OGH vom 30.11.1994, 3Ob35/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei C*****-Bank*****, vertreten durch Dr.Erich Kadlec, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Mag.Franz J*****, vertreten durch Dr.Willi Fuhrmann ua Rechtsanwälte in Baden, wegen S 1,456.614,34 sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom , GZ R 360/92-32, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom , GZ E 5989/91-28, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die rekursgerichtliche Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Kosten der betreibenden Partei für den Revisionsrekurs werden mit S 18.055,80 (darin enthalten S 3.009,30 USt) bestimmt.
Text
Begründung:
Mit Beschluß vom bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von S 1,456.614,34 sA gegen die verpflichtete Partei die Exekution durch bücherliche Einverleibung des Pfandrechtes ob dem für die verpflichtete Partei auf der der Stefanie J***** gehörenden Liegenschaft EZ ***** KG M***** zu CLNr 2a eingetragenen Fruchtgenußrecht. Dem Verpflichteten wurde geboten, sich jeder Verfügung über das gepfändete Recht zu enthalten. Die Entscheidung über den Verwertungsantrag (Zwangsverwaltung) behielt es vor. Diesen Beschluß bekämpfte der Verpflichtete nicht.
Mit Beschluß vom , TZ 585/91, wurde vom Erstgericht aufgrund der Löschungserklärung vom die Einverleibung der Löschung des Fruchtgenußrechtes hinsichtlich des Verpflichteten mit dem Beisatz des § 51 GBG in Ansehung des für die vollstreckbare Forderung der betreibenden Partei einverleibten (After)Pfandrechtes bewilligt.
Am wurde die von der betreibenden Partei zwecks Klärung der Verwertungsart beantragte pfandweise Beschreibung des Fruchtgenußrechtes des Verpflichteten durchgeführt und vom Gerichtsvollzieher hiezu berichtet, daß dem Verpflichteten und seiner (geschiedenen) Ehefrau Ingrid J***** das Fruchtgenußrecht bezüglich der gesamten Liegenschaft eingräumt sei und die Liegenschaft von der Familie, bestehend aus den beiden Fruchtgenußberechtigten, zwei Kindern, der Liegenschaftseigentümerin (Mutter des Verpflichteten) und einer Schwester der Liegenschaftseigentümerin bewohnt werde.
Am beantragte der Verpflichtete die Abweisung des Verwertungsantrages der betreibenden Partei mangels eines verwertbaren Rechtes. Das auf der Liegenschaft einverleibte Fruchtgenußrecht sei seit Jahren nicht mehr aufrecht; er habe am eine beglaubigte Löschungserklärung unterfertigt. Daß diese Löschung erst am erfolgt sei, sei nicht in seiner Verfügungsgewalt gelegen gewesen.
Das Erstgericht bestellte mit Beschluß vom (ON 12) einen Zwangsverwalter und verwies den Verpflichteten mit seinen Einwendungen gegen die Pfändung und Verwertung hinsichtlich des tatsächlichen Bestandes des Fruchtgenußrechts auf den Zivilrechtsweg. Dagegen erhob der Verpflichtete Rekurs. Das Rekursgericht hob mit seinem Beschluß vom (ON 15) den erstgerichtlichen Beschluß bezüglich der Verweisung der Einwendungen des Verpflichteten auf den Zivilrechtsweg auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung auf. Die Einwände des Verpflichteten gegen die Exekution seien inhaltlich ein Einstellungsantrag nach § 39 Abs 1 Z 8 EO, über den nach Erhebungen vom Exekutionsgericht zu entscheiden sei.
Die betreibende Partei brachte nun vor, der vom Verpflichteten behauptete Verzicht auf das Fruchtgenußrecht sei rechtlich aus verschiedenen Gründen nicht wirksam. Nachdem am "Erhebungen über den Bestand des gepfändeten Fruchtgenusses" durchgeführt worden waren, in deren Verlauf der Verpflichtete seinen Einstellungsantrag ausdrücklich darauf gestützt hatte, daß bei Durchführung der Exekution nicht zu erwarten sei, die Kosten der Exekution könnten hereingebracht werden, erfolgte am die Einführung des Zwangsverwalters, bei der aber laut Protokoll die mitberechtigte Fruchtnießerin nicht unter den"Erschienenen" angeführt wurde und auch keine Erklärungen von ihr festgehalten wurden.
Mit Beschluß vom wies das Erstgericht den Antrag des Verpflichteten auf "Einstellung der Exekution" gemäß § 39 Abs 1 Z 8 bzw Abs 2 EO ab. Das gepfändete Fruchtgenußrecht des Verpflichteten sei im Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung aufrecht gewesen und auch tatsächlich ausgeübt worden. Das Recht sei im Grundbuch intabuliert; bei Einbringung des Exekutionsantrages habe darauf vertraut werden können, daß es auch tatsächlich bestehe. Dem Verpflichteten sei nicht gelungen glaubhaft zu machen, daß das Recht tatsächlich nicht mehr bestanden habe.
