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OGH vom 27.09.1988, 4Ob572/88

OGH vom 27.09.1988, 4Ob572/88

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinz L***, Baumeister, Spillern, Am Neubau 63, vertreten durch Dr. Werner Schwind, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Richard F***, Angestellter, Leopoldsdorf, Hennersdorferstraße 28, vertreten durch Dr. Manfred Hintersteininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 312.500,-- sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 11 R 275/87-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 29 Cg 229/85-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.766,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 978,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist der Geschäftsführer der H*** L*** Gesellschaft mbH, einer Baugesellschaft. Der im Jahr 1948 geborene Beklagte betreibt das "T***-C***-F***" (in der Folge "TCF" genannt). Er lernte den im Jahre 1929 geborenen Ing. Gottfried S*** zu einem Zeitpunkt kennen, als der Beklagte noch unselbständig war und sich mit dem Gedanken trug, sich selbständig zu machen. Damals war Ing. S*** Vorstandsdirektor der "Wienerberger" und als solcher eine "mächtige Persönlichkeit". Mit Gesellschaftsvertrag vom trat Ing. S*** mit Wirkung vom formell als stiller Gesellschafter in das TCF ein. Der Beklagte sah sich als wirtschaftlich von Ing. S*** abhängig. Ing. S*** war derjenige, der die wirtschaftlichen Angelegenheiten erledigte und "das Sagen" hatte; der Beklagte kümmerte sich (lediglich) um die manuellen Tätigkeiten (Plätze, Trainerstunden etc.).

Zwecks Ausbaues des TCF standen große Bauarbeiten heran. Ing. S*** suchte einen entgegenkommenden Baumeister, da wenig Geld vorhanden war; seine Wahl fiel auf den ihm beruflich bekannten Kläger. Die Beteiligten machten keinen Unterschied zwischen dem Kläger persönlich und der H*** L*** Gesellschaft mbH. Ing. S*** erteilte dem Kläger den Auftrag zur Durchführung der Bauarbeiten, die im Februar 1975 begannen.

Nach Abschluß der ersten Bauphase legte die H*** L*** Gesellschaft mbH eine Schlußrechnung gemäß Kostenvoranschlag; darüber hinaus stellte der Kläger die Entgelte für jene Leistungen zusammen, die er über die förmliche Abrechnung hinaus zu erhalten habe. Diese Forderung wurde mit Ing. S*** abgestimmt, von diesem anerkannt und darüber der Schuldschein vom ausgestellt. Gegen diesen Schuldschein wurde kein Geld zugezählt; er bezieht sich vielmehr auf die genannte offene Forderung des Klägers.

Der Schuldschein hatte folgenden Wortlaut:

"S***

Wir bestätigen hiermit, daß wir Herrn Heinz L***, 2104 Spillern,

Am Neubau 63, S 305.000,-- (dreihundertfünftausend) zu gleichen Teilen schulden.

Die offene Summe werden wir bei Vorlage dieses Schuldscheines bezahlen."

Damals war daran gedacht, die im Schuldschein genannte Summe binnen ein bis zwei Jahren abzuzahlen.

Der Schuldschein wurde von Ing. S*** dem Beklagten, der damals keine Kenntnis von dem Kostenvoranschlag und der Schlußrechnung (der H*** L*** Gesellschaft mbH) hatte, zur Unterfertigung vorgelegt. Allerdings war dem Beklagten (offensichtlich gemeint: vor Beginn der Bauarbeiten) von Ing. S*** ein Betrag genannt worden, der ihm nicht unangemessen vorkam. Da dem Beklagten die Sache unbedenklich erschien und er der wirtschaftlichen Erfahrung Ing. S*** vertraute, der den Schuldschein bereits unterfertigt hatte und von dem er wußte, daß er die Abrechnungen mit dem Kläger abgestimmt hatte, akzeptierte er das und unterfertigte gleichfalls. Nachdem der Kläger den von Ing. S*** und vom Beklagten unterfertigten Schuldschein erhalten hatte, vernichtete er die ihm zugrunde liegenden Unterlagen.

