OGH vom 22.02.2001, 2Ob24/01w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edeltraud M*****, vertreten durch Dr. Harald Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Maximilian S*****, und 2. Gabriele K*****, beide vertreten durch Dr. Hans-Peter Benischke und Dr. Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 521.426,38 sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 139/00h-72, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 39 Cg 173/97k-59, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben . Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufungen der Parteien an das Berufungsgericht zurückverwiesen .
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Kaufvertrag vom haben die Beklagten eine Liegenschaft sowie Anteile an einer weiteren Liegenschaft an die Klägerin sowie deren Ehegatten je zur Hälfte zu einem Gesamtkaufpreis von S 2,390.000 veräußert. Dieser Kaufvertrag wurde mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom , 16 Cg 251/93d-23, aufgehoben. Die Klägerin und ihr Ehegatte wurden schuldig erkannt, Zug um Zug gegen Bezahlung von S 1,165.545 die Immobilie zu räumen und von allen Fahrnissen geräumt den Beklagten zu übergeben.
Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin 50 % der von ihr und ihrem Ehegatten auf der genannten Immobilie getätigten Aufwendungen, die zu einer Wertsteigerung des Kaufobjektes geführt hätten, aus dem Titel der Bereicherung ersetzt. Letztlich anerkannte sie insgesamt S 86.573,62 als berechtigte Gegenforderung an und schränkte ihr Klagebegehren auf S 521.426,38 sA ein.
Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, die von der Klägerin und ihrem Ehegatten getätigten Investitionen seien wertlos, unfachmännisch durchgeführt und hätten eher zu einer Minderung des Wertes des Objektes geführt. Die Klägerin sei spätestens zum Zeitpunkt der Klagseinbringung zu 16 Cg 251/93d des Erstgerichtes am als unredliche Besitzerin anzusehen, sodass ihr kein wie immer gearteter Aufwandersatz zustünde. Die im Zusammenhang mit der Zwangsversteigerung entstandenen Kosten von S 100.000, die mit S 186.000 bezifferten Kosten der Wohnversorgung der Beklagten zwischen Rechtskraft des Urteils zu 16 Cg 251/93d und Räumung sowie S 480.000 als fiktiver Mietwert der Liegenschaft für 48 Monate, nämlich für den Zeitraum zwischen Bezug und Räumung des Objektes durch die Klägerin, und S 173.212,08, die zur Sanierung eines statischen Mangels erforderlich geworden seien, auf dessen Ersatz die Klägerin als seinerzeitigen Miteigentümerin gegenüber der errichtenden Gesellschaft verzichtet habe, würden einer allenfalls zu Recht bestehenden Klagsforderung gegenüber aufrechnungsweise eingewendet. Die Klägerin sei bereits bei Vertragsabschluss unredlich gewesen, weil sie nicht willens und fähig gewesen sei, ihren Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag nachzukommen. Überdies seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt.
Dem den Beklagten allenfalls zustehenden Benützungsentgelt wurde der der Klägerin entstandene Zinsverlust von monatlich S 9.300,90 entgegengehalten, worauf die Beklagten replizierten, dass sie für die Dauer von vier Jahren sämtliche Zinsen und Spesen der Darlehen, die die Klägerin und ihr Ehegatte hätten übernehmen sollen, zu tragen gehabt hätten.
Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung mit S 147.631 sowie die geltend gemachten Gegenforderungen bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht bestünden, und wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Seiten Folge, hob das angefochtene Urteil, das hinsichtlich der Abweisung eines Teilbetrages von S 373.795,38 sA als unangefochten unberührt bleibe, im Übrigen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei und führte im Wesentlichen Folgendes aus:
Das Urteil habe in seinen Entscheidungsgründen in knapper, überprüfbarer und logisch einwandfreier Form ua das wesentliche Vorbringen sowie die Außerstreitstellungen der Parteien wiederzugeben und die wesentlichen Tatsachenfeststellungen und die Begründung seiner Beweiswürdigung sowie eine rechtliche Beurteilung zu enthalten. Daraus müsse mit hinreichender Deutlichkeit der Spruch der Entscheidung zu rechtfertigen sein. Diese Anforderungen erfülle das angefochtene Urteil aber nicht, weil nicht überprüfbar sei, wie das Erstgericht zu der als zu Recht bestehend erkannten Klageforderung von S 147.631 gelangt sei. Nach den Feststellungen sei das Erstgericht zu einem Investitionsaufwand (Materialkosten und Arbeitsleistung) von insgesamt S 674.019,32 gelangt, dem es Mängelbehebungskosten von S 99.456,20 sowie S 279.300,90 an Investitionen gegenübergestellt habe, die für die Beklagten keinen Wert darstellten, und habe den Schluss gezogen, dass Aufwendungen im Betrag von S 295.262,10 für die Beklagten nach deren persönlichen Vorstellungen zweckmäßig gewesen seien. Hierauf sei in der rechtlichen Beurteilung der Schluss gezogen worden, dass die Klägerin Ansprüche auf die Hälfte der im Sinne der persönlichen Zwecke der Beklagten entstandenen Wertzuwächse im Betrag von S 144.631 habe. Dieser ziffernmäßige Widerspruch sei nicht aufklärbar und hindere eine zuverlässige Überprüfung der Entscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Rückverweisung lägen somit vor, weil die bisherigen Beweisergebnisse vom Erstgericht im zweiten Rechtsgang unmittelbar verwertet werden könnten und für die rechtliche Beurteilung wesentliche Fragen ungeklärt geblieben seien.
