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OGH vom 16.10.2007, 5Ob215/07i

OGH vom 16.10.2007, 5Ob215/07i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Elfriede G*****, geboren am , ***** vertreten durch Dr. Anton Cuber, Rechtsanwalt in Graz, wegen Eintragungen in der EZ 1423 Grundbuch *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , AZ 4 R 73/07w, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost vom , TZ 28541/06, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden wie folgt abgeändert:

„Aufgrund der rechtskräftigen Einantwortungsurkunde GZ 17 A 206/03s-41 des Bezirksgerichts Graz, des notariell beglaubigten Schenkungsvertrags vom , der Heiratsurkunde Nr 1084/1978 des Standesamts Graz, der Geburtsurkunde der Antragstellerin sowie der Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamts Graz-Umgebung StNr 654/2009 und 654/2017 werden in der EZ 1423 KG ***** nachstehende Eintragungen bewilligt:

1. Die Einverleibung des Eigentumsrechts für Elfriede G*****, und

2. zugunsten Elfriede S*****

a) das Wohnungsrecht gemäß Punkt 7 des Schenkungsvertrags vom ,

b) das Belastungs- und Veräußerungsverbot.

Hievon werden verständigt:

1. Dr. Anton Cuber, Rechtsanwalt Glacisstraße 53, 8010 Graz,

2. Elfriede S*****

3. Elfriede G*****

4. Bezirksgericht Graz-Ost zu 17 A 206/03s,

5. Magistrat Graz, Stadt-Vermessungsamt,

6. Finanzamt Graz-Umgebung."

Text

Begründung:

Die Liegenschaft EZ 1423 KG *****steht bücherlich im Miteigentum des Hubert S*****, geboren am , und der Elfriede S*****, geboren am .

Der Hälfteeigentümer Hubert S***** verstarb am . Im Verlassenschaftsverfahren 17 A 206/03s des Bezirksgerichtes Graz wurde Elfriede S*****, geboren am , aus dem Rechtsgrund des schriftlichen Testaments der Nachlass zur Gänze eingeantwortet. Die Einantwortung ist in Rechtskraft erwachsen.

Der Einantwortungsurkunde ist folgende Verbücherungsklausel angefügt:

„Nach dem Ergebnis des Verlassenschaftsverfahrens wird im Grundbuch des Bezirksgerichtes Graz nachfolgende Eintragung vorzunehmen sein:

In EZ 1423 KG ***** beim Hälfteanteil des Hubert S*****, geboren , BLNr 1

a) die Einverleibung des Eigentumsrechts für Elfriede S*****

b) die Einverleibung des Pfandrechts für die Pflichtteilsforderungen der erblasserischen Kinder Elfriede G*****, und Klaus S*****, im Betrag von je EUR 12.500 samt 4 % Zinsen und 4 % Verzugszinsen und eine Nebengebührenkaution im Höchstbetrag von EUR 1.500."

Das Verlassenschaftsverfahren war vor dem eingeleitet worden.

Mit Schenkungsvertrag vom schenkte Elfriede S*****, geboren am , als Geschenkgeberin ihrer Tochter Elfriede G*****, geboren am , als Geschenknehmerin ihren Hälfteanteil sowie den von ihr im Erbweg erworbenen Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 1423 KG *****.

Als Gegenleistung räumte die Geschenknehmerin der Geschenkgeberin das unentgeltliche Wohnungsgebrauchsrecht am gesamten Objekt N*****, verbunden mit dem freien Umgang auf der gesamten Liegenschaft sowie ein Belastungs- und Veräußerungsverbot an der Liegenschaft ein (Punkt 7). Die Geschenkgeberin nahm diese Rechte an.

Beide Vertragsparteien erteilten die entsprechenden Einverleibungsbewilligungen.

Die Geschenknehmerin ist die Tochter der Geschenkgeberin.

Der grundbücherlichen Durchführung sowohl des Erwerbs von Todes wegen durch Elfriede S***** als auch dem Erwerb der Antragstellerin durch Schenkung stehen gemäß § 160 Abs 1 BAO keine Bedenken entgegen.

Ein Herr Karl K*****, geboren am , gab am folgende „Verzichtserklärung" ab, die notariell beglaubigt dem Grundbuchsantrag beigelegt wurde:

„Aufgrund der Einantwortungsurkunde vom , 17 A 206/03s ist in EZ 1423 Grundbuch ***** die Einverleibung des Pfandrechts für die Pflichtteilsforderungen der erblasserischen Kinder Elfriede G*****, geboren , und Klaus S*****, geboren , im Betrag von je EUR 12.500 samt 4 % Zinsen und 4 % Verzugszinsen und einer Nebengebührenkaution im Höchstbetrag von EUR 1.500 einzuverleiben.

Klaus S*****, geboren , vertreten durch den Widerstreitsachwalter Karl K*****, geboren , F***** erteilt [erklärt] hiemit zufolge gänzlicher Bezahlung seiner Pflichtteilsforderung auf eine Einverleibung des Pfandrechtes für die Pflichtteilsforderung im Betrag von EUR 12.500 samt 4 % Zinsen und 4 % Verzugszinsen und einer Nebengebührenkaution im Höchstbetrag von EUR 1.500 zu verzichten."

