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OGH vom 25.04.2019, 5Ob226/18y

OGH vom 25.04.2019, 5Ob226/18y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. D***** s.r.o., *****, 2. Mag. S 3. N*****, alle vertreten durch Dr. Harald Friedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Mag. E*****, 2. Mag. A*****, 3. Ing. Mag. R*****, 4. M*****, 5. Mag. P*****, 6. Mag. D*****, 7. Mag. D*****, 8. Mag. A*****, 9. A*****, 10. Dipl.-Ing. M*****, 11. Dr. T 12. A*****, 13. F*****, 14. M*****, 15. A*****, 16. Dipl.-Ing. M*****, 17. Mag. T 18. S 19. B*****, 20. A*****, 21. M***** und 22. R*****, 23. M*****, 24. J*****, 25. M*****, 1.-6.-, 8.-11.-, 14.-17.-, 21.–23. Antragsgegner vertreten durch Grama Schwaighofer Vondrak Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 24 Abs 6 iVm § 52 Abs 1 Z 4 WEG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 38 R 89/18x-24, mit der der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 9 MSch 27/16b-16, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen, die in ihrem stattgebenden Teil (Spruchpunkte I. und II. des Erstgerichts) als in Rechtskraft erwachsen unberührt bleiben, werden dahin abgeändert, dass Punkt III. des erstgerichtlichen Spruchs lautet:

„III. Der von den Mit- und Wohnungseigentümern der Liegenschaft EZ ***** gefasste Beschluss:

Ich/Wir stimme/en zu, dass im Falle des Abtretens von Ansprüchen auf Herausgabe der in Beschlusspunkt 1.1 genannten Schlüssel einzelner Wohnungseigentümer an die WEG die Geltendmachung dieser Ansprüche gegen die Erstantragsgegnerin oder deren Geschäftsführer auf Rechnung der WEG vorbereitet und gerichtlich geltend gemacht wird, wobei die WEG durch die Hausverwaltung vertreten wird, die einen geeigneten Rechtsvertreter beauftragen kann, ist rechtsunwirksam.

Die Antragsgegner sind schuldig, den Antragstellern die mit 1.759,82 EUR (darin enthalten 278,84 EUR USt und 82,40 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die Antragsgegner sind weiters schuldig, den Antragstellern die mit 686,94 EUR (darin enthalten 87,16 EUR USt und 164 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 916,40 EUR (darin enthalten 104,48 EUR USt und 246 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Parteien sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ *****. Die Mehrheit von ihnen fasste einen aus mehreren Punkten bestehenden Umlaufbeschluss. Alle Punkte dieses Beschlusses hatten die Herausgabe von mehreren Schlüsseln des Typs GS01 und GS02 durch die Erstantragstellerin beziehungsweise ihren Geschäftsführer, die allfällige Verfolgung eines Herausgabeanspruchs durch die Eigentümergemeinschaft sowie die Vernichtung der Schlüssel nach erfolgter Ausfolgung zum Gegenstand. Zuvor hatte die Hausverwaltung die Mit- und Wohnungseigentümer davon in Kenntnis gesetzt, dass beide Schlüsseltypen das Haustor und Türen zu bestimmten Allgemeinräumlichkeiten sperren; der Generalschlüssel mit der höchsten Sperrhierachie könne auch die Türen zu bestimmten Wohnungseigentumsobjekten öffnen.

Die Antragsteller begehrten, den Umlaufbeschluss in allen Punkten für rechtsunwirksam zu erklären.

Das Erstgericht stellte die Rechtsunwirksamkeit für zwei Punkte des Beschlusses fest und wies das Begehren im Umfang der Beschlussfassung über die Vorbereitung und gerichtliche Geltendmachung von Herausgabeansprüchen durch die Eigentümergemeinschaft für den Fall der Abtretung durch die Miteigentümer ab (Spruchpunkt III.). Nur in diesem Umfang ist das Begehren der Antragsteller noch Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens.

