OGH vom 19.12.2013, 3Ob238/13s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei mj E*****, Schweiz, vertreten durch Dr. Maria In der Maur-Koenne, Rechtsanwältin in Wien, gegen die verpflichtete Partei DI F*****, vertreten durch Birnbaum Toperczer Pfannhauser Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 46 R 264/13h 10, womit infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom , GZ 13 E 518/13a 7, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird dahin Folge gegeben, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Der betreibenden Partei werden für ihren Revisionsrekurs 503,57 EUR (darin 49,93 EUR Umsatzsteuer und 204 EUR Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Text
Begründung:
Die betreibende Gläubigerin ist die im Dezember 2003 geborene Tochter des Verpflichteten. Im Zusammenhang mit der Scheidung ihrer Ehe nach § 55a EheG haben die damals in Wien bzw in Klosterneuburg wohnhaft gewesenen Eltern am vor dem Bezirksgericht Klosterneuburg einen Vergleich geschlossen, dessen Punkt I. folgendermaßen lautet (der nunmehrige Verpflichtete wird als „Ehemann“ bezeichnet):
„Hinsichtlich der Obsorge für die eheliche Tochter mj E***** , ist vor dem Bezirksgericht Liesing zu GZ … ein Pflegschaftsverfahren anhängig. Derzeit hält sich die mj E***** , im Haushalt der Ehefrau auf.
Die Ehegatten vereinbaren, dass die Entscheidung über die Zuteilung der Obsorge und Regelung des Besuchsrechts durch die für das Pflegschaftsverfahren zuständigen Gerichte erfolgen soll.
Der Ehemann verpflichtet sich, für die mj E***** , ab längstens bis zu deren Selbsterhaltungsfähigkeit einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von € 582,00 zu bezahlen. Das entspricht dem 2-fachen altersentsprechenden Bedarf.
Bemessungsgrundlage ist ein Einkommen des Ehemannes, das die Zuerkennung des 2-fachen altersentsprechenden Regelbedarfs rechtfertigt. Den Ehemann trifft eine weitere Sorgepflicht für seine mj Tochter M ***** .
Festgehalten wird, dass sämtliche Vereinbarungen, die die mj E***** , betreffen, zu ihrer Rechtswirksamkeit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedürfen.“
Eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung liegt unstrittig nicht vor.
Aufgrund des Vergleichs vom bewilligte das Erstgericht der betreibenden Gläubigerin mit Beschluss vom zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands von 790,66 EUR und des laufenden Unterhalts von monatlich 582 EUR ab aus dem Vergleich vom die Fahrnis- und die Forderungsexekution nach § 294a EO gegen den Verpflichteten.
Der Verpflichtete erhob gegen die im vereinfachten Bewilligungsverfahren ergangene Exekutionsbewilligung Einspruch und brachte vor, dass der den monatlichen Kindesunterhalt betreffende Punkt I. des Titels (Vergleich) entgegen den Angaben im Exekutionsantrag nicht vollstreckbar sei. Dessen Vollstreckbarkeit sei ausdrücklich vom Vorliegen einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung abhängig gewesen. Eine derartige Genehmigung liege nicht vor; dies sei im Exekutionsantrag nicht einmal behauptet worden.
Auf der von der betreibenden Gläubigerin vorgelegten Ausfertigung des Titels befindet sich ein mit datierter Stampiglienaufdruck, dass die Ausfertigung „rechtskräftig und vollstreckbar“ ist „seit vorbehaltlich der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung zu Pkt I.“
Das Erstgericht wies den Einspruch ab. Der Exekutionstitel sei vollstreckbar und stimme mit den Angaben im Exekutionsantrag überein. Gemäß § 190 Abs 3 ABGB bedürften vor Gericht geschlossene Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen zur Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen Genehmigung mehr und seien für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich.
Über Rekurs des Verpflichteten änderte das Rekursgericht den Beschluss dahin ab, dass die Einstellung der Exekution gemäß § 54a Abs 1 Z 2 EO unter Aufhebung aller vollzogenen Exekutionsakte verfügt wurde.
Die betreibende Partei habe im Exekutionsantrag angegeben, dass der als Titel bezeichnete Vergleich vom vollstreckbar sei und die Bestätigung der Vollstreckbarkeit vom stamme. Tatsächlich sei die Bestätigung der Rechtswirksamkeit und Vollstreckbarkeit vom mit dem Zusatz „vorbehaltlich der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung zu Pkt. I“ versehen. Auch im letzten Absatz des maßgebenden Punktes I. des Vergleichs werde ausdrücklich festgehalten, dass sämtliche Vereinbarungen, die die mj E*****, betreffen, zu ihrer Rechtswirksamkeit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedürfen.