Das Rekursgericht hob mit dem angefochtenen Beschluß die Entscheidung des Erstgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000,-- S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es vertrat folgende Rechtsauffassung:
Seit dem Judikat 188 sei klargestellt, daß dem exekutiven Erwerb der Schutz des guten Glaubens nicht zukomme. Der Vertrauensgrundsatz solle bloß die Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs fördern, nicht aber einem betreibenden Gläubiger die Möglichkeit bieten, auf Güter zu greifen, die dem Verpflichteten nicht (mehr) gehörten. Daraus folge, daß sich die betreibende Partei, was die Frage nach dem Bestand des Exekutionsobjektes "Fruchtgenußrecht" anlange, nicht auf den Grundbuchsstand berufen könne. Damit habe man sich aber mit der Frage des vom Verpflichteten behaupteten Verzichtes auseinanderzusetzen. Da ein betreibender Gläubiger durch die Exekutionsführung keine bessere Rechtstellung als der Verpflichtete erlangen könne, dessen Recht er gepfändet habe, wäre im Fall eines inter partes wirksamen Verzichtes des Verpflichteten die Durchsetzung des Fruchtgenußrechtes und damit ein Ertrag nicht möglich, so daß ein Einstellungsgrund vorläge. Darüber fehlten Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung. Überdies hätten alle Beteiligten übersehen, daß nicht nur für den Verpflichteten allein, sondern auch für dessen frühere (geschiedene) Ehegattin ob der gesamten Liegenschaft ein Fruchtgenußrecht eingeräumt ist. Eine "Beschaffung" von vermietbaren Räumlichkeiten im Wege des § 105 EO, wie dies vom Zwangsverwalter beabsichtigt sei, erscheine dem Rekursgericht völlig ausgeschlossen. Denn es könne im Rechte Dritter, hier der fruchtgenußberechtigten früheren Ehegattin des Verpflichteten, nicht eingegriffen werden.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist berechtigt.
Die Pfändung des bücherlich eingetragenen Fruchtnießungsrechtes erfolgt durch Einverleibung des Pfandrechtes (SZ 46/17; GlUNF 4271; Heller-Trenkwalder3 1184 f; Rechberger-Simotta Exekutionsverfahren2 Rz 781; Holzhammer Zwangsvollstreckungsrecht4 368; Feil EO3 Rz 35 zu § 331 EO). Dies ist antragsgemäß geschehen. Dem betreibenden Gläubiger wurde rechtskräftig die Verwertung durch Zwangsverwaltung bewilligt. Gemäß § 334 Abs 2 EO sind auf deren Einleitung Vollziehung und Einstellung die Bestimmungen über die Zwangsverwaltung von Liegenschaften mit den in den §§ 335 bis 339 EO angegebenen Abweichungen sinngemäß anzuwenden. Der vorliegende Fall ist nun dadurch gekennzeichnet, daß sowohl dem Verpflichteten als auch seiner nunmehr von ihm geschiedenen Ehegattin auf der gesamten Liegenschaft in demselben Rang ein Fruchtgenußrecht eingeräumt wurde. Unter sinngemäßer Anwendung des § 99 Abs 3 EO hatte daher die am erfolgte Einführung des Zwangsverwalters nur nach Maßgabe der dem Verpflichteten zustehenden Besitzrechte zu erfolgen. Solche damals zu klären wurde nicht einmal versucht.
Der Verpflichtete hat nun jedenfalls spätestens am anläßlich der "Erhebungen über den Bestand des gepfändeten Fruchtgenußrechtes" entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs ausdrücklich die Einstellung der Exekution deshalb beantragt, weil bei deren Durchführung nicht zu erwarten sei, daß die Kosten der Exekution hereingebracht werden können. Er hat somit den Einstellungsgrund des § 39 Abs 1 Z 8 EO geltend gemacht. Ebenso verfehlt sind die Ausführungen der betreibenden Partei, selbst wenn ein wirksamer Verzicht des Verpflichteten vor Bewilligung der Exekution erfolgt wäre, wäre die betreibende Partei, in ihrem Vertrauen auf den Grundbuchstand geschützt. Die betreibende Partei übersieht dabei die ganz einhellige Lehre und Rechtsprechung, daß bei einem exekutiven Erwerb Gutglaubensschutz ausscheidet. Wer ein Befriedigungsobjekt sucht, handelt nicht im Vertrauen auf das Grundbuch (SZ 46/72; JB 188 = GlUNF 4499 zuletzt 5 Ob 17/94; Klang in Klang2 II 349, Heller-Berger-Stix 916 f; Mader in Schwimann ABGB Rz 2 zu § 1500).
