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OGH vom 20.02.2019, 3Ob251/18k

OGH vom 20.02.2019, 3Ob251/18k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei E***** S.r.I., *****, Italien, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberg, Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in Graz, wider die verpflichtete Partei L***** d.o.o., *****, Slowenien, vertreten durch Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 53.101,61 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 17 R 102/18y-24, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 10 E 1968/18t-9, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs gegen Punkt a) der Rekursentscheidung wird Folge gegeben und der erstgerichtliche Beschluss in seinem Punkt 1. (Vollstreckbarerklärung) wiederhergestellt.

Der betreibenden Partei werden die Kosten des Antrags auf Vollstreckbarerklärung mit 763,62 EUR (darin enthalten 127,27 EUR an USt), der Rekursbeantwortung mit 1.869,12 EUR (darin enthalten 311,52 EUR an USt) und des Revisionsrekurses mit 2.242,62 EUR (darin enthalten 373,77 an USt) als (weitere) Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Am erließ das Zivil- und Strafgericht Vicenza – Außenstelle Schio (VI)/Tribunale Civile e Penale di Vicenza – Sezione Distaccata di Schio (VI) über Antrag der Betreibenden, einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Italien, den Mahnbescheid/decreto ingiuntivo zur Zahl 894/08, mit dem die Verpflichtete, eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Slowenien, zur Zahlung von 53.101,61 EUR sA an die Betreibende binnen 50 Tagen ab Zustellung aufgefordert wurde.

Am bescheinigte das italienische Gericht gemäß Art 54 und 58 EuGVVO, dass der am erlassene Mahnbescheid der verpflichteten Partei am zugestellt wurde und im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist (Art 38 und 58 EuGVVO).

Auf Antrag der Betreibenden erklärte das Erstgericht mit Beschluss vom den Exekutionstitel in Österreich für vollstreckbar (Punkt 1.) und bewilligte ihr wider die Verpflichtete zur Hereinbringung von 53.101,61 EUR sA die Forderungsexekution nach § 294 EO sowie die Exekution nach § 331 ff EO durch Pfändung der Geschäftsanteile der Verpflichteten an der L***** GmbH (Punkt 2.).

Dagegen erhob die Verpflichtete einen Rekurs, in dem sie geltend machte:

Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs der Republik Slowenien vom sei die Vollstreckbarerklärung desselben Titels aufgrund eines Verstoßes gegen den ordre public abgelehnt worden. An diese Entscheidung sei auch die österreichische Justiz gebunden, womit ein Anerkennungshindernis iSd Art 34 Nr 3 EuGVVO aF vorliege.

Der Zahlungsbefehl sei ihr am mit folgender Rechtsbelehrung zugestellt worden: „Dem berufenen Unternehmen wird eine 50-tägige Frist ab Zustellung dieses Bescheides gegeben, um eine Opposition bei diesem Gericht vorzulegen, gemäß Art 645 z.c.p., mit dem Hinweis, falls keine Zahlung erfolgt oder in der oben angegebenen Frist keine Opposition vorgelegt wird, mit einer Zwangsvollstreckung fortgefahren wird.“ Innerhalb der 50-tägigen Frist (Zustellung an das italienische Gericht am ) habe die Verpflichtete unvertreten „Berufung“ eingelegt und beantragt, die Frist weiter zu verlängern. Die Berufung sei vom italienischen Gericht nicht berücksichtigt worden, der Vorsitzende habe lediglich den Amtsvermerk am Schriftsatz notiert: „Der Richter hat die vorderseitige Eingabe gelesen und festgestellt, dass er die Frist bestimmt in § 641 Gesetz vom Prozessverfahren, nicht verlängern kann. Aufgrund des genannten Grundes wird der Antrag abgelehnt.“ Eine Zustellung an die Verpflichtete sei nicht erfolgt. Obgleich die Verpflichtete entsprechend der
– fehlerhaften – Rechtsmittelbelehrung auf den Zahlungsbefehl reagiert habe, sei die Vollstreckbarkeit zu Unrecht bestätigt worden. Das italienische Gericht wäre verpflichtet gewesen, sich mit der schriftlichen Eingabe der Verpflichteten inhaltlich auseinanderzusetzen, allenfalls ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Damit sei das rechtliche Gehör der Verpflichteten und ihr Grundrecht auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK bzw Art 47 GRC grob verletzt worden, was einen Verstoß gegen den ordre public nach der EuGVVO aF darstelle.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss sowohl zur Vollstreckbarerklärung (Punkt a) als auch zur Exekutionsbewilligung (Punkt b) im Sinne einer Abweisung ab. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zur verweigerten Vollstreckbarerklärung zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob es einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public bedeute, wenn eine Partei zwar die Möglichkeit gehabt habe, sich am Titelverfahren zu beteiligen, von ihr eingebrachte Eingaben aber unberücksichtigt blieben; mangels erheblicher Rechtsfrage sei der Revisionsrekurs zur abgelehnten Exekutionsbewilligung nicht zulässig.