Zwar überrschreite die Geltendmachung der Herausgabe von Schlüsseln sowie deren Vernichtung grundsätzlich die Kompetenz der Eigentümergemeinschaft, weil es dabei um die Abwehr von Nutzungs- und Eingriffshandlungen betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft gehe. Der Beschluss laut Punkt III. des Spruchs behandle jedoch Fragen der Abtretungsannahme durch die Eigentümergemeinschaft und der Anspruchsverfolgung.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Antragsteller nicht Folge. Bei Streitigkeiten über die Benützung allgemeiner Teile durch einzelne Miteigentümer und allfälligen Abwehrhandlungen handle es sich nicht um Maßnahmen der Verwaltung, sodass die Abtretung von Ansprüchen gemäß § 18 Abs 2 WEG an die Eigentümergemeinschaft erforderlich sei, damit letztere überhaupt tätig werden dürfe. § 18 Abs 2 WEG nenne ausdrücklich Ansprüche der Wohnungseigentümer aus ihrem Miteigentum, und zwar Unterlassungsansprüche, sowie die Liegenschaft betreffende Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche. Auch Ansprüche auf Herausgabe von Schlüsseln seien als Ausdruck der Eigentumsfreiheit darunter zu subsumieren. Der Eigentümergemeinschaft sei damit auch die Befugnis zur Annahme einer Abtretung solcher Ansprüche der Wohnungseigentümer eingeräumt.

Den Revisionsrekurs erklärte das Gericht zweiter Instanz über Antrag gemäß § 63 AußStrG für zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage der Abtretbarkeit von Herausgabeansprüchen noch nicht befasst habe.

Rechtliche Beurteilung

Der von den Antragsgegnern beantwortete Revisionsrekurs der Antragsteller ist zur Klarstellung zulässig; er ist auch berechtigt.

1.1 Die Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft ist – abgesehen von den Fällen des § 18 Abs 2 WEG – auf Angelegenheiten der Verwaltung beschränkt (§ 18 Abs 1 WEG). Demnach kann die Eigentümergemeinschaft in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden. Verwaltungshandlungen zielen darauf ab, gemeinschaftliche Pflichten zu erfüllen oder gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsguts wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0109188 [T12]). Sie erfordern gemeinschaftliches Vorgehen, weil es um die wohl verstandenen Interessen aller Teilhaber geht (RS0109188 [T3] ua). Besitz- und Gebrauchshandlungen einzelner Miteigentümer sowie Verfügungen, die in die Gemeinschaftsrechte oder in die Anteilsrechte der Miteigentümer eingreifen, zählen nicht zur Verwaltung der Liegenschaft (5 Ob 88/04h; 5 Ob 206/07s).

1.2 Mehrheitsbeschlüsse können und dürfen grundsätzlich nur Maßnahmen der Verwaltung zum Gegenstand haben (RS0130070). Ein ihre Kompetenz überschreitender Beschluss der Eigentümergemeinschaft kann unbefristet bekämpft und zur Klarstellung der Rechtslage beseitigt werden (5 Ob 44/17g; RS0130070; RS0109840 [T3]; RS0108763 [T2] ua).

1.3 Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist ausschließlich die Frage nach der Kompetenz der Eigentümergemeinschaft zur Beschlussfassung.

2. Die Abwehr von Nutzungs- oder Eingriffshandlungen betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft beruht auf dem Anteilsrecht und damit der dinglichen Rechtsposition der Mit- und Wohnungseigentümer und ist grundsätzlich nicht der Verwaltung zuzurechnen (RS0117352). Auch die Verfolgung eines Anspruchs auf Zahlung eines Benützungsentgelts (§ 1041 ABGB) gegen einen Mit- und Wohnungseigentümer, der allgemeine Teile der Liegenschaft ohne Zustimmung der übrigen ausschließlich nützt, zählt nicht zur Verwaltung der Liegenschaft iSd § 18 Abs 1 Satz 1 WEG 2002. Derartige Ansprüche können aber analog § 18 Abs 2 WEG an die Eigentümergemeinschaft abgetreten werden (5 Ob 88/16a). Als Maßnahme zur Abwehr von Eingriffshandlungen betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft beruht auch der Räumungsanspruch auf der dinglichen Rechtsposition der Mit- und Wohnungseigentümer. Zur Räumung gehört auch die Übergabe der Schlüssel (RS0020818). Die Durchsetzung darauf gerichteter Herausgabeansprüche ist jedenfalls nicht der Verwaltung der Liegenschaft zuzurechnen.