Bis zum Inkrafttreten der durch das KindNamRÄG 2013 geschaffenen Änderungen für die Wirksamkeit eines vor Gericht geschlossenen Vergleiches über die Höhe der auch hier gegenständlichen Unterhaltsleistungen sei eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung notwendig gewesen. Der neue § 190 Abs 3 ABGB, der dieses Erfordernis nicht mehr aufstelle, sei gemäß § 1503 Abs 1 Z 1 ABGB nur auf Vereinbarungen (Vergleiche) anzuwenden, die ab dem vor Gericht abgeschlossen worden seien. Andernfalls hätte der Gesetzgeber in § 1503 ABGB ausdrücklich angeordnet, dass diese Bestimmung auch auf bereits davor abgeschlossene Vergleiche anzuwenden sei. Der hier maßgebende Punkt I. des Vergleichs bedürfe daher der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung.
Da die Angaben im Exekutionsantrag darüber mit dem Titel nicht in Übereinstimmung gestanden seien, sei die Exekution einzustellen; ein Verbesserungsverfahren komme nicht in Betracht.
Der Revisionsrekurs sei wegen des Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob § 190 Abs 3 ABGB idF des KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15, auch auf vor dem vor Gericht abgeschlossene „Altvergleiche“ anzuwenden sei, zulässig.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei aus dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung berechtigt.
Zusammengefasst wird im Revisionsrekurs ausgeführt, dass nach § 190 Abs 3 ABGB in der Fassung des KindNamRÄG 2013 eine vor Gericht geschlossene Vereinbarung über die Höhe der gesetzlichen Unterhaltsleistungen zu ihrer Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen Genehmigung mehr bedürfe. Diese Bestimmung beziehe sich auch auf vor dem abgeschlossene, nicht gerichtlich genehmigte Vereinbarungen über die Obsorge, Kontaktrechte und Kindesunterhalt; diese seien seit wirksam (bis dahin seien sie schwebend unwirksam gewesen). Dieses Ergebnis trage den gesetzgeberischen Wertungen der Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die durch Vereinbarungen begründete Rechtsposition, der Stärkung der Familienautonomie und der Vereinfachung der bisherigen Praxis, weiters dem Ziel der Entlastung der Gerichte, aber auch dem Grundsatz der Vermeidung aleatorischer Übergangsentscheidungen Rechnung. Würde man dieser Ansicht nicht folgen, wäre ein Verbesserungsverfahren einzuleiten gewesen, um der betreibenden Partei zu ermöglichen, das Datum der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Punktes I. des Vergleichs vom auf den zu verbessern.
Dazu wurde erwogen:
1. Nach der bis zum Inkrafttreten des KindNamRÄG 2013 (BGBl I 2013/15) geltenden Rechtslage bedurfte eine von den Eltern anlässlich ihrer Scheidung getroffene Vereinbarung in Bezug auf den Unterhalt ihrer minderjährigen Kinder der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung (RIS-Justiz RS0000166). Das Fehlen einer rechtskräftigen pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung hinderte die Vollstreckbarkeit des Vergleichs als Unterhaltstitel (10 Ob 80/11d = SZ 2011/111).
Der Zweck des Genehmigungserfordernisses lag in der Wahrung der Interessen der minderjährigen Kinder. Konsequenterweise wurde dem unterhaltspflichtigen Elternteil nicht das Recht zugestanden, die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung eines von ihm geschlossenen Unterhaltsvergleichs mit einem Rechtsmittel zu bekämpfen (RIS Justiz RS0006210), weil ein subjektiver Anspruch der Eltern auf eine andere Entscheidung des Gerichts abgelehnt wurde (RIS Justiz RS0048663).
In diesem Licht ist auch die bis zur Genehmigung schwebende Unwirksamkeit einer Vereinbarung (vgl RIS-Justiz RS0053275 [T11]) zu sehen: Bis zur Genehmigung oder Nichtgenehmigung waren die die Vereinbarung abschließenden Eltern gebunden; sie könnten während der Schwebezeit weder durch aktives Handeln noch durch Passivität eine Auflösung der Vereinbarung herbeiführen (RIS-Justiz RS0053275 [T10]).
Erst die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung führte zu einer vollständigen Bindung in jede Richtung; eine Abänderung war nur in dem von der Rechtskraft nicht erfassten Bereich, vor allem bei einer Änderung der der Vereinbarung und der Genehmigungsentscheidung zugrunde liegenden maßgeblichen Umstände möglich.
