OGH vom 21.05.1980, 6Ob586/80
Norm
AußstrG § 229;
AußstrG § 230;
Kopf
SZ 53/81
Spruch
Im Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse kann das Gericht nach Anhörung der Beteiligten auch nicht beantragte, nicht gegen den Willen des hiedurch Begünstigten verstoßende Anordnungen treffen
Auch wenn nur die Entscheidung über einen Teil des nach den §§ 81, 82 EheG der Aufteilung unterliegenden Vermögens begehrt wird, ist für die anzustellende Billigkeitsabwägung das gesamte der Aufteilung unterliegende Vermögen zu erfassen; in die Abwägung sind auch alle vorhersehbaren künftigen Interessenlagen mit einzubeziehen
Im Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens kann an der im Eigentum eines oder beider Ehegatten stehenden Ehewohnung zugunsten eines Ehegatten auch ein dingliches Recht begrundet werden
Im Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens sind bei der gerichtlichen Anordnung eines Mietverhältnisses über die Ehewohnung auch Regelungen möglich, die im Falle einer rechtsgeschäftlichen Begründung unwirksam wären
(LGZ Wien 43 R 2011/80; BG Hietzing F 19/79)
Text
Die am zwischen dem 1931 geborenen Antragsgegner und der 1934 geborenen Antragstellerin geschlossene Ehe wurde aus dem Verschulden des Mannes geschieden. Das Scheidungsurteil ist seit rechtskräftig.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind Eigentümer je eines Hälfteanteiles an der Liegenschaft EZ 2331 KG. A mit dem Grundstück 1802. Auf diesem von den beiden Eheleuten im Jahr 1964 käuflich erworbenen Grundstück wurde in den Jahren 1968/69 das Einfamilienhaus errichtet, das die Eheleute im April 1969 mit ihren Kindern bezogen. Der Antragsgegner ist im Jahr 1971 aus diesem Haus ausgezogen. Derzeit bewohnt es die Antragstellerin mit dem am geborenen Sohn Martin.
Das in den Jahren 1968/69 auf dem gemeinschaftlichen Grund der Ehegatten errichtete Haus ist unterkellert und besitzt zwei Wohngeschosse. Im Erdgeschoß - mit einer Wohnfläche von rund 53 m2 - befinden sich eine Diele die Küche (das WC) und ein Wohnraum; im Obergeschoß - mit einer Wohnfläche von rund 49 m2 - zwei Zimmer mit Terrasse, ein weiterer Raum sowie ein Badezimmer. Im Kellergeschoß mit einer Fläche von 66.5 m2 ist neben einem Vorraum, einem Öltankraum und einem Heizraum die Garage untergebracht. Der Dachboden ist ausbaufähig. Das Haus bildet eine einzige Wohneinheit. Der zum Haus gehörende Garten ist rund 400 m2 groß. Der monatliche Mietwert des Hauses beträgt 5200 S. Weder die Antragstellerin noch der Antragsgegner haben Vermögen in die Ehe eingebracht. Der Antragsgegner arbeitet seit dem Jahr 1953 als selbständiger Dentist. Er brachte den Kaufpreis für die Liegenschaft aus eigenen Mitteln auf. Er finanzierte auch den Hausbau mit einem Kostenaufwand von rund 400 000 bis 500 000 S aus seinen Mitteln. Die Bausparkassendarlehen zahlte der Antragsgegner bis auf einen derzeit aushaftenden Restbetrag von ungefähr 40 000 S aus seinem Einkommen zurück. Die monatliche Rückzahlungsfälligkeit beträgt 584 S.
Der Antragsgegner hat ein Jahresnettoeinkommen von 350 000 S. Er ist nicht nur Eigentümer des Hälfteanteiles an der beschriebenen Liegenschaft, sondern auch Eigentümer einer Liegenschaft in L. mit Haus sowie einer weiteren Eigentumswohnung. Die letztgenannte Garconniere benützt die 1955 geborene Tochter Edith. Die 1959 geborene Tochter Gabriela wohnt beim Antragsgegner. Die Antragstellerin arbeitet seit November 1971 als Sekretärin. Sie bezieht ein 14mal im Jahr ausbezahltes Nettoeinkommen von abgerundet 9600 S (einschließlich der Familienbeihilfe für den Sohn Martin). Der 1966 geborene Sohn Martin steht in Pflege und Erziehung der Antragstellerin. Er ist halbintern im Jesuitenkolleg K untergebracht. Die Kosten hiefür betragen 3500 S monatlich. Die monatlichen Unterhaltszahlungen des Antragsgegners für diesen Sohn Martin betragen 3700 S.
