OGH vom 23.02.2011, 3Ob227/10v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am verstorbenen Lydia Hermine P*****, wegen Einantwortung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der gesetzlichen Erben 1. Lydia O*****, und 2. Marina W*****, beide vertreten durch Mag. Patricia Tassotti, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 1 R 180/10f 13, womit der Rekurs der gesetzlichen Erben gegen den Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 2 A 118/10i 9, zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionsrekurswerberinnen haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Im Verlassenschaftsakt befindet sich eine unvollständige Kopie eines Schreibens eines Notars vom an den Gerichtskommissär, in dem er namens der Revisionsrekurswerberinnen (= Nichten der Erblasserin) um die Übermittlung einer Kopie einer allenfalls vorhandenen letztwilligen Verfügung ersucht, was mit Schreiben des Gerichtskommissärs vom geschah. Die Nichten wurden weder zur Todfallsaufnahme am noch zur Verlassenschaftsabhandlung am geladen und nahmen auch nicht daran teil. Eine Aufforderung zur Abgabe einer Erbantrittserklärung iSd § 157 AußStrG 2005 erging nicht, eine solche gaben sie bisher auch nicht ab.
Das Erstgericht fasste am einen Beschluss, mit dem es den Nachlass aufgrund der auf das eigenhändige Testament der Erblasserin vom gestützten, unbedingten Erbantrittserklärung den (nicht verwandten) Nachbarn der Erblasserin je zur Hälfte einantwortete.
Gegen den Einantwortungsbeschluss erhoben die erblichen Nichten Rekurs wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Sie seien weder dem Verfahren beigezogen noch darauf hingewiesen worden, dass „gegebenenfalls Erbserklärungen abzugeben wären“. Ungeachtet der bisherigen Nichtabgabe einer Erbantrittserklärung seien sie daher rekurslegitimiert.
Das Rekursgericht wies den Rekurs mangels Legitimation zurück und berief sich dabei auf die Bestimmung des § 164 AußStrG und ua auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 86/08s, wonach es einem am Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligten Erbansprecher verwehrt sei, den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs zu bekämpfen. Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Rekursgericht mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs wiederholen die Rechtsmittelwerberinnen im Wesentlichen ihr Rekursvorbringen und verweisen auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 50/08v. Sie begehren die Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht.
Den eingeantworteten Erben wurde Gelegenheit zur Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung eingeräumt, die sie jedoch nicht wahrnahmen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist wegen nicht einheitlicher Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig . Er ist jedoch nicht berechtigt .
1.1. Zu 4 Ob 50/08v (= iFamZ 2008/140, 263 [ Tschugguel ]) bejahte der Oberste Gerichtshof unter Fortschreibung der Judikatur zum AußStrG 1854 (ua RIS Justiz RS0006398 [T8]; RS0106608 [T13, T 14]) die Rechtsmittellegitimation eines gesetzlichen Erben, der nicht zur Abhandlung geladen und auch nicht (nunmehr iSd § 157 AußStrG) belehrt worden war, obwohl er sein Interesse am Erbantritt durch Anwesenheit bei der Todfallsaufnahme ausreichend bekundet habe, trotz bisher unterbliebener Erbantrittserklärung. Die unterbliebene Ladung zur Abhandlung sowie das Unterlassen einer Belehrung iSd § 157 AußStrG durch den Gerichtskommissär sei Ergebnis eines wesentlichen Verfahrensmangels. Diesen habe der übergangene Erbe im Rekurs geltend gemacht, dem auch zu entnehmen sei, dass er bei entsprechender Belehrung den Erbantritt schon in erster Instanz erklärt hätte. § 164 AußStrG stehe dem nicht entgegen, weil das Abhandlungsverfahren mit einer wesentlichen Mangelhaftigkeit belastet sei.
1.2. Dem gegenüber vertrat der 1. Senat zu 1 Ob 86/08s, die Ansicht, aus der Anordnung, dass nach Fällung einer gerichtlichen Entscheidung über die Einantwortung erbrechtliche Ansprüche nur noch mit Klage geltend gemacht werden können (§ 164 Satz 2 AußStrG 2005), folge unzweifelhaft, dass es der betreffenden Partei verwehrt sei, den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs zu bekämpfen und darin etwa geltend zu machen, das Erstgericht habe es verabsäumt, ihr die Gelegenheit zur rechtzeitigen Abgabe einer Erbantrittserklärung zu geben (= RIS Justiz RS0123316 [T2]); ein am Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligter Erbansprecher habe sich mit dessen Ergebnis abzufinden, könne dieses nur im Klageweg wieder beseitigen, und sei daher auch nicht berechtigt, den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs zu bekämpfen (= RIS Justiz RS0123316 [T3]). Diese Entscheidung blieb bisher unkommentiert.
