OGH vom 20.04.2020, 3Ob238/19z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. D***** und 2. Y*****, beide vertreten durch Mag. Hubertus Rohracher ua, Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Thomas Trentinaglia, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Feststellung, über die Rekurse aller Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 20/19h-13, in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom , GZ 2 R 20/19h-16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom , GZ 2 C 386/18x-9, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
I. Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Ersturteil im klageabweisenden Teil einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
II. Der Rekurs der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.
III. Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 670,39 EUR bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung (darin enthalten 111,73 EUR an USt) und die mit 1.313,50 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten 153,46 EUR an USt und 392,70 EUR an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind seit dem Jahr 2014 jeweils bücherliche Hälfteeigentümer einer Liegenschaft mit dem Grundstück 3017. Das südlich darunter liegende, unmittelbar angrenzende Grundstück 3019/17 sowie die Grundstücke 3018/1 und 3019/1 stehen seit dem Jahr 2015 im Alleineigentum der Beklagten. Diese drei Grundstücke sind im Grundbuch gemäß Kaufvertrag vom mit der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens für die Liegenschaft der Kläger belastet. Die Beklagte errichtete im Jahr 2017 auf ihrem Grundstück 3019/17 ein Wohnhaus mit Garage.
Mit Kaufvertrag vom 15./ erwarb ein Rechtsvorgänger der Kläger das neu geschaffene Grundstück 3017 in einem Gesamtausmaß von 2.000 m². Der Verkäufer räumte dem Käufer und dessen Besitznachfolgern am Kaufgegenstand das Geh- und Fahrrecht, das auch mit Auto ausgeübt werden darf, über zahlreiche Grundstücke ein, darunter 3018/1, 3019/11 und 3019/1, und erteilte seine Einwilligung, dass ob seiner Liegenschaft die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts über die vorstehenden Grundstücke zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstücks 3017 einverleibt wird. Nicht festgestellt werden kann, aus welchen Erwägungen dieses Dienstbarkeitsrecht im Jahr 1956 vereinbart wurde.
Vom Grundstück 3019/1 wurde in weiterer Folge das Grundstück 3019/17 abgetrennt, das bis zur Bautätigkeit der Beklagten ein unbebautes, nach Süden abfallendes Wiesen-/Waldgrundstück war. Über das Grundstück 3019/17 hat in der Vergangenheit in der Natur zu keinem Zeitpunkt eine wie auch immer geartete Zufahrtsmöglichkeit auf das Grundstück 3017 bestanden, dies weder im Sinne eines Wegs noch gar im Sinne einer Straße. Daher sind weder die Kläger noch ihre Rechtsvorgänger jemals über das Grundstück 3019/17 auf das Grundstück 3017 zugefahren. Aufgrund der Geländegegebenheiten war ein Zufahren nicht möglich. Das Grundstück 3019/17 weist im zum oberhalb gelegenen Grundstück 3017 gerichteten Bereich eine Steigung bis zu 47 % auf.
Das Gehrecht wurde von den Rechtsvorgängern der Kläger so ausgeübt, dass circa zwei Mal jährlich Gartenabfälle vom Grundstück 3017 über das Grundstück 3019/17 zur unterhalb verlaufenden L*****straße getragen wurden. Auch die Gärtner der Kläger praktizierten das so.
Das Grundstück 3017 verfügt über eine bestehende und rechtlich gesicherte Zufahrtsmöglichkeit von Norden über den L*****weg und in weiterer Folge über das Weggrundstück 3019/11, das unmittelbar nördlich an das Grundstück 3017 anschließt. Nicht festgestellt werden kann, seit wann diese Zufahrtsmöglichkeit besteht, insbesondere, ob diese Zufahrtsmöglichkeit bereits im Zeitpunkt der Einräumung des gegenständlichen Dienstbarkeitsrechts im Jahre 1956 bestanden hat.
