OGH vom 05.11.2002, 5Ob232/02g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Mark H*****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Johann D*****, vertreten durch Dr. Josef Lachmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 16 Abs 8 MRG, infolge Rekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 40 R 4/02p-16, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom , GZ 6 Msch 13/01a-12, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Text
Begründung:
Der Antragsteller mietete mit Vertrag vom im Haus ***** in ***** die Wohnung Nr 23 und 24. In Punkt III des Mietvertrages wurde als Mietzins ein Betrag von monatlich S 7.200 zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart, der erstmals am zur Zahlung fällig wurde.
Am leitete der Antragsteller ein Verfahren vor der zuständigen Schlichtungsstelle ein. In seinem Antrag brachte er ua vor, dass die Wohnung im Zeitpunkt der Anmietung in unbrauchbarem Zustand gewesen sei, weshalb die Voraussetzung einer Mietzinsvereinbarung nach § 16 Abs 1 MRG nicht vorlägen. Der vorgeschriebene Mietzins in Höhe von S 7.200 stütze sich aber auf eine Vereinbarung nach § 16 Abs 1 MRG. Dieser vereinbarte und vorgeschriebene Hauptmietzins entspreche daher nicht den Bestimmungen des § 16 MRG.
Unter anderem (soweit es den Hauptmietzins betrifft) lautet der Antrag wie folgt:
"Auf Feststellung der Höhe des zulässigen Hauptmietzinses je Monat ab und auf Feststellung, um welche Beträge die Antragsgegnerin das gesetzlich zulässige Zinsausmaß in der Zeit vom bis durch Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von S 7.200 überschritten hat".
Im darauf folgenden gerichtlichen Verfahren 6 Msch 26/97d des Bezirksgerichtes Hernals wurde ausschließlich das Überschreitungsbegehren für den Zeitraum bis insoweit erledigt, als ausgesprochen wurde, die Vermieterin habe gegenüber dem Antragsteller in der Zeit vom bis das gesetzlich zulässige Zinsausmaß durch Vorschreibung eines Betrages von S 7.200 um monatlich S 6.245,52 überschritten. Weiters wurde die damalige Antragsgegnerin zur Rückzahlung des festgestellten Gesamtüberschreitungsbetrages von S 18.736,56 verpflichtet. Mit dem nun verfahrensgegenständlichen Antrag an die Schlichtungsstelle vom MA 16/Schli4/98/13.704 begehrt der Antragsteller die Feststellung der Höhe des zulässigen Hauptmietzinses je Monat ab und die Feststellung, um welche Beträge das gesetzlich zulässige Zinsausmaß in der Zeit vom bis durch Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von S 7.200 überschritten wurden.
Im darauf folgenden gerichtlichen Verfahren wies das Erstgericht das gesamte Begehren infolge Präklusion nach § 16 Abs 8 MRG ab. Die rechtskräftige Vorentscheidung habe nur die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung für den Zeitraum bis festgestellt, nicht aber die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung an sich. Damit entfalte diese Vorentscheidung keine Bindungswirkung für das gegenständliche Verfahren, der vorliegende Antrag sei präkludiert.
Einem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den angefochtenen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Es sei zwar richtig, dass ein Vorverfahren auf Mietzinsüberprüfung, das nur die Überprüfung eines bestimmten Mietzinszeitraumes ohne Feststellung der Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung an sich anstrebe, keine Hemmung der Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG bewirke (immolex 2000/63; ebenso Vonkilch in WoBl 2000, 138). Auch die Hemmungsregelung des § 27 Abs 3 MRG sei nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht auf die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG analog anzuwenden (immolex 2000/63). Doch sei im vorliegenden Fall zu beachten, dass der Antragsteller schon ursprünglich innerhalb der Präklusionsfrist, nämlich mit seinem Antrag vom "die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung gerichtlich geltend gemacht" habe. Über diesen Antrag sei allerdings nicht entschieden worden. Das Gesetz fordere jedoch nur die gerichtliche Geltendmachung, nicht aber auch die Entscheidung zur Vermeidung einer Präklusion. Der verfahrenseinleitende Schlichtungsstellenantrag vom habe neben einem Feststellungsbegehren über einen bestimmten Zeitraum ( bis ) auch ein Begehren auf Feststellung der Höhe des zulässigen Mietzinses ohne zeitliche Einschränkung enthalten. Wenn in diesem Zusammenhang der erwähnt worden sei, so deshalb, weil dies die erste Zinsfälligkeit nach Vertragsabschluss gewesen sei.
