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OGH vom 19.11.2014, 6Ob158/14z

OGH vom 19.11.2014, 6Ob158/14z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** AG, *****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. H***** Privatstiftung, *****, vertreten durch MMag. Wilhelm Gößeringer und Ing. Mag. Andreas Oman, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, 2. H***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. K*****, vertreten durch MMag. Wilhelm Gößeringer und Ing. Mag. Andreas Oman, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, 4. B*****, vertreten durch Berlin Partner Rechtsanwälte in Salzburg, 5. T***** K***** M*****, vertreten durch Dr. Gernot Murko ua, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, 6. J***** K*****, vertreten durch Mag. Martin Stärker, Rechtsanwalt in Wien, 7. Mag. P***** K*****, vertreten durch Dr. Gernot Murko ua, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, 8. Mag. W***** P*****, vertreten durch Bichler Zrzavy Rechtsanwälte GmbH in Wien, 9. Dr. T***** B*****, vertreten durch Dr. Malte Berlin, Rechtsanwalt in Salzburg, 10. Dr. W***** K*****, vertreten durch LANKER OBERGANTSCHNIG Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt am Wörthersee, 11. Mag. Dr. O***** E*****, vertreten durch Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Wien, 12. Dr. S***** G*****, vertreten durch Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Wien, 13. Dr. H***** M*****, vertreten durch Dr. Stefan Löscher, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 2.272.729,62 EUR sA hinsichtlich der erstbeklagten Partei, 20.727.269,35 EUR sA hinsichtlich der zweitbeklagten Partei, 22.454.541,80 EUR sA hinsichtlich der drittbeklagten Partei, 4.545.459,23 EUR sA hinsichtlich der viertbeklagten Partei sowie je 2.000.000 EUR sA hinsichtlich der fünft bis dreizehntbeklagten Partei, dies jeweils solidarisch mit den gegenüber der erst bis viertbeklagten Partei erhobenen Klagebegehren; insgesamt daher 50.000.000 EUR sA und Feststellung, über die „außerordentlichen“ Revisionsrekurse der dritt , fünft und siebentbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 5 R 63/14w 498, womit der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 22 Cg 36/12d 311, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende Aktiengesellschaft, ein Kreditinstitut, verlangt von ihren ehemaligen Aktionären, den erst- bis viertbeklagten Parteien, ua insgesamt 50.000.000 EUR, weil an sie 2008 gesetzwidrig insgesamt Dividenden in dieser Höhe ausbezahlt worden seien. Die fünft bis dreizehntbeklagte Partei seien ehemalige Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats der klagenden Partei, die an dieser gesetzwidrigen Dividendenauszahlung beteiligt gewesen seien und daher (teilweise) mit den erst- bis viertbeklagten Parteien solidarisch hafteten. Die Ansprüche würden auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere auf die §§ 52 und 56 AktG, auf Schadenersatz aus Vertrag und Delikt und hinsichtlich der deliktischen Ansprüche auch auf die einschlägigen Bestimmungen des StGB, insbesondere §§ 146 und 153 StGB, gestützt. Die klagende Partei erstattete in den Schriftsätzen ON 37 und ON 137 und in den damit vorgelegten Anhängen zusätzlich zum Vorbringen in der Klage weiteres Vorbringen.

Die Erst , Zweit , Dritt , Sechst , Acht , Elft , Zwölft und Dreizehntbeklagten wendeten ein, beim Vorbringen der Klägerin in den Schriftsätzen ON 37 und ON 137 zu den Kreditnehmern im Anhang II sowie den Beteiligungen im Anhang III (ON 137) handle es sich um unzulässige Klagsänderungen. Die Neunt und Zehntbeklagten schlossen sich diesem Vorbringen an, stellten aber keine eigenen Anträge. Die Klägerin ändere mit diesem Vorbringen den Klagegrund, weil sie neue rechtserzeugende Tatsachen vorbringe. Wenn auch das Klagebegehren an sich unverändert geblieben sei, sei doch im Gegensatz zur Klage der Sachverhalt, auf den sich die Klägerin stütze, wesentlich erweitert worden, was weit über eine bloße Richtigstellung oder Ergänzung der Angaben in der Klage hinausgehe. Damit sei eine beträchtliche Erhöhung des Prozessaufwands und vor allem eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens verbunden. Die Erst , Zweit , Dritt , Sechst , Acht , Elft , Zwölft und Dreizehntbeklagten stellten deshalb den Antrag, diese Klagsänderung nicht zuzulassen bzw dieses Vorbringen als unzulässig zurückzuweisen.

Die Klägerin brachte dazu vor, bei den Anhängen II und III in den Schriftsätzen ON 37 und ON 137 handle es sich um keine Klagsänderung. In eventu werde jedoch die Zulassung der Klagsänderung beantragt.

Das Erstgericht sprach aus, die Klagsänderung durch das Vorbringen der Klägerin zu den in Anhang II ihrer vorbereitenden Schriftsätze ON 37 und ON 137 genannten weiteren Kreditfällen und den in Anhang III ihres vorbereitenden Schriftsatzes ON 137 angeführten Beteiligungsbewertungen werde zugelassen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass er laute:

„Die auf der Grundlage ihrer Einwendungen nach § 235 Abs 3 ZPO gestellten Anträge der erst , zweit , dritt , sechst , acht , elft , zwölft und dreizehntbeklagten Parteien, das Vorbringen der klagenden Partei zu den im Anhang II ihrer vorbereitenden Schriftsätze vom , ON 37, und vom , ON 137, genannten weiteren Kreditfällen und den im Anhang III ihres vorbereitenden Schriftsatzes vom , ON 137, angeführten Beteiligungsbewertungen, das eine Klagsänderung darstelle, nicht zuzulassen, werden abgewiesen.“

Die erst und drittbeklagten Parteien verwies das Rekursgericht mit ihrem Rekurs auf seine Entscheidung.

