OGH 20.04.2010, 5Ob237/09b
Rechtssätze
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Norm | |
RS0126483 | Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Überwälzung von Versicherungsprämien nach § 21 Abs 1 Z 6 MRG vorliegen (mehrheitliche Zustimmung der Hauptmieter), hat einheitlich zum Zeitpunkt der vertraglichen Disposition des Vermieters (Abschluss, Erneuerung oder Änderung des Versicherungsvertrags) zu erfolgen. Nachträgliche Änderungen, sei es in der Anzahl der vermieteten Mietgegenstände (durch Vermietung weiterer Objekte oder durch ersatzlose Beendigung von Mietverhältnissen), sei es durch Meinungsänderungen der Stimmberechtigten müssen ohne Einfluss auf die einmal erfolgte oder verweigerte Zustimmung der Mehrheit bleiben. Ein nach Vorliegen der Zustimmung der Mehrheit der Hauptmieter eingetretener Mieterwechsel in dem einen oder anderen Bestandobjekt ist ohne Belang, die bestandene Zustimmung bindet auch den neuen Mieter bis es zum Auslaufen, zur Erneuerung oder zur Änderung des Versicherungsvertrags kommt. |
Normen | |
RS0126484 | Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Überwälzbarkeit von Prämien für eine Glasbruch- und Sturmschadenversicherung des Hauses als Betriebskosten gemäß § 21 Abs 1 Z 6 MRG liegt beim Vermieter. Unklarheiten dazu gehen daher ‑ ungeachtet des Untersuchungsgrundsatzes ‑ zu seinen Lasten. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache nach dem MRG der Antragsteller 1. Wolfgang S***** und 2. Friederike S*****, beide vertreten durch Nusterer & Mayer, Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider den Antragsgegner Dkfm. Günter K*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, unter Beiziehung der weiteren Hauptmieter der Liegenschaft *****, darunter Elisabeth K*****, Schweden, wegen § 37 Abs 1 Z 9 und 12 MRG iVm §§ 17 und 21 MRG, aus Anlass des Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts St. Pölten vom , GZ 7 R 173/08h-40, womit infolge Rekurses des (Erst-)Antragsgegners der Sachbeschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom , GZ 9 Msch 13/05b-34, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Gegenstand des Verfahrens bilden die Anträge auf Feststellung des Verteilungsschlüssels nach § 17 MRG, der Höhe der monatlichen Pauschalrate für das Jahr 2000 nach § 21 Abs 3 MRG und deren Überschreitung durch die Vorschreibung sowie ob die in der Betriebskostenabrechnung 1999 verzeichneten Betriebskosten als dem MRG entsprechende Bewirtschaftungskosten anzusehen sind, samt Prüfung der Jahresabrechnung.
Sowohl alle Streitigkeiten über den Verteilungsschlüssel als auch die Feststellung der Höhe einzelner Betriebskostenposten oder der Qualifikation als solche erfordern nach § 37 Abs 3 Z 2 MRG im Fall der Antragstellung durch einen Hauptmieter die Beiziehung der übrigen Hauptmieter (RIS-Justiz RS0069855; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 § 37 MRG Rz 68 mwN). Darauf hat das Erstgericht zwar Bedacht genommen, indem es die Bekanntgabe weiterer Hauptmieter verlangte (ON 16 und 29) und an die (zuletzt: ON 31) genannte Elisabeth K***** (in Hinkunft: Hauptmieterin), wohnhaft in Schweden, Zustellungen vornahm (ON 32, 34 [Sachbeschluss des Erstgerichts], 37, 38, 41 [Sachbeschluss des Rekursgerichts ON 40] und 44). Allerdings wurden diese Zustellungen - ungeachtet der nach § 37 Abs 3 Z 4 MRG unabhängig von der Anzahl der anderen Hauptmieter des Hauses gebotenen Möglichkeit des Hausanschlags (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 § 37 MRG Rz 41; M. Mohr in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 37 MRG Rz 101) - an den Antragsgegner persönlich vorgenommen, der (über Ersuchen des Erstgerichts, einen Zustellbevollmächtigten für die Hauptmieterin namhaft zu machen [ON 21], daraufhin) mitteilte, „dass die in G***** aufhältige [Hauptmieterin] dem Antragsgegner ihre Zustimmung dazu mitgeteilt hat, den Antragsgegner als Zustellbevollmächtigten namhaft zu machen (ON 22).“ Irgendein urkundlicher Nachweis über die Zustimmung der Hauptmieterin dazu (wie zum Beispiel eine Zustellvollmacht für den Antragsgegner) findet sich im Akt allerdings ebenso wenig wie eine unmittelbare Zustellung an diese.
