daß es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung in der Richtung gibt, daß ein zugleich mit dem Exekutionsantrag nach § 331 EO gestellter Verwertungsantrag - wie es anscheinend der Auffassung des Rekursgerichtes entspricht - ohne weiteres abzuweisen wäre.

Zutreffend geht der Revisionsrekurswerber (wie anscheinend auch das Rekursgericht) davon aus, daß die vom Rekursgericht abgewiesenen Anträge solche sind, die auf die Bestimmung der Art der Verwertung des gepfändeten Rechtes im Sinn des § 331 Abs 2 EO gerichtet sind. Ohne diese Bestimmung ist die Fortführung der bewilligten Exekution undenkbar.

Wie ebenfalls sowohl der Rechtsmittelwerber als auch das Rekursgericht richtig erkennen, setzt eine derartige Entscheidung aber zwingend die Einvernehmung des Verpflichteten und aller Gläubiger, zu deren Gunsten Pfändung erfolgte, voraus. (Daß auch eine Vernehmung der Drittschuldner, wie diejenigen im vorliegenden Exekutionsverfahren in ihren Rekursen vermeinen, erforderlich wäre, ergibt sich aus dem Gesetz dagegen nicht.)

Dem § 331 EO ist nicht zu entnehmen, daß ein derartiger Verwertungsantrag zwingend erst nach Bewilligung der Exekution gestellt werden dürfte, wie anscheinend dem Rekursgericht vorgeschwebt ist. Im Gegenteil, vom Obersten Gerichtshof wurde schon mehrfach ausgesprochen, daß die Pfändung eines Unternehmens und der Konzession bzw eines Geschäftsanteils einer GmbH auch dann möglich ist, wenn nicht gleichzeitig auch ein Verwertungsantrag gestellt wird (mehrere E zu RIS-Justiz RS0004230). Bereits wiederholt (EvBl 1976/144; zuletzt 3 Ob 114/98f mN) hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, daß bei einer Exekution auf andere Vermögensrechte dann, wenn der Verwertungsantrag mit dem beim Titelgericht gestellten Exekutionsantrag verbunden wird das Bewilligungsgericht, das nicht gleichzeitig Exekutionsgericht ist, die Entscheidung über den Verwertungsantrag dem Exekutionsgericht vorzubehalten hat. Nicht anders ist aber zu entscheiden, wenn (wie offenbar in dem der Entscheidung 3 Ob 52/86 zugrundeliegenden Fall) die Exekution beim Exekutionsgericht beantragt wird (so die zit E). Daraus ergibt sich bereits, daß ohne die vorgeschriebene Vernehmung weder das Erstgericht die Verwertungsanträge bewilligen noch das Rekursgericht diese abweisen hätte dürfen.

Nach der Entscheidung RPflSlgE 1983/54 stellt die Bewilligung eines Verwertungsantrages ohne die vorgeschriebene Vernehmung nach § 331 Abs 2 EO einen Verfahrensmangel dar. In der bereits zitierten Entscheidung 3 Ob 52/86 qualifizierte der erkennende Senat (woran festzuhalten ist) einen derartigen Verfahrensverstoß als Verletzung des rechtlichen Gehörs des Verpflichteten (und der in § 331 Abs 2 EO genannten Gläubiger). Während in dieser Entscheidung weiter dargelegt wird, daß ein derartiger Verstoß grundsätzlich von erheblicher Bedeutung sei, besonders dann, wenn infolge dieser Verletzung sämtliche Voraussetzungen für eine fundierte Entscheidung über den Verwertungsantrag fehlten, was im konkreten Fall angenommen wurde, ergibt sich aus der Entscheidung nicht, ob dieser Verfahrensverstoß vom Revisionsrekurswerber geltend gemacht wurde. Die Qualifikation des Mangels als bloßer Verfahrensmangel kann jedoch bei erneuter Prüfung nicht aufrecht erhalten werden. Wie das LGZ Wien zu Recht in der Entscheidung RPflSlgE 1982/131 ausführt, begründet die Unterlassung der vorgeschriebenen Vernehmungen nach § 331 Abs 2 EO den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO iVm § 78 EO. Wenn auch in § 477 ZPO von der Verhinderung an der Teilnahme an der Verhandlung die Rede ist, muß für den Bereich der EO dasselbe für eine vorgeschriebene Einvernehmung gelten, die nach Wahl des Exekutionsgerichtes mündlich oder schriftlich erfolgen kann. So wurde auch bereits zur ebenfalls eine Einvernahme anordnenden Bestimmung des § 45 Abs 3 EO (im Zusammenhang mit der Aufhebung einer einstweiligen Verfügung) entschieden, daß das Unterbleiben der Einvernehmung der gefährdeten Partei den genannten Nichtigkeitsgrund verwirklicht (4 Ob 82/97f = EvBl 1997/192). Nichts anderes kann aber für § 331 Abs 2 EO gelten.

Da es bei Nichtigkeitsgründen nicht darauf ankommt, wie sich diese auf das Verfahren auswirken, erweisen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen über die Verwertungsanträge als nichtig.

Bei seiner Entscheidung hat das Rekursgericht weiters übersehen, daß, wie von ihm in der Begründung seiner Entscheidung durchaus richtig zitiert wird, von den Rekurswerbern lediglich der vom Erstgericht an den Treuhänder Rechtsanwalt Dr. P***** gerichtete Auftrag bekämpft wurde, sodaß in der Aufhebung auch der Ermächtigung des Betreibenden zur Geltendmachung der gepfändeten Ansprüche im Namen der verpflichteten Partei ein Verstoß gegen § 405 ZPO liegt, der allerdings im Revisionsrekurs nicht aufgegriffen wurde. Ein Verstoß gegen die Teilrechtskraft lag aber darin deshalb nicht, weil, wie bereits dargelegt, der erstinstanzliche Beschluß bisher dem Verpflichteten gar nicht zugestellt wurde und daher auch nicht in Rechtskraft erwachsen konnte. Es besteht somit kein Hindernis für die Aufhebung auch der erstinstanzlichen Entscheidung im Umfang der Entscheidung des Rekursgerichtes (vgl 1 Ob 2/91).

Demnach wird das Erstgericht erneut über die gegenständlichen Anträge der betreibenden Partei nach Einvernahme des Verpflichteten zu entscheiden haben. Zufolge der nun klargestellten Erforderlichkeit dieser Einvernehmung erscheint - anders als bei sofortiger Entscheidung im Zusammenhang mit der Exekutionsbewilligung - nunmehr ein förmlicher Entscheidungsvorbehalt überflüssig.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO iVm § 78 EO.§ 51 EO kam nicht zur Anwendung, weil lediglich die Entscheidungen der Vorinstanzen, nicht aber ein Verfahren als nichtig aufgehoben wurde.