OGH vom 26.08.2004, 6Ob165/04i

OGH vom 26.08.2004, 6Ob165/04i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN ***** im Firmenbuch des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz eingetragenen D***** mit dem Sitz in Graz und der zu FN ***** im Firmenbuch des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz eingetragenen DI K***** mit dem Sitz in Graz, wegen Eintragung einer Verschmelzung und Löschung der übertragenden Gesellschaft im Firmenbuch, über den außerordentlichen Revisionsrekurs beider Gesellschaften, vertreten durch ihren Geschäftsführer DI Franz K*****, vertreten durch Lindner & Rock Rechtsanwälte OEG in Graz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 37/04z, 4 R 40/04s, womit die Beschlüsse des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz je vom , GZ Fr 12347/03i-6 und Fr 12390/03y-2, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die ständige Rechtsprechung verneint den abschließenden Charakter der §§ 226 ff AktG im Hinblick auf den Grundsatz der Kapitalerhaltung und leitet aus der ausdrücklichen Erwähnung des Verbots der Einlagenrückgewähr für den Fall der Verschmelzung von Schwesterngesellschaften (side stream merger) in § 224 Abs 2 Z 1 AktG ab, dass den § 52 AktG und § 82 GmbHG nicht derogiert wurde. Als weiteres Argument verweisen Rechtsprechung und Schrifttum auf den Umstand hin, dass §§ 226 ff AktG erst nach Rechtswirksamkeit der Verschmelzung eingreifen und das Gericht daher nicht von der vorherigen Prüfung der Zulässigkeit einer Verschmelzung nach den Kapitalerhaltungsgrundsätzen entbindet (6 Ob 4/99b = SZ 72/172; Szep in Jabornegg/Strasser AktG4 § 224 Rz 7 mwN; Koppensteiner, Verschmelzung und Vermögensbildung wbl 1999/333; zuletzt 6 Ob 70/03t).

Dass die Verschmelzung einer Konzerngesellschaft mit hohem Grundkapital als übertragende Gesellschaft in eine andere Konzerngesellschaft mit niedrigem Kapital mit einem kapitalsherabsetzenden Effekt verbunden ist und die Gefahr in sich birgt, dass Kapital ohne Wahrung des Gläubigerschutzes zur Ausschüttung an Anteilseigner der Gesellschaft gelangen kann, ist nicht zweifelhaft (Szep aaO Rz 6; Kalss, Verschmelzung Spaltung Umwandlung, § 224 Rz 6; Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, 255 ff; Koppensteiner aaO 335 FN 9; Koppensteiner GmbHG § 96 Rz 9). Auf die in der außerordentlichen Revision als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob bei einer derartigen Verschmelzung von Schwestergesellschaften mit unterschiedlich hohem Stammkapital zuvor eine ordentliche Kapitalherabsetzung vorgenommen werden müsse (die Entscheidung 6 Ob 70/03t hat diese Frage offen gelassen), kommt es auch im vorliegenden Fall nicht an, weil schon angesichts der erheblichen Überschuldung der aufnehmenden Gesellschaft die Gläubiger der übertragenden Gesellschaft jedenfalls gefährdet sind. Selbst wenn man der im Schrifttum vertretenen Auffassung folgte (Szep aaO Rz 13) wonach der kapitalherabsetzende Effekt einer Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft mit wesentlich geringerem Stammkapital für sich allein noch nicht die Unzulässigkeit der Verschmelzung bewirke, so bildet dieser unbestrittenermaßen eintretende kapitalherabsetzende Effekt der Verschmelzung jedenfalls ein Indiz für eine mögliche Gläubigerbenachteiligung. Es wäre dann (so Szep aaO Rz 13) im Einzelfall zu prüfen, ob die Gefahr der Benachteilung der Gläubiger tatsächlich auftritt, wobei es an den Einschreitern liegt, das Fehlen einer derartigen Gefahr zu bescheinigen.

Dass die Verschmelzung auf eine (auch) real überschuldete übernehmende Gesellschaft wegen Gefährdung der Interessen der Gläubiger der übertragenden Gesellschaft unzulässig und sittenwidrig wäre, ist auch im Schrifttum nicht zweifelhaft (Szep aaO Rz 9 und 10, Koppensteiner 339; Reich-Rohrwig, aaO 283). Die im vorliegenden Fall übernehmende Gesellschaft ist buchmäßig erheblich überschuldet, sodass - sollte auch eine reale Überschuldung zu Verkehrswerten bestehen - jedenfalls Gefahr für die Gläubiger der übertragenden Gesellschaft besteht. Angesichts der vorhandenen buchmäßigen Überschuldung müsste daher die aufnehmende Gesellschaft bescheinigen, dass sie nicht auch real überschuldet ist. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage, die im konkreten Einzelfall zu lösen ist; ihr kommt keine über den zu beurteilenden Fall hinausgehende Bedeutung zu.

Das Erstgericht hat den einschreitenden Gesellschaften auch aufgetragen entsprechende Bescheinigungsmittel für das Fehlen einer realen Überschuldung beizubringen. Die aufnehmende Gesellschaft hat sich auf stille Reserven (Verkehrswert von Liegenschaften) sowie auf eine "Rückstehungserklärung" ihres 90 %-Gesellschafters berufen. Diese "Rückstehungserklärung" des Mehrheitsgesellschafters im Bezug auf eine Forderung von 65.000 EUR lässt jedoch die Forderung gegen die aufnehmende Gesellschaft weiter aufrecht bestehen und sieht sogar eine Verzinsung der (gesamten) Gesellschafterforderung vor. Sie enthält in Wahrheit bloß eine Stundung. Sie kann das Aktivvermögen der Gesellschaft daher keinesfalls erhöhen und eine reale Überschuldung der Gesellschaft nicht beseitigen.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit den dargelegten Grundsätzen in Einklang. Die Frage, ob angesichts einer vorhandenen buchmäßigen Überschuldung auch eine reale Überschuldung zu Verkehrswerten besteht, richtet sich nach den konkreten Umständen des zu beurteilenden Falles, ihr kommt keine über diesen hinausgehende Bedeutung zu.