OGH vom 23.03.1995, 6Ob550/95

OGH vom 23.03.1995, 6Ob550/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein *****, vertreten durch Dr.Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Bank *****, vertreten durch Frieders Tassul & Co Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 64.291,85 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , AZ 1 R 213/94 (ON 9), womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom , GZ 13 C 3078/93-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Karin M***** verfügt über ein Konto bei der Beklagten. Auf das Vertragsverhältnis sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen in der Fassung vom , die Bedingungen für die Ausgabe und Verwendung der eurocheque-Karte als Scheckgarantiekarte in der Fassung 1991 und die Scheckbedingungen in der Fassung Jänner 1989 anzuwenden. Die Beklagte übergab der Kontoinhaberin eurocheque-Formulare und eine eurocheque-Karte. Am wurden der Kontoinhaberin aus einem versperrt abgestellten PKW 27 unausgefüllte Scheckformulare sowie die Scheckkarte gestohlen. Mehrere Schecks wurden mit gefälschten Unterschriften bei einer ausländischen Bank präsentiert und eingelöst. Die Beklagte nahm im Umfang der eingelösten Schecks Abbuchungen vom Konto der Kontoinhaberin vor.

Mit der Behauptung, die Forderung der Kontoinhaberin sei ihm abgetreten worden, begehrt der Kläger die Bezahlung der abgebuchten Beträge von zusammen S 64.291,85 sA. Die Schecks hätten wegen rechtzeitiger Diebstahlsmeldung und wegen Erkennbarkeit des Abweichens der Unterschriften auf der Vorderseite der Schecks mit der Unterschrift der Kontoinhaberin laut Unterschriftenprobenzeichnung nicht eingelöst werden dürfen. Die beklagte Bank hätte die Honorierung der Schecks gegenüber der ausländischen Bank verweigern müssen. Auf dem Konto hätten keine Abbuchungen vorgenommen werden dürfen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Kontoinhaberin habe gegen vertragliche Obliegenheiten verstoßen. Die Schecks und die Scheckkarte hätten nicht gemeinsam verwahrt und in einem PKW zurückgelassen werden dürfen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Ein nicht vom Aussteller herrührender, mit gefälschter Unterschrift versehener Scheck begründe weder eine Scheckverbindlichkeit noch eine gültige Zahlungsanweisung. Die Gefahr der Einlösung des gefälschten Schecks trage der Bezogene. Honoriere eine Bank gefälschte Schecks, so trete der Schaden bei der Bank und nicht beim Kunden ein, auch wenn die Bank in der Folge Beträge vom Konto des Kunden abbuche. Dies führe noch nicht zu einer Schadensverlagerung. Der Kläger begehre nicht Giralgeld in Form einer Gutbuchung, sondern "Geld im eigentlichen Sinn". Das Konto bestehe noch immer, weshalb die Kontoinhaberin keinen Anspruch auf Zahlung eines Restsaldos nach aufgelöster Kontoverbindung habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht statt. Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes. Der Kontoinhaberin stehe nur ein Anspruch auf richtige Kontoführung, also auf "Wiedergutbringung" der abgebuchten Beträge, nicht aber eine Barauszahlung zu. Beim Tagessaldo handle es sich nur um einen buchtechnischen Postensaldo mit bloß deklaratorischer Wirkung. Aus dem Abbuchungsvorgang entstehe keine Verbindlichkeit des Kontoinhabers. Die auf Schadenersatzrecht gestützte Klage sei unschlüssig. Bei aufrechter Kontoverbindung bestehe kein Barauszahlungsanspruch des Bankkunden in Höhe einer von der Bank zu Unrecht durchgeführten Kontobelastung.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, daß dem Rechtsverhältnis der Kontoinhaberin mit der Beklagten ein Kontokorrentvertrag mit einem Girokonto zugrundeliege. Dies erweist sich einerseits mangels gegenteiliger Parteienbehauptungen und andererseits deshalb als zutreffend, weil ein Kontokorrentvertrag mit einer Bank nach den üblicherweise vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen (Beilage 1) ohne Existenz eines Girokontos gar nicht bestehen kann (RdW 1987, 194). Die Eröffnung eines Girokontos ergibt sich schließlich schon aus dem unstrittigen Abschluß eines Scheckvertrages und aus der Zurverfügungstellung von Schecks, was nur sinnvoll sein kann, wenn ein Girokonto mit der Möglichkeit von Eingängen, also eines Girokontoguthabens, existiert.

