OGH vom 29.10.1992, 6Ob22/92

OGH vom 29.10.1992, 6Ob22/92

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Firmenbuchsache der V***** Gesellschaft mbH, ***** infolge Revisionsrekurses der Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin Elisabeth H*****, vertreten durch Dr.Hans Oppitz, öffentlicher Notar in Wels, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 157/92-47, womit der Beschluß des Kreis- als Handelsgerichtes Steyr vom , GZ HRB 799-43, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Gesellschaft ist seit zu HRB ***** des Kreis- als Handelsgerichtes Steyr mit dem Unternehmensgegenstand a) die Ausübung des Gast- und Schankgewerbes und b) die Beteiligung an anderen Gesellschaften und die Übernahme der Geschäftsführung in solchen Gesellschaften eingetragen; alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Gesellschaft ist Elisabeth H*****. Die Generalversammlung der Gesellschaft faßte am folgenden Beschluß:

"a) Der von der V***** Gesellschaft mbH geführte Gast- und Schankgewerbebetrieb ist in seinem Umfange so weit herabgesunken, daß er über den Umfang eines Kleingewerbes nicht hinausgeht. Es soll daher die Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß § 2 des Umwandlungsgesetzes durch Übertragung des Unternehmens auf die einzige Gesellschafterin (Hauptgesellschafterin) in ein nicht protokolliertes Einzelunternehmen umgewandelt werden.

b) Frau Elisabeth H***** beschließt daher, die V***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in K***** durch Übertragung ihres Vermögens auf die einzige Gesellschafterin Elisabeth H***** nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes 1954 auf der Grundlage des Jahresabschlusses und unter Inanspruchnahme der abgabenrechtlichen Begünstigungen des Artikels II §§ 7 und 11 des Umgründungssteuergesetzes umzuwandeln;

c) die Firma der umgewandelten Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlischt gemäß der §§ 4 Abs 1 und 31 Abs 2 des Handelsgesetzbuches."

Am stellte Elisabeth H***** als Geschäftsführerin der Gesellschaft unter Bezugnahme auf diesen Generalversammlungsbeschluß den Antrag auf Eintragung der Umwandlung der Gesellschaft durch Übertragung des Vermögens auf die einzige Gesellschafterin (Hauptgesellschafterin) gemäß § 2 UmwG unter Inanspurchnahme der abgabenrechtlichen Begünstigungen des Art II UmgrStG und des Erlöschens der Firma im Firmenbuch.

Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil das UmwG keine Umwandlung einer Kapitalgesellschaft durch Übertragung des Unternehmens auf einen Minderkaufmann ermögliche.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach Lehre und Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz komme bei einer Umwandlung nach dem UmwG als Nachfolgeunternehmer oder Nachfolgeunternehmen nur ein Vollkaufmann oder eine Offene Handelsgesellschaft bzw Kommanditgesellschaft in Betracht. Daran habe auch Art II UmgrStG nichts geändert, seien doch dessen Bestimmungen auf die zivil- bzw handelsrechtlichen Voraussetzungen des UmwG abgestellt. Art III § 10 GmbHGNov 1980 könne in diesem Zusammenhang auch nicht mehr analog angewendet werden.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Geschäftsführerin der Gesellschaft erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Das Bundesgesetz vom BGBl 187 über die Umwandlung von Handelsgesellschaften (UmwG) ermöglicht übertragende Umwandlungen, durch die das Vermögen einer Kapitalgesellschaft (Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung) unter Ausschluß der Liquidation (Abwicklung) von Gesetzes wegen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Nachfolgeunternehmer (sog. verschmelzende Umwandlung: §§ 2 ff UmwG) oder auf das Nachfolgeunternehmen (sog. errichtende Umwandlung: § 7 UmwG) übertragen wird (Kastner-Doralt-Nowotny, Gesellschaftsrecht5 331; HS

