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OGH vom 14.01.1998, 3Ob2405/96i

OGH vom 14.01.1998, 3Ob2405/96i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Muhamed B*****, vertreten durch Dr.Franz Gerald Hitzenbichler und Mag.Ludwig Vogl, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Minderjähriger Daniel M*****, geboren am , vertreten durch die Mutter Zorka M*****, diese vertreten durch Dr.Robert Galler, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Einwendungen gegen den Anspruch, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom , GZ 21 R 321/96v-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom , GZ 5 C 18/95m-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist das außereheliche Kind der Zorka M***** und des Klägers, der seine Vaterschaft anerkannt hat. Die Beklagte, bei der sich das Kind befindet, ist obsorgeberechtigt. Der Kläger verpflichtete sich mit Vergleich des Bezirksgerichtes Salzburg vom , 4 P 523/86, zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 2.000 ab , zahlbar jeweils bis spätestens 10. des jeweiligen Monats im voraus zu Handen der Mutter Zorka M***** auf ein bestimmtes Konto. Seit etwa 1994 überwies der Kläger die Unterhaltsbeiträge in zweimonatlichen Abständen im vorhinein per Postanweisung an die Mutter des Beklagten, Zorka M*****, die gegen diese geänderte Zahlungsmodalitäten keine Einwände hatte. Zorka M***** und der Beklagte wohnen in jenem Haus in der Münchner Bundesstraße in Salzburg, in dem sich auch das Unternehmen befindet, bei dem Zorka M***** beschäftigt ist. Ihre Post erhält Zorka M***** dabei stets von der Sekräterin ihres Arbeitgebers. Allerdings arbeitet Zorka M***** regelmäßig auch in anderen Betrieben. Die Postanweisungen des Klägers erhielt Zorka M***** meistens direkt vom Postboten ausgehändigt, weil sie meistens selbst anwesend war; sonst wurde vom Postboten bei der Sekräterin des Arbeitgebers von Zorka M***** eine Verständigung übergeben, mit der Zorka M***** anschließend das Geld beim Postamt Liefering beheben konnte.

Da Zorka M***** weder am noch am anwesend war, nahm der Postbote jene Beträge, die er an diesen Tagen an Zorka M***** aushändigen wollte, wieder mit und sandte diese jeweils wieder an das Absendepostamt 5017 Salzburg zurück, und zwar einmal mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" und einmal mit dem Vermerk "nicht angenommen". Die Geldsendungen wurden daraufhin als "unanbringlich" an die Prüfstelle der Generaldirektion der PTV in 1010 Wien vorgelegt, wo sie innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ab Aufgabedatum lediglich vom Absender angesprochen werden können.

Am beantragte der Beklagte zu 5 E 3971/95 des Bezirksgerichtes Salzburg die Bewilligung der Fahrnis- und Gehaltsexekution gegen den Kläger zur Hereinbringung der bereits fälligen Unterhaltsforderung von S 4.000 für den Zeitraum bis sowie der ab fällig werdenden Unterhaltsbeiträge von monatlich je S 2.000. Die Exekution wurde antragsgemäß mit Beschluß vom bewilligt; mit Beschluß vom wurde sie auf den Zeitraum ab eingeschränkt.

Der Kläger erhob Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), weil er den Unterhalt für bis bereits vor Exekutionsführung, nämlich am mittels Inlandspostanweisung, bezahlt habe. Desweiteren hätten die Streitteile vereinbart, daß die Unterhaltszahlung im zweimonatlichen Abstand jeweils bis 15. eines jeden zweiten Monats zu leisten sei. Die Bezahlung bis zum 10. eines jeden Monats wäre dem Kläger auch schon deshalb nicht möglich gewesen, weil er seinen Lohn frühestens erst ab dem 10. eines jeden Monats ausbezahlt erhalte. Bereits seit 1993 erfolge die Zahlung des Unterhalts aufgrund der getroffenen Vereinbarung auf diese Art zweimonatlich. Der Kläger sei auch mit den weiteren Unterhaltsleistungen für August und September 1995 nicht in Verzug. Der Kläger stellte das Urteilsbegehren, der Ausspruch des Beklagten aus dem Vergleich des Bezirksgerichtes Salzburg vom , 4 P 523/86, sei für den weiteren Unterhalt ab , zu dessen Hereinbringung mit Beschluß vom zu 5 E 3971/95 die Gehalts- und Fahrnisexekution bewilligt worden sei, erloschen.

