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OGH vom 06.09.1990, 6Ob17/90

OGH vom 06.09.1990, 6Ob17/90

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Handelsregistersache der in dem vom Landes- als Handelsgericht Salzburg geführten Handelsregister unter HRB 2034 unter der Firma "A***" Versicherungsagentur und Beteiligungsgesellschaft mbH i. L. eingetragenen Rechtsverhältnisse wegen Informationserteilung an Franz O***, Verkäufer, Salzburg, Linzergasse 54, vertreten durch Dr. Paul Lechenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 106/90-62, womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes Salzburg vom , GZ HRB 2034-60, mit dem Ausspruch der Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben.

Der angefochtene und der erstinstanzliche Beschluß werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen, nach Verfahrensergänzung zu fällenden Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der nunmehrige Antragsteller war einer der vier Gründungsgesellschafter einer Gesellschaft mbH, deren Verhältnisse seit in das vom Registergericht geführte Handelsregister eingetragen sind. Bei einem Stammkapital von 100.000 S hatte er ebenso wie eine Hotelbesitzerin eine Stammeinlage von 26 % übernommen, während ein Industriekonsulent und dessen Ehefrau je eine Stammeinlage von 24 % übernommen hatten. Die Gesellschafter leisteten auf die von ihnen übernommenen Stammeinlagen lediglich Bareinzahlungen im Ausmaß von einem Viertel, während der Restbetrag nach dem Gesellschaftsvertrag "über Einforderung durch die Geschäftsführung von den Gesellschaftern nach Liquiditätserfordernis an die Gesellschaftskasse zur Einzahlung gebracht" werden sollte.

Der Industriekonsulent und dessen Ehefrau waren gesellschaftsvertraglich zu einzelzeichnungsbefugten Geschäftsführern bestellt worden.

Die Gesellschaft kam einer registergerichtlichen Aufforderung zur Anpassung des Gesellschaftsvertrages an die Regelungen nach der GmbHG-Novelle 1980 nicht nach. Im Sinne einer Eintragungsverfügung vom selben Tag wurde am die Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen. Gleichzeitig wurde eingetragen, daß die beiden Geschäftsführer als Liquidatoren weiterhin jeweils selbständig die in das Abwicklungsstadium getretene Gesellschaft vertreten.

Die Liquidatoren teilten dem Registergericht in einer mit datierten Eingabe mit, daß der nunmehrige Antragsteller mit einem Schreiben vom zur Einzahlung der restlichen Stammeinlage in der Höhe von 19.500 S aufgefordert worden, mit dieser Einzahlung aber säumig sei, während die übrigen Gesellschafter die restlichen und bislang offenen Stammeinlagen voll einbezahlt hätten. Die Liquidatoren teilten dem Registergericht überdies mit, daß dem nunmehrigen Antragsteller "durch Schreiben vom eine neuerliche Nachfrist im Sinne des § 66 GesmbHGes von einem Monat gestellt" worden sei. Der nunmehrige Antragsteller hatte bereits in einer mit datierten Eingabe an das Registergericht angezeigt, daß er seit der Gesellschaftsgründung zu keiner Generalversammlung eingeladen worden sei, er nicht wisse, ob Generalversammlungen stattgefunden hätten, weil ihm "jeglicher Einblick in die Unterlagen der Gesellschaft verwehrt" würde. In einer weiteren, mit datierten Eingabe gab der spätere Antragsteller dem Registergericht bekannt, daß sich die Geschäftsführer weigerten, eine Generalversammlung einzuberufen oder ihm Bilanzen vorzulegen. Der Versuch des späteren Antragstellers, bei einer von ihm einberufenen Generalversammlung die beiden gesellschaftsvertraglich bestellten Geschäftsführer abzuberufen und seine eigene Bestellung zum Geschäftsführer zu beschließen, scheiterte am Formmangel gehöriger Aufnahme des beabsichtigten Geschäftsführerwechsels in die Tagesordnung.