In der Folge kam es zu einer zweiten Bauphase beim TCF; auch hier erledigte Ing. S*** die wirtschaftlichen Angelegenheiten, erteilte die Aufträge und informierte den Beklagten über den Kostenumfang, was dieser zur Kenntnis nahm. Nach Abschluß der Arbeiten sprach der Kläger wiederum Kosten neben Kostenvoranschlag und Schlußrechnung(en) (der H*** L*** Gesellschaft mbH) an; die Forderung wurde wiederum mit Ing. S*** abgestimmt, von diesem anerkannt und hierüber ein zweiter Schuldschein vom mit demselben Wortlaut wie der erste Schuldschein, nur über den Betrag von S 320.000,--, ausgestellt. Wie im ersten Fall unterfertigten den Schuldschein Ing. S*** und der Beklagte, der mit dem Kläger keine Gespräche über die Kosten und dergleichen geführt hatte. Der Kläger, der damals schon gerne Geld aus dem ersten Schuldschein gesehen hätte, wurde von Ing. S*** vertröstet. Nach Erhalt des zweiten Schuldscheins vernichtete er auch § 1376 ABGB gesehen, wenngleich im dortigen Fall die Vertragspartner darüber hinaus auch noch die alte Vereinbarung ausdrücklich aufgehoben und für null und nichtig erklärt hätten.

Das Erstgericht habe auch zutreffend erkannt, daß die Ansprüche des Klägers - unabhängig davon, ob die dreijährige oder die dreißigjährige Verjährungsfrist zur Anwendung komme - noch keinesfalls verjährt seien. Die Verjährung könne erst mit dem Eintritt der Fälligkeit eines Anspruches beginnen; hier hätten aber die Parteien die Fälligkeit nach dem Inhalt der Schuldscheine ausdrücklich auf den Zeitpunkt ihrer Präsentation festgelegt. Letztere sei erst im Februar 1985 erfolgt. Der Umstand, daß der Kläger den Beklagten bereits früher mündlich auf Zahlung gedrängt habe, bedeute demnach keine rechtswirksame Fälligstellung. Für die vom Beklagten behauptete Arglist des Klägers böten die Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte. Eine Prüfung der den Schuldscheinen zugrunde liegenden Baumeisterleistungen des Klägers in bezug auf deren Umfang und Preisangemessenheit erübrige sich schon deshalb, weil diese Forderungen durch die Novation auf einen neuen Rechtsgrund gestellt worden seien; eine Prüfung der ursprünglichen Leistungen sei daher ausgeschlossen. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger stellt den Antrag, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelausführungen des Beklagten lassen sich dahin zusammenfassen, daß in der Ausstellung der Schuldscheine mangels eines auf Änderung des Entstehungsgrundes der Ansprüche gerichteten Parteiwillens und mangels Änderung des Hauptgegenstandes keine Novation, sondern eine bloße Schuldänderung liege. Eine solche verändere aber den Rechtscharakter von Forderungen auf Grund erbrachter Leistungen ebensowenig wie ein darin allenfalls zu erblickendes Anerkenntnis dieser Forderungen. Es sei daher unverändert die von Anfang an dreijährige Verjährungsfrist auf die Forderung des Klägers anzuwenden. Der Formulierung der Schuldscheine könne nicht entnommen werden, daß die Fälligkeit der Forderungen jeweils mit der Vorlage der Schuldscheine verknüpft werden sollte; danach müßte vielmehr auch eine mündliche Fälligstellung möglich sein, weil in einem solchen Fall die Vorlage der Schuldscheine gleichermaßen jederzeit möglich und bei Zahlung auch erforderlich gewesen wäre. Schließlich sei die Sache wegen der vom Beklagten eingewendeten listigen Irreführung noch nicht spruchreif, weil danach auch hätte geprüft werden müssen, ob der Kläger die seinen Forderungen entsprechenden Bauleistungen ihm gegenüber überhaupt erbracht habe.

Diese Ausführungen erweisen sich aus nachstehenden Gründen als nicht stichhältig:

Schuldscheine sind - sofern sie nicht in der Form eines Wertpapiers ausgestellt werden - nur Beweisurkunden (Stanzl in Klang2 IV/1, 764); sie haben daher im allgemeinen nur deklarative Bedeutung, weil ihnen bloße "Vorstellungsmitteilungen" (Wissenserklärungen) zugrunde liegen (Koziol-Welser8 I 262). Das schließt aber nicht aus, daß im Einzelfall mit dem Schuldschein der Aussteller auch eine ihn bindende rechtsgeschäftliche Willenserklärung abgeben kann. Entgegen der Meinung des Klägers ist die Ausstellung eines Schuldscheins keineswegs auf die Dokumentation einer Darlehensschuld beschränkt (Stanzl aaO), auch wenn seine Form in der letzten Bestimmung (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, weil die Frage, ob in der Klage auf Zahlung des Werklohns immer ein Erfüllungsverlangen des Masseverwalters im Sinne des § 1 und § 17 LiegTeilG) könne nach dem Gesetz