Der Beklagte brachte vor, die Zahlungen seien nicht zugegangen, weil die Postanweisungen vom und vom als "unanbringlich" an die Prüfstelle der Generaldirektion der PTV in Wien vorgelegt worden seien; diese Zahlungen könnten nur vom Absender eingefordert werden. Erst im Jänner 1996 seien sie an den Beklagten ausgezahlt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und beurteilte ihn in rechtlicher Hinsicht dahin, aufgrund der Tatsache, daß die Einzahlung der Unterhaltsbeträge infolge Auflösung des ursprünglichen im gerichtlichen Vergleich genannten Bankkontos nicht mehr möglich gewesen sei und infolge der jahrelangen Übung, wonach der Kläger die Unterhaltsbeträge Mitte des Monats zweimonatlich überwiesen habe, wobei der Unterhaltsbetrag für den folgenden Monat im voraus bezahlt worden sei, und schließlich deshalb, weil diese Änderung der Zahlungsmodalitäten von Zorka M***** mit der Einstellung geduldet worden sei, sei von einer durch das jahrelange Verhalten des Klägers und der Zorka M***** begründeten konkludenten Abänderung der ursprünglichen Zahlungsbedingungen dahingehend auszugehen, daß der Kläger die Unterhaltsbeträge zweimonatlich jeweils Mitte des Monats zu überweisen habe, wobei der folgende Monat im voraus bezahlt werde. Der Kläger habe sich daher mit den Unterhaltszahlungen bis Juli 1995 und ab September 1995 nicht im Verzug befunden. Die Exekutionsführung auf die nach dem Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung fällig werdenden Unterhaltsbeträge erscheine aber dennoch zulässig, weil Zorka M***** zum Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung nicht habe wissen können, daß der Kläger die Beträge zwar eingezahlt habe, diese aber bei der Prüfstelle der Generaldirektion der Post hinterlegt worden seien. Aus dieser Sicht habe Zorka M***** davon ausgehen müssen, daß der Beklagte in Verzug gewesen sei. Betreffend die von der Post einbehaltenen Beträge sei grundsätzlich davon auszugehen, daß eine mittels Postanweisung am Fälligkeitstag vorgenommene Einzahlung beim Postamt als rechtzeitig zu werten ist. Der Schuldner sei demnach berechtigt, im Zweifel einen Geldbetrag auch mittels Postanweisung zu begleichen. Die vom Kläger zu leistenden Unterhaltszahlungen seien jedoch mangels anderer Vereinbarung so wie alle Geldschulden qualifizierte Schickschulden gewesen, sodaß der Kläger nicht nur gemäß § 905 Abs 2 ABGB die Verpflichtung zur Absendung gehabt habe, sondern auch die Gefahr des Ankommens dieser Geldbeträge getragen habe. Da Zorka M***** nicht vorgeworfen werden könne, daß sie sich nicht ständig ab Wohnort zur Übernahme des Geldbetrags vom Postboten aufhielt und daß sie ohne Verständigung nicht versuchte, beim Postamt die Art der Briefsendung zu erkunden, um allfällige Zahlungen zu erhalten, falle der Umstand, daß die Geldbeträge nicht rechtzeitig bei Zorka M***** einlangten, in die Sphäre des Klägers. Er sei demnach bis zum tatsächlichen Einlangen der Zahlungen beim Beklagtenvertreter als im Verzug befindlich zu betrachten. Da ein gerichtlicher Vergleich nach den Regeln eines zivilrechtlichen Vertrags zu beurteilen sei, sei ein einvernehmliches Abgehen von der ursprünglichen Regelung möglich und wirksam. Gemäß § 372 EO könne zur Sicherung noch nicht fälliger Unterhaltsansprüche zugleich mit der Exekution zur Hereinbringung fälliger Beträge auch die Exekution zur Sicherung der innerhalb eines Jahres fällig werdenden Beträge begehrt werden; Voraussetzung sei lediglich, daß gleichzeitig eine Hereinbringungsexekution geführt werde.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil keine das vorliegende Verfahren an Bedeutung übersteigenden Rechtsfragen zu lösen gewesen seien; in rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, eine mündliche Mitteilung des Postboten der Sekräterin des Arbeitgebers von Zorka M***** gegenüber könne keinerlei Wirkungen im Hinblick auf die Postordnung oder das Zustellgesetz entfalten. Maßgeblich sei lediglich, daß weder am 9.6. noch am eine Zustellung der Postanweisung an die Mutter des Beklagten möglich gewesen sei, weil sie nicht anwesend gewesen sei, und daß der Postbote zu Unrecht die Vermerke "Empfänger unbekannt" bzw "nicht angenommen" angebracht habe. Da der Mutter des Beklagten auf ordnungsgemäße Weise keine Verständigung vom erfolgten Zustellversuch zugekommen sei, könne ihr auch nicht vorgeworfen werden, daß sie aufgrund der mündlichen Mitteilung der Sekräterin nicht zum Postamt Liefering gegangen sei, abgesehen davon, daß die beiden Geldbeträge bereits unmittelbar nach dem Zustellversuch an das Absendepostamt 5017 Salzburg zurückgesandt worden waren. Zorka M***** hätte daher die Geldbeträge ohnehin nicht beim Postamt Liefering beheben können. Nach § 905 Abs 2 Satz 1 ABGB habe der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten Geldzahlungen dem Gläubiger an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu übermachen. Die Gefahr des Verlustes des Geldes "auf der Reise" trage daher der Absender, was auch für jene Fälle zu gelten habe, in denen die Zustellung des Geldes aufgrund von Umstände scheitere, die nicht in der Sphäre des Empfängers gelegen seien. Dem Kläger sei zwar zuzugestehen, daß ihn am Mißlingen der Zustellung kein Verschulden trifft, doch richte sich die Gefahrtragung nach § 905 Abs 2 Satz 1 ABGB nach objektiven Grundsätzen, sodaß letztlich davon ausgegangen werden müsse, daß sich der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung im Exekutionsverfahren vom sowohl mit dem Juni- als auch mit dem Juli- als auch bereits mit dem Augustunterhalt 1995 im Verzug befunden habe.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Kläger ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Geldschulden hat der Schuldner nach § 905 Abs 2 Satz 1 ABGB im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu übermachen. Geldschulden sind im Zweifel Schickschulden, und zwar sogenannte "qualifizierte" Schickschulden, weil sie auf Gefahr und Kosten des Schuldners reisen (Binder in Schwimann, ABGB**2, Rz 25 zu § 905). Der gesetzliche Terminus "übermachen" ist nicht gleichbedeutend mit "überbringen", vielmehr ist er im Sinn von "übersenden" zu verstehen (Binder in Schwimann**2, Rz 26 zu § 905; Reischauer in Rummel, ABGB**2, Rz 15 zu § 905; SZ 57/160).