Das Rekursgericht hat seinen Abänderungsbeschluss (§ 63 Abs 3 AußStrG) ON 46 weder der Hauptmieterin noch dem Antragsgegner persönlich zugestellt. Es ist daher nach der Aktenlage gar nicht sichergestellt, dass sie vom Verfahren überhaupt Kenntnis hat.
2. Die allein aufgrund einer Erklärung des Antragsgegners vorgenommenen Zustellungen ausschließlich an ihn für die Hauptmieterin erweisen sich daher als unwirksam. Zu prüfen ist somit, ob dieser Mangel sanierbar ist.
3.1. Inhaltlich behauptet der Antragsgegner, über eine Zustellvollmacht der Hauptmieterin zu verfügen, ohne diese freilich bisher vorgelegt zu haben.
Nach § 6 Abs 4 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG sind im Übrigen die Bestimmungen der ZPO über Bevollmächtigte sinngemäß anzuwenden, daher die §§ 26 bis 39 ZPO. § 37 Abs 1 ZPO verlangt die Berücksichtigung des Mangels der Vollmacht in jeder Lage des Rechtsstreits von Amts wegen, also auch im Rechtsmittelverfahren (RIS-Justiz RS0035627 [T2]). Es spricht nichts dagegen, diese Regel auch auf eine fehlende Zustellvollmacht anzuwenden. Auch bei diesem Vollmachtsmangel ist es aus prozessökonomischen Gründen geboten (vgl auch § 5 AußStrG), dem Einschreiter fristgebunden Gelegenheit zur Sanierung durch den Vertretenen auch noch im Rechtsmittelverfahren zu geben (vgl Zib in Fasching/Konecny² § 38 ZPO Rz 37 f).
3.2. Das Erstgericht wird daher (vorerst) den Antragsgegner unter angemessener Fristsetzung aufzufordern haben, die behauptete, jedoch nicht erwiesene Zustellvollmacht der Hauptmieterin vorzulegen (oder in anderer geeigneter Weise deren Zustimmung zur Vornahme von Zustellungen in diesem Verfahren an ihre Person zu Handen des Antragsgegners nachzuweisen); jede Sanierung hat auch die Genehmigung der bisher erfolgten Zustellungen zu umfassen.
Nur sofern sodann von wirksamen Zustellungen an die Hauptmieterin durch das Erstgericht ausgegangen werden kann, wird des Weiteren zunächst vom Rekursgericht (§ 63 Abs 5 AußStrG) die von ihm unterlassene Zustellung seines Abänderungsbeschlusses ON 46 an die Hauptmieterin nachzuholen und der Akt nach Einlangen einer allfälligen Revisionsrekursbeantwortung oder des Ablaufs der Frist dafür (§ 68 Abs 1 AußStrG) neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.
3.3. Sollte dieser Sanierungsversuch allerdings scheitern, so ist davon auszugehen, dass der Hauptmieterin das ihr gemäß § 37 Abs 3 Z 2 MRG zukommende rechtliche Gehör entzogen wurde, was iSd § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG einen Revisionsrekursgrund darstellt, der - analog § 55 Abs 3 AußStrG - auch von Amts wegen wahrzunehmen ist (RIS-Justiz RS0119971 [T3]). Nach § 58 Abs 1 Z 1 und Abs 3 iVm § 71 Abs 4 AußStrG ist auch bei diesem (im Zivilprozess einen Nichtigkeitsgrund bildenden) schweren Verfahrensmangel vor der Entscheidung auf Aufhebung und Zurückverweisung der Außerstreitsache an eine Vorinstanz zu prüfen, ob nicht eine Bestätigung „selbst auf Grund der Angaben im [Revisions-]Rekursverfahren“ oder eine Abänderung ohne weitere Erhebungen möglich ist. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, den bisher nicht gehörten Parteien Gelegenheit zu geben, sich am Revisionsrekursverfahren zu beteiligen und ihre materiellen und/oder prozessualen Rechte geltend zu machen oder auch nicht (RIS-Justiz RS0123128; 3 Ob 192/07t). Zu berücksichtigen ist dabei auch die Bestimmung des § 58 Abs 2 AußStrG, wonach - beinahe wortgleich zum früher anzuwendenden § 477 Abs 2 ZPO (5 Ob 70/89 = SZ 62/209) - eine nachträgliche Genehmigung der Verfahrensführung insbesondere dann vorliegt, wenn der gesetzliche Vertreter, ohne den Mangel der Vertretung geltend zu machen, durch Erhebung des Rekurses oder Erstattung der Rekursbeantwortung in das Rekursverfahren eingetreten ist.
