OGH vom 15.12.1997, 1Ob281/97y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Hans Günter T*****, vertreten durch Dr.Johann Paul Cammerlander, Dr.Harald Vill und Dr.Helfried Penz, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die Antragsgegnerin Roswitha Anna T*****, vertreten durch Dr.Thomas Praxmarer und Dr.Bernhard Waldhof, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 53 R 20/97y, 21/97w-13, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Der Antrag der Revisionsrekursgegnerin auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird gemäß § 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508 Abs 2 dritter Satz ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom wurde die Ehe der Streitteile aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten und nunmehrigen Antragstellers gemäß § 49 EheG geschieden. Dieses nur vom Beklagten zur Gänze angefochtene Urteil wurde vom Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht mit Urteil vom - den Parteienvertretern zugestellt am - in der Hauptsache bestätigt. Die vom Beklagten am erhobene außerordentliche Revision mit dem Abänderungsantrag, ein Mitverschulden der Klägerin und nunmehrigen Antragsgegnerin an der Zerrüttung der Ehe auszusprechen, wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom , AZ 6 Ob 1691/95, den Parteienvertretern zugestellt am , mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Am brachte der Erstrichter auf der Urschrift seines erstinstanzlichen Urteils den Vermerk an, daß seine Entscheidung seit rechtskräftig sei.
Die Vorinstanzen wiesen den am bei Gericht eingelangten Aufteilungsantrag des Antragstellers, einem Einwand der Antragsgegnerin folgend, ab, weil er außerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG (berechnet ab Zustellung des zweitinstanzlichen Urteils) gestellt und daher verfristet sei.
Rechtliche Beurteilung
a) Nach Lehre und stRspr beginnt der Lauf der materiellrechtlichen und von Amts wegen zu beachtenden Fallfrist des § 95 EheG mit dem Eintritt der formellen (stRspr: EvBl 1991/123 mwN uva, zuletzt 6 Ob 1660/95 = EFSlg 78.761 f) Rechtskraft der Entscheidung über die Scheidung der Ehe (Pichler in Rummel2 , § 95 EheG Rz 1 und 2; Bernat in Schwimann2 § 95 EheG Rz 1, je mwN), einerlei ob mit Teilurteil über das Scheidungsbegehren erkannt wurde und über die Verschuldensfrage mit Endurteil zu entschieden ist oder - wie hier - das Scheidungsurteil mit Verschuldensausspruch nur in letzterem Punkt angefochten wurde. Die formelle Rechtskraft der Scheidung ist hier spätestens mit der Einbringung der außerordentlichen Revision des dortigen Beklagten und nunmehrigen Antragstellers gegen das von ihm bloß im Verschuldensausspruch bekämpfte Scheidungsurteil anzunehmen, weil die mangelnde Anfechtung des Scheidungsausspruchs (insoweit) einem Rechtsmittelverzicht gleichzuhalten ist (zuletzt 6 Ob 1660/95 = EFSlg 78.762). Mit der Bekämpfung des zweitinstanzlichen Urteils nur (mehr) im Verschuldensausspruch trat Teilrechtskraft in Ansehung des klagestattgebenden Scheidungsbegehrens ein. Dem Anliegen nach ehester Klärung der Vermögensverhältnisse der Geschiedenen entspricht es, die in § 95 EheG normierte Frist - der Absicht des Gesetzgebers entsprechend (MietSlg 36.687) - zum frühestmöglichen Termin in Lauf zu setzen.
b) Die kraft Gesetzes eintretende und der Entscheidung ab dem gesetzlichen Zeitpunkt als eine Eigenschaft anhaftende Wirkung der Rechtskraft der Scheidung könnte selbst durch eine mit der Aktenlage unvereinbare unrichtige anderslautende Rechtskraftbestätigung nicht verändert werden (3 Ob 552/84 = EFSlg 46.418; 8 Ob 2016/96w; RIS-Justiz RS0041308; Pichler aaO Rz 2; Bernat aaO Rz 5), mag auch die Rechtskraftbestätigung eine öffentliche Urkunde darstellen (RIS-Justiz RS0041308). Ergibt sich - wie hier - für den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft aus dem dafür allein maßgeblichen Akteninhalt zwingend etwas anderes als in der Rechtskraftbestätigung bekundet wurde, dann gilt gemäß § 292 Abs 2 ZPO der wirkliche Vorgang und nicht der in der Urkunde unrichtig bezeugte Vorgang (EFSlg 46.418; RIS-Justiz RS0040485).