1.3. Die beiden genannten Entscheidungen stehen zur Frage der auch hier zu beurteilenden Rechtsmittellegitimation im Widerspruch, den die Rechtsmittelwerberinnen zwar nicht ausdrücklich geltend machen, der aber aus Gründen der Rechtssicherheit aufzuklären ist und deshalb eine erhebliche Rechtsfrage bildet.
2. Der erkennende Senat schließt sich der Ansicht des 1. Senats an, der auch schon die Entscheidung 5 Ob 24/09d folgte und der Partei, die bis zur Entscheidung über die Einantwortung keine Erbantrittserklärung abgegeben hat, die Legitimation zur Bekämpfung des Einantwortungsbeschlusses mit Rekurs absprach (RIS Justiz RS0123316 [T4]).
Der Grund dafür liegt darin, dass der Gesetzgeber des AußStrG 2005 bewusst von der vormals geltenden Rechtslage, wonach eine Klärung des Erbrechts bis zur Rechtskraft der Einantwortung innerhalb des Verlassenschaftsverfahrens möglich war, abging und in § 164 AußStrG vorsah, dass weitere Erbantrittserklärungen und das Verfahren darüber (§§ 160 bis 163) nur zulässig sind, bevor das Gericht an den Einantwortungsbeschluss gebunden ist, also nach seiner Abgabe an die Geschäftsabteilung zur Ausfertigung (§ 40 AußStrG). Später sind erbrechtliche Ansprüche nur noch mit Klage geltend zu machen und können nicht mehr zum neuerlichen Aufrollen des Verfahrens führen. Dies führe nach den Gesetzesmaterialien nämlich einerseits zu Verfahrensschritten, die entbehrlich seien, andererseits zwingend dazu, dass eine Durchführung des Einantwortungsbeschlusses vor Rechtskraft selbst bei Rechtsmittelverzicht aller bisher Beteiligten nicht vor Ablauf der Rekursfrist möglich wäre, müsste doch der Ablauf der Frist auch für bisher nicht Beteiligte abgewartet werden. Die Erleichterung, die dadurch dem zu spät kommenden Prätendenten in extrem selten vorkommenden Fällen gewährt werde (ihm ersparte dies die Erbschaftsklage), stünde in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle, in denen es zu keinem derartig späten Einstieg kommt, eine unvertretbare Verzögerung gegenüber (vgl die ErläutRV, abgedruckt ua bei Fucik/Kloiber , AußStrG § 164).
Kommt die Abgabe einer Erbantrittserklärung aber nur bis zur Bindung des Verlassenschaftsgerichts an seinen Einantwortungsbeschluss in Betracht, stellt der Gesetzgeber nicht auf die inhaltliche (allenfalls im Rechtsmittelweg überprüfte) Richtigkeit des Einantwortungsbeschlusses ab, sondern bloß auf dessen Erlassung. Schon daraus folgt zwingend (und ist den Gesetzesmaterialien auch ausdrücklich zu entnehmen), dass ein Rechtsmittelverfahren nicht mehr die Möglichkeit bieten soll, die bisher aus welchen Gründen immer unterlassene Abgabe einer Erbantrittserklärung nachzuholen. Das bestätigt § 164 Satz 2 AußStrG, wonach erbrechtliche Ansprüche später, das heißt nach Bindung des Verlassenschaftsgerichts an seinen Beschluss, nur noch mit Klage geltend zu machen sind ( Wruhs in Rechberger AußStrG § 164 Rz 1 und 3; ebenso Feil Außerstreitgesetz § 164 Rz 1; Sailer in KBB 3 §§ 799 800 ABGB Rz 2).
Zusammengefasst ist daher mit dem 1. Senat festzuhalten, dass es auch dem übergangenen Erben verwehrt ist, den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs zu bekämpfen und darin etwa geltend zu machen, das Erstgericht habe es verabsäumt, ihm die Gelegenheit zur rechtzeitigen Abgabe einer Erbantrittserklärung zu geben.
Würde man im Sinn des 4. Senats ein solcher Art begründetes Rechtsmittel des übergangenen Erben zulassen, bliebe die im Gesetz normierte Wesentlichkeit der Bindung des Verlassenschaftsgerichts an seinen Einantwortungsbeschluss unbeachtet, vielmehr würde im Ergebnis dennoch wieder auf die Rechtskraft der Einantwortung abgestellt werden. Die Rechtsprechung zur alten Rechtslage ist nicht fortzuschreiben.
3. Aus den dargestellten Gründen erweist sich somit die Entscheidung des Rekursgerichts, den Rekurs der erblichen Nichten zurückzuweisen, als zutreffend.
Die Kostenentscheidung gründet sich im vorliegenden Verfahren über das Erbrecht (vgl § 185 AußStrG 2005) auf § 78 Abs 2 AußStrG 2005. Es entspricht der Billigkeit, den erblichen Nichten die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels tragen zu lassen.