OGH vom 25.11.1999, 6Ob163/99k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landes- als Handelsgericht Innsbruck zu FN 41609s eingetragenen R***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in H*****, über den außerordentlichen Revisionrekurs der Gesellschaft und der Geschäftsführerin Loni M*****, beide vertreten durch Dr. Eva Maria Posch, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 62/99p-8, womit der Beschluss des Landes- als Handelsgericht Innsbruck vom , GZ 50 Fr 2072/99w-5, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Das Rekursgericht hat den entscheidungswesentlichen Sachverhalt wie folgt zusammengefasst:
Im Firmenbuch des Erstgerichtes ist zu FN 41609s die R***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Hall in Tirol eingetragen. Geschäftsführerin ist Loni M*****. Als Stichtag für den Jahresabschluss ist im Firmenbuch der 30. April eingetragen.
Am wurde im Firmenbuch die Verschmelzung der R***** S***** und M***** Gesellschaft mbH mit der R***** Gesellschaft mbH als übernehmende Gesellschaft eingetragen. Im Verschmelzungsvertrag vom ist festgehalten, dass als Verschmelzungsstichtag der vereinbart wird.
Mit Eingabe vom gab die R***** Gesellschaft mbH ihre Größenmerkmale zur Einordnung gemäß § 221 Abs 1 bis 3 HGB unter Vorlage der Bilanz zum samt Anhang bekannt. Daraus ergibt sich, dass die Gesellschaft in den Jahren 1996 und 1997 nach den im § 221 Abs 2 HGB vorgegebenen Kriterien als mittelgroße Kapitalgesellschaft einzustufen ist, während sie für das Geschäftsjahr 1998 nur mehr die Größenmerkmale einer kleinen Kapitalgesellschaft im Sinn des § 221 Abs 1 HGB erreichte.
Aktenkundig ist weiters, dass am die Übernahme des Betriebes der Firma R***** Inh. Loni M*****, durch die R***** Gesellschaft mbH auf Grund des Einbringungsvertrages vom im Firmenbuch eingetragen wurde.
Nachdem die R***** Gesellschaft mbH den wiederholten Aufforderungen des Erstgerichtes, drei weitere Exemplare des Jahresabschlusses samt Gewinn- und Verlustrechnung sowie Anhang, den Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers (vierfach), den Lagebericht sowie den Vorschlag über die Ergebnisverwendung nachzureichen, nicht nachgekommen war, verhängte das Erstgericht mit Beschluss vom gemäß § 283 HGB über die Geschäftsführerin eine Zwangsstrafe von 10.000 S. Da die R***** Gesellschaft mbH nach den Größenmerkmalen an den Abschlussstichtagen und eine mittelgroße GmbH gewesen sei, sei sie auch zum Abschlussstichtag am als mittelgroß einzustufen. Die Rechtsfolgen des § 221 Abs 4 Z 2 HGB kämen erst ab dem darauf folgenden Geschäftsjahr zum Tragen.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es teilte die Auffassung des Erstgerichtes, dass der Jahresabschluss 1998 der erweiterten Offenlegungspflicht der §§ 277 Abs 1 und 279 HGB unterliege. § 221 Abs 4 Z 2 HGB könne noch keine Anwendung finden, weil der erste Abschlussstichtag "nach der im Dezember 1998 erfolgten Verschmelzung der R***** S***** und M***** Gesellschaft mbH mit der R***** Gesellschaft mbH der " sei, sodass die Rechtsfolgen der Größenmerkmale der Gesellschaft zu diesem Abschlussstichtag erst ab dem folgenden Geschäftsjahr, sohin ab , eintreten könnten.
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Beschwerdegegenstand bei Verhängung einer Geldstrafe (auch als Zwangsmittel zur Durchsetzung eines gesetzmäßigen Verhaltens) nicht die Strafe als Geldwert, sondern die Bestrafung als solche. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Gesellschaft und der Geschäftsführerin ist daher nicht jedenfalls unzulässig. Die §§ 14 Abs 3 und 14a AußStrG kommen nicht zur Anwendung (vgl 6 Ob 97/97a zu § 14 Abs 2 Z 1 AußStrG in der vor der WGN 1998 geltenden Fassung).