Das Erstgericht habe zwar bei der Wiedergabe der Parteienvorbringen auf den Einwand der Verjährung der Klagsforderung durch die Beklagten verwiesen, dazu jedoch in seiner rechtlichen Beurteilung nicht Stellung genommen. Zutreffend sei das Erstgericht davon ausgegangen, dass nach § 921 ABGB dem Vertragspartner des vom Vertrag Zurücktretenden von ihm getätigte Aufwendungen insoweit zu ersetzen seien, als sie dem anderen nach dessen individuellen Verhältnissen zum Vorteil gereichten, somit jedenfalls die werterhaltenden und - derart beschränkt - die werterhöhenden Aufwendungen (EvBl 1964/53; Binder in Schwimanný, § 921 ABGB Rz 27). § 921 Satz 2 ABGB sei ein Anwendungsfall des § 1435 ABGB, weil mit dem Rücktritt der rechtliche Grund für das Behaltendürfen wegfalle, es handle sich somit um einen vom Verschulden unabhängigen Kondiktionsanspruch (Binder aaO Rz 19). Bereicherungsansprüche verjährten nach herrschender Meinung grundsätzlich nach 30 Jahren; von Lehre und Rechtsprechung seien allerdings sachliche Durchbrechungen dieses Grundsatzes herausgebildet worden. Insbesondere die Lehre nähere sich dabei dem im Bereich des BGB vertretenen Grundsatz, dass die Verjährung von Kondikationsansprüchen nach der Art des Anspruchs zu beurteilen sei, an dessen Stelle die Kondiktion trete, zum Teil werde auch § 1487 ABGB analog angewendet (Mader in Schwimanný § 1478 ABGB Rz 15 mwN). Vorliegendenfalls sei zu berücksichtigen, dass der Rücktritt vom Vertrag durch die Beklagten wegen Nichtzahlung des vereinbarten Kaufpreises erfolgt sei. Diese Eigenart der Obliegenheitsverletzung verleihe dem aus ihm abgeleiteten anspruchsbegründenden Umstand einen quasi-schadenersatzrechtlichen Charakter, der einen auf § 1435 ABGB gestützten Rückforderungsanspruch präge. Der Berufungssenat komme daher zur Ansicht, dass im Falle einer Kondiktion nach § 1435 ABGB die Obliegenheitsverletzung zum anspruchsbegründenden Element werde und aus diesem Grund auch die Verjährungsfrist für den Rückforderungsanspruch begründe, weil tragendes Element der Rückforderung die zur Aufhebung des Vertrags führende Nichtzahlung des Kaufpreises durch die Klägerin geworden sei. Da Schadenersatzansprüche nach § 921 ABGB gemäß § 1489 ABGB der dreijährigen Verjährung zu unterwerfen seien (Binder aaO § 921 ABGB Rz 18), seien auch Kondikationsansprüche des Vertragspartners des gemäß § 921 ABGB vom Vertrag Zurücktretenden der dreijährigen Verjährung zu unterwerfen. Diese könne aber erst mit der Rücktrittserklärung des vertragstreuen Partners zu laufen beginnen, weil Bereicherungsansprüche mangels Rücktrittsbefugnis und wegen des aufrechten Vertrages bis dahin gar nicht entstehen könnten. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren auch Feststellungen darüber zu treffen haben, zu welchen Zeitpunkten die von der Klägerin und ihrem Ehegatten getätigten Investitionen erfolgt seien.
Da eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Verjährungszeit von Kondiktionsansprüchen des nichtvertragstreuen Partners im Falle des Rücktritts des Vertragstreuen nach § 921 ABGB nicht vorliege, sei gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO auszusprechen gewesen, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin erkennbar wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im klagsstattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, Rückforderungsansprüche gemäß § 1435 ABGB würden nicht der kurzen Verjährung unterliegen, weil sie in der taxativen Aufzählung der kurzen Verjährungsfristen nicht aufschienen. Vielmehr würden Bereicherungsansprüche grundsätzlich nach 30 Jahren verjähren. Der Rückforderungsanspruch aus getätigen Investitionen des Rücktrittsgegners sei nicht schadenersatzrechtlicher Natur. Den Begriff des "quasi-schadenersatzrechtlichen Charakters" kenne das Gesetz nicht.
