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OGH vom 07.06.2017, 3Ob32/17b

OGH vom 07.06.2017, 3Ob32/17b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei D*****, Italien, vertreten durch Oberhammer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die verpflichtete Partei F*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Daniel Charim und Mag. Jakob Charim, Rechtsanwälte in Wien, wegen (restlich) 347.093,53 EUR sA über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 46 R 323/16i-61, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom , GZ 11 E 2966/11p-56, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei wird, soweit er die Bestätigung der Exekutionsbewilligung bekämpft, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs gemäß (§ 78 EO iVm) § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

III. Der Antrag auf Unterbrechung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Am erließ das Landesgericht Mailand (Tribunale Ordinario di Milano) über Antrag der Betreibenden, einer Gesellschaft mit Sitz in Italien, den elektronischen Mahnbescheid (decreto ingiunitivo telematico) zur Zahl 34300/2010, mit dem der Verpflichteten, einer GmbH mit Sitz in Wien, die in Geschäftsverbindung mit der Betreibenden stand, die Zahlung von 522.094,53 EUR sA an die Betreibende innerhalb von 50 Tagen nach Bekanntmachung des Mahnbescheids aufgetragen wurde. Dieser enthielt den Hinweis, dass die Verpflichtete Anspruch darauf habe, vor dem Landesgericht Mailand innerhalb von 50 Tagen nach der Bekanntmachung Einspruch zu erheben, widrigenfalls der Mahnbescheid für endgültig und vollstreckbar erklärt werde.

Die Postsendung mit dem Mahnbescheid war an den im österreichischen Firmenbuch seit dem Jahr 1997 eingetragenen Geschäftssitz der Verpflichteten in Wien 9 adressiert. An dieser Adresse befand sich jedoch nie der tatsächliche Firmensitz der Verpflichteten; sie übte dort auch keine Geschäftstätigkeit aus. Vielmehr handelt es sich bei dieser Anschrift um den Kanzleisitz der Verpflichtetenvertreter, die ihre ausdrückliche Zustimmung zur Angabe der Adresse als Firmensitz im Firmenbuch gaben. Eine Änderung dieser Angabe unterblieb, obwohl die Verpflichtete bereits seit vielen Jahren ihren Sitz in Wien 22 hatte.

Aufgrund der nach wie vor bestehenden Eintragung ihrer Anschrift im Firmenbuch erhalten die Verpflichtetenvertreter regelmäßig Poststücke für die Verpflichtete. Zwischen Dr. D***** und dem Geschäftsführer der Verpflichteten war vereinbart, dass die Kanzlei die Post mit Ausnahme von RSa-Sendungen übernimmt. Dr. D***** teilte diese Vorgehensweise insbesondere der für die Post zuständigen Mitarbeiterin mit und auch der Postzusteller wurde in den Kanzleiräumlichkeiten mündlich davon informiert. Mitarbeiter der Anwaltskanzlei übernahmen ein- bis zweimal pro Woche Post für die Verpflichtete und sandten sie an diese oder ein Prokurist holte sie ab. Diese Vereinbarung wurde (zumindest) bis zum Ablauf des Jahres 2010 von keiner der beiden Seiten ausdrücklich oder stillschweigend widerrufen oder abgeändert.

Am übernahm die für die Post zuständige Mitarbeiterin der Verpflichtetenvertreter in deren Kanzlei den mit internationalem Rückschein (RSb) übermittelten Mahnbescheid samt Rechtsmittelbelehrung und Übersetzung in die deutsche Sprache vom Postzusteller und unterfertigte den Rückschein mit ihrer Unterschrift. Sie übermittelte den Mahnbescheid per Post an die Verpflichtete, bei der er spätestens am beim Prokuristen B einlangte, der ihn an den Prokuristen A weiterleitete. Die Verpflichtete befasste schließlich Anwälte in Italien und brachte am einen Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein. Dieser blieb jedoch wegen Verspätung erfolglos, weil die italienischen Gerichte von der Rechtswirksamkeit der Zustellung am ausgingen und die Frist von 50 Tagen ab diesem Zeitpunkt berechneten. Nach einem kontradiktorischen Verfahren über die Frage der Rechtzeitigkeit des Widerspruchs wurde die (vorläufige) Vollstreckbarkeit des gegenständlichen Mahndekrets am schriftlich bestätigt. Am selben Tag bescheinigte das italienische Gericht nach Art 54 und 58 EuGVVO alt, dass der am erlassene Mahnbescheid im Ursprungsland vollstreckbar sei (Art 38 und 58 EuGVVO alt).