Die Bank trifft bei der Einlösung eines Schecks eine Prüfungspflicht über die Echtheit des Schecks. Sie hat eine Unterschriftsprüfung vorzunehmen und wird bei schuldhafter Verletzung der Prüfungspflicht schadenersatzpflichtig. Bei gefälschten Schecks liegt keine wirksame Zahlungsanweisung des Kontoinhabers durch Scheckausschreibung vor (RdW 1990, 441). Die Unschlüssigkeit der Klage haben die Vorinstanzen damit begründet, daß der Kontoinhaber gegen eine nach Einlösung eines gefälschten Schecks und der daraufhin vorgenommenen Belastung des Kontos im Wege der Abbuchung der Kontoinhaber nur einen Anspruch auf eine Gutschrift habe, nicht aber einen Barauszahlungsanspruch. Letzteren hat der Oberste Gerichtshof zwar in mehreren Entscheidungen im Ergebnis bejaht und Schadenersatz in (Bar-)Geld zugesprochen, ohne dies aber näher zu begründen (zuletzt 3 Ob 544/94). Da somit zur hier entscheidungswesentlichen Rechtsfrage eine begründete oberstgerichtliche Judikatur nicht vorliegt und eine über den Anlaßfall hinausreichende erhebliche Bedeutung des Rechtsproblems bejaht werden kann, ist die Revision zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Bei der Einlösung von gefälschten Schecks durch die Bank vertrat die ältere Judikatur des Obersten Gerichtshofes in Strafsachen noch die Auffassung, daß der Schaden im Eigentum der Bank eingetreten sei, weil die Zahlung zwar aus dem Guthaben des Kontoinhabers erfolgt sei, gleichwohl aber nicht aus dessen Vermögen, weil der betreffende Betrag im Rahmen eines depositum irregulare (§ 959 ABGB) in das Eigentum der Bank übergegangen sei (JBl 1980, 666). Von dieser Ansicht ist der Oberste Gerichtshof aber schon mit der Entscheidung 13 Os 11/81 (JBl 1981, 551) abgerückt. Bei einer im Strafrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise treffe der Verlust der Vermögenssubstanz regelmäßig den Kontoinhaber, selbst wenn es ihm gelinge, in der Folge den Schaden auf das Kreditinstitut durch Geltendmachung einer Verschuldenshaftung überzuwälzen. Diese Ansicht wurde in der Folge mit der Begründung beibehalten, daß sich die Bank für die ihr betrügerisch herausgelockten Zahlungen regelmäßig uno actu durch entsprechende Abbuchungen vom Konto schadlos halte. Es sei ohne Belang, daß der Abbuchungsvorgang als solcher für sich allein zivilrechtlich noch keine Verbindlichkeit des Kontoinhabers begründe. Nicht darin bestehe die hier maßgebende ökonomisch wirksame Verringerung von dessen effektiv vorhandenem wirtschaftlichen Vermögen, daß seine Dispositionsmöglichkeit über das ihm zur Verfügung gestellte Giralgeld durch Unstimmigkeiten über eine Abbuchung, gegen die er reklamiert, eingeschränkt wäre und diese Einschränkung rechtlich bereits als eine Vergrößerung seiner Verbindlichkeiten anzusehen sei, sondern vielmehr in jener wirtschaftlich effizienten Ausschaltung seiner Verfügungsmacht über das betreffende Buchgeld, die schon durch die Abbuchung seitens der Bank und ganz unabhängig davon eintrete, ob er dagegen reklamiere oder nicht (JBl 1987, 667). Im anhängigen Rechtsstreit ist allerdings nicht eine Schädigung des Kontoinhabers durch den Scheckfälscher, sondern eine Schädigung des Bankkunden durch die Bank zu beurteilen.

Der Kläger hat seinen (zedierten) Anspruch erkennbar nur auf Schadenersatzrecht gestützt. Nach § 1323 ABGB gilt primär das Prinzip der Zurückversetzung in den vorigen Stand. Der Schädiger hat im Wege der Naturalrestitution den Geschädigten real so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde (Koziol-Welser I9 452; JBl 1990, 653).

Die Vorinstanzen und die Beklagte stehen auf dem Standpunkt, daß beim Bankkontokorrent der nach Abbuchung mitgeteilte Tagessaldo nur ein buchtechnisches Informationsmittel darstelle, im Abbuchungsvorgang also nur ein Realakt mit bloß deklaratorischer Wirkung zu erblicken sei. Es trifft zu, daß der Tagessaldo (Bankauszug, Tagesauszug) beim Bankkontokorrent nur ein buchtechnischer Postensaldo und keine Verrechnung mit Tilgungswirkung im Sinne der periodischen Verrechnung eines Kontokorrents nach § 355 HGB darstellt (Avancini in Avancini-Iro-Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I Rz 5/5), der Kunde hat aber wegen der Verpflichtung der Bank zu einer richtigen Kontoführung ein Recht darauf, daß der Tagesauszug den Kontostand richtig wiedergibt (Avancini aaO Rz 5/50). Die Richtigstellung des Kontos im Wege der Gutschrift versetzt den Kunden wieder in die Lage, über sein Guthaben (Buchgeld) frei zu disponieren. Damit wird der vor der schädigenden Abbuchung bestandene Zustand im Wege der Naturalrestitution vollständig wiederhergestellt.