Die Kläger sind bislang mit ihren Fahrzeugen stets über diese Zufahrtsmöglichkeit zu ihrem nach Süden abfallenden Grundstück 3017 zugefahren, wobei im bergseitigen, dem Grundstück 3019/11 zugewandten Bereich eine Doppelgarage sowie ein Carport mit zwei Abstellplätzen zur Verfügung stehen. Der Zugang zum Wohngebäude auf dem Grundstück der Kläger befindet sich unterhalb der Doppelgarage und des Carports, weshalb es erforderlich ist, von der Parkmöglichkeit über eine Treppe zum Wohnhaus hinabzusteigen. Diese Zugangsmöglichkeit zum Wohnhaus ist nicht behindertengerecht ausgeführt, weshalb die Kläger in der Vergangenheit schon darüber nachdachten, eine Zufahrtsmöglichkeit über das Grundstück 3019/17 mit einer Tiefgaragen- und Liftlösung zu errichten. Konkrete Planungsschritte diesbezüglich sind bislang allerdings nicht erfolgt; generell bestehen keine aktuellen Pläne der Kläger, über das Grundstück 3019/17 eine Zufahrtsmöglichkeit auf ihr Grundstück 3017 zu schaffen.
Vor circa zwei bis drei Jahren schütteten die Kläger das zum Grundstück 3019/17 hin gerichtete (talseitige) Ende ihres Grundstücks 3017 auf, um eine größere ebene Fläche zur Verfügung zu haben. Dadurch hat sich der Böschungswinkel zum Grundstück 3019/17 der Beklagten nochmals erhöht. Sie brachten im Bereich der aufgeschütteten Böschung eine Treppe an, die es ermöglichen soll, das Gehrecht über das Grundstück 3019/17 weiterhin ausüben zu können.
Nach Abschluss von Bauarbeiten der Beklagten, die 2017 auf ihrem Grundstück 3019/17 ein Gebäude errichteten, kann das Gehrecht über dieses Grundstück von den Klägern so ausgeübt werden, dass weiterhin die Möglichkeit besteht, über zwei von der Beklagten errichtete Bautreppen entlang der westlichen Grundgrenze talwärts bis zur L*****straße zu gehen.
Die Kläger begehren die Feststellung des weiterhin aufrechten Bestands des von der Beklagten bestrittenen verbücherten Geh- und Fahrrechts. Ursprünglich behaupteten sie, das Geh- und Fahrrecht entlang der westlichen Grenze des Grundstücks 3019/17 ausgeübt zu haben, was durch die Bauführung der Beklagten endgültig nicht mehr möglich sei; später gestanden sie zu, dass bisher keine Zufahrtsstraße über Grundstück 3019/17 errichtet wurde und deshalb von Anfang an eine Zufahrt und damit eine Ausübung des Fahrrechts unmöglich war. Durch die regelmäßige Verwendung „des Weges“ entlang der „östlichen“ (gemeint wohl: westlichen) Grenze des Grundstücks 3019/17 als Teilausübung der Dienstbarkeit sei die Verjährung des Fahrrechts nach § 1482 ABGB ausgeschlossen. Richtig sei, dass die Kläger über eine bestehende und rechtlich abgesicherte Zufahrt zum Grundstück verfügten, es gehe hier aber nicht um die Einräumung eines Notwegs. Eine zusätzliche Zufahrtsmöglichkeit sei keineswegs zwecklos, weil es für sie von Interesse wäre, „allenfalls in der Zukunft – unter Nutzung der bestehenden Hanglage – über das Grundstück der Beklagten eine Zufahrt zu einer allenfalls zu errichtenden Tiefgarage auf dem Grund der Kläger zu errichten“.