Das Rekursgericht bestätigte die vom Erstgericht ausgesprochene Vollstreckbarerklärung und Exekutionsbewilligung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Die Verpflichtete erhob außerordentlichen Revisionsrekurs, in dem sie darauf beharrt, der Versagungsgrund nach Art 34 Nr 2 EuGVVO alt sei erfüllt. Mit dem Rechtsmittel verband sie einen Antrag auf Unterbrechung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist:

Mit der EONov 2016, BGBl I Nr 100/2016, erhielten die §§ 79 bis 84 EO die Bezeichnungen §§ 406 bis 411 (Art I Z 21), wobei auch die Rechtsmittelfristen des § 84 EO modifiziert wurden (Art I Z 24). Nach der Übergangsbestimmung des § 447 EO trat ua § 411 EO mit in Kraft (Abs 2); allerdings ist § 411 in der nF (nur) anzuwenden, wenn der ausländische Exekutionstitel nach dem für vollstreckbar erklärt wird (Abs 10). Der vorliegende erstgerichtliche Beschluss datiert vom , weshalb noch § 84 EO idF vor der EONov 2016 anzuwenden ist.

Nach Art 66 Abs 1 EuGVVO 2012 ist diese Verordnung nur auf Verfahren anzuwenden, die am oder danach eingeleitet worden sind. Da das vorliegende Vollstreckbarerklärungsverfahren bereits im Jahr 2011 eingeleitet wurde, kommt noch die EuGVVO alt zur Anwendung.

I. Der Revisionsrekurswerber übergeht bei der Bekämpfung der Bestätigung der Exekutionsbewilligung, dass die Ausnahmebestimmung des § 84 Abs 4 EO nur für Entscheidungen über die Erteilung oder Versagung einer Vollstreckbarerklärung gilt (RIS-Justiz RS0116242 [T1]; dies jedenfalls wenn, wie hier, die Anträge übereinstimmend bewilligt wurden: RIS-Justiz RS0114023 [T3]; jüngst 3 Ob 119/16w). Da die Ausnahmeregelung nach § 84 Abs 4 EO nur auf abweisende Entscheidungen über den Exekutionsantrag auszudehnen ist, bleibt es bei bewilligenden Entscheidungen in zwei Instanzen bei der Unanfechtbarkeit wegen Vollbestätigung gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (3 Ob 208/15g mwN); insofern ist der Revisionsrekurs als absolut unzulässig zurückzuweisen.

II. Im Übrigen zeigt der Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf, sodass er als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt zu begründen (§ 78 EO iVm §§ 528a, 510 Abs 3 ZPO).

II.1. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor. Die sowohl im Sachverhalt als auch in der rechtlichen Beurteilung zu findenden Feststellungen zur Vereinbarung einer Übernahme der Post durch die Kanzlei der Betreibendenvertreter basiert auf der Verwertung von unmittelbar aufgenommenen Aussagen mehrerer Personen und ist deshalb im Rekursverfahren nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0012391).

II.2. Diese Feststellungen rechtfertigen die rechtliche Beurteilung, dass zwischen dem Geschäftsführer der Verpflichteten und Dr. D***** vor dem eine mündliche Vereinbarung geschlossen wurde, wonach die Kanzlei der Verpflichtetenvertreter sämtliche Post für die Verpflichtete (außer RSa-Briefe) übernahm und an diese weiterleitete.

II.3. Für die Notwendigkeit von Feststellungen zum Inhalt der als Beilage ./M vorgelegten Schreiben der Verpflichtetenvertreter fehlt es an einem Vorbringen in erster Instanz. Die Vorlage dieser Beilage (bestehend aus den drei Schreiben) erfolgte in der letzten Tagsatzung vom (ON 52 S 2); nach dem späteren Vorbringen dazu (S 4 in ON 52) wurde darin „ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die [Kanzlei der Verpflichtetenvertreter] keine Vollmacht für die Entgegennahme von RSa-Briefen habe“. Nicht nur, dass das Erstgericht ohnehin von dieser Einschränkung ausging, wurde am auch gar keine Eigenhandzustellung vorgenommen.

Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte sekundäre Feststellungsmangel besteht daher nicht.

II.4. Auf das Vorbringen zu einer wirkungslosen „Privatzustellung“ ist inhaltlich nicht einzugehen.

II.4.1. Eine Anhörung des Verpflichteten darf– wie § 410 Abs 1 EO (idF EONov 2016) und Art 41 Satz 2 EuGVVO alt klarstellen – im erstinstanzlichen Exequaturverfahren keinesfalls erfolgen. Das Vorbringen, das die Verpflichtete in ihrer – vor der (ersten) Vollstreckbarerklärung abgegebenen – „Äußerung im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des ausländischen Titels“ (Punkt III. in ON 4) erstattete, war daher unzulässig und muss unbeachtet bleiben.

II.4.2. Die erste zulässige Gelegenheit zur Stellungnahme war der Rekurs ON 15 der Verpflichteten, für den kein Neuerungsverbot bestand (§ 84 Abs 2 Z 2 EO). Ihr darin enthaltener Verweis auf ihre Äußerung ON 4 war jedoch sowohl inhaltlich unbeachtlich als auch formell unzulässig (vgl RIS-Justiz RS0007029; RS0043616; RS0043579; jüngst 1 Ob 33/17k). Die Neuerungserlaubnis gemäß § 84 Abs 2 Z 2 EO ist auch insoferne beschränkt, als der Antragsgegner im Rekurs gegen eine Vollstreckbarerklärung – bei sonstigem Ausschluss – alle nicht aktenkundigen Versagungsgründe gleichzeitig geltend zu machen hat. Die damit normierte Eventualmaxime führt im Fall einer aufhebenden Entscheidung des Rekursgerichts auch zum Ausschluss neuer Versagungsgründe im zweiten Rechtsgang, soweit sie der Antragsgegner bereits im ersten Rechtsgang hätte vorbringen können (RIS-Justiz RS0120291; jüngst 3 Ob 20/17p). Wesentlich ist daher das Vorbringen im Rekurs ON 15, in dem nicht geltend gemacht wurde, dass die Verteidigungsrechte der Verpflichteten dadurch geschmälert worden seien, dass wegen des Absenders in Gestalt eines ausländischen Parteienvertreters nicht erkennbar gewesen sei, es werde ein verfahrenseinleitendes Schriftstück von einem Gericht zugestellt. Da dieser Umstand der Verpflichteten schon seit der Zustellung im November 2010 bekannt war, hätte sie dies zur Vermeidung eines Ausschlusses schon im Rekurs ON 15 vortragen müssen.

II.4.3. Der Umstand, dass sich die Vorinstanzen dennoch inhaltlich damit auseinandersetzten, ändert nichts an der hier wahrzunehmenden Unbeachtlichkeit dieses Vorbringens. Auch die für das Vollstreckbarerklärungsverfahren angeordnete Eventualmaxime hat nämlich zwingenden Charakter. Daher kommt auch die Judikatur zu § 35 Abs 3 EO zur Anwendung: Gingen die Vorinstanzen auf Vorbringen, das gegen die Eventualmaxime verstieß, sachlich ein, hielten aber das Oppositionsbegehren dennoch nicht für berechtigt, darf der Oberste Gerichtshof wegen des zwingenden Charakters der Vorschrift des § 35 Abs 3 EO nicht auf das ausgeschlossene Vorbringen Bedacht nehmen (RIS-Justiz RS0008666).

Da die Einwendungen der Verpflichteten erfolglos blieben, ist auf das Vorbringen zu einer wirkungslosen „Privatzustellung“ inhaltlich nicht einzugehen.

II.5. Mit seinen Ausführungen gegen die Annahme einer zulässigen schlüssigen Bevollmächtigung nach § 13 Abs 2 ZustG und eine Heilung nach § 7 ZustG zielt die Verpflichtete darauf ab, der Mahnbescheid wäre ihr am weder ordnungsgemäß noch so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden, dass sie sich verteidigen habe können.

