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OGH vom 26.06.1990, 4Ob545/90

OGH vom 26.06.1990, 4Ob545/90

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma Hans B***, Reifengroßhandel, Kremsmünster, Hauptstraße 29, vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger und Dr. Klaus Dorninger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Lenke B***, Hausfrau, Wien 3., Beatrixgasse 24/6/31, vertreten durch Dr. Adolf Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe (Streitwert S 200.000,-) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 12 R 113/89-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 40 Cg 142/87-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Helmut B*** ist am klagenden Einzelunternehmen seines Vaters, einem Familienbetrieb, als stiller Gesellschafter beteiligt und hat dort gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder die Unternehmensleitung inne. Er "schenkte" seiner Ehefrau, der Beklagten, zu ihrem 40. Geburtstag im Einvernehmen mit seinem Vater einen signalroten PKW Mercedes Benz 230 E, Baujahr 1985. Dieses Fahrzeug wurde von der Klägerin angeschafft und auf das Unternehmen angemeldet. Die Klägerin ist in den Fahrzeugpapieren als Eigentümerin eingetragen; sie hat auch den Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen. Der Zweitschlüssel und der Typenschein blieben bei der Klägerin.

Helmut B*** sagte vor der Übergabe des Fahrzeuges zur Beklagten, daß er dieses Fahrzeug wieder "auf die Firma anmelden" werde, jedoch Bedenken habe, ob das Finanzamt das "durchgehen lassen" werde. Um den PKW als Firmenfahrzeug zu deklarieren, wurde er als Musterfahrzeug mit einer Sonderausstattung (Felgenspoiler mit tiefergesetztem Fahrgestell) versehen; diese Sonderausstattung vertreibt die Klägerin als Generalvertreterin der Firma BBS in Österreich. Der Beklagten war bewußt, daß das Fahrzeug "auf die Firma" zugelassen werde und sie daher darüber nicht frei verfügen könne; der PKW wurde jedoch - von Ausnahmsfällen

abgesehen - ausschließlich von ihr benützt. Ein- bis zweimal benützte ihn ihr Ehemann, um Kunden die Sonderausstattung des Fahrzeugs vorzuführen. Einmal wurde er zu einer Ausstellung gebracht und dort fotografiert; zweimal wurde er von Helmut B*** für Kundenbesuche nach Wien eingesetzt.

Die Beklagte hat die Ehewohnung in Kremsmünster, wo sich auch der Firmensitz der Klägerin befindet, am verlassen und wohnt seither in Wien 3.

Die Klägerin begehrt die Herausgabe des Fahrzeuges, weil sie dessen Eigentümerin sei und es der Beklagten als Firmenfahrzeug nur leihweise überlassen habe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Das Fahrzeug sei ihr zu ihrem 40. Geburtstag von ihrem Ehemann (im Einvernehmen mit dem Inhaber der Klägerin) geschenkt worden; der Wagen stehe in ihrem Alleineigentum. "Sollte der PKW auf die Firma zugelassen sein, so habe dies lediglich steuerliche Gründe, was an den wahren Eigentumsverhältnissen jedoch nichts ändern könne". Das Erstgericht traf die bereits eingangs wiedergegebenen Feststellungen und wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß Helmut B*** das Fahrzeug der Beklagten ausdrücklich geschenkt und übergeben habe; die Anmeldung des Fahrzeuges auf die Klägerin sei lediglich aus steuerlichen Gründen erfolgt und habe an den wahren Eigentumsverhältnissen nichts ändern können. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Klägerin, soweit sie Nichtigkeit geltend gemacht hatte, zurück, gab ihr jedoch im übrigen Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Beklagte zur Herausgabe des Fahrzeuges verpflichtete; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Klägerin habe ihr Eigentum an dem Fahrzeug ausreichend nachgewiesen. Daß der Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer dieses PKWs und der Klägerin nur ein Scheingeschäft gewesen wäre, um einen Kaufvertrag zwischen diesem Autohändler und Helmut B*** zu verdecken, habe die Beklagte nicht vorgebracht; die bloße Behauptung, der PKW sei nur aus steuerlichen Gründen auf die Klägerin zugelassen worden, reiche nicht aus. Die Klägerin habe zwar das Fahrzeug Helmut B*** zur Benützung überlassen, doch sei er nicht Eigentümer geworden und habe es der Klägerin daher auch nicht schenken können. Die Voraussetzungen des § 367 ABGB lägen nicht vor. Da die Beklagte dem Herausgabeanspruch keinen anderen Rechtsgrund entgegengehalten habe, sei dem Klagebegehren stattzugeben gewesen.

Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision und beantragt, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die Klägerin beantragt, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung von der - im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen - Rechtsfrage abhängt, ob die Anmeldung des der Beklagten überlassenen Fahrzeuges auf den Namen der Klägerin ein unbeachtliches Scheingeschäft oder ein von den Parteien gewolltes Umgehungsgeschäft war, aus dem die Beklagte Rechte zur unentgeltlichen Weiterbenützung des Fahrzeuges ableiten könnte.

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Das Berufungsgericht hat in dem Vorbringen der Beklagten, daß der PKW lediglich aus steuerlichen Gründen auf die Klägerin zugelassen wurde, keine ausreichende Behauptung eines Scheingeschäftes zwischen den an der Anschaffung dieses Fahrzeuges Beteiligten gesehen. Dem ist nicht zu folgen; aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, ihr Standpunkt daß durch die Begründung des Eigentums der Klägerin nur die (wahre) Schenkung an die Beklagte aus steuerlichen Gründen verdeckt worden sei. In diesem Sinne hat schon das Erstgericht das Vorbringen der Beklagten verstanden, dazu Feststellungen getroffen und die Meinung vertreten, die Klägerin sei auf Grund des verdeckten Geschäftes die wahre Eigentümerin des Kraftfahrzeuges.

Es ist daher zu prüfen, ob ein solches Scheingeschäft oder aber ein Umgehungsgeschäft vorliegt. Während das zum Schein geschlossene Geschäft zwischen den Parteien nicht gewollt ist, wollen sie mit dem Umgehungsgeschäft durch die Art der Gestaltung des Rechtsgeschäftes die Anwendung einer bestimmten Regelung vermeiden; das Umgehungsgeschäft ist daher von den Parteien wirklich gewollt (Koziol-Welser8 I 115; ähnlich Binder in Schwimann IV/1 Rz 19 zu § 916; Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 916; Krejci in Rummel aaO Rz 37 ff zu § 879; ausführlich, aber in den Abgrenzungen unklar, neuerdings Tamussino, Die Umgehung von Gesetzes- und Vertragsnormen 27 ff, welcher die Scheingeschäftsproblematik in der Tatfrage, die Umgehung aber in der Rechtsfrage sieht). Das Umgehungsgeschäft wird nicht nur vorgegeben, sondern auch realisiert, wenngleich nicht um dieses Geschäftes willen, sondern zur Sicherstellung des wirtschaftlichen Erfolges eines anderen, aus Verbotsgründen oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen nicht abgeschlossenen Geschäftes (Binder in Schwimann aaO; SZ 22/86; HS 7383; JBl 1975, 595). Umgehungsgeschäfte sind - anders als Scheingeschäfte - nicht von vornherein mangels Parteiwillens unwirksam (Krejci in Rummel aaO Rz 38); sie werden daher nicht von der Nichtigkeitssanktion des § 916 Abs 1 ABGB getroffen, sondern sind nur ungültig, wenn der Verbotszweck des primär abgeschlossenen Rechtsgeschäftes das Umweggeschäft miterfaßt (Binder aaO Rz 19). Das trifft bei der Wahl einer bestimmten Geschäftsform aus steuerlichen Gründen in der Regel nicht zu. Bedient man sich einer Geschäftsform nur deshalb, um Steuern zu sparen, dann zieht diese Umgehung in der Regel nur steuerrechtliche Folgen nach sich, doch ist das Geschäft deshalb nicht nichtig (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 186; vgl auch Krejci in Rummel aaO Rz 46). Vereinbaren die Beteiligten, einen bestimmten Vermögensgegenstand, der (ausschließlich) der privaten Benützung dient, in ein Firmenvermögen zu übernehmen, um Steuern zu sparen, so wird die Abgabenbehörde bei der Entscheidung über Abgabepflichten nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 21 Abs 1 BAO) den wahren wirtschaftlichen Gehalt dieser Transaktion und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes für maßgebend ansehen.