Die Beklagte bestritt und wendete ua ein, die strittige Servitut sei wegen völliger Zwecklosigkeit erloschen. Sie sei eingeräumt worden, weil damals eine in der Folge jedoch nie gebaute Ringstraße geplant gewesen sei. Ihre Ausübung sei wegen der Steilheit des Geländes von Anfang an unmöglich gewesen. Darüber hinaus hätten die Kläger ihr Grundstück durch Aufschüttung massiv versteilt, womit dokumentiert sei, dass eine Ausübung der Servitut gar nicht angedacht sei. Über den L*****weg und Grundstück 3019/11 bestehe eine bestens zu befahrende Zufahrt, die einen höherwertigen Ersatz gegenüber der strittigen Servitut darstelle, sodass diese keinen ins Gewicht fallenden Vorteil bringe. Die Errichtung einer Tiefgarage sei technisch unmöglich und absolut unwirtschaftlich. Die Dienstbarkeit sei durch mehr als 30-jährige Nichtausübung gemäß § 1479 ABGB erloschen.
Während das Erstgericht dem Klagebegehren zum Gehrecht unbekämpft stattgab, ging es zum Fahrrecht mit Klageabweisung vor. Ausgehend vom eingangs zusammengefasst dargestellten Sachverhalt folgerte es rechtlich, beim Fahrrecht handle es sich um eine ungemessene Servitut, deren Art der Ausübung ihre Grenzen in einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Gutes finde. Aufgrund der Steilheit des Geländes wäre eine Ausübung nur durch umfangreiche Geländeabtragungen/Geländeveränderungen auf dem dienenden Grundstück möglich, die allerdings die Beklagten unzumutbar beeinträchtigten. Der Ausübung stehe daher eine auch durch rechtliche Erwägungen nicht sanierbare Unmöglichkeit entgegen. Bereits deshalb sei das Fahrrecht ex lege untergegangen.
Das Berufungsgericht gab der (nur) von den Klägern erhobenen Berufung Folge, hob das Ersturteil im Umfang der Anfechtung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig und bewertete den Entscheidungsgegenstand (mit Ergänzungsbeschluss) mit 5.000 EUR übersteigend.
Es verwarf die Mängel- und die Beweisrügen, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen im oben wiedergegebenen Umfang und verneinte sekundäre Feststellungsmängel. Zu einem Erlöschen des strittigen Fahrrechts wegen Nichtausübung sei es infolge der Teilausübung durch Gehen nicht gekommen. Die von Norden bestehende Zufahrt mache das Fahrrecht nicht zwecklos. Im Übrigen erachtete es für erforderlich, anhand der Konfiguration des ursprünglich laut Vertrag belasteten Grundstücks 3019/1 im Jahr 1956 festzustellen, auf welche Wegtrasse der Eigentümer des herrschenden Grundstücks Anspruch gehabt hätte und ob durch die Teilung dieses Grundstücks eine nicht unbeträchtliche Mehrbelastung des nunmehrigen Grundstücks der Beklagten einträte, wenn der Weg lediglich auf ihrem Grundstück errichtet werden müsste. In diesem letzten Fall wäre auch der Dienstbarkeitsteil auf dem Grundstück der Beklagten wegen Nutzlosigkeit erloschen.
Der Rekurs sei zulässig, weil die Frage erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sei, ob sich bei Teilung einer belasteten Liegenschaft die nicht festgelegt gewesene und nie errichtete Trasse einer Wegedienstbarkeit auf den belasteten Teil „konzentriere“, wenn die übrigen Teile lastenfrei blieben. Gleiches gelte für die Frage, ob grundsätzlich das Geh- und das Fahrrecht einer Wegedienstbarkeit auch ohne entsprechende Vereinbarung verschiedene Verläufe haben könnten und im Falle, dass die Trasse, auf die der Berechtigte Anspruch hätte, nie errichtet wurde, die Ausübung des bloßen Gehrechts auf einer anderen Trasse (hier westlich entlang der Grenze) eine die Verjährung des Fahrrechts verhindernde Teilausübung darstelle.
Dagegen richten sich die Rekurse beider Seiten.
