OGH vom 29.06.2011, 7Ob248/10m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin S***** F*****, vertreten durch Widter Mayrhauser Wolf Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen den Antragsgegner R***** F*****, vertreten durch Dr. Katharina Majchrzak, Rechtsanwältin in Wien, wegen Bestellung eines Heiratsguts (Ausstattung), über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 425/10h 14, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 3 Fam 62/09b 10, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners. Sie hat am geheiratet und begehrte vom Antragsgegner zuletzt (nach Einschränkung des Begehrens) einen Ausstattungsbetrag (§ 1220 ABGB) von „zumindest“ 4.000 EUR. Vater und Tochter hatten zuvor über 25 Jahre lang keinen Kontakt gehabt. Die Antragstellerin erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von 1.663,75 EUR. Sie hat im Jahr 2006 zur Anschaffung einer Genossenschaftswohnung einen Kredit über 40.000 EUR aufgenommen, den sie in monatlichen Raten à 296 EUR zurückzahlt. Mit einem von ihr angeschafften Leasingfahrzeug fährt sie zur Arbeit. Der Antragsgegner bezog als Angestellter eines Wettbüros monatlich netto 1.130 EUR; er erhielt keine Sonderzahlungen. Im Jahr 2008 betrugen seine steuerpflichtigen Bruttobezüge 11.867,80 EUR. Per wies sein Konto einen negativen Saldo von 1.810,88 EUR auf. Seit ist der 1951 geborene Antragsgegner arbeitslos. Er ist für seine bei ihm wohnende 17-jährige Tochter J***** F***** sorgepflichtig. Für die von dieser Tochter besuchte Hotelfachschule ist ein monatliches Schulgeld von 150 EUR zuzüglich Verpflegungskosten von 80 EUR zu bezahlen.
Ausgehend von diesem von ihm festgestellten Sachverhalt wies das Erstgericht den Antrag der Antragstellerin ab. Da der Antragsgegner über kein Vermögen verfüge, die Antragstellerin ausreichend und beträchtlich mehr als er verdiene, seien die Voraussetzungen für einen Ausstattungsanspruch nicht gegeben.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Auch wenn man ein von der Antragstellerin behauptetes monatliches Durchschnittsnettoeinkommen des Antragsgegners von 1.318 EUR zugrunde lege, ändere dies nichts daran, dass das Einkommen der Antragstellerin jenes des Antragsgegners beträchtlich übersteige. Zu berücksichtigen sei insbesondere auch die Sorgepflicht des Antragsgegners für die minderjährige Tochter J***** und dass der Antragsgegner seit arbeitslos sei. Der Ansicht des Erstgerichts, nach den finanziellen Verhältnissen der Streitteile bestehe kein Ausstattungsanspruch der Antragstellerin, sei beizutreten.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Ausstattung im Sinn der §§ 1220 ff ABGB in der Fassung des FamRÄG 2009 vorliege.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Antrag auf Übergabe einer Ausstattung im Betrag von zumindest 4.000 EUR Folge gegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Antragsgegner beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung das Rechtsmittel der Antragstellerin entweder zurückzuweisen oder ihm keine Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Der vom Rekursgericht angenommene Zulassungsgrund fehlender oberstgerichtlicher Judikatur zu den §§ 1220 ff ABGB idF des FamRÄG 2009 liegt nicht vor, weil die Bestimmungen des FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75 erst auf Fälle mit Eheschließung ab anzuwenden sind (Art 18 § 2 leg cit). Da die Antragstellerin bereits am geheiratet hat, gelten die Bestimmungen des FamRÄG 2009 im vorliegenden Fall noch nicht (im Folgenden wird der von der Antragstellerin gebrauchte Begriff „Ausstattung“ anstelle der Diktion des anzuwendenden § 1220 ABGB aF „Heiratsgut“ verwendet). Im Übrigen wurde der Ausstattungsanspruch der Kinder durch das FamRÄG 2009 lediglich - unter Aufhebung des bis dahin in Geltung gestandenen § 1231 ABGB - geschlechtsneutral geregelt. Die Voraussetzungen des Anspruchs blieben dieselben, sodass auf die bisherige Judikatur zurückgegriffen werden kann (7 Ob 137/10p, Zak 2010/667, 391 = iFamZ 2011/6, 15; 2 Ob 57/10m, Zak 2011/176, 99).
