OGH vom 26.04.2006, 3Ob32/06m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei D***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Monika Krause, Rechtsanwältin in Wien, wider die verpflichtete Partei M***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung von Geschäftsräumlichkeiten, infolge Revisionsrekurses 1. der Einschreiterin Sonja V*****, vertreten durch Dr. Monika Krause, Rechtsanwältin in Wien, und 2. der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 40 R 227/05m, 228/05h, 229/05f, 230/05b-77, womit u.a. infolge Rekurses des Masseverwalters über das Vermögen der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 10 E 63/02m-46, in seinem Punkt 4. abgeändert und der Antrag auf Aufschiebung der vorliegenden Räumungsexekution bewilligt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs der Einschreiterin Sonja V***** wird zurückgewiesen.
Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts (in seinem Punkt 4.) wiederhergestellt wird. Der betreibenden Partei werden die mit 1.789,02 EUR (darin 298,17 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Text
Begründung:
Die verpflichtete Partei wurde mit dem rechtskräftigen Exekutionstitel des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , AZ 10 C 1503/00t, zur Räumung des Bestandobjekts in Wien sowie zur Bezahlung eines Mietzinsrückstands von 26.669,59 EUR s.A. verpflichtet. Mit Beschluss vom wurde über Antrag der betreibenden Partei die zwangsweise Räumung bewilligt. Am wurde über das Vermögen der verpflichteten Partei der Konkurs eröffnet (AZ 3 S 154/04y des Handelsgerichts Wien). Über Anzeige des Masseverwalters wurde am die Schließung des im Mietobjekt betriebenen Unternehmens der verpflichteten Partei angeordnet. Nach Durchführung einer nachträglichen Prüfungstagsatzung wurde am die Wiedereröffnung des Unternehmens (§ 115 KO) angeordnet. Am fand eine Zwangsausgleichstagsatzung statt. Der Zwangsausgleich mit einer 20 %-Quote für die Konkursgläubiger wurde angenommen. Nach der rechtskräftigen Bestätigung des Zwangsausgleichs wurde der Konkurs am aufgehoben. Die Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses trat am ein. Die auf § 12a AO gestützten Anträge der verpflichteten Partei (vom ON 33) und des Masseverwalters (vom ON 35) auf Aufschiebung der Exekution wurden vom Erstgericht mit der Begründung abgewiesen, dass eine analoge Anwendung der zitierten Gesetzesstelle im Konkursverfahren mangels Vorliegens einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes nicht zulässig sei (ON 39). Am stellte der Masseverwalter, gestützt auf das neue Vorbringen über die Wiedereröffnung des Unternehmens der verpflichteten Partei neuerlich einen Antrag auf Aufschiebung der Räumungsexekution gemäß § 12a AO (ON 43). Diesen Antrag wies das Erstgericht mit dem P 4. seines Beschlusses vom mit der wiederholenden Begründung der mangelnden Analogiefähigkeit des § 12a AO im Konkursverfahren ab. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Masseverwalters mit dem für das Revisionsrekursverfahren allein maßgeblichen Teil der Rekursentscheidung (P 2. der Rekursentscheidung) Folge und schob die Räumungsexekution „analog § 12a AO" auf. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs gegen diesen Teil seiner Entscheidung zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht im Wesentlichen Folgendes aus:
Das Mietverhältnis sei hier wegen Zinsrückstands gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB aufgelöst worden. Der mit dem IRÄG 1997 normierte § 12a AO bestimme, dass auf Antrag des Schuldners eine Räumungsexekution in Ansehung eines Bestandobjekts, in dem das Unternehmen betrieben werde, in der Zeit vor Ausgleichseröffnung erst vollzogen werde dürfen, wenn das Ausgleichsverfahren nach § 67 AO eingestellt oder dem Ausgleich die Bestätigung versagt worden sei oder die Forderung des Bestandgebers nach § 53 AO wieder auflebe. Wenn die Forderung mit der Ausgleichsquote rechtzeitig voll befriedigt werde, sei die Räumungsexekution einzustellen. Das Bestandverhältnis gelte als fortgesetzt. Die Konkursordnung enthalte keine derartige Bestimmung. Zu prüfen sei daher die analoge Anwendung des § 12a AO im Zwangsausgleichsverfahren. Es sei argumentativ schwer, einen Analogieschluss zu ziehen, wenn mit dem IRÄG 1997 sowohl die Ausgleichsordnung als auch die Konkursordnung novelliert worden sei. Die Bestimmungen in der Konkursordnung würden nicht auf diejenigen der Ausgleichsordnung verweisen. § 12a AO sei eine „verunglückte" Bestimmung, die massiv in die Rechtsposition des einstigen Vermieters eingreife, der das Rechtsverhältnis mit seiner Auflösungserklärung schon zur Beendigung gebracht habe. Für eine Analogie spreche aber das Regelungsziel des Zwangsausgleichs, das mit demjenigen im Ausgleich vergleichbar sei. Mit § 12a AO solle der Verlust des im Mietobjekt etablierten Betriebs und damit der die Ausgleichsquote sicherstellenden Einkünfte verhindert werden. Diese Abwägung gelte auch für das Zwangsausgleichsverfahren. Im Insolvenzverfahren hege der Oberste Gerichtshof keine Bedenken, vom Bestandgeber Sonderopfer zu fordern (3 Ob 92/03f).
