OGH vom 12.01.2012, 6Ob2/12f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. J***** G*****, 2. Dr. E***** K*****, beide vertreten durch Dr. Johann Gelbmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** GmbH, *****, 2. R***** B*****, beide vertreten durch Mag. Dr. Till Hausmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 40 R 334/11f 49, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Ein zur vorzeitigen Aufhebung des Bestandvertrags nach § 1118 ABGB berechtigender qualifizierter Zinsrückstand liegt vor, wenn der Bestandnehmer nach geschehener Einmahnung mit der Zahlung des Zinses dergestalt säumig ist, dass er bis zum nächsten Zinstermin den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat (RIS Justiz RS0021152). Eine Einmahnung iSd § 1118 ABGB ist jedenfalls in der Zustellung einer Zins oder Räumungsklage zu erblicken, sofern die Mietzinsschuldigkeit darin hinreichend konkretisiert ist (3 Ob 179/11m mwN). Es muss immer die zeitliche Abfolge Mahnung, Nachfristgewährung und Auflösungerklärung gewahrt werden (RIS Justiz RS0021072). Da die Aufhebung des Bestandvertrags somit erst nach erfolgloser Mahnung erklärt werden kann, kann wenn mangels außergerichtlicher Mahnung die Klage erst die Mahnung ersetzt nicht die Klage selbst, sondern nur die Weiterführung des Verfahrens als konkludente Vertragsaufhebungserklärung angesehen werden (3 Ob 179/11m mwN). Das Räumungsbegehren ist also nur dann berechtigt, wenn der qualifizierte Mietzinsrückstand zum Zeitpunkt der Abgabe der Auflösungserklärung oder der diese ersetzenden Fortführung des Räumungsprozesses noch bestand (3 Ob 179/11m mwN).
Entgegen der Ansicht der Revisionswerber ist für den Zugang der Räumungsklage nicht § 862a ABGB maßgeblich, richtet sich doch die Zustellung von Klagen nach § 106 ZPO und dem Zustellgesetz (vgl § 1 ZustG). Ist der Empfänger keine natürliche Person, so ist das Dokument einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen (§ 13 Abs 3 ZustG). Der Zweitbeklagte, der die gegen die erstbeklagte Mieterin gerichtete Zahlungs und Räumungsklage am nach den Feststellungen der Vorinstanzen „versehentlich“ übernahm, war nach den Feststellungen weder ein zur Empfangnahme befugter Vertreter noch ein Ersatzempfänger iSd § 16 ZustG. Zustellungsmängel heilen in dem Zeitpunkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Dies war nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht vor Anfang Mai 2008. Die Meinung der Revisionswerber, die in § 1118 ABGB normierte Frist habe mit Klagszustellung am zu laufen begonnen, weil sie an diesem Tag in den Machtbereich der Erstbeklagten gelangt sei, ist unzutreffend.
Die Auslegung von Parteienvorbringen ist stets eine Frage des Einzelfalls, die deshalb regelmäßig keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage bildet. Entgegen der Behauptung der Revisionswerber führen sie in ihrem Schriftsatz ON 33 nicht aus, der Mietzinsrückstand sei auch am in einem Gespräch zwischen den Klägern, dem Hausverwalter und dem Zweitbeklagten eingemahnt worden. Die Auffassung, dass eine mündliche Mahnung an diesem Tag dem Vorbringen nicht zu entnehmen ist, bedarf keiner Korrektur.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist schon dann mängelfrei, wenn es dazu wie im Anlassfall nachvollziehbare Überlegungen anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS Justiz RS0043162 [T4]).