ein Eigentumserwerb auch durch die tatsächliche Errichtung der Straßen- oder Wegeanlage erfolgen und auf dieser Grundlage die Verbücherung des Eigentumsrechtes nach den §§ 15 ff LiegTeilG erfolgen (SZ 49/152). Bei geringfügigen Besitzänderungen, die bereits in der Wirklichkeit vollzogen seien und auch schon im Grundkataster durchgeführt worden seien, solle die Grundbuchsordnung rasch und billig ohne Rücksicht auf bücherliche Rechte der Eigentümer und Buchberechtigten hergestellt werden (EvBl 1957/197). Kostspielige Straßenanlagen sollten wegen des Widerstandes einer einzelnen Person nicht wieder zerstört werden, weil bei der Grundeinlösung oder beim Bau der Anlage ein unbedeutender Formfehler begangen wurde, obwohl der Eigentümer die Einbeziehung seines Streifens in die Anlage geduldet habe; eine derartige "Enteignung" sei nicht durch die bücherliche Amtshandlung, sondern durch den Bau selbst vorgenommen worden (SZ 49/152). Im vorliegenden Fall sei hinsichtlich der Breite der Straßentrasse die schon seit dem Jahr 1969 bestehende entsprechende "Versteinung" von entscheidender Bedeutung. Bereits damit sei - von der Rekurswerberin unbekämpft - die Besitzänderung vorgenommen worden. Die Rekurswerberin hätte sich eventuell rechtzeitig mit einer Besitzstörungsklage zur Wehr setzen müssen (NZ 1976, 157). Auch ein Verstoß gegen die §§ 17 und 18 LiegTeilG könne nicht erkannt werden. Wohl bestimme § 17 Abs 1 LiegTeilG, daß nur Trennstücke eines Grundbuchskörpers, deren Wert 30.000 S wahrscheinlich nicht übersteigt, dem grundbücherlichen Bagatellverfahren unterlägen. Gemäß § 18 Abs 3 LiegTeilG könne das grundbücherliche Bagatellverfahren aber auch bei einem, diesen Betrag übersteigenden Wert der von einem Grundbuchskörper abzuschreibenden Trennstücke erfolgen, wenn der Mehrbetrag voraussichtlich durch die Wertsteigerung ausgeglichen werde, welche die bei dem Grundbuchskörper verbleibenden Grundstücke durch die Anlage erfahren hätten. Die vom Erstgericht vorgenommene Wertermittlung vom erscheine dem Rekursgericht zumindest in dem Ausmaß als unbedenklich, als der Wert der vom Grundbuchskörper der Rekurswerberin abgeschriebenen Trennstücke durch die durch die Straßenanlage bedingte Werterhöhung der beim Grundbuchskörper verbleibenden Grundstücke zumindest bis auf einen Wert von 30.000 S ausgeglichen worden sei. Hinsichtlich des Wertes der abgeschriebenen Trennstücke habe die Rekurswerberin selbst nur einen geringfügig höheren Wert behauptet (AS 48: 112.912 S). Der festgestellten Werterhöhung des verbleibenden Grundbuchskörpers im ausschlaggebenden Ausmaß von 77.638 S bzw. 82.912 S könne jedenfalls ohne die im grundbücherlichen Bagatellverfahren nicht vorgesehene förmliche Schätzung nicht ernsthaft entgegengetreten werden. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob als Vergleichszeitpunkt zum nunmehrigen Wert der Wert Mitte der Dreißigerjahre oder jener Ende der Sechzigerjahre heranzuziehen sei. Im ersten Fall bestünden gegen die Wertermittlung der beiden Gemeindevertrauensleute überhaupt keine Bedenken. Im zweiten Fall wären ganz wesentliche Belastungen der Rekurswerberin durch die bestehende Wegeanlage zu berücksichtigen, nämlich fremde Wegerechte, sowie Wegeerhaltungspflichten und eventuell anteilige Rückzahlungspflichten hinsichtlich der Asphaltierungskosten. Auch sei zu berücksichtigen, daß Wegeanlagen nicht nur die befahrbare Fahrbahndecke umfaßten, sondern auch Bankette und Böschungen. Wenn auch die dem öffentlichen Gut zugeschriebene Wegtrasse von 10 bis 12 m Breite auf den ersten Blick recht breit erscheine, ließen doch die normalerweise vorhandenen Bankette und Böschungen auch diese Breite als gerechtfertigt erscheinen. Im übrigen habe das Vermessungsamt für das Gericht unüberprüfbar die Erklärung abgegeben, daß es sich bei der gesamten Trasse um eine Straßenanlage handle. Von Bedeutung erscheine in diesem Zusammenhange auch, daß der Luftraum über den Böschungen ohne Gegenseitigkeit regelmäßig auch dem Überhang (Ästen) des angrenzenden Baumbestandes diene, sodaß großzügige Abstände der Eigentumsgrenze zum unmittelbaren Fahrbahnrand nicht unbedingt auch einen verhältnismäßig geringeren Holzertrag herbeiführen müßten. Auf Grund der zusätzlichen, zumindest teilweisen Verlegung der Wegtrasse, welche offenbar den Erfordernissen des heutigen Verkehrs, auch des LKW-Verkehrs, gerecht werde, erschienen die Voraussetzungen der in den §§ 17 und 18 Abs 3 LiegTeilG für das grundbücherliche Bagatellverfahren gegeben. Eine Bindung dahingehend, daß die Rekurswerberin keine höhere Entschädigung für die Grundabtretung als 30.000 S erzielen könnte, bestehe ohnehin nicht. Erst ein im streitigen Verfahren gestelltes Entschädigungsbegehren müßte einer förmlichen genauen Überprüfung unterzogen werden. Für die Annahme einer Befangenheit oder gar eines Ausschlusses der beiden zur Wertermittlung herangezogenen Vertrauensleute seien ausreichende Gründe nicht vorhanden. Wohl sei der eine Vertrauensmann Mitglied der Weggenossenschaft und ursprünglich Beteiligter des grundbücherlichen Bagatellverfahrens gewesen; das ihn betreffende Verfahren sei jedoch schon mit Beschluß vom rechtskräftig erledigt worden; der zweite sei nach dem Akteninhalt von der gegenständlichen Angelegenheit auch im weitesten Sinne überhaupt nie betroffen gewesen. Im übrigen sei die Beiziehung von Vertrauensleuten der Gemeinde nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (RPflSlgG 1200) im Gesetz zwar vorgesehen, aber nicht vorgeschrieben. Dem Rekurs sei daher ein Erfolg zu versagen gewesen. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen der §§ 15 ff LiegTeilG bestünden auch im Hinblick auf die dies verneinenden, bereits angeführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes nicht, weshalb für einen an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Gesetzesprüfungsantrag kein Anlaß bestehe.