In der Begründung führte das Rekursgericht aus, das von der Klägerin in der Folge erstattete Vorbringen zu den weiteren Krediten laut Anhang II mit den Schriftsätzen ON 37 und ON 137 sowie zu den im Anhang III des Schriftsatzes ON 137 angeführten Beteiligungen stelle nur eine Erweiterung der bereits in der Klage vorgebrachten Tatsachen dar, auf die kein anderer rechtlicher Tatbestand anzuwenden sei. Es liege daher eine Klagsänderung iSd § 235 ZPO nicht vor. Selbst wenn eine Klagsänderung vorgelegen wäre, hätte das Erstgericht diese zu Recht zugelassen, weil neues Vorbringen jedenfalls auch noch in der vorbereitenden Tagsatzung nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unzweifelhaft zulässig sei. Bei dem relevanten Stand des Verfahrens es sei die vorbereitende Tagsatzung abgehalten und mit den Beweisaufnahmen noch nicht begonnen worden sei noch nicht abschätzbar, inwieweit der Prozessaufwand durch das Vorbringen der Klägerin tatsächlich erhöht werde oder ob überhaupt eine Verfahrensverzögerung zu besorgen sei, weil diese Fragen zweifellos dem vom Gericht bestellten Sachverständigen vorgelegt werden müssten. Auch ob tatsächlich alle genannten Kreditverhältnisse und Beteiligungen geprüft werden müssten, stehe im Übrigen nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens noch keineswegs fest. Selbst wenn aber der Klagegrund hier weit zu fassen sei, unterliege die Klägerin dennoch der Prozessförderungspflicht nach § 178 Abs 2 ZPO und den in § 179 ZPO vorgesehenen Präklusionsfolgen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil die Auslegung des Prozessvorbringens zum geltend gemachten Klagegrund nur nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen sei und in diesem Zusammenhang Rechtsfragen erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zu entscheiden gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die „außerordentlichen“ Revisionsrekurse der dritt-, fünft- und siebentbeklagten Parteien sind absolut unzulässig.

Hat das Berufungsgericht im angefochtenen Urteil die implicite ausgesprochene Zulassung der „Klageänderung“ mit der Begründung gebilligt, dass überhaupt keine Klageänderung vorliege, selbst bei gegenteiliger Auffassung aber eine solche gemäß § 235 Abs 3 ZPO zuzulassen gewesen wäre, und spricht es auf diese Weise über das Vorliegen und die Zulässigkeit einer Klageänderung ab, dann entfaltet es damit in Wahrheit eine rekursgerichtliche Tätigkeit. Ein Revisionsrekurs ist daher gemäß § 528 Abs 1 Satz 1 Z 1 ZPO (jetzt: § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, vgl 1 Ob 535/93; 3 Ob 214/09f) als unzulässig zurückzuweisen (4 Ob 575/76 = RIS Justiz RS0039273; vgl auch RS0039253).

Im vorliegenden Fall kann nichts anderes gelten: Hier haben die Vorinstanzen anders als in der oben zitierten Entscheidung richtig in Beschlussform und das Gericht zweiter Instanz richtig als Rekursgericht entschieden. Im Übrigen unterscheidet sich aber die zitierte Rechtsprechung vom vorliegenden Sachverhalt in keiner Weise, weshalb auch im vorliegenden Fall der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig ist.

Überdies ist der Vollständigkeit halber Folgendes auszuführen: Die Rechtsmittelwerber behaupten, aus der Zulassung des weiteren, nicht schon in der Klage erstatteten Vorbringens ergebe sich eine unbillige Erschwerung und Verzögerung des Verfahrens iSd § 235 Abs 3 ZPO; bei Nichtzulassung des neuen Vorbringens seien nämlich keine Folgeprozesse zu erwarten, weil die später erhobenen, auf § 56 AktG gestützten Klageansprüche mittlerweile gemäß der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 56 Abs 4 AktG bereits verjährt seien.

Dem ist wie folgt zu entgegnen:

Darüber, ob das in den Schriftsätzen ON 37 und ON 137 samt Anhängen erstattete weitere Vorbringen tatsächlich eine Klagsänderung oder nur eine Erläuterung und Ergänzung der bisherigen tatsächlichen Angaben darstellt (und wann daher allfällige Verjährungsfristen zu laufen beginnen, vgl RIS Justiz RS0034759), ist erst im Rahmen der Entscheidung über die Klage abzusprechen. Dass das Erstgericht in seinem Beschluss das Vorbringen als zulässige Klagsänderung behandelt hat (aber auch dass das Rekursgericht dieses Vorbringen zugelassen, aber nicht als Klagsänderung qualifiziert hat), hat für die Entscheidung in der Hauptsache keine bindende Wirkung (4 Ob 157/85, 4 Ob 158/85).

Mag auch unter Umständen mittlerweile die fünfjährige Verjährungsfrist des § 56 Abs 4 AktG abgelaufen sein, so wird doch in der Lehre vertreten, dass der auf § 56 AktG gestützte Rückgewähranspruch der Gesellschaft mit Ansprüchen nach allgemeinem Bereicherungsrecht (die grundsätzlich in 30 Jahren verjähren), aber auch mit Schadenersatzansprüchen konkurrieren (siehe nur Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss , AktG 2 [2012], § 56 Rz 22 mwN; vgl zur GmbH RIS Justiz RS0128167; RS0112302 [T1]). Eine abschließende Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zu diesen Fragen ist hier aber nicht erforderlich.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00158.14Z.1119.000