2. In dem mit dem KindNamRÄG 2013 (BGBl I 2013/15) geschaffenen § 190 Abs 3 ABGB wurde festgelegt, dass „vor Gericht abgeschlossene Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen … zu ihrer Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen Genehmigung [bedürfen] und … für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich [sind]“.
In den Gesetzesmaterialien zum Dauerrecht (ErlRV 2004 BlgNR 24. GP 31) wird die Novellierung wie folgt begründet:
„Nach § 190 Abs. 3 des Entwurfs sollen vor Gericht geschlossene Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nun auch ohne gerichtliche Genehmigung wirksam sein. Damit solche Vereinbarungen eines Elternteils mit dem (im Regelfall durch den anderen Elternteil vertretenen) Kind nicht dessen gesetzlichen Unterhaltsanspruch mit für das Kind verbindlicher Wirkung schmälern können, sieht der zweite Teil des neuen Abs. 3 vor, dass solche Vereinbarungen nur für den Unterhaltsverpflichteten (nicht jedoch für das Kind) verbindlich sind.
Die neue Bestimmung stellt nicht auf einen Zusammenhang einer Vereinbarung zwischen einem Elternteil und dessen minderjährigem Kind über den gesetzlichen Unterhaltsanspruch mit einer Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe der Eltern ab. Sofern solche Vereinbarungen in Hinkunft vor Gericht geschlossen werden, sollen sie nunmehr auch ohne pflegschaftsgerichtliche Genehmigung rechtswirksam und vollstreckbar (§ 1 Z 5 EO) sein. Lediglich die Verbindlichkeit solcher Vereinbarungen ist zum Schutze des Kindes eingeschränkt; nur der Unterhaltsverpflichtete, nicht jedoch das Kind ist durch eine solche Vereinbarung gebunden. Durch diese Einschränkung gewährleistet die Bestimmung, dass entgegen den herrschenden Grundsätzen der Bemessung des gesetzlichen Unterhalts (§ 231 ABGB neu) getroffene Vereinbarungen zwischen einem Elternteil und dem Kind (innerhalb der Grenzen des Verjährungsrechts) jedenfalls durch einen nachfolgenden Antrag des Kindes und eine abweichende gerichtliche Unterhaltsentscheidung (allenfalls auch für die Vergangenheit) abgeändert werden können. Dadurch ist sichergestellt, dass das Kind den gesetzlichen Unterhalt ohne Einschränkung erlangt, selbst wenn die Vereinbarung in einer für das Kind nachteiligen Weise von den gesetzlichen Unterhaltsregeln abweicht. Dem gegenüber ist eine solche Vereinbarung freilich für den Unterhaltsverpflichteten ohne Einschränkung wirksam und verbindlich, sodass der darin festgesetzte Unterhaltsanspruch diesem gegenüber bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zwangsweise vollstreckt werden kann.
Eine weitere Einschränkung erfährt die vorliegende Bestimmung dadurch, dass vor Gericht geschlossene Vereinbarungen nur dann ohne gerichtliche Genehmigung wirksam sein können, wenn diese die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen betreffen. Dadurch soll zum Ausdruck gebracht werden, dass etwa ein gänzlicher Verzicht auf Unterhalt des Kindes gegenüber einem Elternteil auch auf Grundlage dieser Bestimmung nicht rechtswirksam wird.