Gegen diesen bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Elfriede P*** mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen "aufzuheben". Gleichzeitig regt die Revisionsrekurswerberin an, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung der "präjudiziellen" Bestimmungen der §§ 15 ff LiegTeilG gemäß Art. 140 B-VG zu stellen.

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Die Anfechtung von Beschlüssen im Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG richtet sich nach den Bestimmungen über das Verfahren außer Streitsachen. Gegen bestätigende Beschlüsse des Gerichtes zweiter Instanz ist daher nur der außerordentliche Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG wegen offenbarer Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder wegen Nichtigkeit zulässig (vgl. die in der MGA GBG3 unter Nr. 1 zu § 32 LiegTeilG abgedruckten Entscheidungen ua, zuletzt etwa 5 Ob 50/87).

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit erblickt die Revisionsrekurswerberin darin, daß die Vorinstanzen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 3 LiegTeilG als gegeben angenommen hätten, obwohl für die Anwendung dieser Bestimmung nur dort Raum sei, wo der mit 30.000 S definierte "Bagatellbegriff" noch anwendbar erscheine. Dem ist folgendes zu entgegnen:

Nach § 18 Abs 3 LiegTeilG kann die bücherliche Durchführung von aus dem Anmeldungsbogen und seinen Beilagen ersichtlichen Änderungen ua hinsichtlich der im § 15 Z 1 LiegTeilG bezeichneten Grundstücke auch bei einem 30.000 S übersteigenden Wert der zu der Anlage verwendeten, von einem Grundbuchskörper abzuschreibenden Trennstücke erfolgen, wenn der Mehrbetrag voraussichtlich durch die Wertsteigerung ausgeglichen wird, welche die bei dem Grundbuchskörper verbleibenden Grundstücke durch die Anlage erfahren haben. Aus dem Wort "kann" ergibt sich, daß der Gesetzgeber dem entscheidenden Organ ein Ermessen einräumt. Da der Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit aber nur dann vorliegt, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg 44.642, 49.930, 52.757 ua), kann eine Ermessensentscheidung eine offenbare Gesetzwidrigkeit grundsätzlich nicht begründen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung dann, wenn die Ermessensentscheidung gegen eine eindeutige Gesetzeslage oder gegen Grundprinzipien des Rechts verstößt (vgl. EFSlg 44.655). Ein solcher Fall ist aber hier nicht gegeben. § 18 Abs 3 LiegTeilG macht die Anwendung des vereinfachten Verfahrens bei einem den Betrag von 30.000 S übersteigenden Wert der abzuschreibenden Trennstücke lediglich davon abhängig, daß der Mehrbetrag voraussichtlich durch die mit der Anlage verbundene Wertsteigerung der verbleibenden Grundstücke ausgeglichen wird. Da die Vorinstanzen dieses im Gesetz allein vorgesehene Kriterium berücksichtigt haben (vgl. EFSlg 21.404, 44.656 ua), kann von einer offenbar gesetzwidrigen Lösung der den Gerichten hier eingeräumten Ermessensfrage nicht gesprochen werden.