Der Antragsgegner hat beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eine Klage auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an dieser Liegenschaft durch Zivilteilung eingebracht. Das hierüber anhängige Verfahren ruht.
Am beantragte die geschiedene Ehefrau, ihr sämtliche Räume des Einfamilienhauses samt Garten zur Alleinbenützung zuzuweisen und zu (ihren) Gunsten einen Mietvertrag anzuordnen.
Der Antragsgegner erachtete die von ihm angestrebte Zivilteilung der gemeinschaftlichen Liegenschaft mit der ehemaligen Ehewohnung als die einzig vertretbare Form der Aufteilung. Der der Antragstellerin zufallende Erlösanteil wurde ihr nach Auffassung des Antragsgegners die Beschaffung eines angemessenen Wohnungsersatzes für sie und den Sohn ermöglichen. Die angestrebte Begründung eines Mietverhältnisses würde dagegen den Hälfteanteil des Antragsgegners praktisch unverwertbar machen. Der Antragsgegner beantragte deshalb in erster Linie die Abweisung des von der Antragstellerin eingebrachten Aufteilungsantrages, hilfsweise die Zuweisung des ausschließlichen Benützungsrechtes an der ehemaligen Ehewohnung an die Antragstellerin bis zum Eintritt der Erwerbsfähigkeit des minderjährigen Sohnes bei gleichzeitigem Verzicht des Antragsgegners auf Teilung bis zu diesem Zeitpunkt und Begründung eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes in der Form einer Benützungsregelung unter Festsetzung einer monatlichen Geldleistung der Antragstellerin von 2600 S zuzüglich 50% der Annuitäten von 584 S monatlich; mit einem weiteren Hilfsantrag beantragte der Antragsgegner für den Fall einer Mietrechtsbegründung, die Miete nur auf einen - nicht näher umschriebenen - Teil des Hauses zu beschränken.
Das Erstgericht traf folgende Anordnung: Es wies die Wohnung der Antragstellerin zur alleinigen Benützung zu (Punkt 1), begrundete an dieser Wohnung ein Mietverhältnis der Antragstellerin auf unbestimmte Zeit (Punkt 2) und setzte den monatlichen Mietzins ab dem der Rechtskraft des Beschlusses folgenden Monatsersten mit 800 S zuzüglich der Betriebskosten, öffentlichen Abgaben und monatlichen Raten von 584 S fest (Punkt 3).
Das Erstgericht erachtete einen Wohnbedarf des Antragsgegners an der ehemaligen Ehewohnung nicht als gegeben, wohl aber einen solchen der Antragstellerin für sich und den Sohn Martin. Zur Sicherung des Nutzungsrechtes der Antragstellerin an der ihr zuzuweisenden ehemaligen Ehewohnung erschien dem Erstgericht die Begründung eines Mietverhältnisses für angebracht. Bei der Festsetzung eines monatlichen Mietzinses von 800 S ging das Erstgericht davon aus, daß dieser Betrag zur Gänze dem Antragsgegner als dem Eigentümer eines Hälfteanteiles der Liegenschaft zuzufließen habe und daß die Antragstellerin auch die auf die Hälfte des Antragsgegners fallenden Anteile der Grundbesitzabgaben, Versicherungsprämien und Darlehensrückzahlungen tragen müsse. Der sich daraus ergebende monatliche Wohnaufwand von 1590 S sei der finanziellen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin angemessen.
Das Rekursgericht faßte die Umschreibung des Mietverhältnisses (Punkt 2) neu und änderte die Mietzinsfestsetzung (Punkt 3) ab, so daß diese Anordnungen lauten: "2. An der Wohnung wird zugunsten der Antragstellerin ein Mietrecht auf unbestimmte Dauer begrundet. 3. Mit Wirksamkeit ab dem dem Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses folgendem Monatsersten wird der Mietzins für dieses Bestandobjekt mit monatlich 5200 S zuzüglich der Betriebskosten bestimmt, wovon dem Antragsgegner entsprechend seinem Eigentumsanteil ein Anspruch auf 2600 S zusteht."