Der Wegfall der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bei vor Gericht geschlossenen Unterhaltsvereinbarungen zwischen einem Elternteil und einem minderjährigen Kind stellt eine Vereinfachung der bisherigen Praxis dar, ohne dass dadurch der Rechtsschutz der betroffenen Kinder geschmälert wird. Soweit solche Vereinbarungen dem Kind zugute kommen, sind sie rechtswirksam und vollstreckbar. Soweit sie allfällige Ansprüche des Kindes nicht zur Gänze befriedigen, kann jederzeit eine gerichtliche Erhöhung (auch ohne Änderung der der Vereinbarung zu Grunde liegenden Umstände) beantragt werden. Diese Konsequenz sieht auch die herrschende Rechtssprechung zur geltenden Rechtslage vor. Danach steht der Geltendmachung einer Unterhaltserhöhung trotz gleichgebliebener Verhältnisse oder Verringerung des Einkommens des Unterhaltsverpflichteten nicht entgegen, dass der dem Kind zustehende Unterhaltsanspruch früher nicht im vollen Umfang geltend gemacht wurde (EFSlg 68.429). § 190 Abs. 3 des Entwurfs stellt in diesem Sinne sicher, dass eine zwischen einem Elternteil und dem minderjährigen Kind geschlossene Vereinbarung über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen für das Kind nicht verbindlich ist (und es deshalb jederzeit eine dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch entsprechende gerichtliche Erhöhung erreichen kann), selbst wenn in der Vereinbarung ausdrücklich auf bestimmte (jedoch nicht der Tatsachenlage entsprechende) Vergleichsrelationen abgestellt wurde.“
3. Eine explizit den § 190 ABGB nF betreffende Übergangsregelung ist in § 1503 Z 2 8 ABGB nicht enthalten, sodass davon auszugehen ist, dass die Neuregelung der allgemeinen Übergangsbestimmung des § 1503 Z 1 ABGB unterliegt, wonach „das Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetzes [!] 2013 …, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, mit in Kraft“ tritt. Angesprochen ist damit (nur) der „Verbindlichkeitsbeginn“ des Gesetzes, mit dem es normative Wirkungen entfaltet, nicht aber der zeitliche Anwendungsbereich (dazu zuletzt Vonkilch , Verbindlichkeitszeitraum versus zeitlicher Anwendungsbereich von Gesetzen, Zak 2013, 394).
3.1. Die auch hier entscheidende Frage, ob § 190 Abs 3 ABGB auf vor dem geschlossene „Altvereinbarungen“ bzw „Altvergleiche“ anzuwenden ist oder nicht, kann allgemeiner so formuliert werden: Ist § 190 Abs 3 ABGB nF nur auf ab dem konkretisierte Sachverhalte anzuwenden oder auch auf Sachverhalte, die sich ganz oder zumindest teilweise davor ereignet haben? In concreto geht es letztlich darum, ob das Pflegschaftsgericht noch eine Genehmigungsentscheidung zu treffen hätte, wenn es mit einer noch nicht genehmigten „Altvereinbarung“ konfrontiert wird, oder ob eine solche Entscheidung ab entbehrlich ist, weil Altvereinbarungen dem neuen Recht unterliegen, das kein Genehmigungserfordernis mehr aufstellt.
3.2. In Bezug auf den zeitlichen Anwendungsbereich ist der Gesetzeswortlaut des § 1503 Z 1 ABGB grundsätzlich neutral formuliert. Im Zusammenhang damit, dass der Gesetzgeber regelmäßig die Anwendbarkeit des neuen Rechts auf die nach seinem Inkrafttreten abgeschlossenen Vereinbarungen verfügt (siehe die Nachweise bei Vonkilch , Zak 2013, 395, Anm 7), ist eher der Schluss zu ziehen, dass der Gesetzgeber hier alte Vereinbarungen dem neuen Rechtsbestand unterwerfen wollte. Die Gesetzesmaterialien zum Dauerrecht lassen allerdings einen gewissen Schluss auf eine gegenteilige Intention zu: „Sofern solche Vereinbarungen in Hinkunft vor Gericht geschlossen werden, sollen sie nunmehr auch ohne pflegschaftsgerichtliche Genehmigung rechtswirksam und vollstreckbar (§ 1 Z 5 EO) sein.“ Der Kontext zeigt aber, dass aus dieser Wortfolge nicht unbedingt bedeutsame Schlüsse für die hier zu entscheidende Frage gezogen werden können und müssen. In den Erläuterungen der RV zu § 1503 ABGB ist zu lesen, dass die neuen Regeln ab angewendet werden sollen. „Dies gilt auch für zu diesem Zeitpunkt bereits anhängige Verfahren.“
3.3. Gitschthaler (Neuerungen im Kindesunterhaltsrecht, in Gitschthaler [Hrsg], Kindschafts- und Namensrechtsänderungsgesetz 2013 [2013] 257 [266]) vertritt ohne nähere Auseinandersetzung mit der Problematik die Ansicht, dass „eine rückwirkende Anwendung dieser Bestimmungen (§ 5 ABGB)“ nicht angeordnet worden sei; daraus zieht er den Schluss, dass die neuen Regelungen unabhängig von der konkreten Verfahrenseinleitung (nur) für diejenigen Vereinbarungen gelten, die nach dem vor Gericht abgeschlossen wurden.
Mit der „rückwirkenden Anwendung“ wird die Frage angesprochen, ob das neue Recht ab dem auch auf schon früher (teilweise oder ganz) verwirklichte Sachverhalte anzuwenden ist; unzweifelhaft ist die Anwendung der Norm selbst (§ 190 Abs 3 ABGB) erst ab möglich.