Hiezu wurde erwogen:
Der berechtigte Vertragsrücktritt der hier beklagten Liegenschaftsverkäufer führte zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung gemäß § 921 Satz 2 ABGB, weshalb die Käufer im Vorprozess verpflichtet wurden, die Liegenschaft den Verkäufern Zug um Zug gegen Zahlung eines bestimmten Betrages zurückzugeben. Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ist § 921 Satz 2 ABGB ein Anwendungsfall der Leistungskondiktion gemäß § 1435 ABGB (condictio causa finita; RIS-Justiz RS0018505; Rummel in Rummelý § 1435 ABGB Rz 2; Binder in Schwimanný § 921 ABGB Rz 19; Honsell/Mader in Schwimanný § 1435 ABGB Rz 4 jeweils mwN). Dem Kondiktionsschuldner gebührt der Ersatz seiner Aufwendungen auf die zurückzustellende Sache, und zwar, soweit er als redlicher Besitzer anzusehen ist, nach § 331 ABGB und, soweit er als unredlicher Besitzer anzusehen ist, nach § 336 ABGB (RIS-Justiz RS0010232; vgl 3 Ob 241/97f = SZ 70/136; Rummel aaO § 1437 ABGB Rz 7; Honsell/Mader aaO § 1437 ABGB Rz 15). Der Aufwandersatzanspruch folgt aus Verwendung im Sinne des § 1041 ABGB (Spielbüchler in Rummel3 § 331 ABGB Rz 1); um eine Leistungskondiktion handelt es sich (mangels bewusster Vermögenszuwendung an die Beklagten; vgl nur Koziol/Welser II11 247) nicht. Dies gilt auch für den unredlichen Besitzer, weil § 336 ABGB nur bezüglich der Rechtsfolgen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag verweist (vgl Spielbüchler aaO § 336 ABGB Rz 1). Verwendungsansprüche unterliegen aber - wie Bereicherungsansprüche überhaupt - grundsätzlich der allgemeinen dreißigjährigen Verjährungsfrist der §§ 1478 f ABGB (RIS-Justiz RS0020167, RS0018505, RS0033819; Honsell/Mader aaO Vorbem zu §§ 1431 ff ABGB Rz 23; Mader aaO § 1478 ABGB Rz 14; Rummel aaO § 1431 ABGB Rz 12; vgl auch Schubert in Rummelý § 1478 ABGB Rz 6 jeweils mwN). Dass hier ausnahmsweise ein gesetzlicher Fall der kurzen Verjährungsfrist (etwa § 1486 Z 1 ABGB) vorläge, ist nicht erkennbar. Auch eine Gesetzeslücke, die durch Analogie etwa zu § 1489 ABGB zu schließen wäre, besteht nicht: Mit dem in 6 Ob 698, 699/90 = WBl 1991, 140 beurteilten Fall ist der vorliegende nicht vergleichbar; entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes, welches sich offensichtlich an der eben zitierten Entscheidung (ohne sie selbst zu zitieren) orientiert hat, kann die Nichtzahlung des vereinbarten Kaufpreises nicht als bloße Obliegenheitsverletzung aufgefasst werden, insoweit besteht vielmehr eine Rechtspflicht. Schließlich kann auch keine Rede davon sein, dass der Aufwandersatzanspruch der Klägerin - entsprechend der in Deutschland herrschenden Ansicht - wirtschaftlich an die Stelle einer vertraglichen Vergütungsanspruches getreten wäre (vgl hiezu Niedenführ in Soergel, BGB13 § 195 Rz 11; Peters in Staudinger, BGB13 § 195 Rz 10, § 196 Rz 7; von Feldmann im Münchner Kommentar zum BGB3 § 195 Rz 17; Palandt, BGB60 § 195 Rz 3, 7 jeweils mwN; vgl auch Ch. Huber, Die Verjährung von gesetzlichen Rückersatzansprüchen, JBl 1985, 395, 470 f).
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht die dreijährige, sondern die dreißigjährige Verjährungsfrist maßgeblich ist.
Dem Berufungsgericht kann auch nicht zugestimmt werden, dass der erstgerichtliche Abspruch über die Klagsforderung aus seinen Feststellungen nicht ableitbar wäre. Vielmehr ergibt sich der im Spruch enthaltene Betrag von S 147.631 ohnehin aus der vom Berufungsgericht wiedergegebenen Berechnung. Dass im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ein Betrag von S 144.631 aufscheint, beruht auf einem offensichtlichen Schreib- oder Rechenfehler bei der Tausenderstelle und begründet - entgegen der Meinung des Berufungsgerichts - keinen unaufklärbaren Widerspruch, der die Überprüfung der Entscheidung hindern und eine Rückverweisung an das Erstgericht rechtfertigen würde.
Da die in den Berufungen enthaltenen Beweisrügen noch nicht erledigt wurden, war die Rechtssache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.