Da der Bestandgeber auch im Zwangsausgleich für bestehende Forderungen nicht schlechter gestellt werde als die übrigen nicht bevorrechteten Gläubiger, sei die analoge Anwendung des § 12a AO im Zwangsausgleichsverfahren geboten. Aus dem Gesetz sei aber abzuleiten, dass vor beschlussmäßiger Ausgleichseröffnung im Exekutionsverfahren die Aufschiebung nicht erfolgreich beantragt werden könne. Im Zwangsausgleichsverfahren sei kein derartiger förmlicher Beschluss zu fasssen. Es sei aber ein Verfahren zur Prüfung der Voraussetzungen vorgesehen. Diese Vorprüfung ende mit der Ladung zur Ausgleichstagsatzung (§ 145 KO). Hier sei mit Beschluss vom die Zwangsausgleichstagsatzung anberaumt worden. Frühestens mit diesem Tag sei daher analog zu § 12a AO eine Aufschiebung der Räumungsexekution möglich. Das Erstgericht habe daher zu Recht den verfrüht gestellten Aufschiebungsantrag des Masseverwalters abgewiesen. Anders verhalte es sich aber mit dem zweiten Aufschiebungsantrag vom bzw. dem vom (ON 40 und 43). Das Erstgericht habe diesen Antrag zu Unrecht aus dem Grund einer fehlenden Gesetzeslücke abgewiesen. Mit ihrem gemeinsam eingebrachten Revisionsrekurs beantragen 1. die Einschreiterin Sonja V***** und die betreibende Partei die Aufhebung der Rekursentscheidung im angefochtenen Punkt als nichtig und Abänderung dahin, dass der Rekurs des Masseverwalters zurückgewiesen werde. Hilfsweise wird der Abänderungsantrag gestellt, den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise wird ferner die Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung beantragt.