3.4. Diese neue, durch das AußStrG 2005 geschaffene Rechtslage steht der Aufrechterhaltung der bisherigen Judikatur des erkennenden Senats, die die in der Nichtbeteiligung eines Hauptmieters gelegene Verletzung des Parteiengehörs dann als saniert ansieht, wenn er nach Zustellung der Sachentscheidung kein zulässiges Rechtsmittel erhebt (5 Ob 53/90 = WoBl 1990/84 [zust Würth]; 5 Ob 23/01w = wobl 2001/207 = MietSlg 53.436), oder wenn alle übergangenen Hauptmieter ausdrücklich den Stand des Verfahrens genehmigen und erklären, sich durch den Ausschluss von einem Vorbringen in erster Instanz nicht beschwert zu halten (5 Ob 70/89 = WoBl 1990/83 [Call]), nicht entgegen. Schließlich ist mit Rücksicht auf § 58 Abs 2 AußStrG davon auszugehen, dass auch eine Beteiligung am Rechtsmittelverfahren ohne Geltendmachung der Gehörverletzung deren Heilung bedeutet (vgl Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht22 § 37 MRG Rz 58; M. Mohr in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 37 MRG Rz 92).
4. Demnach hat das Erstgericht die Zustellung sowohl der vorliegenden Entscheidung als auch des Sachbeschlusses des Rekursgerichts ON 40 und des Revisionsrekurses, ebenso aber auch des Abänderungsbeschlusses ON 46 samt entsprechender Rechtsmittelbelehrung an die Hauptmieterin zu veranlassen. Die Akten werden nach Ablauf der Revisionsrekursbeantwortungsfrist (bzw Einlangen der Beantwortung), sollte aber ein Rechtsmittel nicht erhoben werden, bereits nach Ablauf der Revisionsrekursfrist wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Hurch als Vorsitzende und durch die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Mag. Wurzer als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragsteller 1. Wolfgang S***** und 2. Friederike S*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Friedrich Nusterer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider den Antragsgegner Dkfm. Günter K*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, unter Beiziehung der weiteren Hauptmieterin der Liegenschaft ***** Elisabeth K*****, wegen § 37 Abs 1 Z 9 und 12 MRG iVm §§ 17 und 21 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss (richtig: Sachbeschluss) des Landesgerichts St. Pölten vom , GZ 7 R 173/08h-40, mit dem über Rekurs des Antragsgegners der Sachbeschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom , GZ 9 Msch 13/05b-34, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wird in ihrem abändernden Teil aufgehoben und die Rechtssache insoweit an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Den Gegenstand des Verfahrens bildet der im Jahr 2000 bei der Schlichtungsstelle eingebrachte und im Jahr 2005 zu Gericht abgezogene Antrag auf Feststellung des Verteilungsschlüssels nach § 17 MRG, der Überschreitung der zulässigen monatlichen Pauschalrate für das Jahr 2000 und die Überprüfung der Betriebskostenabrechnung 1999 hinsichtlich einzelner Betriebskostenpositionen, von denen im Revisionsrekursverfahren nur mehr strittig ist, ob der Antragsgegner als Vermieter zur Überwälzung der Prämie für eine Glasbruch- und Sturmschadenversicherung des Hauses als Betriebskosten nach § 21 Abs 1 Z 6 MRG berechtigt war.