Das gemäß § 14 Abs 5 zutreffend an den OGH gerichtete und als außerordentlicher Revisionsrekurs ausgeführte Rechtsmittel ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit der Frage der Offenlegungspflichten zum ersten auf eine Umgründung folgenden Abschlussstichtag befasst hat. Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.
Die Abs 1 bis 3 des § 221 HGB sehen bei Kapitalgesellschaften drei Größenklassen (kleine, mittelgroße und große Gesellschaften) vor, an die unterschiedliche Rechtsfolgen hinsichtlich Form und Inhalt des Jahresabschlusses, der Prüfpflichten und der Offenlegungspflichten geknüpft sind. Gemäß § 221 Abs 4 HGB treten die Rechtsfolgen der Größenmerkmale ab dem folgenden Geschäftsjahr ein, wenn diese Merkmale 1. an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschritten bzw nicht mehr überschritten werden; 2. bei Umgründungen (Verschmelzung, Umwandlung, Einbringung, Zusammenschluss, Realteilung oder Spaltung) und Neugründungen am ersten Abschlussstichtag nach der Umgründung oder Neugründung vorliegen; dies gilt auch bei der Aufgabe eines Betriebes oder eines Teilbetriebes, wenn die Größenmerkmale um mindestens die Hälfte unterschritten werden.
Daraus ergibt sich zunächst, dass die Übernahme der Firma Robert R***** Inh. Loni M***** durch die R***** Gesellschaft mbH für die Frage der Art und des Umfanges der Offenlegung des ersten Jahresabschlusses nach einer Umgründung ohne Bedeutung ist, weil sich die Beschlüsse der Vorinstanzen auf den Jahresabschluss zum Stichtag beziehen, die betreffende Umgründung aber erst nach diesem Zeitpunkt erfolgte.
Es bleibt aber zu prüfen, welche Auswirkungen die seit dem Jahresabschluss zum Stichtag und - im Gegensatz zu den insoweit irrigen Ausführungen des Rekursgerichtes - vor dem Stichtag (und nicht erst im Dezember 1998) erfolgten Verschmelzung der R***** S***** und M***** Gesellschaft mbH mit der R***** Gesellschaft mbH als übernehmende Gesellschaft hatte.
Die Frage der Größenabgrenzung in der Gründungsphase oder Umgründungsphase war bereits vor der Novellierung des § 221 durch das EUGesRÄG strittig (vgl die Darstellung der verschiedenen Lehrmeinungen bei Geist in SWK 1998 Heft 35/36, 171 ff). Das EUGesRÄG brachte keine entscheidende Klarstellung, nach welchen Regeln der erste Abschluss bei Neugründung und Umgründung aufzustellen und offenzulegen ist. § 221 Abs 4 HGB behandelt bloß die Rechtsfolgen für das auf die Gründung oder Umgründung folgende Geschäftsjahr.
Obgleich in den Gesetzesmaterialien (RV 32 BlgNR XX. GP 62) zum EUGesRÄG darauf hingewiesen wird, dass sich die Regelung betreffend Um- und Neugründungen an § 267 Abs 4 zweiter Satz dHGB orientiere, wurde die diesbezügliche deutsche Bestimmung ("im Falle der Verschmelzung, Umwandlung oder Neugründung treten die Rechtsfolgen schon ein, wenn die Voraussetzungen des Abs 1, 2 oder 3 am ersten Abschlussstichtag nach der Verschmelzung Umwandlung oder Neugründung vorliegen") gerade nicht in dieser Form übernommen. § 267 Abs 4 dHGB kann daher auf das vorliegende Problem - entgegen der Ansicht Wagenhofers in RdW 1997, 705 (706) nicht pauschal angewendet werden.