Auch das Rekursgericht erkannte, daß nach den zugrunde zu legenden Umständen die Begründung eines Mietverhältnisses der Billigkeit entspreche; es sei lediglich klarzustellen, daß die im Miteigentum des Antragstellers und der Antragsgegnerin stehende Liegenschaft und nicht bloß der Miteigentumsanteil des Antragsgegners Mietgegenstand sei, wenn auch die Antragstellerin nur den auf den Anteil des Antragsgegners entfallenden Mietanteil zu bezahlen habe. Es entspreche aber der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Billigkeit, daß die Antragstellerin den vollen vom Sachverständigen ermittelten Mietwert abgelte.
Der Oberste Gerichtshof hob über Revisionsrekurs des Antragsgegners die Beschlüsse beider Vorinstanzen auf, trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung auf und verwies die Antragstellerin mit ihrem Revisionsrekurs auf diese Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Anfechtungsgegenstand ist ungeachtet der eingeschränkten Rechtsmittelerklärungen im Revisionsrekurs wie schon im Rekurs gegen die Entscheidung erster Instanz wegen der rechtlichen Unselbständigkeit der einzelnen Punkte des Spruches der angefochtenen Entscheidung diese zur Gänze. Im Fall einer Anordnung gemäß § 87 Abs. 1 EheG ist eine "Zuweisung" der Ehewohnung zur alleinigen Benützung an einen der geschiedenen Ehegatten für sich allein ohne gleichzeitige Anordnung des die Benützung regelnden Rechtsverhältnisses ein bloßes, nicht unmittelbar vollziehbares Programm, das zu der im Sinne des § 93 EheG gebotenen Durchführung eben einer abschließenden Rechtsgestaltung bedarf.
Zur formalen Begrenzung des Verfahrensgegenstandes, der formellen Gestaltung des Verfahrens, den materiellen Gestaltungsmöglichkeiten und den zu beachtenden Aufteilungsgrundsätzen im Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sind folgende Grundsätze zu beachten:
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die nacheheliche Aufteilung im Sinne der §§ 81 ff. EheG kann vom Antragsteller auf einzelne der nach dem Gesetz der Aufteilung unterliegenden Vermögensteile beschränkt werden. Dadurch wird der Verfahrensgegenstand für das nach den Vorschriften der §§ 229 ff. AußstrG durchzuführenden Verfahren bindend abgegrenzt. Der Antrag ist in diesem Sinne für das Verfahren quantitativ bindend (vgl. AB 916 BlgNR, XIV. GP, 15 zu § 85 EheG; Ent, NZ 1979, 153 in Punkt 7.2.2.2.3.4.).
2. Die in einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die nacheheliche Aufteilung im Sinne der §§ 81 ff. EheG vom Antragsteller angestrebte Regelung ist für das Gericht nicht bindend. Das Gericht hat vielmehr die Anordnung zu treffen, die den Aufteilungsgrundsätzen am ehesten gerecht wird (vgl. 7 Ob 754/79). Dabei kann das Gericht auch eine von keinem Beteiligten vorgeschlagene Regelung anordnen. Eine nicht beantragte Rechtsgestaltung ist allerdings erst anzuordnen, nachdem den Beteiligten Gelegenheit geboten wurde, ihrerseits dazu Stellung zu nehmen. Das gebietet das zu gewährende rechtliche Gehör. Dem Gericht ist es verwehrt, im Rahmen seiner Rechtsgestaltung zugunsten eines Beteiligten eine Rechtsstellung zu begrunden, die dieser ausdrücklich ablehnt. Dies widerspräche nicht nur dem aus § 85 EheG hervorleuchtenden Grundsatz des Vorranges der Parteiendisposition, sondern auch den materiellen Aufteilungsgrundsätzen, weil es nicht der Billigkeit entsprechen könnte, einem Beteiligten eine von ihm ausdrücklich abgelehnte Rechtsstellung zu seinen Gunsten aufzunötigen. In diesem Sinne ist der Antrag für die gerichtliche Entscheidung qualitativ nur relativ bindend.
3. Auch wenn der Aufteilungsantrag nur einen Teil des nach dem Gesetz der Aufteilung unterliegenden Vermögens dem gerichtlichen Verfahren unterwirft (z. B. nur die Ehewohnung), hat sich die Entscheidung doch immer materiell in die der Billigkeit entsprechende Gesamtaufteilung einzufügen. Es ist daher grundsätzlich das gesamte nach §§ 81 und 82 EheG der Aufteilung unterliegende Vermögen zu erfassen, es sind alle im konkreten Fall für die Billigkeitsabwägung bestimmenden Umstände zu erheben und zu berücksichtigen (vgl. AB S. 15 zu § 85 EheG).