Nach dem Inhalt einer mit datierten Geschäftsführereingabe des Industriekonsulenten, in der sich dieser als Geschäftsführer von vier weiteren Gesellschaften mbH bezeichnete, habe dieser Mehrfachgeschäftsführer in eigener Person die Anteile der späteren Antragsgegnerin an zwei der vier weiteren Gesellschaften gekauft. Näheres teilte der Mehrfachgeschäftsführer dazu in seiner Eingabe an das Registergericht nicht mit. Während des Stadiums der mit abzustattenden Bankverbindlichkeiten und Vermögenslosigkeit der Gesellschaft begründeten, in Ansehung des nunmehrigen Antragstellers erfolglos gebliebenen Einforderung der restlichen (3/4-)Beträge auf die übernommenen Stammeinlagen durch die in Abwicklung befindliche Gesellschaft brachte der vergeblich zur Einzahlung aufgeforderte Gesellschafter am beim Registergericht einen anwaltlich verfaßten Antrag mit dem Begehren ein, der Gesellschaft aufzutragen,

"dem Antragsteller sämtliche nach Abhaltung von Generalversammlungen oder auf schriftlichem Weg zustandegekommen Beschlüsse unter Angabe des Tages der Eintragung in das Protokollbuch in einer von der Geschäftsführung unterzeichneten Abschrift

sowie sämtliche Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen der... Gesellschaft mbH... herauszugeben".

Dieses Begehren gründete der Antragsteller auf seine aufrechte Gesellschafterstellung. Er wiederholte zur Antragsbegründung seine Behauptung, seit Gründung der Gesellschaft im Jahre 1975 zu keiner einzigen Gesellschafterversammlung eingeladen worden zu sein und von keiner Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung Kenntnis erlangt zu haben. Dazu behauptete der Antragsteller den konkreten Verdacht, daß die Geschäftsführer und nunmehrigen Liquidatoren in eigennütziger Absicht die Gesellschaft an einer Strom-Fernwärmegesellschaft sowie an einer Gletscherbahngesellschaft beteiligt hätten; die Gesellschaft habe angeblich auch Liegenschaftsvermögen erworben. Das Registergericht wies diesen Antrag zunächst wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges zurück. Nach rekursgerichtlicher Aufhebung dieses Zurückweisungsbeschlusses trug das Registergericht - offenbar in einer sinngemäßen Anwendung der für ein amtswegiges Einschreiten nach § 132 FGG angeordenten Vorgangsweise - der Gesellschaft bei sonstigem Zwange auf, dem Antrag des Antragstellers binnen 14 Tagen zu entsprechen oder binnen dieser Frist die Unterlassung mittels Einspruches zu rechtfertigen. Die Gesellschaft gab in ihrer als Einspruch bezeichneten Eingabe zu, dem Antragsteller die von ihm begehrten Unterlagen nicht herausgegeben zu haben. Die Gesellschaft wendete ein, seit ihrer Gründung seien keine Generalversammlungsbeschlüsse gefaßt worden, es sei auch kein Protokollbuch geführt worden; "in den letzten Jahren" seien auch keine Bilanzen oder Gewinn- und Verlustrechnungen aufgestellt worden. Der Bürobetrieb der vermögenslosen Gesellschaft sei seit eingestellt. Sämtliche damals noch vorhandenen Unterlagen seien im Zuge eines Übersiedlungstransportes "in Verstoß geraten".

Das Registergericht faßte einen Beschluß auf Abweisung des Einspruches.

Im Rekurs gegen diese erstinstanzliche Entscheidung stellte die Gesellschaft die Behauptung auf, daß der Antragsteller seit zufolge Ausschließung gemäß § 66 GmbHG nicht mehr ihr Gesellschafter sei. Im übrigen hielt die Gesellschaft ihre Einwendungen zur Unmöglichkeit der Leistung aufrecht. Das Rekursgericht faßte einen Aufhebungsbeschluß. Es erachtete die Tatumstände zu der von der Gesellschaft geltend gemachten Unmöglichkeit der Leistung ebenso für aufklärungsbedürftig wie die erstmals im Rekurs aufgeworfene Frage nach der Anspruchs- und Antragsberechtigung des Antragstellers im Hinblick auf seine nunmehr umstrittene aufrechte Gesellschafterstellung.