Eine Bindung an die Verweigerung der Vollstreckbarerklärung durch den Obersten Gerichtshof der Republik Slowenien bestehe nicht. Im Titelverfahren sei aber nicht sichergestellt worden, dass für die Verpflichtete die Möglichkeit bestanden habe, sich effektiv am Verfahren zu beteiligen. Obwohl sie – schon aus der Bezeichnung als „Berufung“ – eindeutig erkennbar „Opposition“ gegen den Mahnbescheid erheben habe wollen, sei über diesen Schriftsatz vom italienischen Gericht weder durch Ab-, noch durch Zurückweisung entschieden oder Anlass für ein Verbesserungsverfahren gesehen worden. Damit sei die Verpflichtete aber nicht in der Lage gewesen, ihre Rechte vor dem Erlass der vollstreckbaren Entscheidung geltend zu machen. Dass für die „Berufung“ gegen den Mahnbescheid nach italienischem Recht Anwaltspflicht bestanden hätte, ändere daran nichts, sei doch die Verpflichtete darüber nicht belehrt worden.

Ausdrücklich nur gegen die Abweisung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung (arg „bezüglich des Punktes a“) richtet sich der Revisionsrekurs der Betreibenden mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Betreibende übernimmt die Zulassungsbegründung des Rekursgerichts und erblickt weitere erhebliche Rechtsfragen darin, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Situation fehle, wo der Schuldner einen Rechtsbehelf eingelegt habe, dem nicht Folge gegeben worden sei, sowie zur Frage, ob eine Vollstreckbarerklärung eines italienischen Mahnbescheids gegen den ordre public verstoße.

Die Verpflichtete habe nicht entsprechend der Bestimmung des Art 645 der italienischen Zivilprozessordnung Einspruch erhoben. Ein Verstoß gegen den ordre public sei nur dann zu bejahen, wenn die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung mit der österreichischen Rechtsordnung völlig unvereinbar wäre, was hier nicht der Fall sei. Der Verpflichteten als unternehmerisch tätige Kapitalgesellschaft sei es offen gestanden, im Titelverfahren die ihr erläuterte Möglichkeit zu nützen, binnen der Frist von 50 Tagen Einspruch zu erheben, der, wie in allen richterlichen Verfahren in Italien üblich, anwaltlich unterfertigt zu sein habe. Durch die Missachtung der Formvorschriften (Brief statt Klage, fehlende Anwaltsunterschrift) und ein untaugliches Vorbringen (Antrag auf Verlängerung einer unerstreckbaren Frist) sei dies schuldhaft unterlassen worden. Es sei ihr auch zumutbar gewesen, die in der Rechtsmittelbelehrung zitierten Normen nachzuschlagen oder sich durch eine rechtsfreundliche Erläuterung erklären zu lassen. Selbst wenn man eine unvollständige Rechtsmittelbelehrung annehmen würde, sei ein dadurch begründeter Verstoß gegen den ordre public bereits ausdrücklich verneint worden.

Die Verpflichtete bestreitet in ihrer Revisionsrekursbeantwortung die Zulässigkeit des Revisionsrekurses und tritt diesem auch inhaltlich entgegen. In der Rechtsmittelbelehrung sei weder ein Hinweis auf die notwendige Vertretung durch einen Rechtsanwalt enthalten noch auf die Notwendigkeit einer Begründung der „Opposition“. Sie habe eine solche „Opposition“ in Form der eingebrachten Berufung erhoben. Das Ablegen des Aktes ohne Gewährung einer Möglichkeit einer Verbesserung und ohne Verständigung der Verpflichteten bedeute, dass ihr rechtswidrig die Möglichkeit genommen worden sei, sich gegen die unberechtigten Ansprüche der betreibenden Partei zur Wehr zu setzen, indem sie de facto vom Verfahren ausgeschlossen worden sei.