c) Vom Obersten Gerichtshof wurde, abweichend von älterer Rspr, in den Entscheidungen SZ 63/71 und EvBl 1991/123 mwN generell ausgesprochen, daß Fallfristen der analogen Anwendung der §§ 1494-1497 ABGB unterliegen. Ob und wie weit eine analoge Anwendung im Einzelfall gerechtfertigt ist, hat sich am Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift zu orientieren (EvBl 1991/123 mwN). Dabei sind von der Rspr zu § 95 EheG hervorzuheben die Entscheidungen SZ 55/192 = JBl 1983, 649 ([Huber] die die Unterbrechungswirkung eines unbezifferten Aufteilungsanspruchs bejahte), SZ 60/116 (analoge Anwendung des § 1494 erster Satz ABGB) und EvBl 1991/123 (analoge Anwendung des § 1497 ABGB). Über die analoge Abwendung des § 1495 ABGB besteht zwar, soweit überblickbar, keine höchstgerichtliche Rspr. Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich dessenungeachtet hier nicht: Denn nach § 1495 erster Satz ABGB kann auch zwischen Ehegatten, solange „in ehelicher Verbindung“, die Verjährung weder angefangen noch fortgesetzt werden. Da im vorliegenden Fall die Ehe der Streitteile seit rechtskräftig geschieden ist, kann selbst bei unterstellter Anwendung dieser Verjährungshemmung auf familienrechtliche Verhältnisse kein für den Antragsteller günstigeres Ergebnis herbeigeführt werden. Die Rechtsfrage nach der möglichen Anwendung der Verjährungsvorschrift des § 1495 ABGB auf die Ausschlußfrist des § 95 EheG muß demnach nicht beantwortet werden.
d) Die vom Antragsteller zwar nicht zum Gegenstand seiner gesonderten Zulassungsbeschwerde, wohl aber seines Rechtsmittels gemachte Behauptung, die Antragsgegnerin habe die Verfristungseinrede wider Treu und Glauben erhoben, bringt gleichfalls keine erhebliche Rechtsfrage zur Darstellung. Die Replik der Arglist (replicatio doli; Verstoß gegen Treu und Glauben) ist nach der Rspr zu § 1497 ABGB dann berechtigt, wenn die Fristversäumnis auf ein Verhalten des Gegners zurückzuführen ist. Dazu zählt nicht nur ein aktives Vorgehen des Schuldners, wenn er etwa den Gläubiger geradezu abhält, der Verjährung durch Klagsführung vorzubeugen, sondern es verstößt auch ein Verhalten des Schuldners gegen die guten Sitten, auf Grund dessen der Gläubiger nach objektiven Maßstäben der Auffassung sein konnte, sein Anspruch werde entweder ohne Rechtsstreit befriedigt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft, sodaß er aus diesen Gründen eine rechtzeitige Klagsführung unterlassen hat (1 Ob 2/93 = ecolex 1993, 521 = ZfRV 1993, 248 mwN ua; RIS-Justiz RS0034537; Schubert in Rummel2 § 1501 ABGB Rz 2; Mader in Schwimann2 § 1451 ABGB Rz 16 ff mit Fallbeispielen in Rz 17). Die Berufung auf die replicatio doli wird auch nach dem Ablauf der Präklusivfristen zugelassen (Mader aaO § 1451 ABGB Rz 20 mwN aus der Rspr). Ein Verhalten, daß dieser Einwendung unterstellt werden könnte, hat indes der Antragsteller in erster Instanz nicht vorgetragen, sondern nur vorgebracht, die Antragsgegnerin habe als Klägerin im Scheidungsverfahren begehrt, die Ehe werde derart geschieden, daß sie mit Rechtskraft des Urteils aufgelöst sei, sowie weiters, die Urteilsausfertigung erster Instanz über die Ehescheidung weise eine Rechtskraftbestätigung zum auf. Erst im Rekurs an die zweite Instanz trug der Antragsteller zum Verstoß gegen Treu und Glauben noch nach, die Antragsgegnerin habe das - ihrem Begehren freilich stattgebende - Urteil nicht angefochten, und schließlich, die Parteien hätten zunächst „friedlich und auf Basis Treu und Glauben“ vereinbart, die Antragsgegnerin werde einen Aufteilungsanspruch erheben. Darauf kann deshalb nicht eingegangen werden, weil § 10 AußStrG zwar den Parteien ermöglicht, ihr erstinstanzliches Vorbringen im Rechtsmittelverfahren zu ergänzen bzw für unbewiesen gebliebene Tatsachenbehauptungen Beweismittel anzubieten; das Neuerungsrecht geht jedoch nicht so weit, daß - wie hier - in erster Instanz mögliches, jedoch nicht erstattetes Vorbringen im Rekurs nachgeholt werden kann (EFSlg 44.518, 64.587 uva, zuletzt 10 Ob 2018/96d; RIS-Justiz RS0006810).
Erhebliche Rechtsfragen stellen sich demnach nicht zur Beurteilung. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).