Im neuerlichen Rechtsgang stellte nunmehr die Gesellschaft zur Frage der Gesellschafterstellung des Antragstellers im Hinblick auf die Kaduzierung folgende konkreten Behauptungen auf: Die - im Sinne des Art.III Z 8 GmbHG-Novelle 1980 von Amts wegen - aufgelöste Gesellschaft habe offene Bankverbindlichkeiten in der Größenordnung von 300.000 S und sei bereits wiederholt zu deren Abdeckung aufgefordert worden. Der Antragsteller sei mit eingeschriebenem Brief vom , ebenso wie die übrigen Gesellschafter, zur Einzahlung der restlichen Stammeinlage aufgefordert worden, habe eine Zahlung aber mit der - nicht näher ausgeführten - Einwendung einer mangelnden Berechtigung der Liquidatoren ausdrücklich abgelehnt. Die Gesellschaft habe dem Antragsteller mit eingeschriebenem Brief am unter Hinweis auf den sonstigen Ausschluß zur Einzahlung eine Nachfrist von einem Monat gesetzt. (Dieser Hinweis erfolgte nach der von der Gesellschaft erfolgten Ablichtung eines Schreibens vom mit den Worten: "Sollte die Überweisung nicht fristgerecht eingehen, tritt im Sinne der geltenden Bestimmungen der Ausschluß ein.") In ihrem mit datierten Schreiben hätten die Liquidatoren wegen fruchtlosen Ablaufes der gesetzten Nachfrist dem Antragsteller dessen Ausschluß aus der Gesellschaft erklärt. Mit Notariatsakt vom habe die durch den Liquidator vertretene Gesellschaft einer anderen, gleichfalls durch diesen Wirtschaftsjuristen vertretenen Gesellschaft mbH den ehemaligen Geschäftsanteil des Antragstellers (um 1.000,-- S) freihändig verkauft. Nunmehr wies das Registergericht den Antrag auf Herausgabe von Abschriften im Sinne des § 40 Abs 2 GmbHG sowie sämtlicher Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen zurück.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteigt. Weiters sprach das Rekursgericht aus, daß der (ordentliche) Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Registergericht ging davon aus, daß der Antragsteller wegen Säumnis mit der Einzahlung seines restlichen Geschäftsanteiles wirksam ausgeschlossen worden, daher nicht mehr Gesellschafter und - in Ansehung der geltend gemachten Informationsrechte - "nicht aktivlegitimiert" sei.

Das Rekursgericht teilte die erstinstanzliche Vorfragenlösung nach der Gesellschafterstellung des Antragstellers und legte seiner Entscheidung die Rechtslage zugrunde, daß der Antragsteller, der bis unbestrittenerweise Gesellschafter der Antragsgegnerin gewesen sei, zufolge des von dieser erklärten Ausschlusses "seit nicht mehr Gesellschafter der Antragsgegnerin" sei. Dazu folgerte das Rekursgericht in Anlehnung an die Kommentarmeinung von Scholz-Karsten Schmidt zu den Novellenregelungen der §§ 51 a und 51 b dGmbHG, daß der Antragsteller zufolge seines Verlustes der Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin einen im außerstreitigen Verfahren verfolgbaren unmittelbar aus seiner (ehemaligen) Gesellschafterstellung fließenden Informationsanspruch nicht mehr besitze, einen eventuell aus dem allgemeinen Zivilrecht ableitbaren Anspruch aber nur im ordentlichen Rechtsweg verfolgen könnte.

Der Antragsteller ficht die bestätigende Rekursentscheidung mit der Ausführung an, daß ihm im Zeitpunkt seiner Antragstellung die Ausschlußerklärung noch nicht zugegangen und daher keineswegs bereits wirksam gewesen sei. Zur rechtlichen Beurteilung führte der Rechtsmittelwerber weiters aus, daß sich die aus seiner Gesellschafterstellung abgeleiteten Ansprüche auch bei einem wirksamen Ausschluß in ihrer Rechtsnatur nicht geändert hätten und deshalb eine unterschiedliche verfahrensrechtliche Behandlung je nach einer Geltendmachung vor oder nach einer Endigung der Mitgliedschaft nicht gerechtfertigt wäre. Damit macht der Antragsteller der Sache nach geltend, das Rekursgericht habe bei seiner Bestätigung des erstinstanzlichen Zurückweisungsbeschlusses erhebliche Fragen des materiellen und des Verfahrensrechtes unrichtig gelöst. Der Rechtsmittelwerber beantragt, dem Registergericht unter Aufhebung der beiden vorinstanzlichen Beschlüsse eine Sachentscheidung über seinen zweigliedrigen Informationserteilungsantrag aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist wegen der zur Entscheidung erforderlichen Lösung der Fragen nach Bestand, Zweck und damit Inhalt, Umfang und Dauer eines etwa über § 22 Abs 4 GmbHG hinaus anzuerkennenden Informationsanspruches des Gesellschafters gegen die Gesellschaft mbH sowie des Anspruches nach § 40 Abs 2 GmbHG zulässig. Der Rekurs ist auch berechtigt.