Die verpflichtete Partei beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs der Sonja V***** ist unzulässig. Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist zulässig und iS einer Wiederherstellung des P 4. des erstinstanzlichen Beschlusses auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
A) Zum Revisionsrekurs der Einschreiterin Sonja V*****:
Nach dem Inhalt des Exekutionsakts ist die ursprünglich einschreitende betreibende Partei, Aloisia Maria L*****, am verstorben. Zum Verlassenschaftskurator wurde der Rechtsanwalt Dr. Peter Schulyok bestellt. Mit ihrem Schriftsatz vom zeigte die Einschreiterin Sonja V***** an, dass sie aufgrund der Amtsbestätigung vom des Verlassenschaftsgerichts (als Legatarin) sowie aufgrund der Einverleibung im Grundbuch Alleineigentümerin der Liegenschaft geworden sei, auf der sich das zu räumende Bestandobjekt befinde. Sie sei daher gemäß § 9 EO Berechtigte aus dem Exekutionstitel geworden. Das Erstgericht berichtigte die Parteibezeichnung der betreibenden Partei auf Sonja V***** (ON 73). Ein dagegen erhobener Rekurs blieb erfolglos (ON 81). Am zeigte die D***** GmbH an, dass die betriebenen Forderungen gemäß § 9 EO auf sie übergegangen seien. Die Gesellschaft habe die Liegenschaft von Sonja V*****gekauft (ON 79). Die verpflichtete Partei stellte den (auch bücherlichen) Übergang des Eigentums an der Liegenschaft auf die genannte Gesellschaft ebenso außer Streit (ON 87) wie die beiden Revisionsrekurswerberinnen. Das Erstgericht berichtigte die Parteibezeichnung in diesem Sinn. Aus dem ergänzend festgestellten Sachverhalt folgt, dass die erste Revisionsrekurswerberin aus dem Verfahren bereits ausgeschieden und nicht mehr betreibende Partei ist. Ihr fehlt damit die Legitimation zur Ergreifung eines Rechtsmittels. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
B) Zum meritorisch zu behandelnden Revisionsrekurs der gemäß § 9 EO
eingetretenen betreibenden Partei:
I. Zu den verfahrensrechtlichen Einwendungen der Revisionsrekurswerberin:
1. Zunächst wird releviert, dass die verpflichtete GmbH wegen Konkurseröffnung aufgelöst worden sei. Dadurch sei das Erlöschen der Rechtspersönlichkeit eingetreten und eine Fortsetzung der Gesellschaft ausgeschlossen. Von der Gesellschaft erteilte Vollmachten seien erloschen. Diesem rechtsirrigen Vorbringen ist nur entgegenzuhalten, dass nach stRsp weder die Auflösung, ja nicht einmal die Löschung der Gesellschaft mbH im Firmenbuch, sondern nur ihre Vollbeendigung zum Verlust der Rechtspersönlichkeit und der Parteifähigkeit führt (vstSenat 8 ObA 2344/96f = SZ 71/175; RIS-Justiz RS0049388; RS00501186; vgl auch die Entscheidungen in RS0035347). Vollbeendigung einer Gesellschaft tritt nur ein, wenn neben der Löschung im Firmenbuch auch die materiellrechtliche Voraussetzung der Vermögenslosigkeit gegeben ist (6 Ob 19/01i = SZ 74/28).
2. Mit dem zweiten Einwand strebt die Revisionsrekurswerberin eine Zurückweisung des Rekurses des für die verpflichtete Partei rekurrierenden Masseverwalters an, weil dieser zum Zeitpunkt der Rekursentscheidung bereits seines Amtes enthoben gewesen sei. Die Rekurswerberin missversteht die Stellung des Masseverwalters im reinen Exekutionsverfahren. Dieser ist grundsätzlich der gesetzliche Vertreter des Gemeinschuldners, wenn auf Vermögensstücke der Konkursmasse von einem Gläubiger Exekution geführt wird (RIS-Justiz RS0110285 RS0002210). Der Gemeinschuldner hat im reinen Exekutionsverfahren, das die Konkursmasse betrifft, kein Rekursrecht (RIS-Justiz RS0002253). Der Masseverwalter ist keine gegenüber dem Verpflichteten andere Partei, sondern dessen Vertreter. Der Wegfall der Vertretungsmacht führt nicht dazu, dass ein von diesem Vertreter schon wirksam erhobenes Rechtsmittel unzulässig wird. Darüber hatte das Rekursgericht vielmehr meritorisch zu entscheiden. Die Rekursentscheidung war dann allerdings nach Aufhebung des Konkurses und der Enthebung des Masseverwalters der wieder handlungsfähig gewordenen verpflichteten Partei zuzustellen.
II. Zum Gesetzeszweck des § 12a AO:
Mit dem Insolvenzrechts-Änderungsgesetz 1997, IRÄG 1997, BGBl I 1997/114, sollten u.a. Bestimmungen zur Erleichterung der Unternehmensfortführung im Ausgleichsverfahren geschaffen und damit verhindert werden, dass eine Unternehmenssanierung an hohen Mietzinsrückständen scheitert, die zur Auflösung des Bestandvertrags geführt haben und damit dem Schuldner die notwendigen Geschäftsräumlichkeiten entziehen. § 12a AO hat folgenden Wortlaut:
Auf Antrag des Schuldners darf eine Exekution zur Räumung eines Bestandobjekts, in dem das Unternehmen betrieben wird, wegen Nichtzahlung des Bestandzinses in der Zeit vor Ausgleichseröffnung erst vollzogen werden, wenn 1. das Ausgleichsverfahren nach § 67 eingestellt wurde oder 2. dem Ausgleich die Bestätigung versagt wurde oder 3. die Forderung des Bestandgebers nach § 53 wieder auflebt. Wird die Forderung mit dem im Ausgleich festgesetzten Betrag rechtzeitig voll befriedigt, so ist die Räumungsexekution auf Antrag des Schuldners einzustellen. Das Bestandverhältnis gilt als fortgesetzt.