Der Revisionsrekurs der Betreibenden ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Vorauszuschicken ist:

1.1. Mit der EO-Nov 2016, BGBl I Nr 100/2016, erhielten die § 79 bis 84 EO die Bezeichnungen § 406 bis 411 (Art I Z 21). Nach der Übergangsbestimmung des § 447 Abs 2 EO traten die § 403 bis 421 EO mit in Kraft (Abs 2); § 411 in der nF ist aber (nur) anzuwenden, wenn – wie hier – der ausländische Exekutionstitel nach dem für vollstreckbar erklärt wird (§ 447 Abs 10 EO). Der vorliegende erstgerichtliche Beschluss datiert vom .

1.2. Einigkeit besteht zu Recht dahin, dass auf das vorliegende Vollstreckbarerklärungsverfahren die Bestimmungen der EuGVVO aF anzuwenden sind (Art 66 Abs 1 EuGVVO 2012: Einleitung des Titelverfahrens vor dem ). (Nur) ein in einem ex-parte-Verfahren (ohne Beteiligung des Gegners) ergangener italienischer Mahnbescheid wäre keine anerkennungsfähige Entscheidung iSd Art 32 EuGVVO (3 Ob 123/12b = RIS-Justiz RS0128357 = RS0113663 [T6]). Ein solcher Fall liegt aber schon wegen der unstrittigen Zustellung des Mahnbescheids an die Verpflichtete, verbunden mit der Möglichkeit „Opposition“ zu erheben, nicht vor.

1.3. Schon nach dem Rekursvorbringen war davon auszugehen, dass die Verpflichtete mit ihrer – im vorliegenden Verfahren nicht vorgelegten – Eingabe an das italienische Titelgericht keine inhaltlichen Einwendungen gegen die dem Mahnbescheid zugrunde liegende Klageforderung erhoben hat, sondern bloß einen Fristverlängerungsantrag, der als „Opposition“ oder „Berufung“ betitelt war.

Aber auch in dritter Instanz tritt die Verpflichtete der Behauptung der Betreibenden im Revisionsrekurs, die Verpflichtete habe nur einen Brief mit der Bitte um Erstreckung einer unerstreckbaren Frist eingebracht, nur insoweit entgegen, als sie behauptet, die Rechtsmittelbelehrung habe einen Hinweis auf die Notwendigkeit einer Begründung der „Opposition“ nicht enthalten.

Somit ist die eingangs dargestellte Auslegung des Rekursvorbringens als von der Verpflichteten zugestanden anzusehen.

1.4. Die Tatsachenbehauptungen im Rekurs der Verpflichteten zum Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids (= ), zum Inhalt der vom Titelgericht gegebenen Rechtsmittelbelehrung, zum Zeitpunkt des Eingangs des Fristverlängerungsantrags beim Titelgericht (= ), zum Inhalt des vom Titelgericht verfassten Aktenvermerks (im Sinne einer Begründung der Ablehnung einer Fristverlängerung ausschließlich wegen nicht erstreckbarer Frist) und zur unterbliebenen Zustellung dieser Entscheidung blieben von der Betreibenden ohne jede Bestreitung und sind daher ebenfalls als zugestanden anzusehen.

1.5. Ausgehend von der Zustellung des Mahnbescheids am endete somit die 50-tägige Frist für eine „Opposition“ am Samstag, dem . Es ist daher von einem Fristende mit Ablauf des auszugehen.

2. Nach Art 34 Nr 1 EuGVVO aF (der mit Art 45 Abs 1 lit a EuGVVO 2012 beibehalten wurde) wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde. Dem Wortlaut nach ist der ordre public des Zweitstaats, also des Anerkennungsstaats entscheidend (3 Ob 242/05t; RISJustiz RS0121001; G. Kodek in Czernich/Tiefenthaler/Kodek Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht³ Art 34 EuGVVO Rz 5 uva).