Als aktenwidrig rügt die Revisionswerberin die Annahme des Rekursgerichtes, die Verwendung der Grundstücke sei zur Erhaltung einer Straßen- bzw. Wegeanlage im Sinne des § 15 LiegTeilG verwendet worden, und es hätten - wie die Mappendarstellung klar zeige - auch bedeutende Umlegungen und Erweiterungen der Anlage stattgefunden. Damit vermag die Revisionsrekurswerberin aber den Beschwerdegrund der Aktenwidrigkeit nicht darzutun. Sie übersieht nämlich, daß dieser Anfechtungsgrund nur dann gegeben ist, wenn die betreffenden Tatsachenfeststellungen wesentlich, also Bestandteil des rechtserzeugenden Sachverhalts oder zumindest von unmittelbarem Einfluß auf die Richtigkeit der Entscheidung sind (vgl. Fasching IV 317; derselbe, Lehrbuch, Rz 1771). Die von der Revisionsrekurswerberin hier gerügten Ausführungen des Rekursgerichtes sind weder Bestandteil des rechtserzeugenden Sachverhalts noch von unmittelbarem Einfluß auf die Richtigkeit der Entscheidung. Es kommt vielmehr nur auf das Vorliegen der Bestätigung der Vermessungsbehörde auf dem Anmeldungsbogen an, daß die abzuschreibenden Teilflächen für die Herstellung einer Straßenanlage verwendet werden (§ 16 LiegTeilG). Da diese Voraussetzung im vorliegenden Fall gegeben ist und die Bestätigung, daß die abzuschreibenden Teilflächen für die Herstellung einer Straßenanlage verwendet werden - wie das Rekursgericht zutreffend ausführte - vom Gericht nicht überprüft werden kann und es auch ohne Bedeutung ist, ob für die Verwendung der Teilflächen als Straße ein Rechtstitel vorhanden ist (EvBl 1973/222 = NZ 1974, 59), fehlt die für den Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit erforderliche konkrete Kausalität der von der Revisionswerberin bekämpften Feststellungen des Rekursgerichtes.

Was schließlich die von der Revisionsrekurswerberin aufgeworfene Frage der Verfassungsgemäßheit der Bestimmungen der §§ 15 ff LiegTeilG anlangt, so vermag der erkennende Senat diese Bedenken nicht zu teilen. Wenngleich es hier um Beträge geht, die die Bagatellgrenze bei weitem übersteigen, so darf doch nicht übersehen werden, daß die Regelung des § 18 Abs 3 LiegTeilG zur Voraussetzung hat, daß der mit der bücherlichen Durchführung der durch die Anlage verursachten Wertverlust durch die mit der Anlage verbundene Wertsteigerung des verbleibenden Grundes voraussichtlich ausgeglichen wird, in diesem Verfahren somit im Ergebnis keine entscheidende Wertveränderung zu befürchten ist. Darüber hinaus wird im § 20 LiegTeilG den Eigentümern, Buchberechtigten und sonstigen Beteiligten ein im streitigen Verfahren durchsetzbarer Ersatzanspruch eingeräumt, durch den die Rechte der Beteiligten hinlänglich gesichert erscheinen. Da selbst - wie das Rekursgericht auch richtig erkannte Enteignungen auch ohne Entschädigung zulässig sind und das im § 365 ABGB vorausgesetzte "allgemeine Beste" in der raschen und billigen Herstellung der Grundbuchsordnung für die ganze Straßenbauanlage erblickt werden kann, bestehen die von der Revisionsrekurswerberin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht (vgl. SZ 47/144).

Mangels Vorliegens eines der nach § 16 AußStrG zulässigen Anfechtungsgründe mußte der Revisionsrekurs zurückgewiesen werden.

Fundstelle(n):
FAAAD-55157