Das Gesetz stellt auf eine Exekution wegen Nichtzahlung des Bestandzinses ab und hat eine Räumungsexekution auf der Grundlage eines Exekutionstitels zum Gegenstand, der erlassen wurde, weil das Bestandverhältnis wegen Nichtzahlung des Bestandzinses beendet wurde, etwa in den Fällen des § 1118 ABGB oder des § 30 Abs 2 Z 1 MRG. Der Gesetzgeber ging bei Schaffung dieser Bestimmung von folgenden Überlegungen aus (RV, 734 BlgNR 20.GP, 53):
"Im Ausgleichsverfahren steht die Sanierung des Unternehmens im Vordergrund. Um diese auch praktisch zu ermöglichen, müssen für die Fortführung wesentliche Rahmenbedingungen erfüllt sein. So ist etwa eine Fortführung dann nicht möglich, wenn die Räumlichkeiten, in denen das Unternehmen betrieben wird, dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehen. Sind die Geschäftsräumlichkeiten in Bestand genommen, so wird in vielen Fällen auf Grund der bestehenden Zahlungsschwierigkeiten der Bestandzins der letzten Monate nicht bezahlt worden sein. Dies stellt nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG einen Kündigungsgrund dar, nach § 1118 ABGB kann eine Räumungsklage eingebracht werden. Die rückständigen Bestandzinse sind Ausgleichsforderungen. Um nun zu verhindern, dass die Sanierung deshalb scheitert, weil das Bestandobjekt nicht mehr zur Verfügung steht, soll vorgesehen werden, dass wegen eines vor Ausgleichseröffnung aufgelaufenen Rückstands das Bestandverhältnis zwar aufgelöst werden kann, die Räumungsexekution jedoch nicht vollzogen werden darf. Dies heißt, dass eine Räumungsexekution zwar zu bewilligen, auf Antrag des Schuldners aber nicht zu vollziehen ist. Es handelt sich hiebei nicht um eine Aufschiebung des Exekution, sondern um ein faktisches Innehalten. Innezuhalten ist immer dann, wenn die Räumungsexekution bei Ausgleichseröffnung noch nicht vollzogen ist. Ein Vollzug findet erst dann statt, wenn klar ist, dass der Ausgleich gescheitert ist, sei es, dass das Verfahren eingestellt wurde, etwa wenn der Ausgleich nicht fristgerecht angenommen wird, oder dem angenommenen Ausgleich die Bestätigung versagt wird. Aber auch dann, wenn der Schuldner mit der Erfüllung des Ausgleichs gegenüber dem Bestandgeber in Verzug gerät und dessen Forderung ganz oder teilweise wieder auflebt, soll ein Vollzug der Räumung möglich sein. Anders ist es, wenn der Ausgleich erfolgreich abgeschlossen wird. In diesem Fall soll es zu einer endgültigen Einstellung der Räumungsexekution kommen. Der der Räumungsexekution zugrundeliegende Exekutionstitel bleibt zwar nach wie vor bestehen, doch ist er nicht mehr durchsetzbar. Das Bestandverhältnis gilt als fortgesetzt."
Der erklärte Gesetzeszweck besteht also in der Förderung der Unternehmenssanierung durch Verhinderung der Räumungsexekution bei Chancen auf einen erfolgreichen Ausgleich.