II.5.1. Nach der Neugestaltung des Versagungsgrundes nach Art 34 Nr 2 EuGVVO alt kommt es nach dem erklärten Willen des Verordnungsgesetzgebers gerade nicht mehr auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung, sei es nach nationalem, zwischenstaatlichem oder europäischem Recht an; die EuGVVO alt verweist auch nicht auf die EuZVO (Oberhammer in Stein/Jonas ZPO22 Art 34 EuGVVO Rz 60; s auch Leible in Rauscher EuZPR I4 Art 45 Brüssel IaVO Rz 44). Es ist nur maßgeblich, dass die Verteidigungsrechte des Beklagten tatsächlich gewahrt wurden (RIS-Justiz RS0123592). Geschützt werden somit nur Parteien, die sich in das Verfahren vor dem Erststaat nicht eingelassen haben, sofern bestimmte Grundprinzipien zum Schutz von Verfahrensbeteiligten missachtet wurden. Die Zustellung ist an einem einheitlichen europäischen Standard zu messen, ohne dass es dabei auf die „Feinheiten des nationalen Zustellrechts“ ankommt (3 Ob 232/14k mwN). Es ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen; es handelt sich dabei um eine Wertung tatsächlicher Art, welche weder auf der Grundlage des nationalen Rechts des Urteilsstaats noch auf der Grundlage des nationalen Rechts des Vollstreckungsstaats erfolgen kann (EuGH Debaecker/Bouwman Rs 49/84 Slg 1985, 1779 Rn 27; Leible in Rauscher EuZPR I4 Art 45 Brüssel IaVO Rz 49). Auch eine fiktive Zustellung kann nach dieser Bestimmung grundsätzlich zulässig sein, sofern sie durch qualifizierte Umstände gerechtfertigt ist. Durch die Verletzung der Pflicht eines Unternehmers das Firmenbuch von Adressänderungen zu informieren, tritt ein solcher qualifizierter Umstand ein, der eine fiktive Zustellung rechtfertigt; ein sorgfältiger Unternehmer wäre seinen diesbezüglichen Pflichten nachgekommen (6 Ob 205/15p mwN).

II.5.2. Entgegen der Ansicht der Verpflichteten kommt es daher bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Zustellung, hier also des Zeitpunkts, in dem die 50-tägige Widerspruchsfrist zu laufen begann, nicht darauf an, ob die die Sendung übernehmende Mitarbeiterin in der Kanzlei der Verpflichtetenvertreter über eine Bevollmächtigung iSd § 13 Abs 2 ZustG verfügte, oder ob eine Heilung eines allfälligen Zustellmangels iSd § 7 ZustG (erst) durch Zugang der Sendung an einen Prokuristen oder den Geschäftsführer erfolgte. Wesentlich ist vielmehr, ob nach einer Wertung der gegebenen faktischen Umstände davon auszugehen ist, dass die Widerspruchsfrist durch die Zustellung am in Gang gesetzt wurde und der Verpflichteten noch genügend Zeit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung verblieb.

II.5.3. Das ist hier mit den Vorinstanzen zu bejahen: Der Umstand, dass die Zustellung des übersetzten Mahnbescheids samt Klage an einer Adresse laut Firmenbuch vorgenommen wurde, die nicht der tatsächlichen Geschäftsanschrift der verpflichteten GmbH entsprach, ist Folge der Verletzung ihrer Pflicht, für die Nennung der richtigen Geschäftsanschrift im Firmenbuch zu sorgen. Damit provozierte die Verpflichtete Zustellungen, die nicht unmittelbar zu ihr gelangten, sondern zunächst an Dritte und erst später an sie selbst. Dass sie sich dessen auch bewusst war, zeigt die mit Dr. D***** bestehende Vereinbarung, auch an die Verpflichtete gerichtete RSb-Sendungen von der Post zu übernehmen und diese an die Verpflichtete weiterzuleiten. Damit nahm die Verpflichtete bewusst in Kauf, dass diese Sendungen – gegenüber dem Normalfall eines unmittelbaren Zugangs – später in ihren Bereich gelangten. Diese qualifizierten, von der Verpflichteten veranlassten Umstände rechtfertigen es, die fristauslösende Zustellung des Mahnbescheids am anzunehmen. Abgesehen davon gelangte die Sendung ohnehin schon 4 Tage später dadurch in die Sphäre der Verpflichteten, dass sie von ihren Prokuristen zur Kenntnis genommen wurde. Eine gravierende und deshalb unzulässige Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten der Verpflichteten ist schon deshalb nicht zu erblicken, weil der Lauf der Widerspruchsfrist vor tatsächlichem Zugang des Mahnbescheids selbst veranlasst wurde, aber auch weil dieser kurze Zeitraum wegen der eingeräumten Widerspruchsfrist von 50 Tagen für die Vorbereitung einer Verteidigung vernachlässigbar ist (es blieben ihr mehr als sechs Wochen, um einen Widerspruch vorzubereiten). Auch die damalige Ortsabwesenheit des Geschäftsführers der Verpflichteten verlangt keine andere Beurteilung, weil dieser – wie feststeht – „mit dem täglichen Geschäft, dem internen Postlauf und der Organisation in der GmbH weniger vertraut war“. In Wahrheit hatte er diese Funktion also ohnehin nur „am Papier“ inne. Angesichts des von der Verpflichteten zu vertretenden und durch entsprechende Vorsorge akzeptierten „Umwegs“ des Zugangs der Post an sie, musste der Verpflichteten als am unternehmerischen Geschäftsverkehr teilnehmende Kapitalgesellschaft bewusst sein, dass schon Zustellungen an die Verpflichtetenvertreter fristauslösend wirken, weil es andernfalls zu einer nicht rechtzufertigenden Verlängerung von Fristen für die Verpflichtete kommen würde.