4. Der im Verfahren nach §§ 229 ff. AußStrG angerufene Richter hat bei der von ihm anzuordnenden Rechtsgestaltung alle vorhersehbaren künftigen Interessenlagen in seine Billigkeitsabwägung mit einzubeziehen, da eine dem § 17 der 6. DVEheG entsprechende nachträgliche Änderung der einmal getroffenen Entscheidung nicht vorgesehen ist (vgl. AB S. 20 zu § 95 EheG; Ent NZ 1979, 153 in Punkt 7.2.2.2.3.4.5 und 154, Punkt 7.2.2.3.5).
Im außerstreitigen Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sind zwar gemäß § 230 Abs. 2 AußStrG die Bestimmungen der ZPO über die Beweise mit Ausnahme der über die Subsidiarität der Parteienvernehmung (§ 371 Abs. 2 ZPO) anzuwenden. Das berührt die sich aus der allgemeinen Anordnung des § 2 Abs. 2 Z. 5 AußStrG ergebende Verpflichtung des Gerichtes, alle für die Billigkeitsabwägung maßgebenden Umstände zu erforschen, mit den Parteien zu erörtern und mangels Außerstreitstellung durch die Beteiligten durch die erforderlichen Beweisaufnahmen zu klären, im allgemeinen nicht (vgl. Ent - Hopf,
Das neue EheR in Anm. 4 zu § 230 AußStrG; Berger, RZ 1978, 259; Hackl in Schwerpunkte der FamRRef. 1977/78, 164; anderer Ansicht Ent, NZ 1979, 169 in Punkt 9.3.2.4).
Die dem Gericht im Verfahren nach §§ 229 ff. AußStrG obliegende Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung aller für die Billigkeitsabwägung maßgebenden Umstände fällt umso schwerer ins Gewicht, als die zu treffenden Anordnungen späteren Sachverhaltsänderungen mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens nicht mehr angepaßt werden können.
5. Beruht die Benützungsbefugnis an der Ehewohnung auf dem Eigentum des einen oder beider Ehegatten, kann das Gericht - sofern eine billige Regelung in anderer Weise nicht erzielbar ist (§ 90 Abs. 1 EheG) - ungeachtet der Nichterwähnung dieser Rechtsgestaltung im § 87 Abs. 1 EheG zugunsten des einen Ehegatten nicht nur ein schuldrechtliches Rechtsverhältnis, sondern ebenso wie im Fall des § 86 Abs. 1 EheG auch ein dingliches Recht anordnen.
Zwar stellt § 87 EheG systematisch gegenüber der allgemeinen Regelung der gerichtlichen Gestaltungsbefugnisse in Ansehung ehelichen Gebrauchsvermögens eine Sonderegelung der richterlichen Anordnungsmöglichkeiten in Ansehung der Ehewohnung dar. Dies wurde im Ausschußbericht S. 16 zum § 87 EheG mit der besonderen Bedeutung der Ehewohnung motiviert. Dies scheint sachlich insoweit gerechtfertigt, als die richterliche Befugnis bei den die Ehewohnung betreffenden Anordnungen gegenüber den zulässigen Anordnungen in Ansehung des sonstigen ehelichen Gebrauchsvermögens in den Fällen des § 87 Abs. 2 EheG hinausgeht. Andererseits ist aber kein sachlicher Grund dafür zu erkennen, die Möglichkeiten richterlicher Anordnung gerade in Ansehung der im besonderen Grad als regelungsbedürftig erachteten (vgl. z. B. § 82 Abs. 2 EheG, aber auch § 88 EheG) Ehewohnung gegenüber sonstigen ehelichen Gebrauchsvermögen einzuschränken. Es wäre beispielsweise nicht verständlich, sollte das Gericht zwar etwa in Ansehung eines im Eigentum eines Ehegatten stehenden, zu Erholungszwecken benützten Badeplatzes mit Badehütte gemäß § 86 Abs. 1 EheG die Dienstbarkeit des Fruchtgenusses für den anderen Ehegatten zu begrunden befugt sein, in Ansehung eines im Eigentum eines Ehegatten stehenden, zu Wohnzwecken benützten Einfamilienhauses aber eine persönliche Dienstbarkeit der Wohnung zugunsten des anderen Ehegatten nicht anordnen dürfen. Zur Vermeidung eines derartigen Wertungswiderspruches ist nicht zuletzt kraft Größenschlusses die berichtigende Auslegung geboten, daß das Gericht im Fall des § 87 Abs. 1 EheG in Ansehung der Ehewohnung auch ein dingliches Recht - z. B. die Dienstbarkeit der Wohnung - zu begrunden befugt ist (im selben Sinne Palten, ÖJZ 1979, 375 ff. in Punkt 6.1.1.5).
