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OGH vom 24.05.1977, 3Ob36/77

OGH vom 24.05.1977, 3Ob36/77

Norm

EO §§331 ff;

Handelsgesetzbuch § 135;

Kopf

SZ 50/72

Spruch

Exekution auf den Auseinandersetzungsanspruch des Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft ist nur nach den Bestimmungen der §§ 331 ff. EO zu führen. § 135 HGB enthält keine neuen, die Anwendung der Bestimmungen der Exekutionsordnung ausschließenden Verfahrungsregeln, sondern stellt nur eine Sonderbestimmung für das Kündigungsrecht des auf den Auseinandersetzungsanspruch Exekution führenden Privatgläubigers eines Gesellschafters dar. Dieser Bestimmung kommt für das Exekutionsverfahren, insbesondere für dessen Bewilligung, keine Bedeutung zu. Die vorausgegangene fruchtlose Exekution in das bewegliche Vermögen des Verpflichteten ist nicht Voraussetzung für die Bewilligung der Exekution (Pfändung) auf den Auseinandersetzungsanspruch des Gesellschafters

(LG Innsbruck 1 R 1053/76; BG Kufstein E 5278/76)

Text

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluß vom , GZ E 5278/76-2, die Exekution durch Pfändung und Überweisung des Anspruches der Verpflichteten auf dasjenige, was ihr als Gesellschafterin der Walter M KG, bei der Auseinandersetzung zukommt, wobei an die Verpflichtete das Gebot erlassen wurde, sich jeder Verfügung über den Auseinandersetzungsanspruch zu enthalten; der genannten Gesellschaft wurde verboten, auf Grund dieses Anspruches an die Verpflichtete zu leisten. Die Entscheidung über den Verwertungsantrag wurde vorbehalten.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahin ab, daß es den Exekutionsantrag zur Gänze abwies. Es vertrat hiezu im wesentlichen die Ansicht, aus dem Fahrnisexekutionsakt des Erstgerichtes E 4353/76 ergebe sich nicht, daß die betreibende Gläubigerin fruchtlos Fahrnisexekution gegen die Verpflichtete geführt habe. Es liege daher die im § 135 HGB vorgeschriebene Voraussetzung für die Zulässigkeit der beantragten Exekution nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß Art. 7 Nr. 11 EVHGB, RGBl. 1938 I, 1999, sind Ansprüche des Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft auf dasjenige, was ihm bei der Auseinandersetzung zukommt, pfändbar. Dies gilt auch für den Auseinandersetzungsanspruch des Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft (§ 161 Abs. 2 HGB).

Im vorliegenden Fall führt die betreibende Gläubigerin (als Privatgläubigerin) zur Hereinbringung einer Geldforderung Exekution auf den Auseinandersetzungsanspruch der Verpflichteten als Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft. Auf dieses Objekt kann ohne Zweifel weder nach §§ 87-248 EO noch nach §§ 249-329 EO Exekution geführt werden. Es kommt daher nur eine Exekutionsführung nach §§ 331 ff. EO (vierte Abteilung des zweiten Titels des zweiten Abschnittes der Exekutionsordnung) in Frage. Diese Auffassung wurde schon während der Geltung des AHGB (Art. 119 und 126) allgemeinvertreten (Kollross, Die Exekution auf Vermögensrechte und Unternehmungen, 95 f.; Neumann - Lichtblau[3], 1042; Heller - Trenkwalder[3], 1191; Pollak, System[2], 839; Walker, Österreichisches Exekutionsrecht[4], 318; Adler - Clemens, 787, 1619). Im Widerspruch hiezu hat der OGH in der Entscheidung SZ 23/254 (und. dieser folgend in den Entscheidungen EvBl. 1965/220; JBl. 1965, 322 und EvBl. 1969/80, ähnlich 1 Ob 50/50 = JBl. 1950/555; 1 Ob 465/50 und 2 Ob 269/51) die Ansicht vertreten, daß die Exekution auf einen Auseinandersetzungsanspruch im Sinne des Art. 7 Nr. 11 EVHGB nicht nach §§ 331 und 333 EO, sondern nur nach § 135 HGB zu führen sei. Nach letzterer Bestimmung kann ein Privatgläubiger eines Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft, der auf Grund eines "nicht bloß vorläufig vollstreckbaren Schuldtitels" die Pfändung und Überweisung des Anspruches auf dasjenige erwirkt hat, was dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung zukommt, nachdem innerhalb der letzten sechs Monate eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Gesellschafters ohne Erfolg versucht ist", die Gesellschaft ohne Rücksicht darauf, ob sie für bestimmte oder unbestimmte Zeit eingegangen ist, sechs Monate vor dem Ende des Geschäftsjahres für diesen Zeitpunkt kundigen. Nach der in der Entscheidung SZ 23/254 vertretenen Rechtsansicht sind also bei der Exekution auf einen Auseinandersetzungsanspruch eines Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft nicht die Bestimmungen des zweiten Abschnittes der Exekutionsordnung, sondern - was das besondere Verfahren anbelangt - nur die Bestimmungen des § 135 HGB anzuwenden. Zur Begründung dieser Ansicht wurde die sich auf einen anders gelagerten Sachverhaltbeziehende Entscheidung SZ 9/142 herangezogen, in der die unbedenkliche und damals durch Art. 119 AHGB gedeckte Auffassung vertreten worden war, daß der "Geschäfts(Gesellschafts)-anteil" des Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft überhaupt nicht Gegenstand einer Exekution zur Hereinbringung einer Geldforderung gegen diesen Gesellschafter sein könne. Weiter wurde ausgeführt, daß im Falle der Exekutionsführung nach den §§ 331 und 333 EO die Bestimmung des § 135 HGB umgangen werden könnte. Es wurde hiebei aber verkannt, daß § 135 HGB nicht neue, die Anwendung der Bestimmungen der Exekutionsordnung ausschließliche Verfahrensregeln schaffen sollte. Die Auflösung der Gesellschaft bzw. die Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses mit dem ausscheidenden Gesellschafter (Verpflichteter) kann im übrigen nicht nur durch Kündigung nach § 135 HGB, sondern auch aus anderen gesetzlichen Gründen erfolgen (vgl. Ulmer in RGRKomm. zum HGB[3] II/1, 430). Das Kündigungsrecht nach § 135 HGB könnte auch von einem Vorpfandgläubiger ausgeübt werden.