Der Antragsteller habe also innerhalb der Frist des § 16 Abs 8 MRG die Unwirksamkeit der Vereinbarung geltend gemacht, weshalb das nun verfahrensgegenständliche Begehren nicht präkludiert sei. Dies habe zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung zu führen. Das Rekursgericht erklärte den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Entscheidung zur Frage vorliege, ob eine gerichtliche Geltendmachung ohne nachfolgende Entscheidung darüber die Präklusion ausschließen lasse. Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragsgegners wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Antragsteller hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus den vom Rekursgericht bezeichnete Gründen zulässig. Er ist auch berechtigt.
Zunächst billigt der erkennende Senat die vom Rekursgericht vorgenommene Auslegung des Inhalts des verfahrenseinleitenden Antrags vom . Deutlich hat der damalige Antragsteller nicht nur die tatsächlichen Gründe der Unbrauchbarkeit des Bestandgegenstandes und die rechtliche Schlussfolgerung, dass demnach eine angemessene Mietzinsvereinbarung nach § 16 Abs 1 MRG nicht zulässig sei, dargestellt sondern auch ausdrücklich ein doppeltes Feststellungsbegehren erhoben. Einerseits auf Feststellung der Höhe des zulässigen Hauptmietzinses ab dem ersten Zinszahlungstermin und andererseits ein Überschreitungsbegehren für einen bestimmten Zeitraum ( bis ). Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass eine berichtigende Auslegung des § 37 Abs 1 Z 8 MRG insoweit vorzunehmen ist, als die im Gesetz angeführte "Angemessenheit" stets als "Zulässigkeit" des vereinbarten Hauptmietzinses anzusehen ist (SZ 52/2; MietSlg 36.492/40; 43.309; immolex 2000/83 ua). Ohne jeden Zweifel hat der Antragsteller mit dem ersten Teil seines Begehrens die Zulässigkeit der Mietzinsvereinbarung an sich, ohne Einschränkung auf bestimmte Zeiträume, beginnend mit dem ersten Zinszahlungstermin begehrt und damit die (teilweise) Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung binnen drei Jahren im Sinn des § 16 Abs 8 MRG geltend gemacht. Das reichte nach der klaren gesetzlichen Anordnung zunächst aus, um die Präklusion des § 16 Abs 8 MRG zu verhindern.
Es trifft allerdings zu, dass über diesen Teil des Begehrens nicht entschieden wurde. Eine Bezeichnung als "Teilsachbeschluss" unterblieb.
Das hatte zur Folge, dass die Parteien die Entscheidung mit der Begründung hätten anfechten können, es seien nicht alle Sachanträge vollständig erledigt worden oder aber eine Ergänzung der Entscheidung begehren hätten können (vgl Fasching, Lb 1444 mwN). Weder die Versäumung eines Ergänzungsantrags noch jene eines auf § 496 Abs 1 ZPO gestützten Rechtsmittels schließt aber mangels (rechtskräftiger) Entscheidung über den noch unerledigten Anspruch dessen Geltendmachung mit selbständiger Klage (hier: Antrag) aus, weil mit Rechtskraft der unvollständigen Entscheidung auch die Streitanhängigkeit bezüglich des nicht erledigten Teils erlischt (vgl Fasching, Lb 1444; Rechberger Rs 6 zu § 424 ZPO).
Der neuerlichen Geltendmachung des Begehrens auf Feststellung der (Teil)unwirksamkeit der Hauptmietzinsvereinbarung steht also weder die Rechtskraft noch die Streitanhängigkeit entgegen. Allerdings war das Begehren im Zeitpunkt der neuerlichen Geltendmachung bereits präkludiert. Die in § 16 Abs 8 MRG normierte Präklusivfrist beginnt nämlich mit der Vereinbarung zu laufen (RIS-Justiz RS0112326 u.a.).
Eine Unterbrechung der Präklusionsfrist durch die erstmalige gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs ist zufolge allgemeiner Anwendbarkeit der Verjährungsbestimmungen (hier § 1497 ABGB) auf Präklusivfristen, hier konkret auf die Frist des § 16 Abs 8 MRG (vgl WoBl 2000/79 u.a.), abzulehnen. Die Beendigung der Streitanhängigkeit hinsichtlich des nicht erledigten Teils des Begehrens beseitigte rückwirkend die Unterbrechungswirkung.
Der Rekurs des Antragsgegners erweist sich somit als berechtigt. Es hat bei der vom Erstgericht verfügten Antragsabweisung zu bleiben.