Die Kläger stellen den Antrag, den Aufhebungsbeschluss ersatzlos aufzuheben, in eventu überdies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an eine der Unterinstanzen zurückzuverweisen. Sie wenden sich im Wesentlichen gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Eigentümer des herrschenden Grundstücks hätten die lastenfreie Abschreibung toleriert, die verbleibende Fläche des dienenden Grundstücks dürfe dadurch nicht mehr belastet werden und die darauf verlaufende hypothetische restliche Trasse könnte nutzlos werden.
Die Beklagte begehrt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Abweisung der Klage auch zum Fahrrecht, in eventu den Auftrag an das Berufungsgericht zu einer Sachentscheidung. Sie beharrt auf dem Erlöschen des strittigen Fahrrechts, weil eine Teilausübung durch Gehen mangels Wegtrasse nicht vorliege und Zwecklosigkeit eingetreten sei.
In den Rekursbeantwortungen wird jeweils sowohl auf die Unzulässigkeit als auch auf die mangelnde Berechtigung des gegnerischen Rekurses verwiesen.
Rechtliche Beurteilung
I. Der Rekurs der Beklagten ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig (an die Bewertung des Streitgegenstands durch das Berufungsgericht ist auch der Oberste Gerichtshof gebunden [RS0042515]; es besteht keine Bindung an die Parteienbewertung [RS0043252; RS0042296]) und berechtigt.
I.1. Eine Dienstbarkeit kann nur bestehen, wenn sie für das herrschende Grundstück nützlich und bequem ist. Sie erlischt, wenn sie zwecklos wird (RS0011582). Nur völlige Zwecklosigkeit, die dauernde Unmöglichkeit oder die gänzliche Unwirtschaftlichkeit einer Dienstbarkeit für den Berechtigten lässt diese erlöschen (RS0011582 [T2]; RS0011699 [T3]; 1 Ob 12/04b = RS0116757 [T1]; Hofmann in Rummel³ § 473 ABGB Rz 2 und § 524 Rz 4; Memmer in Kletečka/Schauer ABGB-ON1.03§ 473 Rz 6). Eine Wegedienstbarkeit erlischt grundsätzlich nicht allein deshalb, weil der Berechtigte seinen Grund über einen anderen Weg erreichen kann (RS0011574; RS0011688 [T3]; vgl RS0011582 [T3]). Der Zweck einer Wegeservitut kann aber dann wegfallen, wenn eine vom Servitutsweg verschiedene Zugangsmöglichkeit einen vollwertigen (gleichwertigen) Ersatz für diesen bietet (RS0011582 [T5]; RS0011688 [T2]; RS0011699; Memmer in Kletečka/Schauer ABGB-ON1.03§ 524 Rz 13; Bittner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3§ 492, 493 ABGB Rz 8, § 524 ABGB Rz 7; Spath in Schwimann/Kodek4§ 524 Rz 6). Dabei wurde vom Obersten Gerichtshof nicht nur auf die Länge, sondern auch auf den Zustand der zur Verfügung stehenden Wege und auch auf sonstige Umstände abgestellt (RS0011582 [T11]; RS0011589 [T8]). Jeder auch nur einigermaßen ins Gewicht fallende Vorteil genügt für die Aufrechterhaltung des erworbenen Rechts (RS0011701; vgl RS0116757). Das Erlöschen einer Servitut wegen Zwecklosigkeit beendet das Recht ex lege (RS0011582 [T9, T 15]; RS0011589 [T7]).
I.2. Die Beklagte wendet sich aus folgenden Gründen zu Recht gegen die Rechtsansicht, das hier strittige Fahrrecht sei nicht wegen völliger Zwecklosigkeit erloschen.
