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OGH vom 17.02.2015, 4Ob37/15t

OGH vom 17.02.2015, 4Ob37/15t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Pflegschaftssache des A***** V*****, geboren *****, wegen Bewilligung der Annahme an Kindes statt, im Verfahren über den Revisionsrekurs der Wahlmutter Mag. K***** J***** und des Vaters D***** V***** J*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Paul Sutterlütty und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 3 R 247/13s 5, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom , GZ 8 P 144/13h 2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Pflegschaftssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

A***** V*****, geboren *****, ist serbischer Staatsangehöriger. Seine Eltern sind D***** V***** J*****, geboren *****, und V***** A*****, geboren *****. Mit der Obsorge ist seit 1999 allein der Vater betraut. Seit ist der Vater mit der österreichischen Staatsbürgerin Mag. K***** J*****, geboren am *****, verheiratet.

Am schlossen D***** V***** J***** als gesetzlicher Vertreter von A***** V***** und Mag. K***** J***** einen Vertrag über die Annahme an Kindes statt. Am selben Tag beantragte der Vater namens des Kindes die Bewilligung der Adoption. Er brachte vor, dass er A***** seit dessen Geburt betreue; mit der leiblichen Mutter gebe es seit 1998 keinen Kontakt. Seit 2000 bestehe eine Lebensgemeinschaft mit der Wahlmutter. A***** wachse seither im gemeinsamen Haushalt mit der Wahlmutter auf; zwischen den beiden bestehe ein Mutter-Sohn-Verhältnis. Die Bewilligung liege daher im Interesse des Kindes.

Das Erstgericht wies den Antrag ohne Prüfung dieses Vorbringens ab, weil die Wahlmutter nach § 193 Abs 2 ABGB idF KindNamRÄG 2013 sechzehn Jahre älter sein müsse als das Kind. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt.

Das vom Vater und der Wahlmutter angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei.

Nach § 26 IPRG seien die Voraussetzungen der Annahme an Kindes statt bei nicht eigenberechtigten Kindern nach dem Personalstatut des Annehmenden zu beurteilen, was hier zur Anwendung österreichischen Rechts führe; das Personalstatut des Kindes sei nur für die Zustimmung des Kindes oder eines Dritten, mit dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis stehe, maßgebend. Nach § 193 Abs 2 ABGB idF KindNamRÄG 2013 müssten Wahlvater und Wahlmutter sechzehn Jahre älter sein als das Wahlkind. Diese Bestimmung lasse keinen Interpretationsspielraum; ein Unterschreiten des Mindestaltersabstands sei daher (anders als nach § 180 Abs 2 ABGB idF vor dem KindNamRÄG 2013) nicht möglich. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil es noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Neuregelung gebe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich ein Revisionsrekurs des Vaters und der Wahlmutter . Sie bringen vor, § 193 Abs 2 ABGB müsse ebenso wie die Vorgängerbestimmung dahin ausgelegt werden, dass ein geringfügiges Unterschreiten des Mindestaltersabstands nicht schade, wenn zwischen dem Kind und dem Annehmenden eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung bestehe. Sollte eine solche Auslegung nicht möglich sein, verstoße die Neuregelung gegen die Art 8 und 12 EMRK, gegen Art 8 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern und gegen Art 7 B-VG, weswegen angeregt werde, § 193 Abs 2 ABGB beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt .

Aufgrund eines Antrags des Senats (4 Ob 214/13v) hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 18/2014 14, in § 193 Abs 2 ABGB die Wortfolge „mindestens 16 Jahre“ als verfassungswidrig auf. Weiters sprach er aus, dass die Aufhebung mit in Kraft trete und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft träten.

Trotz der für das Außerkrafttreten gesetzten Frist ist die aufgehobene Regelung nach Art 140 Abs 7 B-VG im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. § 193 Abs 2 ABGB ordnet daher für den vorliegenden Fall nur mehr an, dass die Wahleltern älter sein müssen als das Wahlkind. Da diese Bedingung erfüllt ist, kann die Abweisung des Antrags nicht mehr auf diese Bestimmung gestützt werden.

Dies führt zur Zurückverweisung in die erste Instanz. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob die weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung der Annahme an Kindes statt erfüllt sind.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00037.15T.0217.000