Die Entscheidung des Erstgerichtes nämlich die Abweisung des Einstellungsantrages ist aber aus anderen, von ihm nicht angeführten Gründen zu billigen.
Aus der von Amts wegen wahrzunehmenden (Heller-Berger-Stix 513) Bestimmung des § 39 Abs 1 Z 8 EO läßt sich der Schluß ziehen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers überflüssige und damit zwecklose Exekutionen jederzeit einzustellen sind (Heller-Berger-Stix 125; Eder, Der Schuldnerschutz in der gerichtlichen Exekution 29). Das Exekutionsverfahren soll zur Befriedigung des Gläubigers dienen und führen, nicht aber ein Druckmittel gegen den Verpflichteten sein (RZ 1959, 33). Dieser Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn sich nicht erwarten läßt, daß der Erlös den Betrag der Exekutionskosten des fraglichen Exekutionsverfahrens, gleichgültig wem der Erlös zukommt, decken wird (JB 27 neu; EvBl 1984/102; Heller-Berger-Stix 510). Dieser Einstellungsgrund wird heute - worauf Heller-Berger-Stix 512 hinweisen - gerade bei der Verwertung sonstiger Rechte nach den §§ 331 ff EO eine besondere Rolle spielen.
Hier steht das ungeteilte Fruchtnießungsrecht dem Verpflichteten und seiner geschiedenen Gattin zu. Daß zwischen dem Verpflichteten und der Mitberechtigten eine Benützungsregelung getroffen wurde, aufgrund derer dem Verpflichteten einzelne Räume des Gebäudes zur alleinigen und ausschließlichen Benützung zugewiesen wurden, steht nicht fest. Die Antragstellung des Zwangsverwalters nach § 105 EO erscheint daher, solange eine Benützungsregelung nicht getroffen wurde, verfrüht und verfehlt. Gemäß § 109 Abs 2 EO hat der Verwalter alle zur ordnungsmäßigen und vorteilhaften wirtschaftlichen Benützung der ihn übergebenen Liegenschaft (hier des Mitfruchtnießungsrechtes) dienenden Veranstaltungen zu treffen. Der Zwangsverwalter ist somit innerhalb der ihm übertragenen Verwaltung berechtigt und verpflichtet, die Verwaltungsrechte des Verpflichteten auszuüben, er ist der amtliche (gesetzliche) Stellvertreter des Verpflichteten (SZ 64/183 mwN). Der Zwangsverwalter ist daher sowohl zu klagen als auch zur Antragstellung im Verfahren außer Streitsachen berechtigt, um Hindernisse in der Ausübung von Dienstbarkeiten und sonstigen Rechten zu beseitigen (Heller-Berger-Stix 998). Ob der Zwangsverwalter sich um eine Einigung mit der Mitberechtigten überhaupt bemüht hat, ist dem Akt nicht zu entnehmen. Sollten solche Bemühungen scheitern, wird der Zwangsverwalter etwa durch Stellung des Antrages auf Benützungsregelung (vgl Gamerith in Rummel2 Rz 7 zu § 825 ABGB) oder um Bezahlung eines Benützungsentgeltes durch die Mitberechtigte tätig zu werden haben. Erst aufgrund einer solchen Tätigkeit des Zwangsverwalters wird sich herausstellen, ob sich erwarten läßt, daß die Fortsetzung der Exekution einer die Kosten dieser Exekution übersteigenden Ertrag ergeben wird. Die bloße Behauptung des Verpflichteten, ihm stünde das gepfändete Recht nicht zu, kann - zumal wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, das Exekutionsverfahren sich nicht gut für die Ermittlung streitiger Tatsachen eignet - nicht zur Einstellung nach § 39 Abs 1 Z 8 EO führen. Es ist vielmehr Sache der mitberechtigten Fruchtnießerin im Verfahren auf eine Benützungsregelung darzulegen, sie stünde nicht mehr in Rechtsgemeinschaft mit dem Verpflichteten, sei es weil nach dem vom Verpflichteten behaupteten Verzicht ihr selbst dessen Fruchtnießungsrechte zugewachsen wären (vgl Petrasch in Rummel2 Rz 1 zu § 509 ABGB und Rz 1 zu § 529 ABGB; Klang2 II 268, die beide im Zweifel dem Eintritt einer Anwachsung das Wort reden) oder an die Stelle des Verpflichteten die Eigentümerin getreten sei.
Der verfrühte Einstellungsantrag ist demnach im Ergebnis vom Erstgericht zu Recht abgewiesen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs 1 EO (§ 78 EO;§§ 50, 41 ZPO).