3.1 Die Beschlussfassung iSd § 24 Abs 1 WEG 2002 ist Ausdruck der internen Willensbildung der Eigentümergemeinschaft und als Willenserklärung anzusehen (5 Ob 29/15y mwN; H. Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4, § 24 WEG Rz 69). Für die Beurteilung, was Gegenstand des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft und der Anfechtung durch die Wohnungseigentümer ist, kann nur der schriftlich zur Kenntnis gebrachte Text des Beschlusses maßgeblich sein. Ein vom Wortlaut nicht gedeckter oder sogar davon abweichender subjektiver Parteiwille der an der Beschlussfassung beteiligten Wohnungseigentümer ist irrelevant (RS0130029).

3.2 Nach dem Wortlaut des Umlaufbeschlusses, soweit er noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, erteilen die Mit- und Wohnungseigentümer „im Falle des Abtretens von Ansprüchen auf Herausgabe [...] an die WEG“ ihre Zustimmung, dass die „Geltendmachung dieser Ansprüche gegen die Erstantragsgegnerin oder deren Geschäftsführer auf Rechnung der WEG vorbereitet und gerichtlich geltend gemacht wird“ […]. Der von den Antragstellern angefochtene Beschluss erfasste damit die Zustimmung zur Vorbereitung und gerichtlichen Geltendmachung des beschriebenen Anspruchs.

3.3 Die Formulierung des Beschlusses lässt keinen Zweifel, dass er zwar unter der Bedingung einer Abtretung von Ansprüchen auf Herausgabe an die Eigentümergemeinschaft im Sinn des § 18 Abs 2 WEG gefasst wurde. Eine Willensbekundung der Eigentümer zur Annahme einer Abtretung solcher Ansprüche (vgl dazu etwa 6 Ob 115/18g wobl 2019/22, 64 [Terlitza]) ergibt sich daraus jedoch nicht. Auch eine Durchsetzung allenfalls bereits an die Eigentümergemeinschaft abgetretener Ansprüche war nach dem Wortlaut („im Falle des [...]“) nicht Gegenstand der Beschlussfassung. Die vom Rekursgericht als erheblich iSd § 62 Abs 1 AußStrG angesehene Rechtsfrage stellt sich daher nicht: Weder ist die Annahme einer Abtretung Gegenstand des Beschlusses, noch wird damit eine Willenserklärung zu bereits abgetretenen Ansprüchen auf Herausgabe der Schlüssel abgegeben. Eine Beschlussfassung über die Durchsetzung eines Anspruchs, für den die Rechtszuständigkeit der Eigentümergemeinschaft nach den Vorstellungen der Initiatoren des Umlaufbeschlusses durch Abtretung gemäß § 18 Abs 2 WEG erst geschaffen werden soll, fällt jedenfalls nicht in die Kompetenz der Gemeinschaft. Die Rechtsfrage nach der Abtretbarkeit von Herausgabeansprüchen ist damit nur noch von theoretischer Bedeutung.

3.4 Zusammengefasst folgt: Die Durchsetzung von aus der dinglichen Rechtsposition der Mit- und Wohnungseigentümer abgeleiteter Herausgabeansprüche ist nicht der Verwaltung der Liegenschaft zuzurechnen. Eine Beschlussfassung darüber fällt nicht in die Rechtszuständigkeit der Eigentümergemeinschaft. Der in Überschreitung ihrer Kompetenz ergangene Umlaufbeschluss ist daher auch in diesem Umfang (Punkt III. des Erstbeschlusses) zu beseitigen.

4. Dem Revisionsrekurs der Antragsteller war damit Folge und ihrem Antrag zur Gänze stattzugeben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Es entspricht der Billigkeit, dass den Antragstellern die Verfahrens und Rechtsmittelkosten zu ersetzen sind.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00226.18Y.0425.000

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