Mit dem verfahrenseinleitenden Grundbuchsantrag begehrte die Antragstellerin, ihr Alleineigentumsrecht an der bezeichneten Liegenschaft aufgrund der rechtskräftigen Einantwortung der Elfriede S***** sowie der Schenkung von Elfriede S***** an sie und dazu noch die unter Punkt 7 für die Geschenkgeberin vereinbarten Gegenleistungen, nämlich das Wohnungsgebrauchsrecht und das Belastungs- und Veräußerungsverbot einzuverleiben.

Das Erstgericht wies das Begehren gemäß § 94 Abs 1 Z 2 GBG ab, weil die Verzichtserklärung vom keine pflegschaftsbehördliche Genehmigung aufweise.

Einem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Dies im Wesentlichen mit folgender rechtlicher Begründung:

Es sei zwar zutreffend, dass gemäß § 154 Abs 3 iVm § 282 ABGB (noch in der Fassung vor dem SachwalterrechtsänderungsG 2006, BGBl I/92) nur jene Vermögensangelegenheiten der Zustimmung des Sachwalters und der Genehmigung des Pflegschaftsgerichts bedürften, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehörten. Auch sei richtig, dass um die Einverleibung des Pfandrechts gar nicht angesucht worden sei.

Allerdings ergebe sich aus § 162 AußStrG aF, der zufolge der Übergangsbestimmung des § 205 AußStrG BGBl I 2003, 111 noch anzuwenden sei, eine Verpflichtung des Gerichtes, für die Rechte eines pflegebefohlenen Pflichtteilsberechtigten zu sorgen und den Pflichtteil sicherzustellen. Dies als Nachwirkung und Folge der Verpflichtung, vom Erben einen Pflichtteilsausweis zu verlangen. Im vorliegenden Fall gehe es nicht um den Verzicht auf ein Recht, sondern darum, dass im Grundbuchs- als reinem Urkundenverfahren die entsprechende Urkunde in grundbuchsfähiger Form vorliegen müsse. Die Behauptung, dass die Pflichtteilsforderung inzwischen beglichen worden sei, sei nicht zu prüfen. Nur mit einer Bestätigung des Pflegschaftsgerichtes könne nachgewiesen werden, dass der Sachwalter zur Unterfertigung einer solchen Urkunde und zum Einschreiten befugt sei.

Wegen der Generalklausel des § 21 ABGB und der sie konkretisierenden Bestimmung des § 162 AußStrG aF könne die Frage der Einverleibung des Eigentumsrechts von der Frage der Sicherstellung der Ansprüche des pflegebefohlenen Pflichtteilsberechtigten nicht getrennt werden.

Deshalb kam nach Ansicht des Rekursgerichtes eine Bewilligung des Eintragungsbegehrens, das nur auf Einverleibung des Eigentumsrechts der Rechtsnachfolgerin der Erbin gerichtet war, nicht in Betracht.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, welche Voraussetzungen bei einer Sprungeintragung nach § 23 GBG zu erfüllen seien, wenn die vorgelegte Einantwortungsurkunde ein für einen pflegebefohlenen Pflichtteilsberechtigten einzuverleibendes Pfandrecht enthalte.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und auch berechtigt.

Zufolge § 23 GBG ist, wenn ein zu einer Verlassenschaft gehöriges unbewegliches Gut oder bücherliches Recht veräußert wird, dem Erwerber die Eintragung seines Rechtes unmittelbar nach dem Erblasser zu bewilligen. Ist die Einantwortung bereits rechtskräftig erfolgt, ersetzt diesfalls die Einantwortungsurkunde die sonst erforderliche abhandlungsbehördliche Genehmigung.

Im Geltungsbereich des § 29 LiegTeilG ( nach neuer Rechtslage aufgehoben ) wurde seit der höchstgerichtlichen Entscheidung 2 Ob 382/26 = GH 1930, 152 in Lehre und zweitinstanzlicher Rechtsprechung übereinstimmend die Frage der Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichtes oder des Grundbuchsgerichtes für Einverleibungen nach § 23 GBG unter Berufung auf Bartsch, Grundbuchsrecht 27 f und 39 dahin gelöst, dass das Grundbuchsgericht für solche Einverleibungen zuständig sei (vgl auch LGZ Wien NZ 1950, 153; LGZ Wien NZ 1951, 57).