II.5.4. Da nicht einmal die Verpflichtete vertritt, die vom italienischen Gericht gewährte Widerspruchsfrist von 50 Tagen sei nicht ausreichend gewesen, ergibt sich als zusammenfassende Wertung, dass die beanstandete Zustellung keine Einschränkung des rechtlichen Gehörs der Verpflichteten im Titelverfahren bedeutete und der Versagungsgrund des Art 34 Nr 2 EuGVVO alt zu verneinen ist.

III. Die Begründung des Unterbrechungsantrags lässt sich darauf reduzieren, die im Titelverfahren erfolgte Abweisung des Widerspruchs sei in zwei Instanzen noch nicht rechtskräftig, weil der auch noch angerufene italienische Oberste Gerichtshof noch nicht entschieden habe, weshalb das Verfahren zwingend zu unterbrechen sei.

III.1. Nach hA ist ein Unterbrechungsantrag nach § 84 Abs 5 EO auch im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zulässig (Slonina in Angst/Oberhammer³ § 84 EO Rz 34 mwN; Burgstaller/Neumayr in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer IZVR Art 46 EuGVVO Rz 6).

III.2. Es handelt sich dabei um eine Ermessensentscheidung, bei der das Interesse des Gläubigers an einer zeitnahen Durchsetzung seiner vollstreckbaren Forderung gegen das Interesse des Verpflichteten, aus einer sich im Nachhinein als ungerechtfertigt erweisenden Exekution keinen Schaden zu erleiden, abzuwägen ist; eine solche Abwägung muss dabei insbesondere die Erfolgswahrscheinlichkeit des Rechtsbehelfs im Erststaat berücksichtigen (Slonina Rz 39; Burgstaller/Neumayr Rz 8; Rassi in Fasching/Konecny2 Art 46 EuGVVO Rz 10). Der Antragsteller hat alles darzutun, was seiner Ansicht nach zu einer Aufhebung oder Abänderung der zu vollstreckenden Entscheidung führen könnte (G. Kodek in Czernich/Kodek/Mayr Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht4 Art 51 EuGVVO 2012 Rz 9).

III.3. Die Revisionsrekurswerberin legte ihrem Antrag weder das noch nicht entschiedene Rechtsmittel noch die damit bekämpfte Entscheidung vor, sondern nur ein (übersetztes) Schreiben ihres italienischen Rechtsvertreters, dem lediglich zu entnehmen ist, dass in dritter Instanz noch nicht entschieden wurde und welche Konsequenzen ein Erfolg des Rechtsmittels hätte. Diesem Schreiben sind aber, ebensowenig wie dem Vorbringen der Verpflichteten, Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, weshalb das noch offene Rechtsmittel erfolgreich sein könnte.

Schon mangels Behauptung irgendeines konkreten Umstands, der nach Ansicht der Verpflichteten zu einer Beseitigung der Vollstreckbarkeit oder des Mahnbescheids führen könnte, musste der Unterbrechungsantrag somit erfolglos bleiben.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00032.17B.0607.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,5 Exekutionssachen

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