OGH vom 26.06.2018, 2Ob20/18g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2017 verstorbenen ***** Dr. A***** D*****, über die außerordentlichen Revisionsrekurse 1. der erbantrittserklärten Erbin B***** D*****, vertreten durch LANKER OBERGANTSCHNIG Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt am Wörthersee, und 2. des erbl Sohnes Ing. M***** D*****, vertreten durch Dr. Georg Birkner, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 1 R 279/17z-52, womit infolge Rekurses der erbantrittserklärten Erbin der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 1 A 202/17w-23, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Der außerordentliche Revisionsrekurs des erbl Sohnes Ing. M***** D***** wird zurückgewiesen.
II. Der außerordentliche Revisionsrekurs der erbantrittserklärten Erbin B***** D***** wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Dem Sohn des Erblassers fehlt es an der Rechtsmittellegitimation:
1. In seiner Parteistellung als Noterbe ist er nach ständiger Rechtsprechung auf die Rechte nach den §§ 778 (= § 784 aF), 804 und 812 ABGB beschränkt (2 Ob 134/15t mwN; 2 Ob 183/15y; RIS-Justiz RS0006519, RS0012909).
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Rekursgericht den – schon vor Erbantritt wegen dringender Verwaltungs- und Vertretungshandlungen bestellten (vgl 2 Ob 153/11f; RIS-Justiz RS0007770) – Verlassenschaftskurator infolge der Erbantrittserklärung der Adoptivtochter von dieser Aufgabe enthoben und ihn mit eingeschränktem Wirkungskreis zum Kollisionskurator bestellt. Mit dieser Maßnahme wird in die genannten Rechte des Noterben nicht eingegriffen.
2. Es liegt auch kein Eingriff in die aus § 811 ABGB abgeleiteten Rechte eines (sonstigen) Gläubigers vor. Sein gegen die Verlassenschaft gerichteter Anspruch auf Herausgabe des Aktienpakets ist Gegenstand eines Zivilprozesses, in welchem nach der rechtskräftigen Enthebung des Verlassenschaftskurators die erbantrittserklärte Erbin aufgrund der ihr ex lege zustehenden Befugnisse nach § 810 Abs 1 ABGB die Verlassenschaft vertreten wird.
Dem Gläubiger und Prozessgegner der Verlassenschaft fehlt ein rechtlich geschütztes Interesse an der Frage, ob die Verlassenschaft durch die erbantrittserklärte Erbin gemäß § 810 ABGB oder weiterhin durch einen Verlassenschaftskurator vertreten wird (2 Ob 147/16f).
3. Durch die Bestellung eines Kollisionskurators mit dem Auftrag zur Sicherung des Aktienpakets zwecks Erfüllung des allfälligen Herausgabeanspruchs des Sohnes, die dieser schon in erster Instanz beantragte, ist der Sohn nicht beschwert.
4. Der Revisionsrekurs des Sohnes ist daher zurückzuweisen.
1. Die Beurteilung, ob genügend und welche Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators vorliegen, begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RIS-Justiz RS0127193).
2. Nach herrschender Rechtsprechung sind die §§ 271 f ABGB, auf die § 5 Abs 2 Z 1 lit a AußStrG verweist, auch analog auf Kollisionsfälle ohne Beteiligung eines Pflegebefohlenen anzuwenden (4 Ob 174/99p SZ 72/119; RISJustiz RS0049147; Hopf in KBB5 §§ 271–272 Rz 1; Mondel, Die Kuratoren im österreichischen Recht² [2013]). Es ist auch möglich, dass zwischen der Verlassenschaft (dem ruhenden Nachlass) und ihrem gesetzlichen Vertreter ein Interessenwiderstreit entsteht. Für die Bestellung eines Kollisionskurators bedarf es aber jedenfalls einer materiellen Kollision, nämlich einer konkreten Gefährdung der Interessen der Verlassenschaft.
3. Im vorliegenden Fall erhebt die gemäß § 810 Abs 1 ABGB vertretungsbefugte Adoptivtochter einerseits selbst Ansprüche auf das Aktienpaket, andererseits würde ihr (insoweit nach § 811 ABGB und als Ausfluss des rechtskräftigen Titels gegen die Verlassenschaft) die Sicherung des Aktienpakets zwecks Erfüllung des allfälligen Herausgabeanspruchs des Sohnes obliegen. Wäre die Verlassenschaft zur Herausgabe nicht in der Lage, könnte sie zum Schadenersatz an den Sohn verpflichtet sein.
4. Wenn das Rekursgericht unter diesen besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls die Voraussetzungen für die Bestellung eines Kollisionskurators mit dem oben (I.3) bereits umschriebenen Wirkungskreis als gegeben erachtete, liegt darin keine Verkennung der Rechtslage, die ein Einschreiten des Obersten Gerichtshofs erfordern würde.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00020.18G.0626.000 |
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