Das Erstgericht verneinte die Qualifikation der strittigen Versicherungsprämie als Betriebskosten. Es ging dabei im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Ab bestand für das Haus eine Bündelversicherung, die ua Glasbruch und Sturmschäden abdeckte, mit vereinbarter Laufzeit bis . Mit Polizze vom wurde diese Versicherung unter Beibehaltung der versicherten Risiken dahin modifiziert, dass die Laufzeit auf bis abgeändert und Versicherungssumme und Prämie erhöht wurden. Die Antragsteller sind seit 1976 Hauptmieter ihrer Wohnung, wobei in ihrem Mietvertrag keine Regelung über die Tragung der Prämien für Glas- und Sturmschadenversicherung enthalten ist. Es kann nicht festgestellt werden, ob 1995 - abgesehen von der Wohnung der Antragsteller - weitere Mietgegenstände in Hauptmiete vergeben waren. Am wurde ein weiteres Objekt mit der Vereinbarung über den Beitritt des Hauptmieters zur Glasbruch- und Sturmschadenversicherung vermietet. Der Antragsgegner nahm auch die Prämien für die versicherten Risiken Glasbruch und Sturmschaden in die Betriebskostenabrechnung 1999 mit 22.459,90 ATS auf, bezahlte für alle versicherten Risken aber nur 1.527,62 EUR (= 21.020,51 ATS). Der Prozentanteil für die Glasbruch- und Sturmschadenversicherung macht 26,6 % aus.
Rechtlich argumentierte das Erstgericht zusammengefasst, da zum Zeitpunkt der Änderung des Versicherungsvertrags Ende 1995 nur ein Hauptmietverhältnis mit den Antragstellern bestanden habe, die keine Zustimmung iSd § 21 Abs 1 Z 6 MRG erteilt hätten, stelle der auf die Glasbruch- und Sturmschadenversicherung entfallende Prämienteil keine Betriebskosten dar.
Das Rekursgericht gab dem vom Antragsgegner ua gegen die Eliminierung der Versicherungsprämie aus den Betriebskosten erhobenen Rekurs teilweise Folge und änderte den Sachbeschluss des Erstgerichts teilweise ab, weil es die Verwaltungskosten - dem Rekurs folgend - höher als das Erstgericht ansetzte. Zur im Revisionsrekurs noch relevanten Frage schloss es sich dem Erstgericht an: Im entscheidungswesentlichen Zeitraum bei Änderung des bestehenden Versicherungsvertrags im Jahr 1995 sei die erforderliche Zustimmung der Mehrheit der Hauptmieter nicht vorgelegen, weil nur ein Hauptmietverhältnis, nämlich jenes der Antragsteller bestanden habe. Es sei irrelevant, welche Zustimmungen bis Ende 1998 vorgelegen hätten.
Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich zur Klärung des Zeitpunkts für die Beurteilung des Vorliegens der erforderlichen Zustimmung und für die Dauer der Wirksamkeit einer Zustimmungserklärung zu.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners, der die erhebliche Rechtsfrage darin erblickt, dass die Vorinstanzen von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs abgewichen seien, ob und wann eine Zustimmungserklärung durch einen Mieter abgegeben worden sei und wie lange diese bindend sei. Die Zustimmungserklärungen könnten Schritt für Schritt abgegeben werden, bis eine Mehrheit zustande gekommen sei; ab diesem Zeitpunkt könnten die zukünftig fällig werdenden Prämien einer derartigen Versicherung als Betriebskosten verrechnet werden. Daher würden vor dem abgegebene Zustimmungserklärungen die Antragsteller auch dann binden, wenn sie erst nach Abschluss der Versicherung abgegeben worden seien. Eine einmal erteilte mehrheitliche Zustimmung würde auch nicht durch das ersatzlose Ausscheiden eines oder mehrerer zustimmender Mieter wirkungslos werden. Darüber hinaus macht der Antragsteller die Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens geltend, zum Einen, weil eine Entscheidung des Rekursgerichts nicht zu allen angefochtenen Punkten erfolgt sei; zum Anderen, weil eine Auseinandersetzung mit den Tatsachenrügen zu den Feststellungen über die Höhe der geleisteten Versicherungsprämie, zu deren Abänderung/Erhöhung sowie zu den Mietverhältnissen und den vor dem vorliegenden Zustimmungserklärungen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung unterblieben sei. Die Antragsteller beantragen die Abänderung im Sinn einer Berücksichtigung der tatsächlich bezahlten Gesamtprämie, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung an die zweite Instanz.