6. Bedarf es zur rechtlichen Absicherung der Benützungsbefugnis an der der Aufteilung zu unterziehenden Ehewohnung der Anordnung eines neuen Rechtsverhältnisses, ist nach dem Grundsatz des § 90 Abs. 1 EheG zunächst die Begründung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses zu erwägen. Wenn § 87 Abs. 1 EheG dabei in Abweichung vom Wortlaut des § 5 Abs. 2 der 6. DVEheG nicht den Begriff "Mietverhältnis", sondern den allgemeinen Begriff "schuldrechtliches Rechtsverhältnis" verwendet, ist dies ein Hinweis dafür, daß das Gericht bei seinen Anordnungen nicht an einen bestimmten Rechtsgeschäftstyp gebunden ist, sondern bei seiner Rechtsgestaltung im Sinne der das Schuldrecht beherrschenden Typenfreiheit nicht auf die Anordnung vorgenormter Vertragstypen beschränkt ist. Die Rechtsstellung sollte aber durch entsprechende Ausformung des angeordneten Rechtsverhältnisses tunlichst klare Regelungen für alle vorhersehbaren künftigen Wechselfälle treffen. Rechtstechnisch drängt sich aus diesem Grund im Regelfall die Anordnung eines gesetzlich geregelten Schuldverhältnisses, in erster Linie die Wohnungsmiete, auf, weil dann klargestellt ist, welche Regelungen mangels abweichender Anordnung gelten sollen.
7. Ordnet das Gericht im Zug der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse ein Mietverhältnis an einer Wohnung an, dann gelten mangels abweichender Anordnung die Dispositivbestimmungen des ABGB über die Miete, aber darüber hinaus auch alle sondergesetzlichen Bestimmungen, die zur Anwendung kämen, falls das Mietverhältnis nicht durch rechtsgestaltende Entscheidung des Außerstreitrichters angeordnet, sondern durch Parteienvereinbarung begrundet worden wäre.
8. Unterläge ein vertraglich begrundetes Mietverhältnis nach dem Mietgegenstand und der Vertragsdauer keiner sondergesetzlichen Kündigungsbeschränkung, müßte bei Anordnung eines inhaltsgleichen Mietverhältnisses durch das Gericht, soweit dies zur rechtlichen Absicherung des Benützungsrechtes erforderlich erscheint, entweder das Mietverhältnis zeitlich beschränkt werden oder aber bei Begründung eines Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit durch die ausdrückliche Anordnung von Kündigungsbeschränkungen einer freien Kundbarkeit vorgebeugt werden.
9. Unterläge andererseits ein vertraglich begrundetes Mietverhältnis nach dem Mietgegenstand und der Vertragsdauer einer sondergesetzlichen Kündigungsbeschränkung, ist das Gericht bei der Anordnung eines inhaltsgleichen Mietverhältnisses, soweit dies der Billigkeit entspricht, dennoch befugt, Endigungsgrunde und -formen anzuordnen, die bei vertraglicher Regelung kraft zwingender gesetzlicher Bestimmung unwirksam wären. Schutzbestimmungen wie Zinsbildungsvorschriften und Kündigungsbeschränkungen, die wegen der vom Gesetzgeber als typisch angesehenen wirtschaftlichen oder sonstigen Unterlegenheit eines Vertragsteils gegenüber dem anderen im freien Spiel der Kräfte allgemein bindend aufgestellt werden, sind auf ein nach richterlicher Abwägung der konkreten einzelnen Interessen im Sinne der gesetzlich festgelegten Billigkeitsgrundsätze individuell angeordnetes Rechtsverhältnis nicht anwendbar. Bei richterlicher Anordnung eines Rechtsverhältnisses vermögen nach den hiezu aufgestellten besonderen Grundsätzen die Interessen der Beteiligten im konkreten Einzelfall eine viel ausgewogenere Berücksichtigung finden als dies bei Anwendung allgemeiner, notwendigerweise bloß auf eine abstrakte typische Interessenlage abgestellter Bestimmungen der Fall sein kann.