I.2.1. Die Beklagte trägt schon nach allgemeinen Grundsätzen die Behauptungs- und Beweislast für die anspruchsvernichtenden Umstände (RS0109287; RS0109832), hier also für das Erlöschen des Fahrrechts wegen Zwecklosigkeit (vgl zur Verjährung RS0034162; RS0034333). Da nicht feststeht, aus welchen Erwägungen die gleichzeitige Einräumung von zwei Fahrrechten erfolgte und ob die Zufahrt bei Einräumung im Jahr 1956 schon bestand, muss im Zweifel davon ausgegangen werden, dass es die Absicht der Parteien des Kaufvertrags war, dem herrschenden Kaufobjekt zwei Zufahrtsrechte nebeneinander zu gewähren. Ob zwei Zufahrtsrechte besser sind als ein einziges, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0011582 [T6]). Ebenso wurde schon ausgesprochen, dass eine zweite Zufahrtsmöglichkeit „noch dem Utilitätserfordernis bei Grunddienstbarkeiten (§ 473 ABGB) entspricht“ (6 Ob 32/99w). Das kann auch hier angenommen werden, weil die Möglichkeit, ein unbebautes (vgl den Kaufvertrag Beilage ./D im Punkt X. [„geplante Bautätigkeit“] und den integrierten Teilungsplan, der ein unbebautes Kaufobjekt zeigt) Grundstück in Hanglage sowohl bergseits (= von oben) als auch talseits (= von unten) zu erreichen, als vorteilhaft und bequem anzusehen ist.
I.2.2. Die wirksame Begründung von zwei parallel bestehenden Fahrrechten schließt aber nicht aus, dass bei nachträglich (dh nach Begründung der Servituten) eingetretener Änderung der Umstände eines der beiden Fahrrechte doch zwecklos geworden ist (vgl RS0011699).
Hier ist zu bedenken, dass die (Rechtsvorgänger der) Kläger nur die Zufahrt von Norden realisierten, stets nur diese nutzten und auch die Bebauung am Grundstück 3017 darauf ausrichteten, zumal Garage und Carport zum Grundstück 3019/11 hin situiert sind; von dort ist auch der (wegen der Neigung des Geländes etwas unterhalb liegende) Zugang zum Haus der Kläger zu erreichen. Dem gegenüber weist das herrschende Grundstück in seinem südlichen, talseitigen Grenzbereich zum dienenden Gut keinen wie auch immer gearteten Anschluss an eine (ohnehin erst zu schaffende) Zufahrt über das Grundstück 3019/17 auf. Vielmehr wurde erst vor kurzem dieser Böschungsbereich (noch) steiler gemacht, um (offenbar südlich des Hauses) eine größere ebene Fläche zur Verfügung zu haben. Die Aufrechterhaltung dieser aktuellen, erst kürzlich von den Klägern selbst vorgenommenen Gestaltung des Grenzbereichs schließt eine Realisierung einer Zufahrt von Süden am Grundstück der Kläger zweifellos aus. Worin bei dieser, von den Eigentümern des herrschenden Grundstücks geschaffenen Situation ein einigermaßen ins Gewicht fallender Vorteil für dessen Nutzung bei Weiterbestand des bisher „nur am Papier bestehenden“ Fahrrechts über das Grundstück der Beklagten liegen soll, ist nicht erkennbar.
Daran kann auch die von den Klägern zwecks Schaffung eines barrierefreien Zugangs zum Haus bloß angedachte Tiefgaragen- und Liftlösung im südlichen Grenzbereich, die nie in ein Planungsstadium gelangte und somit gar nicht auf ihre technische und rechtliche Umsetzungsmöglichkeit geprüft wurde, als bloß allenfalls hypothetische Möglichkeit nichts ändern.