§ 135 HGB stellt somit nur eine Sonderbestimmung für das Kündigungsrecht des auf den Auseinandersetzungsanspruch Exekution führenden Privatgläubigers eines Gesellschafters dar. Dieser Bestimmung kommt demnach für das Exekutionsverfahren, insbesondere für dessen Bewilligung, keine Bedeutung zu (Heller - Berger - Stix, 2384 ff.), weil das Kündigungsrecht nicht im Rahmen des Exekutionsverfahrens ausgeübt werden kann. Der Hinweis im § 135 HGB auf die erforderliche "Pfändung" und "Überweisung" des Auseinandersetzungsanspruches bedeutet bloß, daß Pfändung und Überweisung Voraussetzungen für die Ausübung des Kündigungsrechtes nach § 135 HGB sind, nicht aber, daß die Exekution auf den Auseinandersetzungsanspruch "durch Pfändung und Überweisung nach § 135 HGB" durchzuführen ist. Diese Bestimmung ist also dahin auszulegen, daß unter "Pfändung und Überweisung" - ebenso wie schon früher zur Zeit der Geltung des Art. 126 AHGB unter "Exekution" - die Pfändung nach § 331 EO und die "Ermächtigung" nach § 333 EO zu verstehen ist. Letztere Vollzugsmaßnahme wird auch in der österreichischen Rechtssprache gelegentlich als "Überweisung zur Einziehung" bezeichnet (Kollross a. a. O.; 88; Pollak a. a. O., 1005 f). Ohne Anwendung der besonderen Bestimmungen der §§ 331 ff. EO, sondern bloß gestützt auf § 135 HGB, wäre im übrigen eine Exekution auf einen Auseinandersetzungsanspruch eines Gesellschafters einer Handelsgesellschaft gänzlich undurchführbar, weil § 135 HGB keinerlei Bestimmungen darüber enthält, worin die dort erwähnte "Pfändung und Überweisung" bestehen, welche Rechte diese Vollzugsmaßnahmen gewähren und wie sie durchzuführen sind.

Der erkennende Senat schließt sich daher der vor der Entscheidung SZ 23/254 in Lehre und Rechtsprechung vertretenen Rechtsansicht an, daß die Exekution auf den Auseinandersetzungsanspruch eines Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft nach den Bestimmungen der §§ 331 ff. EO zu führen ist. Die Bewilligung der Exekution (Pfändung) hat ohne Bedachtnahme auf die Sonderbestimmung des § 135 HGB über das Kündigungsrecht des Privatgläubigers des Gesellschafters (Verpflichteten) zu geschehen. Die vorausgegangene fruchtlose Exekution in das bewegliche Vermögen des Verpflichteten ist somit keine Voraussetzung für die Bewilligung der Exekution (Pfändung) auf den Auseinandersetzungsanspruch des Gesellschafters (vgl. hiezu Adler - Clemens, 1619, und Stein - Jonas a. a. O., § 859 II, 1, Anm. 23).

Das Erstgericht hat daher den Antrag der betreibenden Gläubigerin auf Pfändung des Auseinandersetzungsanspruches der Verpflichteten als Gesellschafterin der oben näher bezeichneten Kommanditgesellschaft ohne Prüfung der Frage, ob der gegenständlichen Exekution eine erfolglose Fahrnisexekution gegen die Verpflichtete innerhalb von sechs Monaten vorangegangen ist, stattgeben müssen, weil die in der Exekutionsordnung geforderten Voraussetzungen nach dem Vorbringen im Exekutionsantrag und nach den hiezu vorgelegten Urkunden (Exekutionstitel und Nachweis der Rechtsnachfolge nach § 9 EO) gegeben sind. Die vom Erstgericht bewilligte Pfändung des Auseinandersetzungsanspruches der Verpflichteten entspricht den Bestimmungen des § 331 Abs. 1 EO. Die Entscheidung über den Verwertungsantrag hat das Erstgericht zutreffend vorbehalten (§ 331 Abs. 2 EO).

Es war daher der Exekutionsbewilligungsbeschluß des Erstgerichtes zur