OGH vom 12.10.1949, 3Ob250/49

OGH vom 12.10.1949, 3Ob250/49

Norm

ABGB § 312;

ABGB § 431;

Außerstreitgesetz § 104;

Außerstreitgesetz § 145;

Außerstreitgesetz § 174;

Grundbuchsgesetz § 22;

Grundbuchsgesetz § 94;

Kopf

SZ 22/152

Spruch

Hat der Übernehmer auf Grund eines Übernahmsvertrages noch vor dem Tode des Übergebers den tatsächlichen Besitz ergriffen, so ist die Liegenschaft nicht in die Verlassenschaft des Übergebers einzubeziehen, auch wenn der Eigentumsübergang im Grundbuch noch nicht durchgeführt war.

Die abhandlungsbehördliche Genehmigung eines bücherlich noch nicht durchgeführten Übergabsvertrages ist nicht erforderlich.

Die nachfolgende Einantwortung ersetzt die fehlende abhandlungsbehördliche Genehmigung eines vom Erben namens der Verlassenschaft abgeschlossenen Vertrages.

Entscheidung vom , 3 Ob 250/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.

Text

Das Erstgericht faßte in der Verlassenschaftssache nach Matthias Sch. unter anderem den Beschluß, daß die Schätzung der Liegenschaft EZ. 40, Grundbuch F., angeordnet werde.

Der Rekurs des erblasserischen Sohnes Karl Sch., der sich gegen mehrere Punkte des erstrichterlichen Beschlusses richtete, bekämpfte vor allem die Einbeziehung der bezeichneten Liegenschaft in die Verlassenschaft mit der Begründung, daß ihm diese Liegenschaft mit notariellem Übergabsvertrag vor dem Tode des Erblassers übertragen worden sei. Das Rekursgericht, das dem Rekurs in anderen Punkten Folge gab, bestätigte hinsichtlich der Liegenschaft den erstrichterlichen Beschluß mit der Begründung, daß am Todestage des Erblassers die grundbücherliche Übertragung der Liegenschaft auf Karl Sch. auf Grund des Übergabsvertrages noch nicht durchgeführt war, die Liegenschaft somit in die Verlassenschaft des noch als Eigentümer eingetragenen Übergebers gehöre. Die im Punkt 2 des Übergabsvertrages enthaltene symbolische Übergabe reiche zur Erlangung des Besitzes durch den Übernehmer nicht aus. Der Erblasser sei bis zu seinem Tode im faktischen Besitze der Liegenschaft gewesen, da er darauf wohnte. Überdies wäre die abhandlungsbehördliche Genehmigung des Übergabsvertrages erforderlich gewesen.

Der Revisionsrekurs des Karl Sch. bekämpft diesen Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgerichte nach Vornahme der erforderlichen Feststellungen eine neue Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der erhobene Revisionsrekurs ist insofern begrundet, als das Rekursgericht bei seiner Entscheidung von der Rechtsansicht ausging, daß die Liegenschaft deshalb in die Verlassenschaft des Übergebers gehöre, weil bis zum Zeitpunkt seines Todes die grundbücherliche Einverleibung des Übergabsvertrages nicht erfolgt war. Das Rekursgericht folgt damit einer in der Österreichischen Juristenzeitung 1948 unter EvBl. Nr. 19 veröffentlichten Entscheidung des Landesgerichtes f. ZRS. Wien, in der die Rechtsansicht vertreten wird, daß die im grundbücherlichen Eigentum des Erblassers stehenden Liegenschaften in den Nachlaß gehören, wenn sie zwar zu Lebzeiten des Erblassers an dritte Personen verkauft wurden, aber der Eigentumsübergang noch nicht einverleibt worden ist.