Bestätigt wird die Einschätzung der Zwecklosigkeit dadurch, dass es offenbar weder die Rechtsvorgänger der Kläger noch diese selbst in der Vergangenheit über insgesamt mehr als 60 (!) Jahre seit der Einräumung der Dienstbarkeit für nützlich oder vorteilhaft erachteten, die Voraussetzungen für die Ausübbarkeit des Fahrrechts zu schaffen (also einen fahrbaren Weg über das dienende Gut anzulegen), sondern stets mit der Aufschließung ihres Grundstücks samt Haus von Norden das Auslangen fanden. Dem entsprechend bestehen auch derzeit keine aktuellen Pläne der Kläger, über das Grundstück 3019/17 eine Zufahrtsmöglichkeit auf ihr Grundstück 3017 zu realisieren.
I.2.3. Selbst wenn die von den Klägern angedachte Tiefgaragen- und Liftlösung berücksichtigt wird, wäre die Zwecklosigkeit des Fahrrechts im Sinn von Unwirtschaftlichkeit ebenso anzunehmen.
Wie auch die Beklagte – ohne inhaltliche Bestreitung der Kläger – ins Treffen führte, ist es offenkundig – und deshalb der Entscheidung zugrundezulegen (RS0037536; RS0040240 [T3]) –, dass eine Realisierung eines solchen Projekts zur Schaffung eines barrierefreien Zugangs zum Haus unverhältnismäßig teurer wäre, als die Erreichung dieses Zwecks durch barrierefreie Überwindung des Geländes im Bereich der bestehenden Treppe zum Hauszugang; denn es bliebe diesfalls nicht nur bei den sehr hohen Kosten der Maßnahmen am herrschenden Grundstück, sondern die Kläger müssten auch die von ihnen selbst als erheblich bezeichneten Kosten der Herstellung eines befahrbaren Wegs am dienenden Grundstück tragen (§ 483 ABGB). Dieser weitere Aufwand muss – entgegen der Ansicht der Kläger – bei der Beurteilung der Unwirtschaftlichkeit im gegebenen Zusammenhang bedacht werden, weil bei der Gegenüberstellung der Kosten auf den Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz abzustellen ist, zu welchem diese Kosten noch nicht aufgewendet waren.
Die Kosten der Schaffung einer Zufahrt samt barrierefreiem Zugang zum Haus von Süden stünden daher in keinem vernünftigen Verhältnis zu jenen für die Verwirklichung desselben Zwecks über die nördliche Zufahrt, womit die Ausübung des strittigen Fahrrechts am dienenden Grundstück der Beklagten mit einer Unwirtschaftlichkeit belastet wäre, die der Zwecklosigkeit dieses Fahrrechts gleichkommt.
I.3. Zusammengefasst war somit das strittige Fahrrecht jedenfalls nach der Neugestaltung des südlichen Grenzbereichs am Grundstück der Kläger wegen Zwecklosigkeit ex lege erloschen, weshalb es auf die Erwägungen des Berufungsgerichts nicht ankommt und sich die von ihm als erforderlich angesehene Erweiterung des Verfahrens erübrigt.
Der Oberste Gerichtshof kann aus Anlass eines zulässigen Rekurses gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO bei Spruchreife auch bereits in der Sache selbst entscheiden (RS0043853). Da das Feststellungsbegehren aus den vorstehenden Erwägungen zum Fahrrecht abzuweisen ist, ist das Urteil des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederherzustellen. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Mängelrüge der Beklagten.
II. Die Kläger sind mit ihrem Rekurs auf Punkt I. zu verweisen. Daraus ergibt sich, dass sich ihr Rechtsmittel nicht mit präjudiziellen Rechtsfragen auseinandersetzt, also keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufwirft. Ihr Rekurs ist daher als nicht zulässig zurückzuweisen, ohne dass es auf den verfehlten Rekursantrag ankäme.
III. Die Kostenentscheidung zum Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 41 und 50 ZPO. Die Beklagte wies auf die Unzulässigkeit des Rekurses der Kläger in ihrer Rekursbeantwortung hin; die Bemessungsgrundlage dafür beträgt nur 3.500 EUR.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00238.19Z.0420.000 |
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