2.1. Schon daraus folgt, dass eine Anerkennung nicht mit der Begründung verweigert werden kann, sie verstoße gegen den ordre public eines dritten Staats. Abgesehen davon sind Exequaturentscheidungen grundsätzlich nicht anzuerkennen (Rassi in Fasching/Konecny2 Art 32 EuGVVO Rz 28 ff mwN). Daher besteht auch keine Bindung, wenn ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats das Vorliegen eines ordre public-Verstoßes bejaht oder verneint hat (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht³ Art 34 EuGVVO Rz 34a mwN und Rz 43).

Aus den genannten Gründen kommt der von der Verpflichteten ins Treffen geführten Entscheidung des slowenischen Höchstgerichts im vorliegenden Verfahren keine bindende Wirkung zu; vielmehr haben die österreichischen Gerichte den geltend gemachten Verstoß selbständig und anhand des ordre public Österreichs zu beurteilen.

2.2. Ein solcher Verstoß wäre nur dann zu bejahen, wenn die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung mit der österreichischen Rechtsordnung völlig unvereinbar wäre. Dazu müsste der Verstoß gegen die öffentliche Ordnung offensichtlich sein, was verdeutlicht, dass dieser Versagungsgrund nur in Ausnahmefällen geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0121001). Es handelt sich um eine Ausnahmeregel, von der nur sparsamster Gebrauch gemacht werden darf. Eine Vollstreckung ist nur zu versagen, wenn dem Exekutionstitel mit der inländischen Rechtsordnung vollkommen unvereinbare ausländische Rechtsgedanken zugrunde liegen und daher die Vollstreckbarkeit des ausländischen Titels mit der inländischen Rechtsordnung völlig unvereinbar ist (RIS-Justiz RS0002402). Eine schlichte Unbilligkeit des Ergebnisses genügt ebensowenig wie der bloße Widerspruch zu zwingenden österreichischen Vorschriften. Gegenstand der Verletzung müssen vielmehr Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung sein (RIS-Justiz RS0110743). Als Faustregel gilt, dass das Ergebnis der Anerkennung der Entscheidung nach der inländischen Rechtsordnung schlicht untragbar wäre (Rassi in Fasching/Konecny² Art 34 EuGVVO Rz 14 mwN).

2.3. Beim hier zu beurteilenden verfahrensrechtlichen ordre public ist in erster Linie nicht an eine unfaire Verfahrensordnung, sondern an grobe Pannen im gerichtlichen Verfahren gedacht, also an Verstöße gegen das Verfahrensrecht des Titelstaats. Gröbste, nicht mehr sanierbare Fehler im Verfahren des Entscheidungsstaats hindern die Anerkennung dann, wenn von einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren, einem fair trial, nicht mehr die Rede sein kann. Im Zentrum stehen dabei die durch Art 6 EMRK ausgedrückten verfahrensrechtlichen Garantien, insbesondere das Recht auf Gehör, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts und der Grundsatz der Waffengleichheit (Rassi in Fasching/Konecny² Art 34 EuGVVO Rz 21 mwN; Geimer in Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht³ Art 34 EuGVVO Rz 24 f). Zu bejahen wäre ein Verstoß gegen den ordre public also nur dann, wenn die Verfahrensrechte einer Partei in unerträglicher Weise beschnitten worden sind (3 Ob 250/01p). Dafür ist stets das ausländische Verfahren als Ganzes und anhand sämtlicher Umstände zu beurteilen (Leible in Rauscher EuZPR/EuIPR [2011] Art 34 EuGVVO Rz 13 mN aus der Rsp des EuGH).

2.4. Auch die Vorenthaltung des rechtlichen Gehörs nach dem Stadium der Verfahrenseinleitung (vgl Art 34 Nr 2 EuGVVO aF) kann den prozessualen ordre public auslösen, jedoch ist die Anerkennung nur dann zu versagen, wenn es insgesamt an einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren fehlt. Denn im ordnungsgemäß eingeleiteten Verfahren im Ursprungsstaat obliegen dem Beklagten Mitwirkungspflichten. Daher ist die Aufgreifschwelle bei behaupteten Verfahrensverletzungen hoch (Hess in Schlosser/Hess EU-Zivilprozessrecht4 Art 45 EuGVVO 2012 Rz 14). In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass es einer Partei nach Zustellung der in einem anderen Staat eingebrachten Klage zumutbar ist, sich über die für ihre Rechtsverteidigung bedeutsame Rechtslage im anderen Staat auch ohne eine gerichtliche Rechtsbelehrung aus eigenem Antrieb zu informieren (3 Ob 250/01p = RIS-Justiz RS0116062). Geimer (in Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht³ Art 34 EuGVVO Rz 27) vertritt, dass ein Beklagter, der ordnungsgemäß über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen ihn unterrichtet wurde, aber passiv bleibe, es sich selbst zuzuschreiben habe, wenn ein Versäumungsurteil ergehe; werde es nicht zugestellt, sei es seine Sache, sich über den Verlauf und den Ausgang des Prozesses zu informieren und gegebenenfalls für eine rechtzeitige Rechtsmitteleinlegung zu sorgen.