Im vorliegenden Fall steht außer Zweifel, daß die an der "Schenkung" beteiligten Personen (zustimmender Firmeninhaber, Ehemann der Beklagten und die Beklagte selbst) aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen (Absetzung des Kaufpreises und der PKW-Kosten als Betriebsausgaben) der Anschaffung des PKWs durch die Klägerin den Vorzug gegeben und die sich daraus ergebenden Rechsfolgen tatsächlich gewollt haben; ein Scheingeschäft (insbesondere zwischen dem veräußernden KFZ-Händler und der Klägerin) liegt nicht vor. Der Beklagten war bei Annahme der "Schenkung" bewußt, daß das Fahrzeug auf die Klägerin zugelassen wurde und sie daher - jedenfalls über dessen Substanz - nicht frei verfügen könne; sie kann daher dem auf das Eigentum der Klägerin gestützten Herausgabebegehren nicht entgegenhalten, daß sie durch Schenkung selbst frei verfügungsberechtigte Eigentümerin des Fahrzeuges geworden sei. In Wahrheit sind der Beklagten nur Gebrauchsrechte unentgeltlich überlassen worden (§ 972 ff ABGB). Während die Beklagte zum Vorliegen eines Leihvertrages - von ihrem Rechtsstandpunkt aus konsequent - kein Vorbringen erstattet hat, hat die Klägerin schon in der Klage außer ihrem Eigentum die leihweise Überlassung des Fahrzeuges an die Beklagte behauptet und insbesondere vorgebracht, es ihr jeweils nur für einzelne Fahrten zur Verfügung gestellt zu haben. Diese Behauptung ist zwar durch die bisherigen Ergebnisse des Beweisverfahrens widerlegt worden; dem weiteren Vorbringen der Klägerin läßt sich aber entnehmen, daß sie sich auf eine Beendigung des Leihvertrages mit der Beklagten stützt, sei es wegen Ablaufes der bedungenen Gebrauchszeit oder wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes zur vorzeitigen Auflösung dieses Rechtsverhältnisses (vgl Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 971). Die Klägerin hat nämlich vorgebracht, daß die Beklagte mit dem Wagen nicht mehr nach Kremsmünster zurückgekehrt sei (und diesen damit gänzlich der Verfügung der Klägerin für gelegentliche Geschäftszwecke entzogen habe).

Da im Verfahren bisher nur die Frage einer Schenkung des Kraftfahrzeuges an die Beklagte untersucht wurde, zur Auflösung des von der Klägerin selbst behaupteten Leihvertrages aber keine Feststellungen getroffen worden sind, ist es erforderlich, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Im fortgesetzten Verfahren werden die Dauer des der Beklagten eingeräumten unentgeltlichen Gebrauches - die sich auch aus den Umständen, insbesondere dem Zweck des Gebrauches, ergeben kann (Schubert in Rummel aaO Rz 4) - sowie allfällige Gründe zur vorzeitigen Auflösung dieses Dauerschuldverhältnisses mit den Parteien zu erörtern und zu klären sein. Ein Grund für die vorzeitige Auflösung des Dauerschuldverhältnisses könnte allenfalls schon darin liegen, daß der PKW von der Klägerin infolge des dauernden Wohnsitzwechsels der Beklagten überhaupt nicht mehr zur Verfügung steht und die Klägerin dadurch insbesondere die notwendigen Maßnahmen zur Wartung des Fahrzeuges nicht durchführen kann, während sie das Fahrzeug bisher gelegentlich auch zu geschäftlichen Zwecken anfordern konnte. Was die Frage der Dauer des Gebrauches betrifft, so gilt die Regel des § 965 ABGB, wonach bei einem Streit darüber der Entlehner das Recht auf den längeren Gebrauch beweisen muß. Das Vorliegen eines bloßen Prekariums hat die Klägerin bisher nicht behauptet.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.