Bei vergleichbarer Rechtslage war es auch in Deutschland ständige Rechtsprechung, daß dem Kontoinhaber ein auf Geldzahlung gerichteter Schadenersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung des Bankvertrages, wenn die Bank unberechtigterweise eine Belastungsbuchung vornimmt, zusteht (BGHZ 1991, 229; WM 1986, 123 uva). Eine Lehrmeinung ist allerdings ebenfalls der hier von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung, daß durch die unrichtige Buchung kein Vermögensschaden entstehe, weil die Abbuchung das Guthaben nicht wirksam mindere und nur den Kontostand falsch bezeichne (Joost in ZHR (1989) 153, 237 ff insbesondere 241). Mit dem Schadenersatzanspruch auf Naturalrestitution lasse sich zwar die Rückgängigmachung der falschen Buchung, nicht aber der Geldzahlungsanspruch begründen (Joost aaO 242). Auch der Bundesgerichtshof hat in einer - soweit überblickbar vereinzelt gebliebenen - Entscheidung in einem gleichgelagerten Fall einer unwirksamen Scheckeinlösung (nach Schecksperre) die Auffassung vertreten, daß die Bank nur zur Stornierung der Belastungsbuchung durch Gutschrift des belasteten Betrages mit gleicher Wertstellung verpflichtet sei. Bei fortbestehendem Giro- und Kontokorrentverhältnis bestehe kein Anspruch auf Auszahlung des Scheckbetrages, sondern nur der dem Kontokorrentverhältnis entsprechende Anspruch auf Gutschrift. Ein Schadenersatzanspruch könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn der Scheckaussteller durch die unberechtigte Kontobelastung einen weitergehenden Schaden geltend machen könnte (WM 1988, 1325). Dieser Ansicht ist auch für den österreichischen Rechtsbereich zu folgen.

Einen über die unrichtige Kontoführung hinausgehenden Schaden hat der Kläger nicht geltend gemacht. Wegen des geltenden Vorranges der Wiederherstellung in den vorigen Stand zur Beseitigung aller positiven Schäden (Reischauer in Rummel ABGB I2 Rz 1 zu § 1323; EvBl 1989/103) kann er gestützt auf Schadenersatzrecht nur die Stornierung der Belastungsbuchung fordern.

Der Fall wäre allenfalls anders zu beurteilen, wenn der Kläger sich auf den Barauszahlungsanspruch aufgrund des Girovertrages des Kontoinhabers, also auf einen vertraglichen Erfüllungsanspruch berufen und beispielsweise einen Sachverhalt behauptet hätte, daß durch die unberechtigte Abbuchung ein Kontostand ohne jedes Guthaben (allenfalls ein Minusstand) entstanden sei und daß die Bank die verlangte Barauszahlung des Kontoinhabers verweigert hätte.

Das Girogeschäft ist die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs in laufender Rechnung, also kontokorrentmäßig. Der Girovertrag und der Kontoeröffnungsvertrag werden in der Regel gemeinsam abgeschlossen. Das Girogeschäft erfaßt neben dem charakteristischen Bereich des bargeldlosen Verkehrs auch die baren Aus- und Einzahlungen. Der Girokontoinhaber kann bei Bestehen eines Guthabens jederzeit eine Barauszahlung bis zur Höhe des Tagessaldos verlangen (Avancini aaO Rz 5/25). Mit der Gutschrift gibt die Bank ein abstraktes Schuldversprechen. Der Kunde kann Auszahlung oder aber Überweisung von Geldern in der Höhe des Guthabens verlangen (Joachim Peckert, Das Girokonto und der Kontokorrentvertrag 83 und die dort zitierte, zur Rechtslage in Deutschland ergangene deutsche Judikatur und Lehre). Der jederzeitige Auszahlungsanspruch eines Girokontoinhabers ist zweifelsfrei und unstrittig. Er hängt auch keineswegs von der Feststellung und Anerkennung des Saldos im Wege der periodischen Verrechnung beim Kontokorrent (§ 355 HGB) ab. Der Auszahlungsanspruch gehört zu den kontokorrententbundenen im Kontoauszug verbuchten Buchgeldforderungen, im Gegensatz zu den kontokorrentgebundenen Zinsen, Kreditprovisionen, Kontoführungsgebühren und ähnlichen Auslagen (Peckert aaO 83 ff und die dort zitierte Judikatur des BGH). Da der Kläger aber seinen Anspruch nicht auf den Barauszahlungsanspruch des Kontoinhabers und ein entgegen der Kontoführung nach der materiellen Rechtslage bestehendes Guthaben stützte, haben die Vorinstanzen zutreffend den allein geltend gemachten Schadenersatzanspruch auf Ausgleich durch Barzahlung verneint und die Klage abgewiesen.

Der Revision des Klägers war nicht stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.