3. Der Verpflichteten ist der Nachweis einer im dargelegten Sinn unerträglichen Beschneidung ihrer Verfahrensrechte aus folgenden Gründen nicht gelungen:

3.1. Worin die im Rekurs unsubstantiiert behauptete Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung konkret gelegen sein soll, wird von der Verpflichteten nicht offengelegt (vgl im Übrigen Punkt 3.5.).

3.2. Ebenso wenig nachvollziehbar ist ihr Vorwurf, das italienische Gericht wäre verpflichtet gewesen, sich mit ihrer schriftlichen Eingabe inhaltlich auseinanderzusetzen, allenfalls ein Verbesserungsverfahren einzuleiten.

Einwendungen gegen die Klageforderung wurden im Schriftsatz der Verpflichteten unstrittig nicht erhoben. Die Auseinandersetzung mit dessen einzigem Inhalt (Antrag auf Fristverlängerung) ergibt sich daraus, dass die betroffene Frist als unerstreckbar angesehen wurde. Darin erblickt nicht einmal die Verpflichtete einen Rechtsirrtum, sodass diese Rechtslage in Italien zu unterstellen ist.

Worin die Verbesserung eines inhaltlich unzulässigen Antrags bestehen sollte, bleibt auch nach dem Rekursvorbringen im Dunkeln.

3.3. Selbst wenn man auf den erst in der Revisionsrekursbeantwortung erhobenen Vorwurf eingehen wollte (vgl aber die in § 411 Abs 2 Z 2 EO normierte Eventualmaxime), es sei weder ein Hinweis auf die notwendige Vertretung durch einen Rechtsanwalt enthalten noch auf die Notwendigkeit einer Begründung der „Opposition“, wäre für die Verpflichtete nichts gewonnen.

Die Nichteinhaltung einer Anwaltspflicht war kein Grund für die Erfolglosigkeit des Antrags.

Auch wenn der Antrag als „Opposition“ oder „Berufung“ betitelt war, dennoch aber nur das Begehren auf Fristerstreckung beinhaltete, stellt die (erkennbare) Auslegung dieser Prozesshandlung der Verpflichteten durch das Titelgericht dahin, dass nur ein Fristerstreckungsantrag vorliege, eine keinesfalls willkürliche Beurteilung dar, die wegen des Verbots der revision au fond (Art 36 und 45 Abs 2 EuGVVO aF; Rassi in Fasching/Konecny² Art 34 EuGVVO Rz 17; RIS-Justiz RS0002409) nicht zu hinterfragen ist.

3.4. Zwar mag in der unterbliebenen Zustellung der Ablehnung der Fristverlängerung ein Verfahrensfehler liegen.

Dessen Auswirkungen auf die Möglichkeit der Verpflichteten, den Eintritt der Vollstreckbarkeit des Mahnbescheids zu verhindern, sind allerdings als vernachlässigbar zu beurteilen. Denn die Verpflichtete behauptet gar nicht, eine Zustellung hätte ihr die Chance verschafft, noch rechtzeitig „Opposition“ zu erheben. Auch eine – angesichts der unerstreckbaren Frist schon von vornherein unplausible – Fristhemmung allein durch Stellung des Antrags behauptet die Verpflichtete nicht. Insgesamt ist daher eine relevante Verbesserung der Verfahrensposition der Verpflichteten durch eine Zustellung der die Fristverlängerung ablehnenden Entscheidung nicht erkennbar. Davon, dass die Verpflichtete dadurch vom Verfahren ausgeschlossen worden wäre, kann jedenfalls keine Rede sein.