Die hier vom Schuldner eingehaltene Art der Übersendung durch Postanweisung entspricht sowohl hinsichtlich des Termins als auch hinsichtlich der Anschrift, an der die Auszahlung zu erfolgen hat, der von den Parteien geübten Praxis und wurde im übrigen auch vom Beklagten nicht als vereinbarungswidrig beanstandet. Nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ist davon auszugehen, daß die empfangsberechtigte Mutter des Beklagten bei den hier in Frage stehenden Zustellversuchen nicht anwesend war. Die Geldsendung ist dem Beklagten niemals zugekommen, ohne daß ihm dies zuzurechnen wäre. Soweit der Kläger von einer urlaubsbedingten Abwesenheit der Mutter des Beklagten am ausgeht, ist dies durch die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen nicht gedeckt.

Die Übermittlung von Geldbeträgen mit Postanweisung ist in den §§ 255 ff PostO geregelt. Die Post ist verpflichtet, von einem Absender bei einem Postamt eingezahlte Geldbeträge an einen Empfänger auszuzahlen, wenn der Auftrag hiezu mit einer Postanweisung erteilt wird (§ 255 Satz 1 PostO). Die Bestimmungen der Postordnung über die Abgabe der Postsendungen gelten sinngemäß auch für die Auszahlung von Geldbeträgen (§ 261 Satz 1 PostO). Hiebei sind Geldbeträge wie Wertbriefe mit einer Wertangabe in gleicher Höhe abzugeben (§ 261 Satz 2 PostO). Da der Empfänger nicht ortsabwesend war, entspricht die hier eingehaltene Vorgangsweise des Zustellers, der die Geldbeträge als unzustellbar behandelt hat (§ 263 Satz 3 PostO), nicht den betreffenden Vorschriften. Vielmehr ist nach § 178 PostO dann, wenn ein neuerlicher Zustellversuch keinen Erfolg verspricht oder auch der zweite Zustellversuch erfolglos war, die Geldsendung beim Postamt zur Abholung bereitzuhalten; der Empfänger ist davon schriftlich zu benachrichtigen. Wenn der Postbote nicht, wie dies bei der gegebenen Sachlage geboten gewesen wäre, eine schriftliche Benachrichtigung zurückließ, daß der Geldbetrag beim Postamt zur Abholung bereitgehalten wird, sondern dessen Rückzahlung in die Wege leitete, trifft dies nicht den Beklagten. Das Fehlverhalten des Zustellers ist nicht auf Umstände zurückzuführen, die von ihm bzw dessen empfangsberechtigter Mutter zu verantworten wären. Die Zustellung des Geldbetrages wurde nie bewirkt; mangels Zustellung durch Bereithaltung zur Abholung beim Postamt endete nicht die Gefahrtragung des Klägers als Geldschuldners; nur bei einem derartigen Zustellvorgang wäre die Gefahr gemäß § 1419 ABGB auf den als Gläubiger in Verzug geratenen Beklagten übergegangen (vgl LGZ Wien EvBl 1948/883; Binder in Schwimann**2 Rz 35 zu § 905; Honsell/Heidinger in Schwimann**2 Rz 14 zu § 1419). Da hier der Geldbetrag nicht beim Gläubiger eingegangen ist, trifft den Kläger als Geldschuldner das Verlustrisiko (vgl Binder in Schwimann**2, Rz 36 zu § 905; Heinrichs in Palandt, BGB56, Rz 10 zu § 270; Keller in MünchKomm BGB3, Rz 15 zu § 270). Die Schuldbefreiung war durch die hier unterlassene ordnungsgemäße Auszahlung bedingt (Reischauer in Rummel**2 Rz 15 zu § 905 ABGB).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.