2. Zu den Verfahrensbesonderheiten:
Das unklare Verfahrenskonzept („darf nicht vollzogen werden" im Gesetzestext; „Innehalten" in den Materialien) mit seiner auch materiellrechtlichen Regelung der Fortsetzung eines schon aufgelösten Bestandverhältnisses hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung 3 Ob 92/03f = SZ 2004/12, dahin ausgelegt, dass § 12a AO einen die exekutive Räumung von Geschäftsräumen betreffenden, in § 42 EO nicht genannten Aufschiebungsgrund eigener Art normiere. Über diesen Aufschiebungsantrag des räumungsverpflichteten Unternehmers nach Ausgleichseröffnung habe das Exekutionsgericht zu entscheiden. Wenn der Antrag anlässlich des Vollzugs der Räumungsexekution gestellt werde, müsse der Gerichtsvollzieher mit dem Vollzug unter unverzüglichem Bericht an das Exekutionsgericht innehalten. Die Aufschiebung hat zwingend (arg.: „darf nicht ...") bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu erfolgen. Ein richterliches Ermessen bei der Beurteilung der Erfolgschancen der Unternehmenssanierung hat der Gesetzgeber nicht eingeräumt.
3. Zum Sonderopfer des Bestandgebers:
Nach der weiteren Begründung der zitierten Vorentscheidung fördert die durch das Gesetz erleichterte Unternehmensfortführung die Interessen aller Gläubiger des mit seinen Bestandzinszahlungen säumigen Bestandnehmers, weshalb nicht alleine von einer Privilegierung des Bestandnehmers allein zu Lasten des Bestandgebers gesprochen werden könne. Es liege auch keine gleichheitswidrige Differenzierung zwischen dem Bestandgeber und vergleichbaren Aussonderungsberechtigten vor, die einen Verstoß gegen Art 7 B-VG bzw Art 2 StGG bedeuten würde. Es sei wertungsmäßig durchaus vertretbar, dass den Bestandgebern nun zusätzlich zur quotenmäßigen Kürzung der rückständigen Bestandzinsforderung mit der Hemmung der Durchsetzung des Räumungsanspruchs oder mit seinem gänzlichen Entfall bei erfolgreicher Ausgleichserfüllung ein Sonderopfer als Beitrag zur Sanierung des vom Bestandnehmer betriebenen Unternehmens im Interesse aller Gläubiger des Bestandnehmers auferlegt werde. Der Bestandgeber werde zwar nun den Ausgleichsschuldner, also einen unverlässlichen säumigen Bestandzinszahler unter Umständen nicht mehr „los", dies freilich aber nur unter der Bedingung, dass die Ausgleichsquote voll erfüllt werde und in der Zeit nach der Ausgleichseröffnung keine nachhaltigen neuen Bestandzinsrückstände entstünden.
4. Stellungnahmen im Schrifttum zu § 12a AO:
Oberhammer (Aufschiebung der Räumungsexekution..., ZIK 1998, 1) hält es wertungsmäßig für durchaus vertretbar, dass dem Bestandgeber nun zusätzlich zur quotenmäßigen Kürzung der rückständigen Bestandzinsforderung mit der Hemmung der Durchsetzung des Räumungsanspruchs ein zusätzliches Opfer als Beitrag zur Sanierung des Bestandnehmers auferlegt wird, vertritt aber dann doch auch die Ansicht, dass wertungsmäßig die Frage naheliege, ob der Gesetzgeber im verständlichen Bemühen um ein sanierungsfreundliches Insolvenzrecht nicht doch etwas über das Ziel hinausgeschossen habe. Reckenzaun (Räumungsexekution - Änderungen im Ausgleich nach dem IRÄG 1997, immolex 1997, 277), spricht unter Hinweis auf die 90 Tage-Frist des § 11 Abs 2 AO von einer krassen Benachteiligung des Bestandgebers gegenüber den in ihrer Rechtsstellung vergleichbaren Aussonderungsberechtigten.
Höller (Erhaltung wichtiger Bestandverträge im Unternehmenskonkurs, ecolex 2003, 165) begrüßt die gesetzliche Neuregelung und zeigt sich verwundert über das Fehlen einer entsprechenden Regelung im Zwangsausgleichsverfahren im Hinblick auf die Zielsetzung der Erleichterung der Unternehmenssanierung. Gleichwohl sei aber „eher von einer bewussten - wenn auch sachlich nicht gerechtfertigten und daher verfassungsrechtlich bedenklichen - Differenzierung des Gesetzgebers zwischen Ausgleichs- und Konkursverfahren auszugehen, als von einer planwidrigen Unvollständigkeit der KO, die im Wege der Gesetzesanalogie zu schließen wäre".