Wie bereits erwähnt spricht gegen die Ansicht von Gitschthaler , dass der Gesetzgeber regelmäßig die Anwendbarkeit neuen Rechts auf die nach seinem Inkrafttreten abgeschlossenen Vereinbarungen ausdrücklich verfügt (beispielhaft seien § 49b Abs 3 und 4 MRG,§ 49c Abs 3 MRG,§ 49d Abs 2 MRG,§ 49e Abs 3 MRG,§ 39 Abs 1 KSchG,§ 41a Abs 2, 9, 11 und 13 KSchG,§ 907 Abs 18 UGB angeführt). Ein Automatismus, dass bei Fehlen einer solchen Anordnung über den zeitlichen Anwendungsbereich der Schluss zu ziehen wäre, „Altvereinbarungen“ unterlägen im Zweifel dem früheren Recht und nur Neuvereinbarungen dem novellierten Recht, besteht jedenfalls nicht (näher Vonkilch , Das intertemporale Privatrecht [1999] 80 ff).
3.4. Ausführlich haben sich Barth/Vonkilch (Ausgewählte übergangsrechtliche Probleme des KindNamRÄG 2013, iFamZ 2013, 72) mit übergangsrechtlichen Problemen des KindNamRÄG 2013 auseinandergesetzt; für den hier interessierenden Fall kommen sie zum Schluss, dass auf vor dem 1. Februar abgeschlossene, aber davor noch nicht gerichtlich genehmigte Vereinbarungen über den Kindesunterhalt das neue Recht anzuwenden ist. Als Begründung führen sie die gesetzgeberischen Wertungen der Entlastung der Gerichte und die Vermeidung aleatorischer Übergangsentscheidungen ins Treffen. Die Parteien sollten es nicht in der Hand haben, die Vereinbarung einfach nochmals zu schließen, um die Hürde der gerichtlichen Genehmigung zu umgehen. Alte noch nicht genehmigte Vereinbarungen sind also ab ohne gerichtliche Genehmigung wirksam und konsequenterweise aufgrund der Neuregelung nur für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich.
3.5. Diesem Standpunkt hat sich das Landesgericht St. Pölten (23 R 170/13t, EF-Z 2013/113, 172) angeschlossen; es hat ausgesprochen, dass ein zur Genehmigung vorgelegter, vor dem abgeschlossener Vergleich keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung mehr bedarf und ab ex lege aus dem Stadium der schwebenden Unwirksamkeit in die Rechtswirksamkeit übergeht.
3.6. Die überwiegenden Gründe sprechen für die Richtigkeit dieser Ansicht:
Das bis bestehende Erfordernis der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung einer von den Eltern im Rahmen einer Scheidung nach § 55a EheG geschlossenen Unterhaltsvereinbarung hatte nicht den Sinn, den Eintritt der Vollstreckbarkeit zugunsten des geldunterhaltspflichtigen Elternteils hinauszuzögern, sondern eine Überprüfung allein im Interesse des Kindes zu ermöglichen. Wenn der Gesetzgeber dieses Erfordernis der Genehmigung ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr als notwendig oder nicht mehr als zeitgemäß ansieht, kann er schwerlich zwischen noch nicht genehmigten Altvereinbarungen und ab dem geschlossenen „Neuvereinbarungen“ differenzieren; eine solche Unterscheidung wäre purer Formalismus: Die angestrebte Vereinfachung soll ab „gelten“. Relevanz kann also nicht dem Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung zukommen; vielmehr will der Gesetzgeber entsprechend dem Inhalt der Gesetzesmaterialien ab eine „Vereinfachung der bisherigen Praxis“ erreichen, ohne dadurch den Rechtsschutz der betroffenen Kinder zu schmälern. Das Kindeswohl als tragender Grundsatz des Kindschaftsrechts (§ 138 ABGB) spricht für den Entfall der Genehmigung auch bei alten Unterhaltsvereinbarungen, wäre doch für die Zwischenzeit bis zur Genehmigung eine Exekutionsführung und Unterhaltsvorschussgewährung ausgeschlossen.
Der geldunterhaltspflichtige Elternteil wird in diesem Sinn nicht als schutzwürdig angesehen, was auch deshalb nahe liegt, weil er auch schon nach der alten Rechtslage im Zeitraum der schwebenden Unwirksamkeit der Vereinbarung an diese gebunden war.
4. Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist dahin Folge zu geben, dass die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt wird. Der betreibenden Partei sind daher die Kosten ihres Revisionsrekurses zuzusprechen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00238.13S.1219.000