Zweck des stets im Außerstreitverfahren durchzusetzenden (RIS Justiz RS0022224) Ausstattungsanspruchs nach § 1220 ABGB ist eine angemessene Starthilfe bei der Gründung einer eigenen Familie durch das Kind (RIS Justiz RS0022248). Voraussetzungen für den Anspruch auf Heiratsgut sind nach ständiger Rechtsprechung insbesondere der Bedarf nach ausreichender Wohnversorgung und die für die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen fehlende oder unzureichende Leistungsfähigkeit des Kindes mangels Vermögens oder ausreichenden Einkommens (vgl Schwimann in Schwimann , ABGB TaKomm, §§ 1220 bis 1223 Rz 3 mwN). Mit der Leistung eines Ausstattungsbetrags erfüllen die Eltern letztmals eine Unterhaltsverpflichtung (1 Ob 61/03g mwN; RIS Justiz RS0022246). Der Anspruch auf Bestellung einer Ausstattung ist daher seiner Rechtsnatur nach im weitesten Sinn ein Unterhaltsanspruch und unterliegt - mit gewissen Einschränkungen - unterhaltsrechtlichen Grundsätzen (RIS Justiz RS0022246; 2 Ob 57/10m mwN). Die Kinder sollen durch die Befriedigung der mit der ersten Heirat verbundenen Bedürfnisse noch einmal angemessen an den Lebensverhältnissen ihrer Eltern (des Ausstattungspflichtigen) teilnehmen können (1 Ob 4/03z mwN ua). Vermögen im Sinn des § 1220 ABGB ist auch das Einkommen des Ausstattungspflichtigen, wenn dieses ohne Gefährdung seines eigenen Unterhalts und des Unterhalts derjenigen Personen, für die er unterhaltspflichtig ist, entsprechende Ersparnisse und die Ansammlung entsprechenden Kapitals ermöglicht (1 Ob 4/03z mwN ua).
Besitzen, wie im vorliegenden Fall, weder Antragsteller noch Antragsgegner nennenswertes Vermögen, hängt Bestehen und Höhe eines Anspruchs auf Ausstattung nach § 1220 ABGB von den Einkommensverhältnissen der betreffenden Personen im konkreten Einzelfall ab. Zufolge dieser Einzelfallbezogenheit stellt diese Frage keine erhebliche Rechtsfrage (§ 62 Abs 1 AußStrG) dar, es sei denn, dem Rekursgericht wäre eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Davon kann, ausgehend von den von der Rechtsprechung entwickelten, eben wiedergegebenen Grundsätzen, im vorliegenden Fall keine Rede sein: Zutreffend haben die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass sich die Antragstellerin in wesentlich besseren finanziellen Verhältnissen befindet als der Antragsgegner, der (auch schon) zum Zeitpunkt der Eheschließung angesichts der ihn treffenden Sorgepflicht bei gebotener sparsamer Lebensführung mit seinem erzielten Einkommen lediglich seine eigenen Bedürfnisse befriedigen konnte, nicht aber in der Lage war, Ersparnisse für eine Ausstattung der Antragstellerin anzusammeln.
Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin weicht die angefochtene Entscheidung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab. Die im Revisionsrekurs erwähnten Entscheidungen 2 Ob 658/84, 3 Ob 557/84 und 6 Ob 154/01t sind mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Auch dass ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht zu entscheiden war, vermag entgegen der Ansicht der Antragstellerin eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu begründen (2 Ob 210/09k mwN). Mangels einer solchen ist der Revisionsrekurs der Antragstellerin unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Der Antragsgegner hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Antragstellerin hingewiesen.