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OGH vom 28.06.1961, 1Ob298/61

OGH vom 28.06.1961, 1Ob298/61

Norm

EO § 1 Z 5;

ZPO § 204;

Kopf

SZ 34/96

Spruch

Für die Gültigkeit eines gerichtlichen Vergleiches als Exekutionstitels ist die örtliche und sachliche Zuständigkeit des beurkundenden Gerichtes ohne Bedeutung.

Entscheidung vom , 1 Ob 298/61.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die nunmehrige Beklagte brachte gegen den nunmehrigen Kläger die Klage auf Scheidung der Ehe zu 8 Cg 285/59 des Landesgerichtes Innsbruck ein, ohne daß damit ein Unterhaltsbegehren verbunden wurde. Bei der Streitverhandlung am erschien die Beklagte in Begleitung ihres Rechtsanwaltes, während der Kläger ohne Rechtsbeistand erschien. Die Streitteile schlossen für den Fall der Scheidung einen Vergleich, dessen Punkt 1 folgendermaßen lautete:

"Der Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin ab bis zum 5. eines jeden Monats im vorhinein einen Unterhaltsbeitrag zu zahlen, und zwar in der Zeit vom bis einen Betrag von monatlich 360 sfrs, und ab einen solchen von 400 sfrs. Dabei wird ausdrücklich vereinbart, daß dieser Unterhaltsbeitrag wegen Änderungen in den Verhältnissen der Parteien nicht geändert werden kann, vom Beklagten also insbesondere auch dann zu leisten ist, wenn er sich wieder verehelicht."

Die Ehe wurde sodann aus dem Verschulden des Klägers (damaligen Beklagten) geschieden.

Der Kläger begehrt 1. die Feststellung der Nichtigkeit und Unwirksamkeit des Punktes 1 des Vergleiches und 2. die Beklagte schuldig zu erkennen, die von ihr über das Betreibungsamt Ober-Engadin eingeleitete Exekution durch Pfändung des Arbeitseinkommens des Klägers einzustellen und alle hiezu notwendigen Erklärungen abzugeben. Er behauptet, der Vergleich sei wegen Nichteinhaltung der Vorschrift des § 27 Abs. 1 ZPO. über den Anwaltszwang nichtig, ferner sei der Ausschluß der Umstandsklausel sittenwidrig und daher ebenfalls nichtig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Begründung statt, daß der Vergleich wegen Verstoßes gegen die Bestimmung über den absoluten Anwaltszwang nichtig sei.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen aus folgenden Gründen ab: Der Unterhalt habe keinen im Streit verfangenen Anspruch, über den der Richter zu entscheiden gehabt hätte, gebildet. Dadurch, daß der Vergleich im Zug des Ehescheidungsstreites und vor dessen Beendigung geschlossen wurde, sei der Unterhaltsanspruch nicht zum Gegenstand des Rechtsstreites gemacht worden. Daraus, daß der Vergleich für den Fall der Scheidung geschlossen wurde, gehe hervor, daß die Streitteile die Unterhaltsfrage vom Scheidungsbegehren abgesondert behandelt und erledigt haben wollten. Der Vergleich sei zwar nicht als Prozeßvergleich nach § 204 ZPO., sondern als privatrechtlicher Vertrag zu beurteilen, der in anlehnender Anwendung des § 433 ZPO. in die Form eines gerichtlichen Vergleiches gebracht worden sei, um ihm die Wirkung eines Vollstreckungstitels zu geben. Die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes könne durch Parteienvereinbarung beseitigt werden; eine solche sei durch schlüssige Handlungen zustande gekommen. - Nichtigkeit gemäß § 879 ABGB. liege nicht vor. Der Verzicht auf die Umstandsklausel sei zulässig. Ein Tatbestand des § 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB. sei nicht behauptet worden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst muß zwischen der privatrechtlichen und der prozeßrechtlichen Seite des Vergleiches unterschieden werden. In privatrechtlicher Hinsicht ist der in Rede stehende Vergleich, wenn vorläufig von der Frage der Sittenwidrigkeit abgesehen wird, auch dann gültig, wenn von der Annahme des absoluten Anwaltszwanges ausgegangen wird. Dies wurde in den Entscheidungen RiZ. 1957 S. 13 und SZ. XXIV 313 ausdrücklich hervorgehoben.

Fraglich ist lediglich, ob der Vergleich einen Exekutionstitel nach § 1 Z. 5 EO. bildet, was für die Entscheidung über das Begehren auf Einstellung der Exekution wesentlich ist. Auch dies muß bejaht werden. Unter einem Vergleich im Sinne des § 1 Z. 5 EO. ist auch ein solcher zu verstehen, der über Ansprüche verfügt, die bisher in einem Prozeß weder klage- noch einredeweise geltend gemacht wurden (§ 33 ZPO.; GlUNF. 2273). Die Frage der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit ist, da das Gericht nicht entscheidet, sondern nur beurkundet, nicht von Belang (Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. I S. 415).

Der Oberste Gerichtshof pflichtet auch der Ansicht des Berufungsgerichtes bei, daß in bezug auf den Abschluß des gegenständlichen Vergleiches Anwaltszwang nicht bestand. Denn durch den Abschluß eines Vergleiches werden die darin geregelten Ansprüche nicht Streitgegenstand. Sie werden damit also noch nicht "erhoben". Gegenstand des Rechtsstreites war daher nach wie vor lediglich das Scheidungsbegehren, so daß die Bestimmung des § 27 Abs. 2 ZPO. Anwendung fand.

Was die Frage der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung über den Ausschluß der Umstandsklausel anlangt, so wurde sie vom Berufungsgericht gleichfalls zutreffend verneint. Nach ständiger Rechtsprechung (SZ. XXVI 222, 5 Ob 329/58, 1 Ob 349/58, 1 Ob 5/61 u. a.) ist eine derartige Vereinbarung zulässig und gültig. Damit steht auch die Entscheidung SZ. XXVI 105 in vollem Einklang. Auch sie bejaht den Grundsatz der Gültigkeit und folgert daraus, daß umso mehr ein befristeter Verzicht auf die Umstandsklausel gültig sei.