Die gerichtliche Anordnung eines Mietverhältnisses im Rahmen der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse muß zwar immer unter Bedachtnahme auf die Aufteilungsgrundsätze des § 83 EheG der Billigkeit entsprechen, sie wird aber durch keinerlei die vertragliche Regelung von Mietverhältnissen beschränkenden Bestimmungen, insbesondere nicht durch die Kündigungsbeschränkungen des MietG oder anderer Wohnungsgesetze, inhaltlich zwingend vorbestimmt.
Das Gericht kann beispielsweise bei der Anordnung eines Mietverhältnisses, das bei vertraglicher Begründung den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterläge, die Mietdauer wirksam durch jeden beliebigen kalendermäßigen Endigungstag oder durch den Eintritt bestimmter in der Person des Mieters gelegener Umstände wie Tod oder Wiederverehelichung als Endigungstag umschreiben oder bei unbestimmter Mietdauer derartige in der Person des Mieters gelegene Umstände als Kündigungsgrunde bestimmen.
10. Bei der Anordnung eines Mietverhältnisses im Rahmen der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse kann das Gericht, soweit dies zur Sicherung des Bestandrechtes gegenüber einem dritten Erwerber der Bestandsache geboten erscheint, bei bestimmter Dauer des Bestandrechtes die Zustimmung des Vermieters zur grundbücherlichen Einverleibung anordnen.
Bei Beobachtung dieser Grundsätze bedarf das Verfahren einer Ergänzung der Verhandlung in erster Instanz.
Es werden das der gesetzlichen Aufteilung nach §§ 81, 82 EheG unterliegende Gesamtvermögen in einer für die Billigkeitsabwägung hinreichenden groben Umschreibung und Bewertung ebenso aber auch in globaler Weise die von jedem der beiden Beteiligten geleisteten Beiträge im Sinne des § 83 EheG festzustellen sein; ferner wird zu klären sein, in welcher Weise dieses Vermögen, sei es kraft ausdrücklicher Regelung, sei es kraft Unterbleibens und nunmehrigen Ausschlusses der Geltendmachung eines Aufteilungsanspruches auf die beiden Beteiligten aufgeteilt wurde; danach wird die Dauer des Wohnbedarfes der Antragstellerin zu ermitteln und unter Bedachtnahme auf die Aufteilung des sonstigen Vermögens den Interessen des Antragsgegners gegenübergestellt werden können. Erst diese Abwägung wird zureichende Anhaltspunkte dafür bieten, welche Rechtsgestaltung einem billigen Ausgleich der Interessen unter den Beteiligten zu schaffen geeignet ist. Dabei wird vorweg zu prüfen sein, ob mit der Anordnung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses das Auslangen zu finden ist. Hiebei wieder sind in erster Linie die Möglichkeiten einer entsprechend differenzierten Gestaltung eines Mietverhältnisses zu prüfen. Hiezu muß aber geklärt werden, ob ohne ausdrückliche beschlußmäßige Regelung nach der Art des Bestandobjektes (insbesondere nach den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Z. 1 MietG) das anzuordnende Mietverhältnis den Kündigungsbeschränkungen des MietG unterläge oder nicht. Im ersten Fall wären allfällige Erweiterungen der Endigungs- und Kündigungsmöglichkeiten, im zweiten Fall aber bei einem auf unbestimmte Zeit begrundeten Mietverhältnis die ausdrückliche Einschränkung der freien Kundbarkeit zu erörtern. Letztlich müßte im Fall der Begründung eines Mietverhältnisses, das nicht grundsätzlich den Kündigungsbeschränkungen des MietG unterläge, die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Verbücherung des Bestandrechtes erwogen werden. Sollten trotz der aufgezeigten weitreichenden inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei Begründung eines Mietrechtes oder eines sonstigen schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses durch ein solches ein billiger Interessenausgleich nicht erreicht werden können, wird die Begründung eines dinglichen Rechtes zugunsten der Antragstellerin, insbesondere einer persönlichen Dienstbarkeit der Wohnung, in Betracht zu ziehen sein.
Erst nach einer solchen Verfahrensergänzung wird abzuschätzen sein, ob es der Billigkeit entspricht, die Antragstellerin für eine in welcher Rechtsform letztlich auch immer, eingeräumte Hausnutzung zur Zahlung eines dem objektiven Mietwert entsprechenden, darunterliegenden oder - aus den Gründen des § 94 EheG - u. U. sogar darüberliegenden Entgelts zu verpflichten. Dabei wird auch die Zweckmäßigkeit einer Wertsicherung dieses Entgeltes zu erörtern sein.