Dem österreichischen Gesetzgeber diente bei der Schaffung des GesmbHG das mehr als ein Jahrzehnt ältere deutsche Gesetz zur Vorlage. Grünhut, der den Vorsitz in der Spezialkommission des Herrenhauses innegehabt hatte, hob in seinem Kommentar (2.Aufl. S 91) unter den wichtigsten Neuerungen des österreichischen Rechtes gegenüber seinem deutschen Vorbild unter anderem das Kontrollrecht jedes einzelnen Gesellschafters nach § 22 Abs 4 sowie die Schaffung eines Protokollbuches samt der Verpflichtung zur unverzüglichen, unaufgeforderten Mitteilung aller darin einzutragenden Gesellschafterbeschlüsse an jeden einzelnen Gesellschafter im Sinne des § 40 hervor.

Zum Einsichtsrecht des einzelnen Gesellschafters hieß es in der Begründung der Regierungsvorlage (236 BlgHH XVII.Session, 65), es sei Vorsorge zu treffen, daß den Gesellschaftern "nicht jede eingehende Kontrolle der Geschäftsführung entzogen" werde. Wo kein Aufsichtsrat bestehe, müsse "den Gesellschaftern mit zwingender Wirkung das Recht eingeräumt werden, in die Bücher und Papiere Einsicht zu nehmen und auf diese Weise den Rechnungsabschluß selbst zu prüfen".

Das im Zusammenhang mit der Aufstellung des Rechnungsabschlusses vorgesehene Recht jedes einzelnen Gesellschafters auf Einsicht in die Bücher und Papiere der Gesellschaft übernahm die Spezialkommission des Herrenhauses unverändert. In ihrem Bericht (272 BlgHH XVII.Session, S 8) wurde die Erwartung ausgesprochen, daß "infolge dieser unscheinbaren, aber wichtigen Bestimmung wenigstens die dem kaufmännischen Berufskreise angehörigen, mit der Buchführung vertrauten Gesellschafter - gleich Kommanditisten (Artikel 160 H.G.B.) - eine wirksame persönliche Kontrolle über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft ausüben und sich für die Generalversammlung gehörig rüsten können".

Der Oberste Gerichtshof folgerte im Jahre 1911 (AC 2998) aus der - nach den Materialien für die in Rede stehende Frage nach dem Informationsrecht der Gesellschafter als neutral

anzusehenden - Bestimmung des § 93 Abs 4 GmbHG, der zufolge auch nach Beendigung der Abwicklung die Gesellschafter und deren Rechtsnachfolger das Recht auf Einsicht und Benützung der Bücher "behalten", daß man nach der Liquidation nur ein Recht behalten könne, "das einem schon vor der Liquidation zustehe". Die Regelung des § 93 Abs 4 GmbHG ist offensichtlich jener des § 51 Abs 2 GenG nachgebildet, zumal auch bei der Einrichtung des Protokollbuches das Genossenschaftsgesetz Pate gestanden war (272 BlgHH XVII. Session, 11).

Grünhut (GmbH2, 22 f) zitierte diese Entscheidung ohne Kritik des Ergebnisses oder der Ableitung.