Dem treten die Antragsteller in ihrer Revisionsrekursbeantwortung entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zu der nach § 21 Abs 1 Z 6 MRG zu lösenden Frage, wann die Ermittlung der notwendigen Mehrheit zu erfolgen hat und zu welchem Zeitpunkt die Zustimmung der Mehrheit der Hauptmieter der vermieteten Mietgegenstände zum Abschluss, zur Erneuerung oder zur Änderung des Versicherungsvertrags vorliegen muss, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiert. Er ist auch im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
1. Die im Revisionsrekurs gerügte unvollständige Erledigung des Rekursantrags liegt allerdings nicht vor. Aus dem Spruch, wonach dem Rekurs (nur) „teilweise Folge gegeben“ werde, der Anführung der abgeänderten Aussprüche und der Begründung der Rekursentscheidung ergibt sich ausreichend deutlich, dass der erstgerichtliche Sachbeschluss - soweit er nicht unangefochten blieb oder abgeändert wurde -
bestätigt wird.
2. Soweit der Antragsgegner eine Mangelhaftigkeit darin erblickt, das Rekursgericht habe eine Auseinandersetzung mit seiner Tatsachenrüge zu den vor dem vorliegenden Zustimmungserklärungen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung unterlassen, übersieht er Folgendes: Das Rekursgericht hat zur Beweisrüge gegen die Feststellungen über das Vorliegen von Mietverhältnissen und Zustimmungserklärungen in dreifacher Weise Stellung genommen (Rekursentscheidung S 6). Es hat die Beweisrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt abgetan, Zustimmungserklärungen bis Ende 1998 für rechtlich irrelevant angesehen und - wenn auch mit knappen Worten -
die Beweiswürdigung auch inhaltlich gebilligt, indem es die Feststellungen als zutreffend und nachvollziehbar bezeichnete. Daher ist von für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Erstgerichts zu dem Thema Bestehen weiterer Hauptmietverhältnisse und Zustimmungserklärungen zu einer Glasbruch- und Sturmschadenversicherung auszugehen ist.
Die Beweislast für das (für den Vermieter günstige) Vorliegen der Voraussetzungen für die Überwälzbarkeit von Prämien für eine Glasbruch- und Sturmschadenversicherung des Hauses als Betriebskosten liegt beim Vermieter, hier also beim Antragsgegner; Unklarheiten dazu gehen daher - ungeachtet des Untersuchungsgrundsatzes (vgl RIS-Justiz RS0008752) - zu seinen Lasten. Nach den bindenden Feststellungen des Erstgerichts ist aber für November/Dezember 1995 nur das Bestehen eines einzigen Hauptmietverhältnisses mit den Antragstellern erwiesen, die eine Zustimmung iSd § 21 Abs 1 Z 6 MRG nicht erteilt haben.
3.1. Nach§ 21 Abs 1 Z 6 MRG gelten die Kosten für die angemessene Versicherung ua gegen Glasbruch hinsichtlich der Verglasung der der allgemeinen Benützung dienenden Räume des Hauses einschließlich aller Außenfenster oder gegen Sturmschäden als Betriebskosten, wenn und soweit die Mehrheit der Hauptmieter - diese berechnet nach der Anzahl der vermieteten Mietgegenstände -
des Hauses dem Abschluss, der Erneuerung oder der Änderung des Versicherungsvertrags zugestimmt haben. Welcher Zeitpunkt maßgeblich für die Prüfung des Mehrheitserfordernisses ist, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, und zwar weder für die Frage, für welchen Zeitpunkt die Anzahl der vermieteten Mietgegenstände zu ermitteln ist, noch zu welchem Zeitpunkt eine Zustimmung der Mehrheit der Hauptmieter vorliegen muss.
In der Vorgängerbestimmung des § 2 Abs 2 Z 5 MG idF MRÄG 1967 wurde für die Berechnung der damals notwendigen Zweidrittelmehrheit ausdrücklich auf die „Zahl der im Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherung vermieteten Mietgegenstände“ abgestellt. Die Materialien zur Bestimmung des § 21 Abs 1 Z 6 MRG lassen nicht die Absicht des Gesetzgebers des MRG erkennen, die Rechtslage gegenüber § 2 Abs 2 Z 5 MG idF MRÄG 1967 hinsichtlich des für die Mehrheitsermittlung maßgeblichen Zeitpunkts ändern zu wollen (vgl RV zum MRG in 425 BlgNR 15. GP 40 f, JAB in 880 BlgNR 15. GP 5).