14.355 mwN). Das österreichische UmwG trat an die Stelle des deutschen Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom , DRGBl I 569, samt den dazu ergangenen (4) Durchführungsverordnungen. Es sollte die Möglichkeit bieten, Kapitalgesellschaften unter Ausschluß der Liquidation in Unternehmensformen von nicht rein kapitalistischer Grundlage (Einzelunternehmer, OHG, KG) umzuwandeln, soferne die durch den Krieg und die Nachkriegszeit bewirkte Entwicklung der Wirtschaft die Loslösung von der Assoziationsform der Kapitalgesellschaft zweckmäßig machte. Erklärter Zweck des UmwG war daher die Herbeiführung wirtschaftlicher Konsolidierung im Wege der von ihm eröffneten Umwandlungsmöglichkeit von Kapitalgesellschaften (RV 137 BlgNR 7.GP, abgedruckt bei Helbich, Umgründungen4 177 ff). Das UmwG selbst war zwar zeitlich umbefristet, galt aber gemäß § 10 Abs 1 nur für Umwandlungen, die vor dem zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wurden. Im Zusammenhang mit den wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Strukturverbesserung und damit zur Verbesserung der Ausgangsstellung der österreichischen Wirtschaft für den Wettbewerb, besonders im Hinblick auf eine größere europäische Gemeinschaft, wurde es als zweckmäßig erachtet, die Umwandlung von Kapitalgesellschaften wieder zu ermöglichen. Dies geschah durch das Bundesgesetz vom BGBl 68, welches die Fristbestimmung des § 10 Abs 1 entfallen ließ (RV 135 BlgNR 11. GP, abgedruckt aaO 182 ff). Übertragende Umwandlungen im Sinne des UmwG waren zunächst durch das SEBG und danach durch Art II StruktVG abgabenrechtlich begünstigt (Helbich, Umgründungen3 256 ff; Wundsam-Zöchling-Huber-Kuhn, Handkommentar zum UmgrStG Rz 2 und 3 zu § 7). Die Bestimmungen des Art II StruktVG waren aber nur bis in Geltung. Erst durch Art IV GmbHGNov 1980 wurden sie als Begleitmaßnahme zur Erhöhung der Mindestausstattung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, allerdings zeitlich befristet bis , wieder reaktiviert. Art III § 10 GmbHGNov 1980 erweiterte in diesem Zusammenhang auch den Anwendungsbereich des UmwG auf Gesellschaften, "die kein Vollhandelsgewerbe oder kein Handelsgewerbe betreiben", so daß der Nachfolgeunternehmer auch ein Minderkaufmann, ein Angehöriger eines freien Berufes, ein Land- und Forstwirt und das Nachfolgeunternehmen nicht nur eine OHG oder eine KG, sondern auch eine zum Zwecke der Umwandlung errichtete Erwerbsgesellschaft des bürgerlichen Rechtes sein konnten (Helbich, Umgründungen4 379 ff [381]; Wundsam-Zöchling-Huber-Kuhn aaO Rz 4 zu § 7). Erst seit sind auf errichtende und verschmelzende Umwandlungen nach dem UmwG die §§ 8 bis 11 UmgrStG BGBl 1991/699 anzuwenden.

Gemäß § 1 Abs 1 UmwG ist Voraussetzung für beide Formen der übertragenden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft, daß sie (ua) "ein Handelsgewerbe im Sinne des Handelsgesetzbuches betreibt". Der Gesetzgeber hat diese Einschränkung der Möglichkeit begünstigter Umwandlung "für solche Kapitalgesellschaften...., die ein Handelsgeschäft (§ 344 HGB) betreiben", damit begründet, daß "die Kapitalgesellschaften zwar Handelsgesellschaften sind, aber kein Handelsgewerbe betreiben müssen". Für die Umwandlung anderer Kapitalgesellschaften, die kein Handelsgeschäft betreiben, bestehe gemäß dem Zweck des UmwG - Herbeiführung wirtschaftlicher Konsolidierung - kein Bedürfnis (RV zum Stammgesetz, Helbich aaO 178). Damit hat der Gesetzgeber - für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung - der Bestimmung des § 61 Abs 3 GmbHG Rechnung getragen, wonach die Gesellschaft als Handelsgesellschaft gilt, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht. Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind somit ohne Rücksicht auf den Gegenstand ihres Unternehmens und auf den Umfang ihres Geschäftsbetriebes zu Handelsgesellschaften im Sinne des § 6 Abs 1 HGB erklärt. Eine registrierte Gesellschaft mit beschränkter Haftung gilt demnach stets als Vollkaufmann (Straube in Straube, HGB Rz 3 zu § 4 und Rz 4 zu § 6).