Dem Verlassenschaftsgericht legte in der hier noch anzuwendenden Bestimmung des § 162 AußStrG aF das Gesetz in Konkretisierung der Bestimmung des § 21 ABGB eine besondere Fürsorgeverpflichtung hinsichtlich der Rechte minderjähriger oder pflegebefohlener Noterben auf. Bestand nämlich ein Zweifel, ob ein minderjähriger oder pflegebefohlener Noterbe in dem Pflichtteil verletzt sei, so musste von Amts wegen „auf eine nach den Bestimmungen der §§ 783 bis 789 ABGB eingerichtete Pflichtteilsausweisung gedrungen" werden. Während der eigenberechtigte Noterbe von vornherein auf die Pflichtteilsklage verwiesen war (5 Ob 512/59 = EvBl 1960/64), schützte § 162 AußStrG a.F. den minderjährigen oder pflegebefohlenen Noterben (6 Ob 521/88 = NRsp 1988/160; 5 Ob 29/93 = SZ 66/39). Vor der Entscheidung über die Höhe des Pflichtteils und dessen Berichtigung oder Sicherstellung für den schutzbedürftigen Noterben durfte dem Erben nicht eingeantwortet werden. In Befolgung dieser Vorschrift hatte der Abhandlungsrichter die Sicherstellung des Pflichtteils vorzunehmen (8 Ob 75/66; 8 Ob 22/68 = SZ 41/13; 4 Ob 589/87 = NZ 1988, 198; SZ 66/39; Kralik in Ehrenzweig Erbrecht³ 316; Welser in Rummel³ Rz 17 zu § 817 ABGB mwN).

Mit Rechtskraft der Einantwortung ist allerdings der Rechtsfürsorgeauftrag an das Verlassenschaftsgericht beendet (SZ 66/39; Welser aaO Rz 19 zu § 817 ABGB).

Die vom Rekursgericht vertretene Ansicht, aus der Verbücherungsklausel der als Grundlage für das Einverleibungsgesuch vorgelegten Einantwortungsurkunde ergebe sich ein spezifischer Rechtsfürsorgeauftrag auch für das Grundbuchgericht, ist abzulehnen.

Bei der in einer Einantwortungsurkunde enthaltenen sog. Verbücherungsklausel handelt es sich nämlich um eine in der den Inhalt der Einantwortungsurkunde regelnden Bestimmung des § 174 AußStrG aF gar nicht vorgeschriebene, bloße Ankündigung dessen, was nach Eintritt der Rechtskraft der Einantwortungsurkunde und nach Vorliegen der Unbedenklichkeitsbescheinigung im Grundbuch zu veranlassen sein wird (vgl 2 Ob 611/89 = EvBl 1990/117; 6 Ob 55/98a = JBl 1999, 124; RIS-Justiz RS0044159; RS0008848). Ihr kommt für grundbuchsrechtliche Verfügungen keine konstitutive Bedeutung zu (6 Ob 55/98a mwN).

Der Erbe bedarf infolge der Durchbrechung des Eintragungsprinzips zum Eigentumserwerb nicht der Eintragung ins Grundbuch; dieser kommt nach Rechtskraft der Einantwortung nur berichtigende Funktion zu. Der Pflichtteilsberechtigte hingegen ist unter keinen Umständen Erbe, ihm steht nur ein Forderungsrecht gegen den Erben zu. Die Sicherung seiner Ansprüche ist, wie schon ausgeführt, vor Einantwortung dem Verlassenschaftsgericht überbunden. § 174 AußStrG aF stellte sicher, dass eine Einantwortung nur dann zu erfolgen hatte, wenn der Erbe die Erfüllung aller ihm obliegenden Verbindlichkeiten nachgewiesen hatte. Nach Rechtskraft der Einantwortung sind alle diesbezüglichen Fragen im Rechtsweg zu klären (1 Ob 623/93 = EvBl 1994/155; 5 Ob 127/94 = NZ 1996, 207).

Ob der rechtliche Charakter einer Verbücherungsklausel, wie oben dargestellt wurde, die Einverleibung des Eigentumsrechts des Erben bzw seines Rechtsnachfolgers dann hindern könnte, wenn darin eine Grundlage für die nur gleichzeitige Eintragung der gegenseitigen Rechte im Sinn des § 97 GBG geschaffen wäre (vgl Bubak „Die Einantwortungsurkunde und ihre grundbücherlichen Verfügungen" NZ 1964, 3), kann, weil im vorliegenden Fall aus dem Wortlaut der Verbücherungsklausel eine solche Bedingung ohnedies nicht zu entnehmen ist, dahingestellt bleiben.

Der Antragstellerin steht aufgrund der von ihr vorgelegten Urkunden das uneingeschränkte Recht zu, die Bewilligung der Einverleibung ihres Eigentumsrechts zu erwirken. Der Inhalt ihres Begehrens ist durch die beigebrachten Urkunden begründet im Sinn des § 94 Abs 1 Z 3 GBG.

Es bedurfte daher keiner Auseinandersetzung mit der Frage, welchen Voraussetzungen ein rechtswirksamer Verzicht des gesetzlichen Vertreters des pflegebefohlenen Noterben auf die bücherliche Sicherstellung von dessen Ansprüchen genügen müsste und wie eine mittlerweile erfolgte Begleichung der Ansprüche des Noterben dem Grundbuchsgericht nachzuweisen wäre.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin war daher berechtigt.