Das Rekursgericht, das sich sonach der in dieser Entscheidung vertretenen Ansicht anschloß, setzt sich damit mit den Bestimmungen des § 22 GBG. in Widerspruch, für die eine außerbücherliche Übertragung von Liegenschaftsrechten die Voraussetzung ist. Der Oberste Gerichtshof hat in wiederholten Entscheidungen, so zu 1 Ob 645/47 u. a. den auch in der Lehre (s. Klang, 2. Aufl., II. Band, S. 362) vertretenen Rechtsstandpunkt eingenommen, daß die naturaliter übergebene Liegenschaft nicht in die Verlassenschaft des noch als Eigentümer im Grundbuche eingetragenen Übergebers gehört. Die Voraussetzung hiefür ist allerdings, daß die Liegenschaft tatsächlich übergeben worden ist.

Eine symbolische Übergabe, wie sie in Punkt 2 des Übergabsvertrages vereinbart ist, widerspricht den Bestimmungen des § 312 ABGB. Ob aber eine tatsächliche Übergabe im Sinne des § 312 ABGB. erfolgt ist, ist den Feststellungen der Untergerichte nicht zu entnehmen. Ergibt sich aber, daß der laut Übergabsvertrag Punkt 2 vereinbarten symbolischen Übergabe die tatsächliche Besitzergreifung durch den Übernehmer folgte, dann ist die Liegenschaft entsprechend den Vereinbarungen des Übergabsvertrages auf Karl Sch. übergegangen und durfte sonach nicht in die Verlassenschaft des Übergebers einbezogen werden, wenn auch der Eigentumsübergang im Grundbuche noch nicht durchgeführt war. Dann ist es aber für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses auch gleichgültig, ob der Übergeber weiterhin bis zu seinem Tode auf der Liegenschaft wohnte, da er den faktischen Besitz mit der Besitzergreifung durch den Übernehmer aufgegeben hat.

Das Rekursgericht vertritt nun aber auch die Ansicht, daß eine abhandlungsbehördliche Genehmigung des Übergabsvertrages erforderlich gewesen wäre. Aus dem angefochtenen Beschluß ist nicht ersichtlich, aus welchem Gründe es eine solche für erforderlich hält. Ist die Liegenschaft mangels außerbücherlichen Erwerbes durch den Übernehmer in die Verlassenschaft des Übergebers einzubeziehen, dann kommt eine abhandlungsbehördliche Genehmigung überhaupt nicht in Betracht, da der Übergabsvertrag allein und insbesondere die Bestimmung des Punktes 2 nicht ausreicht, außerbücherliche Rechte des Übernehmers darzutun. Ist aber die Besitznahme durch den Übernehmer noch vor dem Tode des Übergebers erfolgt, dann scheidet die Liegenschaft aus der Verlassenschaft aus und es bedarf einer Genehmigung durch das Verlassenschaftsgericht nicht, weil die beantragte Verbücherung nicht einen in die Verlassenschaft gehörigen Gegenstand betrifft. Bedenken im Sinne des § 94 Z. 2 GBG. können sich in diesem Falle nicht ergeben, da der Übergabsvertrag durch einen öffentlichen Notar in Anwesenheit des Übergebers und des Übernehmers errichtet worden war.

Nun hat allerdings Matthias Sch. mit dem Übergabsvertrag vom außer der ihm gehörigen Liegenschaftshälfte auch die ihm durch den vorhergegangenen Tod seiner Gattin angefallene zweite Liegenschaftshälfte übergeben. Hiezu wäre allerdings die Genehmigung des Verlassenschaftsgerichtes in der Verlassenschaftssache nach der Gattin des Matthias Sch. erforderlich gewesen, da im Zeitpunkt der Errichtung des Übergabsvertrages die Einantwortung ihres Nachlasses von Matthias Sch. noch nicht erfolgt war. Durch die vier Tage nach der Errichtung des Übergabsvertrages erfolgte Einantwortung wurde aber die fehlende abhandlungsbehördliche Genehmigung ersetzt und die Berechtigung des Matthias Sch. zur Verfügung über diese Liegenschaftshälfte dargetan. Auch in dieser Hinsicht ist sonach ein Mangel nicht vorhanden.

Es war sonach der erstrichterliche Beschluß im angefochtenen Punkt und der diesen bestätigende Beschluß des Rekursgerichtes aufzuheben und dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens und neue Entscheidung aufzutragen.