Die Frage, ob eine Kapitalgesellschaft durch Übertragung des Unternehmens auf den Hauptgesellschafter umgewandelt werden kann (§ 2 UmwG), wenn das Unternehmen ein Kleinbetrieb (§ 4 HGB) ist, wurde erstmals bereits im Jahre 1955 von Kastner gestellt und verneint (NZ 1955, 88 = Doralt [Herausgeber], Gesellschafts- und Unternehmensrecht von Walther Kastner [gesammelte Aufsätze 1946-1981] 373 f), weil das österreichische UmwG aus den ihm als Vorbild dienenden reichsrechtlichen Umwandlungsvorschriften die Bestimmung über die errichtende Umwandlung in eine Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht (§ 1 der 1.DchfV) nicht übernommen habe und Kapitalgesellschaften die Umwandlung nur erlaube, wenn sie ein Handelsgeschäft betreiben. Nach dem Ziel des UmwG - wirtschaftliche Werte bei Änderung der Rechtsform nicht durch die Liquidation zu zerstören, den good will eines Unternehmens zu erhalten, den Fortbestand wirtschaftlich wichtiger Unternehmen in anderer Rechtsform zu erleichtern - sei der gänzliche Ausschluß der Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Erwerbsgesellschaften nach ABGB verständlich. Wenn nun eine Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung einen so unbedeutenden Handelsbetrieb habe, daß die Vollkaufmannseigenschaft zu verneinen sei, dann bestehe kein wirtschaftspolitisches Interesse mehr, die Abwicklung zu vermeiden. Im Hinblick auf die Schwäche solcher Unternehmen könne auf die ordnungsgemäße Liquidation zum Schutze der Gläubiger nicht verzichtet werden. Es könne dann aber wohl auch keinen Unterschied machen, ob das Unternehmen einer Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf ein Einzelunternehmen oder eine Gesellschaft übertragen werden solle. Liege kein Vollhandelsbetrieb des Nachfolgeunternehmens vor, so sei die Umwandlung abzulehnen und die Kapitalgesellschaft zu liquidieren. Dieser Auffassung Kastners hat sich die herrschende Lehre angeschlossen (Kastner-Doralt-Nowotny aaO 332; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 757; Kostner, Die GmbH3 239; Helbich, Umgründungen3 258; Schiemer, AktG2, Anh nach § 253 Rz 2.1 zu § 1 UmwG); ihr ist auch das Oberlandesgericht Graz gefolgt (EvBl 1986/47). Alle anderen von der Rechtsmittelwerberin zitierten rekursgerichtlichen Entscheidungen hatten die hier zu lösende Rechtsfrage - ebensowenig wie die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ 43/238 - weder unmittelbar noch mittelbar zum Gegenstand.

Der erkennende Senat schließt sich den überzeugenden Argumenten der herrschenden Lehre an: Daß für keine der beiden Umwandlungsformen des UmwG die Kaufmannseigenschaft der übertragenden Kapitalgesellschaft kraft Gesetzesform (Formkaufmann) genügt, sondern das zu übertragende Unternehmen tatsächlich Art und Umfang (§§ 2 und 4 HGB) eines Vollhandelsgewerbes aufweisen muß, ergibt sich schon daraus, daß gemäß § 7 Abs 1 UmwG Nachfolgeunternehmen nur eine zugleich errichtete OHG oder KG sein können, welche aber den Betrieb eines Vollhandelsgewerbes zur Voraussetzung haben. Daß dies auch für die verschmelzende Umwandlung gemäß § 2 Abs 1 UmwG gilt, folgt nicht nur aus dem von Kastner hervorgehobenen Zweck dieses Gesetzes, sondern auch daraus, daß andernfalls die im § 6 UmwG normierten Regeln über die Firmenfortführung durch den Nachfolgeunternehmer obsolet wären. Nach dem UmwG ist demnach die Umwandlung von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung durch Übertragung eines nicht voll kaufmännischen Unternehmens ausgeschlossen.

Entgegen der Meinung der Rechtsmittelwerberin und Arnolds (in Arnold-Gassner-Meinhard, Die GmbH-Neuregelungen 1980, 73) bestätigt gerade die sachlich beschränkte und zeitlich befristete Übergangsregelung des Art III § 10 GmbHGNov 1980 die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung, daß außerhalb dieser Spezialregelung für die Umwandlung Vollkaufmannseigenschaft Voraussetzung ist, wurde doch mit ihr nur für die nach den neuen Regeln unterkapitalisierten Gesellschaften mit beschränkter Haftung der Anwendungsbereich des UmwG erweitert (Doralt aaO 374 FN 5a; Kastner-Doralt-Nowotny aaO FN 55). An dieser Rechtslage konnte auch das an das UmwG anknüpfende UmgrStG nichts ändern, hat doch das geplante GesRÄG mit seinen gesellschaftsrechtlichen Begleitmaßnahmen, welche (ua) auch eine Novellierung des UmwG dahin zum Gegenstand hatten, daß die umgewandelte Gesellschaft kein Handelsgeschäft mehr betreiben und der Nachfolgeunternehmer auch nicht mehr Kaufmann sein muß (Graff in ecolex 1992, 5), keine Gesetzeskraft erlangt. Ob § 11 Abs 4 GewO in Verbindung mit § 5 EGG nunmehr die Umwandlung einer Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Sinne des UmwG auf eine Erwerbsgesellschaft als Nachfolgeunternehmer oder als Nachfolgeunternehmen ermöglicht (dagegen Krejci, EGG Rz 22 zu § 5 mit beachtlichen Argumenten), braucht hier nicht entschieden zu werden.

Da im vorliegenden Fall das von der Gesellschaft mit beschränkter Haftung betriebene Grundhandelsgewerbe gemäß § 1 Abs 2 Z 1 HGB auf den Umfang eines Kleingewerbes herabgesunken ist, liegen die Voraussetzungen für eine nach dem UmwG zulässige Umwandlung nicht vor (§ 4, letzter Satz, UmwG). Dem Revisionsrekurs mußte somit ein Erfolg versagt bleiben.