3.5. Die Verpflichtete hatte durch die ordnungsgemäße Zustellung des Mahnbescheids Kenntnis sowohl vom Verfahren als auch von der Notwendigkeit, im Bestreitungsfall beim Titelgericht aktiv zu werden.

Demgemäß ist es hier – wie bereits dargestellt(s Punkt 2.4.) – geboten und zumutbar, von einer am unternehmerischen Geschäftsverkehr teilnehmenden Kapitalgesellschaft im Rahmen ihrer Pflicht zur Mitwirkung am gegen sie eingeleiteten Verfahren zu verlangen, sich angesichts einer naturgemäß knapp zu haltenden gerichtlichen Rechtsbelehrung innerhalb der großzügig bemessenen Frist von sieben Wochen über die für ihre Rechtsverteidigung bedeutsame Rechtslage im benachbarten EUMitgliedstaat, in dem sie offensichtlich auch geschäftlich tätig war, zu informieren und dementsprechend zu handeln. Dennoch begnügte sich die Verpflichtete mit einem ohne Rechtsvertretung knapp vor Fristende eingebrachten bloßen Fristerstreckungsantrag. Dies, obwohl auch einem Rechtsunkundigen klar sein musste, dass dieser Rechtsbehelf schon begrifflich einer „Opposition“, also einem Auftreten gegen die im Mahnbescheid genannte Geldforderung, nicht entspricht. Die schon seinerzeit voraussehbare und tatsächlich eingetretene Konsequenz, dass im Titelverfahren deshalb vom Unterbleiben einer fristgerechten „Opposition“ ausgegangen und – wie angekündigt – die Vollstreckbarkeit des Mahnbescheids angenommen werde, hat sich die Verpflichtete letztendlich daher selbst zuzuschreiben.

4. Zusammenfassend ergibt eine Gesamt-betrachtung des ausländischen Verfahrens und der angesprochenen Begleitumstände, dass – gemessen am österreichischen ordre public – weder eine unerträgliche Beschneidung der Verfahrensrechte der Verpflichteten (insbesondere auf rechtliches Gehör) erfolgte noch durch die Vollstreckbarerklärung des Mahnbescheids ein in Österreich untragbares Ergebnis zu konstatieren ist:

Gilt doch auch für Österreich, dass die Einspruchsfrist gegen den Zahlungsbefehl im Mahnverfahren nicht erstreckbar ist (§ 248 Abs 2 ZPO), und dass einem Fristverlängerungsantrag keine aufschiebende Wirkung zukommt. Solange der Antrag nicht bewilligt ist, wird die Frist nicht erstreckt. Eine Frist wird also nicht bereits ipso facto durch die Stellung des Verlängerungsantrags bis zu dessen rechtskräftiger Erledigung verlängert (2 Ob 161/11g mwN = RIS-Justiz RS0036620 [T2]). Die Stellung eines unzulässigen Fristverlängerungsantrags im Mahnverfahren verhindert somit auch in Österreich nicht den Ablauf der Einspruchsfrist, und auch hier hat eine fehlerhafte oder unterbliebene Rechtsmittelbelehrung auf den Lauf von Rechtsmittelfristen keinen Einfluss (vgl RIS-Justiz RS0036701; RS0109747). Ein gleichartiges Prozessverhalten der Verpflichteten hätte daher auch in Österreich zum Eintritt der Vollstreckbarkeit eines Zahlungsbefehls geführt.

5. Dasich somit die erstgerichtliche Vollstreckbarerklärung für Österreich als zutreffend erweist, ist die Rekursentscheidung in ihrem Punkt a) in diesem Sinne abzuändern. Eine Bekämpfung der Abweisung des Antrags auf Exekutionsbewilligung (Punkt b der Rekursentscheidung) ist in dritter Instanz jedoch nicht erfolgt, weshalb es dabei bleiben muss.

Die Rechtskraft dieser Abweisung durch das Rekursgericht steht einem neuerlichen Antrag aber nicht entgegen, weil die Vollstreckbarerklärung eine Sachverhaltsänderung bedeutet.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 410 Abs 2 iVm § 74 EO. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung allein ist jedoch nicht wie verzeichnet, sondern nur nach TP 2 RATG zu entlohnen, wobei das Vollstreckbarerklärungsverfahren gebührenfrei ist (Slonina in Angst/Oberhammer³ § 83 EO Rz 33; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner§ 410 EO Rz 13).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00251.18K.0220.000

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