Gellis-Feil (GmbHG2, § 22 Z 11) lehnen jede Ausdehnung des Einsichtsrechtes über den positiv geregelten Fall des § 22 Abs 4 GmbHG mit dem Hinweis auf die Kritik des positiv vorgesehen gewesenen Einsichtsrechtes im Abgeordnetenhaus und der Wertung der Argumentationen der zitierten Entscheidung als nicht überzeugend ab. Wiewohl insbesondere Roth (Geheimnisschutz im Gesellschaftsrecht in Geheimnisschutz im Wirtschaftsleben, Hgb. Ruppe bei Orac 1980, S 88 ff) aus organisationsimmanenten Gründen die in erster Linie rechtspolitische Forderung nach einem Individualrecht des Gesellschafters einer Gesellschaft mbH über die engen Voraussetzungen des § 22 Abs 4 GmbHG hinaus formulierte und nach mehr als zehnjähriger Vorbereitungszeit in der Bundesrepublik Deutschland das Informationsrecht des Gesellschafters materiell und formell in der GmbHG-Novelle 1980 eine positiv-rechtliche Ausformung fand, enthielt sich der österreichische Gesetzgeber im Zuge der GmbHG-Novelle 1980 jeder, § 22 Abs 4 GmbHG ergänzenden Regelung. Koppensteiner (Publizitätspflicht der GmbH und Informationsrechte der Gesellschafter in "Die Zukunft der GmbH" Hgb. Roth bei Orac 1983, S 124) folgerte denn auch für das geltende österreichische Recht, dieses sehe Informationsmöglichkeiten der Gesellschafter ohne Konnexität mit der Rechnungslegung praktisch nicht vor. Diese Auslegung des positiven Rechtes hält er auch in Rowedder, GmbHG2, § 51 a Rz 26 der Sache nach aufrecht. Reich-Rohrwig (GmbH-Recht, 228 ff) sieht § 22 Abs 4 GmbHG nicht als abschließende Regelung der Informationsrechte des einzelnen Gesellschafters an und hält aus einem Größenschluß aus den Auskunfts- , Berichts- und Prüfungsrechten des Aufsichtsrates wegen der weiterreichenden Entscheidungskompetenz der Gesellschafter (in ihrer Gesamtheit) die Annahme eines (Individual-)Rechtes jedes einzelnen Gesellschafters für zulässig. Er zitiert in diesem Zusammenhang auch das Argument in der als AC 2998 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahre 1911. In seiner monografischen Behandlung des Themas in JBl 1987, 364 ff will Reich-Rohrwig aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zureichende Argumente für das von vielen rechtspolitisch geforderte Ergebnis eines von den Voraussetzungen nach § 22 Abs 4 GmbHG unabhängigen Informationsrechtes der Gesellschafter gewinnen und ein zeitlich nicht auf die Woche vor der Beschlußfassung über den aufgestellten Rechnungsabschluß beschränktes, jederzeit ausübbares Einsichtsrecht in die Geschäftsbücher hilfsweise aus der Regelung des § 1199 letzter Satz ABGB ableiten.

Bei diesem Stande der Rechtsentwicklung und der Meinungen zum Informationsrecht des Gesellschafters einer Gesellschaft mbH nach geltendem Recht hat der erkennende Senat grundsätzlich erwogen:

Sachgerechte Entscheidung erfordert nach allgemeinen Grundsätzen über kollektive Willensbildung ausreichende Unterrichtung über die Sachverhaltsgrundlagen. Wem das Gesetz Entscheidungsbefugnis einräumt, dem hat es auch die Möglichkeit zur Information über alle entscheidungswesentlichen Tatumstände zu gewährleisten. Bei der Gesellschaft mbH unterliegen nicht nur die Prüfung und Genehmigung des Jahresabschlusses, sondern vor allem auch die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung der Beschlußfassung durch die Gesellschafter. Diese Gesellschafter fassen ihre Beschlüsse zwar im Normfall in der Generalversammlung und Informationen an dieses Kollektivorgan als Entscheidungsträger könnten als ausreichend befunden werden. Die mitunter komplexen Zusammenhänge der für die Gesellschafterbeschlüsse wesentlichen Entscheidungsgrundlagen lassen eine umfassende Information jedes einzelnen Gesellschafters aber nicht nur im Falle schriftlicher Abstimmung, sondern auch im Falle einer Beratung und Abstimmung in der Gesellschafterversammlung sachgerecht erscheinen. Das hat der Gesetzgeber für den Fall der Prüfung und Genehmigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Jahresabschlusses auch positiv anerkannt. Soweit aus dem an die Spitze gestellten allgemeinen Grundsatz eine umfassende Sachinformation der Gesellschafter zur Ausübung der ihnen in ihrer Gesamtheit zustehenden Herrschaftsrechte als geboten angesehen werden muß, ist daher auch ein Anspruch jedes einzelnen Gesellschafters auf Information anzuerkennen, unabhängig davon, ob seine Stammeinlage die Quote erreicht, an die das Gesetz die Ausübung von Minderheitsrechten knüpft. Denn schon die Vorbereitung der Ausübung von Minderheitsansprüchen und erforderlichenfalls die Werbung für das Zustandekommen einer erforderlichen Minderheitsaktion setzt entsprechende Tatsachenkenntnisse voraus.