3.2. Daher vertritt der erkennende Senat auch zur nunmehrigen Rechtslage die Ansicht, dass weiterhin die erforderliche Mehrheit nach der Zahl der im Zeitpunkt des Zustandekommens des Abschlusses, der Erneuerung oder der Änderung des Versicherungsvertrags zwischen Vermieter und Versicherer vermieteten Mietgegenstände zu berechnen ist. Das entspricht auch der Ansicht der Lehre (Palten, Betriebskosten² Rz 84; Kuprian/Prader, Mietvertrag² Rz 146). Für eine Trennung des Zeitpunkts für die Ermittlung der notwendigen Mehrheit von jenem für die Festlegung der Stimmberechtigten und jenem der Zählung besteht kein Anlass. Schließlich soll über einen neuen/erneuerten/geänderten Vertrag mit in der Regel mehrjähriger Laufzeit befunden und die Rechtsverhältnisse für die Zukunft geklärt werden. Das liegt sowohl im Interesse des Vermieters, der danach seine Entscheidung für oder gegen den Versicherungsvertag richten kann, aber auch im Interesse der Mieter, die die auf sie zukommenden Betriebskosten längerfristig besser einschätzen können. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Überwälzung von Versicherungsprämien nach § 21 Abs 1 Z 6 MRG vorliegen, hat daher einheitlich zum Zeitpunkt der vertraglichen Disposition des Vermieters zu erfolgen.
Die Festlegung auf einen exakten Zeitpunkt bedingt, dass nachträgliche Änderungen, sei es in der Anzahl der vermieteten Mietgegenstände (durch Vermietung weiterer Objekte oder durch ersatzlose Beendigung von Mietverhältnissen), sei es durch Meinungsänderungen der Stimmberechtigten ohne Einfluss auf die einmal erfolgte oder verweigerte Zustimmung der Mehrheit bleiben müssen. Das bedeutet eine Gleichbehandlung von Mietern und Vermietern, weil es zu einer Bindung beider Seiten an das bei Zustandekommen des (neuen, erneuerten oder geänderten) Versicherungsvertrags gegebene Mehrheitsverhältnis führt, und zwar für dessen Laufzeit oder vorherige Erneuerung oder Änderung.
Aus diesem Grund vermag auch die Zahlung der anteiligen Prämien als Betriebskosten in Kenntnis des Verwendungszwecks, die ja zwangsläufig erst nach dem Zustandekommen des Versicherungsvertrags erfolgen kann, am Fehlen der erforderlichen Mehrheit im relevanten Zeitpunkt nichts mehr zu ändern (im Ergebnis ebenso Würth/Zingher/Kovanyi22 § 21 MRG Rz 10; aA Palten aaO Rz 85 und 88 mwN; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 21 MRG Rz 35; Eggelmeier/Jäger in Schwimann² § 21 MRG Rz 30 je mwN). Ein nach Vorliegen der Zustimmung der Mehrheit der Hauptmieter eingetretener Mieterwechsel in dem einen oder anderen Bestandobjekt ist hingegen ohne Belang (5 Ob 432/59 = MietSlg 7131/31), die bestandene Zustimmung bindet auch den neuen Mieter (so auch E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch aaO), bis es zum Auslaufen, zur Erneuerung oder zur Änderung des Versicherungsvertrags kommt.
3.3. Wollte man - wie der Antragsgegner - nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses, der Erneuerung oder der Änderung, sondern auf die jeweilige Fälligkeit der Betriebskosten abstellen, würde dies für die Beurteilung der Überwälzbarkeit von Versicherungsprämien iSd § 21 Abs 1 Z 6 MRG unter Umständen zur monatlichen, zumindest aber zur jährlichen Prüfung zwingen, wieviele Objekte in diesem Zeitpunkt vermietet sind und wieviele dieser Hauptmieter dem jeweils bestehenden Versicherungsvertrag zugestimmt haben. Gerade bei großen Mietshäusern mit häufiger Mieterfluktuation würde dies zu einem unzumutbaren Aufwand führen und für die Mieter kaum nachvollziehbar sein.