III. Zur Frage der Analogiefähigkeit des § 12a AO:
1. Für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes kann der schon erläuterte und in den Gesetzesmaterialien angesprochene Gesetzeszweck der Unternehmenssanierung ins Treffen geführt werden. Ein solcher wirtschaftspolitischer und rechtspolitischer Zweck ist durchaus auch im Konkursverfahren naheliegend. Da wie dort kann eine Unternehmensfortführung im Interesse aller Gläubiger liegen. Sonderopfer gehören grundsätzlich zum Wesen aller Insolvenzverfahren.
2. Gegen eine Analogie spricht zunächst das nicht besonders starke Argument, dass dem Gesetzgeber eine schwere Nachlässigkeit vorzuwerfen wäre, hätte er die oben angeführten ähnlichen Interessenlagen im Ausgleichsverfahren und im Konkursverfahren nicht erkannt. § 12a AO ist aber eine Ausnahmebestimmung mit stark enteignendem Charakter. Dem Vermieter wird die Bindung an einen unsicheren Partner auch dann aufgedrängt, wenn damit ein wirtschaftlicher Schaden verbunden ist, etwa weil ein verlässlicher neuer Mieter zu besseren Zinsbedingungen zur Verfügung steht. Bei Ausnahmebestimmungen ist zwar eine Analogie nicht ausgeschlossen, sie sind aber jedenfalls nicht extensiv, sondern eng auszulegen. Die Analogie muss sich im Rahmen der engen ratio der Ausnahmeregel halten (RIS-Justiz RS0008910 RS0008903). Neben der für alle Gläubiger geltenden Kürzung ihrer Ansprüche auf die Ausgleichsquote hat der Bestandgeber das schon erläuterte massive Sonderopfer zu erbringen. Dabei ist nach dem Gesetz keine Interessenabwägung und auch keine Prüfung des Verschuldens des säumigen Mieters am Mietzinsrückstand vorzunehmen. Wenn der Gesetzgeber diesen Eingriff nur im Ausgleichsverfahren mit seiner zumindest 40 % Ausgleichsquote normierte, so ist damit noch nicht gesagt, dass er dieses Opfer auch im Zwangsausgleichsverfahren mit seiner Quote von lediglich 20 % ebenfalls für angemessen hält. Mit einer analogen Anwendung des § 12a AO auch im Zwangsausgleichsverfahren würde damit das Sonderopfer des Bestandgebers noch weiter verschärft. Allenfalls war der Gesetzgeber bei seiner differenzierenden Regelung auch der Ansicht, dass die Sanierungschance für das Unternehmen im Ausgleichsverfahren höher zu bewerten ist, weil der Schuldner immerhin in der Lage sein muss, 40 % der Forderungen zu erfüllen, und dass dies im Konkursverfahren mit der Quote von nur 20 % nicht gilt. Den Bestandgeber im Zwangsausgleichsverfahren an den säumigen Schuldner nicht mehr zu binden, wäre demnach sachlich begründet.
Bei Abwägung der dargelegten Argumente sprechen nach Auffassung des erkennenden Senats gewichtige Umstände gegen ein planwidriges Versehen des Gesetzgebers und für eine bewusste Differenzierung zwischen Ausgleichs- und Konkursverfahren, die verfassungsrechtlich auch nicht bedenklich erscheint.
Der in § 12a AO für das Ausgleichsverfahren zum Zweck der Unternehmenssanierung normierte Aufschub der wegen Nichtzahlung des Bestandzinses betriebenen Räumungsexekution gilt nicht im Wege der Analogie auch im Zwangsausgleichsverfahren.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO. Die Kosten waren auf der Basis des Jahresbenützungsentgelts (48.832,68 EUR) zu bestimmen (§ 10 Z 2 RATG). Die Höhe der Sicherheitsleistung ist dabei nicht maßgeblich. Die Sicherheitsleistung ist lediglich ein Annex zum strittigen Räumungsanspruch.