Der normative Gehalt des § 22 Abs 4 GmbHG ist nicht in der Begründung eines - nach den angestellten Erwägungen vorgegebenen - Informationsanspruches zu sehen, sondern vielmehr in der Festlegung eines für den besonderen Regelungsfall des aufgestellten Jahresrechnungsabschlusses einzuhaltenden Vorganges. Der Bestimmung kommt weniger ein existenzieller als ein modaler Stellenwert zu: Jedem einzelnen Gesellschafter ist nach unaufgeforderter Zusendung einer Abschrift des aufgestellten Jahresrechnungsabschlusses ohne Darlegung eines besonderen - wegen der bevorstehenden Abstimmung offenkundigen - Interesses auch ohne Voranmeldung Einsicht in die Bücher und Papiere der Gesellschaft zu gewähren.

In anderen Fällen liegt vor allem die Bereithaltung der Bücher und Papiere für Zwecke einer unvermittelten Einsichtnahme keinesfalls in der Natur der Sache und bedarf unter Umständen unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen einer - mangels Einigung gerichtlichen - konkreten Regelung.

Informationsansprüche der Gesellschafter sind nicht Selbstzweck. Sie dienen der Geltendmachung und Ausübung anderer, aus der Gesellschafterstellung fließender Ansprüche. Soweit es sich dabei um die sogenannten Herrschaftsrechte handelt, enden diese mit dem Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft. Informationsansprüche, die der Unterstützung der Herrschaftsrechte dienen, erlöschen - zufolge ihrer Zweckbedingtheit - materiell mit diesen.

Auf der Mitgliedschaft in der Gesellschaft beruhende Vermögensrechte können auch nach Beendigung der Mitgliedschaft aufrecht sein. Soweit gesellschaftsrechtliche Informationsansprüche zur Unterstützung solcher Vermögensrechte eines Gesellschafters dienen sollen, könnten sie daher materiell auch nach einem Ausscheiden des Gesellschafters bis zur Festlegung der vermögensrechtlichen Ansprüche aufrecht bestehen. Fraglich könnte da nur die verfahrensrechtliche Form der Anspruchsverfolgung sein. Anerkennt man auf Grund der organisatorischen Stellung des einzelnen Gesellschafters in der Gesellschaft mbH einen grundsätzlich unbeschränkbaren, alle Angelegenheiten der Gesellschaft umfassenden Informationsanspruch als Voraussetzung zur sachgerechten Wahrnehmung der dem Gesellschafter zufallenden Prüfungs- und Leitungsaufgaben, wäre eine Einschränkung oder gar ein Ausschluß der Informationsansprüche, soweit diese im Einzelfall nur zur Unterstützung bei der Wahrung von Vermögensrechten geltend gemacht würden, bei aufrechter Mitgliedschaft des Gesellschafters weder schlüssig begründbar noch praktisch durchführbar. Die Frage danach, ob ein grundsätzlich uneingeschränktes, nicht besonders zu begründendes und ohne besonderen Anlaß ausübbares Informationsrecht auch zur Unterstützung von Vermögensrechten anzuerkennen sei, wird praktisch erst beim ausgeschiedenen Gesellschafter aktuell. In Ansehung seiner auf der ehemaligen gesellschaftsrechtlichen Stellung beruhenden Ansprüche ist auch der ausgeschiedene Gesellschafter nicht einem sonstigen Gesellschaftsgläubiger gleichzusetzen, dem im Rechtsstreit § 45 HGB, gegebenenfalls auch Art.XLIII EGZPO zustatten kommen mag, sondern wegen der spezifischen, Gesellschaftsinterna berührenden Anspruchsgrundlagen, die nach wie vor, wenn nach dem Ausscheiden nicht sogar eine umso kritischere, Abwägung von Informations- und Geheimhaltungsinteressen erfordern, materiell und formell wie ein Gesellschafter mit aufrechter Mitgliedschaft zu behandeln.