3.4. Es erweist sich daher als ökonomisch und aus Gründen der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit für beide Vertragsseiten geboten, das der Mietermehrheit durch § 21 Abs 1 Z 6 MRG eingeräumte Wahlrecht zwischen laufenden höheren Betriebskosten oder dem Risiko einer Erhöhung nach § 18 MRG (vgl RIS-Justiz RS0122133) nur jenen Hauptmietern zuzugestehen, die im Zeitpunkt der von § 21 Abs 1 Z 6 leg cit erfassten versicherungsvertraglichen Dispositionen des Vermieters vorhanden sind.
4. Es ist unstrittig, dass die Laufzeit der seit 1991 bestehenden Gebäudeversicherung am endete und der später abgeschlossene Versicherungsvertrag für die Zeit vom bis vereinbart wurde. Das stellt eine Verlängerung der ursprünglichen Laufzeit um 5 Jahre (50 %) und damit jedenfalls eine Veränderung iSd § 21 Abs 1 Z 6 MRG dar, die der Zustimmung der Mehrheit der Hauptmieter bedurfte (Prader, MRG³ § 21 E 107). Das gilt ebenso, wenn man von einer Erneuerung des Versicherungsvertrags ausgehen wollte.
Ob der neue Versicherungsvertrag auch noch eine Erhöhung der Versicherungssumme und Prämie enthielt, ist deshalb rechtlich irrelevant. Die vom Antragsgegner gerügte Nichterledigung seiner Beweisrüge dazu stellt daher keinen Mangel des Rekursverfahrens dar.
5. Nach den Feststellungen des Erstgerichts ist für den Zeitraum November/Dezember 1995 nur das mit den Antragstellern seit 1976 bestehende Bestandverhältnis erwiesen, die unstrittig keine Zustimmung iSd § 21 Abs 1 Z 6 MRG erteilt haben. Die Vorinstanzen sind daher zu Recht davon ausgegangen, dass es an der erforderlichen Zustimmung der Mehrheit der Hauptmieter für eine Überwälzbarkeit des in der Betriebskostenabrechnung des Jahres 1999 enthaltenen Prämienanteils für die Glasbruch- und Sturmschadenversicherung fehlt.
Zum Einen bleibt eine Zustimmung eines Hauptmieters in einem später zusätzlich zustande gekommenen Mietverhältnis unbeachtlich; zum Anderen bedeutet die Relevanz nur der bei Abschluss, Erneuerung oder Änderung des Versicherungsvertrags bestehenden Mietverhältnisse, dass Zustimmungserklärungen, die früher in Mietverträgen über nun nicht mehr vermietete Objekte (wenn auch für die Zukunft) abgegeben wurden, keine Berücksichtigung finden können.
6. Dennoch erweist sich die Rechtssache noch nicht als entscheidungsreif. Der Antragsgegner rügt nämlich im Revisionsrekurs auch die unterbliebene Behandlung seiner Beweisrüge zur Höhe der für 1999 von ihm geleisteten Versicherungsprämie für die Gebäudeversicherung, zu der das Rekursgericht mit keinem Wort Stellung nahm. Dieser Wert ist jedoch für die Feststellung sowohl der höchstzulässigen Pauschalrate und deren Überschreitung als auch der rechtmäßigen Höhe der Betriebskosten für die Gebäudeversicherung und der Gesamtbetriebskosten des Jahres 1999 relevant. Daher bedarf es insoweit der Aufhebung der Rekursentscheidung und Zurückverweisung an das Rekursgericht, das die versäumte Behandlung dieser Beweisrüge nachzuholen und neuerlich zu entscheiden haben wird.
7. Die Feststellung des Verteilungsschlüssels nach § 17 MRG für die Wohnung der Antragsteller blieb trotz Beteiligung auch der weiteren Hauptmieterin allseits unbekämpft, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.
8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Erst mit der endgültigen Sachentscheidung können die gebotenen Billigkeitserwägungen angestellt werden (RIS-Justiz RS0123011 [T1]).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | 8 außerstreitige Wohnrechtssachen,Außerstreitiges Wohnrecht,Zivilverfahrensrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00237.09B.0420.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAD-58975