OGH vom 26.01.2017, 3Ob251/16g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. S 2. A*****, 3. R*****, alle vertreten durch Dipl.iur. Mag. Dr. Daniel H.A. Rose, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen Anfechtung von Rechtshandlungen (Streitwert 12.078,64 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 119/16g21, womit das Urteil des Bezirksgerichts Neulengbach vom , GZ 2 C 993/15x17, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Drittbeklagte war Eigentümer einer Liegenschaft, die mit einer Höchstbetragshypothek von 110.000 EUR zu Gunsten einer Bank im ersten Rang belastet war. Zur Hereinbringung ihrer durch diese Höchstbetragshypothek besicherten titulierten Forderung von 144.735,21 EUR sA betrieb die Bank im Jahr 2013 die Zwangsversteigerung der Liegenschaft. Um die Versteigerung zu verhindern, kauften die Eltern des Drittbeklagten, der Erst- und die Zweitbeklagte, nach Vorliegen des im Exekutionsverfahren eingeholten Schätzgutachtens, das einen Verkehrswert von rund 63.500 EUR ergab, mit Notariatsakt vom die Liegenschaft um 50.000 EUR, wobei der gesamte Kaufpreis zur (teilweisen) Schuldtilgung des Drittbeklagten an die Bank geleistet wurde. Im Vertrag räumten der Erst- und die Zweitbeklagte dem Drittbeklagten ein lebenslanges und unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht an der Liegenschaft ein.
Die Bank stimmte dem Verkauf zu, weil sie die Chance, im Rahmen der Zwangsversteigerung einen höheren Betrag lukrieren zu können, als „nicht besonders hoch“ einschätzte; sie verzichtete deshalb im Rahmen des Verkaufs der Liegenschaft auf die weitere hypothekarische Sicherstellung des dem Drittbeklagten gewährten Kredits. Die nach wie vor einverleibte Höchstbetragshypothek haftet seither nicht mehr für die Forderung der Bank gegen den Drittbeklagten, sondern nur noch für eine Kreditforderung gegen den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte von 21.041,01 EUR; dabei handelt es sich um einen Kredit, den die Genannten bei der Bank zur teilweisen Finanzierung des Kaufpreises für die Liegenschaft aufnahmen.
Die Klägerin hat gegen den Drittbeklagten aufgrund eines Zahlungsbefehls vom eine seit vollstreckbare Forderung von 12.078,64 EUR sA. Eine von ihr zur Hereinbringung dieser Forderung betriebene Fahrnis- und Gehaltsexekution blieb bisher erfolglos.
Die begehrte, gestützt auf § 2 Z 3 AnfO, die Beklagten hätten zur Hereinbringung der titulierten Forderung der Klägerin jegliche Exekution in die Liegenschaft im Rang vor dem Wohnungsgebrauchsrecht des Drittbeklagten zu dulden.
Die wendeten ein, der Verkauf der Liegenschaft sei auf Druck und Initiative der Bank zur (teilweisen) Zins und Schuldtilgung erfolgt und nicht, um die Klägerin als Gläubigerin zu benachteiligen.
Das wies das Klagebegehren ab, weil die Anfechtung nicht befriedigungstauglich sei.
Das gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Veräußerung einer – wie hier – mit Pfandrechten überlasteten Liegenschaft sei weder nach der AnfO noch nach der IO anfechtbar, weil damit in der Regel keine Gläubigerbenachteiligung verbunden sei. Da der Wert der von der Anfechtung betroffenen Liegenschaft weniger als die Hälfte der titulierten Forderung der die Zwangsversteigerung betreibenden (erstrangigen) Hypothekargläubigerin ausmache, könne nicht davon ausgegangen werden, dass dem Drittbeklagten im Rahmen einer hypothetischen Meistbotsverteilung, zu der es ohne den Kaufvertrag wohl gekommen wäre, eine Hyperocha verblieben wäre, auf welche die Klägerin greifen hätte können. Im Ergebnis habe sich der Verkauf der Liegenschaft deshalb nicht zu Lasten des Schuldnervermögens ausgewirkt.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, inwieweit der Verzicht einer Hypothekargläubigerin auf die weitere pfandrechtliche Sicherstellung ihrer Forderung bei Veräußerung einer mit diesem Pfandrecht zweifellos überlasteten Liegenschaft die Anfechtung des Kaufvertrags ermögliche.