Allerdings ist beim ausgeschiedenen Gesellschafter (ohne Teilnahme an den Leitungs- und Kontrollrechten) das Informationsbedürfnis zur Unterstützung etwa noch aufrechter gesellschaftsrechtlicher Vermögensansprüche keinesfalls in gleicher Weise augenfällig wie beim Gesellschafter mit aufrechter Mitgliedschaft.

Auch der ausgeschiedene Gesellschafter hat zur Unterstützung etwa noch aufrechter, aus dem Gesellschaftsverhältnis entspringender Vermögensansprüche einen Informationsanspruch, er muß sein Informationsinteresse aber (im Gegensatz zum Gesellschafter mit aufrechter Mitgliedschaft) konkret darlegen und gegebenenfalls bescheinigen (im Falle einer beantragten Einsicht in die Bücher über eine Zeitspanne, wenn der ausgeschiedene Gesellschafter noch

Mitglied war: 3 Ob 545/80; ohne Kritik zitiert von Kastner-Doralt, Grundriß des österr.GesR4, 297 Anm.120 und 318 Anm.26).

Der erkennende Senat gelangt daher zu dem Ergebnis:

Dem Gesellschafter einer Gesellschaft mbH steht zur Unterstützung seiner Leitungs- und Prüfungsrechte, aber auch seiner gesellschaftsrechtlichen Vermögensrechte ein nicht näher zu begründender, alle Geschäftsangelegenheiten umfassender Informationsanspruch gegen die Gesellschaft zu.

Das Interesse an der Informationserteilung ist nach dem Ausscheiden des Gesellschafters und dem damit verbundenen Verlust seiner Leitungs- und Prüfungsrechte nicht mehr augenfällig und daher auch schon bei der außergerichtlichen Geltendmachung von Informationsrechten zur Aktualisierung des materiellen Anspruches konkret darzulegen.

Der Informationsanspruch kann, je nach den konkreten Umständen, auch auf Übermittlung von Abschriften einzelner bereits genehmigter Rechnungsabschlüsse gerichtet sein.

Solche Ansprüche sind nicht nur vom Gesellschafter mit aufrechter Mitgliedschaft (RdW 1990, 47), sondern auch vom ausgeschiedenen Gesellschafter, wenn sie als selbständige Individualrechte geltend gemacht werden, im Sinne des § 102 nF GmbHG vor dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen berufenen Gerichtshof erster Instanz im Verfahren außer Streitsachen zu verfolgen.

Der Anspruch auf Zusendung einer Abschrift jedes in das Protokollbuch einzutragenden Gesellschafterbeschlussses ist positiv im § 40 Abs 2 GmbHG geregelt. Dieser Anspruch ist Ausfluß des Mitgliedschaftsrechtes. Schuldner ist die Gesellschaft (GesR 1980, 146), Gläubiger der Gesellschafter, dessen Mitgliedschaft im Zeitpunkt des Beginnes der Zusendungsverpflichtung aufrecht war. Mit dem Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft alleine erlischt der einmal begründete Anspruch nicht. Nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft ist aber das Rechtsschutzinteresse an der Kenntnis aller Gesellschafterbeschlüsse nicht mehr in der Weise augenfällig wie bei aufrechter Mitgliedschaft und deshalb von der Gesellschaft bestreitbar.

Auch der Antrag auf Zusendung einer Abschrift der in das Protokollbuch einzutragenden Gesellschafterbeschlüsse ist im Sinne des § 102 nF GmbHG im außerstreitigen Verfahren zu verfolgen. Die Zurückweisung des Antrages auf Herausgabe von Abschriften aller in das Protokollbuch eingetragenen Beschlüsse sowie aller Rechnungsabschlüsse wegen Verlustes der formellen Antragslegitimation des Einschreiters erfolgte zu Unrecht. Das Gericht erster Instanz wird daher über die materiellen Anspruchsvoraussetzungen einschließlich der aufrechten Informationsbedürfnisse sowie der eingewendeten Unmöglichkeit der Leistung zu verhandeln und zu entscheiden haben.

Dazu war die Rechtssache unter Aufhebung der beiden vorinstanzlichen Entscheidungen an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.