Nach Ansicht Geists (aaO, 173 f) können die Erleichterungen betreffend den Anhang nach § 242 HGB und die Prüfungspflicht (§ 268 HGB) im Fall des § 221 Abs 4 Z 2 HGB erst für das zweite Geschäftsjahr in Anspruch genommen werden, falls bei Neugründung im ersten Geschäftsjahr die Merkmale einer kleinen Gesellschaft mbH vorliegen. Grundsätzlicher Anknüpfungspunkt für den vollständigen Anhang und die Prüfungspflicht sei das Vorliegen einer Kapitalgesellschaft. Schlichte Gesetzesanwendung führe daher dazu, dass für das erste Geschäftsjahr ein vollständiger Anhang aufzustellen sei und eine Prüfungspflicht bestehe. Betreffend Art und Umfang der Offenlegung des ersten Jahresabschlusses sei bei Neugründung die Erfüllung der Größenkriterien aber schon am ersten Abschlussstichtag als relevant anzusehen.
Im vorliegenden Fall wurde allerdings die aufnehmende Gesellschaft nicht neu gegründet. Sie wies an zwei vorangehenden Abschlussstichtag die Größenmerkmale einer mittelgroßen Gesellschaft auf. Für einen solchen Fall der Verschmelzung vertritt selbst Geist (aaO, 176) die Ansicht, dass die Frage, nach welcher Vorschrift der erste Abschluss nach der Umgründung aufzustellen und offenzulegen sei und ob eine Prüfpflicht bestehe, grundsätzlich nach § 221 Abs 4 Z 1 HGB und nicht nach dessen Z 2 zu beantworten ist. (Nur) bei Umgründung im ersten Geschäftsjahr des aufnehmenden Rechtsträgers gelte dasselbe wie bei Spaltung durch Neugründung und somit letztlich das zur (gewöhnlichen) Neugründung Ausgeführte.
Diese Ansicht entspricht im Ergebnis auch der Meinung Nowotnys (in Straube, Kommentar zum HGB, 2. Band, Rechnungslegung Rz 28 zu § 221 HGB), dass es im Fall der Gründung (Umgründung) durch Gesamtrechtsnachfolge im Hinblick auf die durch die Rechtsfolge der Gesamtrechtsnachfolge vom Gesetzgeber gewünschte Kontinuität geboten sei, auf die Jahresabschlüsse der vorangehenden Rechtsträger zurückzugreifen.
Die Verschmelzung erfolgte im hier zu prüfenden Fall dadurch, dass die übernehmende Gesellschaft die (alleinige) Gesellschafterin der von ihr übernommenen R***** S***** und M***** Gesellschaft mbH war. Die Verschmelzung setzt in einem solchen Fall, wie der erkennende Senat jüngst in 6 Ob 4/99b ausgeführt hat, voraus, dass der übernehmenden (Tochter-)Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ein positiver Verkehrswert zukommt (wobei der Wert der Beteiligung an der Tochtergesellschaft außer Betracht zu bleiben hat). Der Grund der eingetretenen "Verkleinerung" der R***** Gesellschaft mbH gegenüber dem letzten vor der Verschmelzung liegenden Abschlussstichtag konnte daher nicht in der Tatsache der Verschmelzung an sich liegen. Wie der vorliegende Sachverhalt zeigt, erscheint es demnach durchaus sachgerecht, folgend den Lehrmeinungen Geists und Nowotnys zumindest bei Verschmelzungen, die zu einer Gesamtrechtsnachfolge geführt haben und bei denen auf den aufnehmenden Rechtsträger ohne Verschmelzungsvorgang jedenfalls § 221 Abs 4 Z 1 HGB anzuwenden wäre, diese Bestimmung auch für den Jahresabschluss nach Verschmelzung heranzuziehen.
Die Vorinstanzen haben daher zu Recht die Anwendung der Rechtsfolgen der Größenmerkmale einer mittelgroßen Gesellschaft mbH und die daraus resultierenden Pflichten der R***** Gesellschaft mbH bejaht und ihre Verletzung unter Strafsanktion gestellt.