Rechtliche Beurteilung
Die der Klägerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage .
1. Nach § 2 AnfO sind (unter bestimmten weiteren Voraussetzungen) Rechtshandlungen anfechtbar, durch welche die Gläubiger des Schuldners benachteiligt werden. Ziel des Anfechtungsanspruchs ist es, jenen Zustand wiederherzustellen, in dem sich das Schuldnervermögen befände, wenn die anfechtbare Rechtshandlung nicht vorgenommen worden wäre (3 Ob 233/15h = RISJustiz RS0050372 [T2]).
2.1. Der Ansicht der Klägerin, sie sei durch den Verkauf der Liegenschaft (mittelbar) benachteiligt worden, weil diese jetzt nur noch verhältnismäßig geringfügig belastet sei und folglich Deckung für die titulierte Forderung der Klägerin böte, kann nicht gefolgt werden.
2.2. Im Zusammenhang mit der Anfechtung einer Liegenschaftsveräußerung darf zwar nicht leichtfertig angenommen werden, dass eine Verbesserung der Befriedigungsaussichten nicht zu erwarten ist; vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der Verkehrswert einer Liegenschaft großen Schwankungen unterliegt und das derzeit vielleicht überbelastete Objekt in absehbarer Zeit dem Anfechtungskläger doch noch gänzliche oder zumindest teilweise Deckung bieten kann. Es kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass vorrangige Hypotheken ganz oder teilweise getilgt werden, ohne dass ihr Rang sofort wieder ausgenützt wird (RISJustiz
RS0050533).
2.3. Der vorliegende Fall weist jedoch die Besonderheit auf, dass die Liegenschaft ohne den mit Zustimmung der Bank erfolgten Verkauf zwangsversteigert worden wäre. Die Klägerin hätte nur dann Befriedigung aus dem Meistbot erlangen können, wenn dieses den Verkehrswert der Liegenschaft um mehr als 100 % überstiegen hätte; wären doch zunächst insbesondere die gesamte betriebene Forderung der Bank und die Forderungen allfälliger vorrangiger Gläubiger zu begleichen gewesen. Da es keine Anhaltspunkte für die Annahme gibt, dass aufgrund spezieller Umstände ein den Verkehrswert so weit übersteigendes Meistbot erzielbar gewesen wäre, ist eine Benachteiligung der Klägerin durch den Verkauf der Liegenschaft – also ihre Schlechterstellung gegenüber ihrer Situation im hypothetischen Fall des Unterbleibens des Verkaufs – somit ausgeschlossen.
3. An dieser Beurteilung kann auch der von der Klägerin hervorgehobene Umstand nichts ändern, dass zum Zeitpunkt der Verbücherung des Kaufvertrags das auf der Liegenschaft haftende Höchstbetragspfandrecht bereits bis auf den Betrag von rund 21.000 EUR forderungsentkleidet war: Dies war nämlich nicht auf die Veräußerung der Liegenschaft, also eine Rechtshandlung der Beklagten, zurückzuführen, sondern allein auf die Disposition der Bank; diese hat nämlich – um einen Verkauf und damit die Erlangung zumindest teilweiser Befriedigung ihrer Forderung ohne vorherige Versteigerung der Liegenschaft (mit ungewissem Ausgang) zu ermöglichen und im Hinblick darauf, dass die vom Ersteher nicht zu übernehmende bücherliche Last auch im Fall des Zuschlags der Liegenschaft im Rahmen der Zwangsversteigerung letztlich gelöscht worden wäre (§ 237 Abs 3 EO) – auf die weitere pfandrechtliche Sicherstellung ihrer Forderung gegen den Drittbeklagten verzichtet.
4. Im Ergebnis wendet sich die Klägerin mit der Anfechtung also nicht gegen eine ihr widerfahrene Benachteiligung, sondern will von der Disposition eines Dritten – hier der Bank – profitieren, also eine Besserstellung gegenüber ihrer Rechtsposition vor Abschluss des Kaufvertrags erreichen. Nach der Rechtsprechung dient das Anfechtungsrecht aber nicht dazu, den Gläubigern Vorteile zu verschaffen, die sie ohne Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung nicht erzielt hätten (3 Ob 188/12m = RISJustiz RS0050372 [T1]).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RISJustiz RS0035979).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00251.16G.0126.000 |
Schlagworte: | 1 Generalabonnement,13 Anfechtungsrecht |
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