OGH vom 22.03.1977, 4Ob21/77
Norm
Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz § 4 Abs 1;
Entgeltfortzahlungsgesetz § 3 Abs 2;
Entgeltfortzahlungsgesetz § 3 Abs 3;
Kopf
SZ 50/44
Spruch
Nach § EFZG geht ein allgemeiner Arbeitsausfall, der alle Dienstnehmer eines Betriebes oder einen Teil von ihnen betrifft, der Arbeitsverhinderung des einzelnen Dienstnehmers durch Krankheit oder Unglücksfall vor; daher ist zu untersuchen, ob der wegen Krankheit an der Arbeitsleistung verhinderte Bauarbeiter ohne diese Krankheit gearbeitet oder aber - wie die anderen Angehörigen seiner Arbeitspartie - Schlechtwetterentschädigung bezogen hätte
(LGZ Wien 44 Cg 115/76; ArbG Wien 2 Cr 126/76)
Text
Der Kläger war vom bis bei der beklagten Partei als Maurer beschäftigt. Ab war er im Krankenstand. Für die ersten drei Wochen seines Krankenstandes (5. Jänner bis ) wurde ihm das Entgelt gemäß dem Entgeltfortzahlungsgesetz auf der Grundlage des vollen Stundenlohnes (einschließlich einer Prämie) bezahlt. Für die vierte Woche (26. bis ) erhielt der Kläger das Entgelt nur für 9 Stunden auf der Grundlage des vollen Stundenlohnes (einschließlich Prämie), während es ihm für 31 Stunden nur in der Höhe der Schlechtwetterentschädigung für Bauarbeiter gezahlt wurde; dieses Entgelt war für die angeführten 31 Stunden um 775.33 S niedriger, als das Entgelt auf der Grundlage des vollen Stundenlohnes gewesen wäre.
Der Kläger begehrt die Zahlung dieses Betrages und die Feststellung, daß er für den Krankenstand vom 26. Jänner bis Anspruch auf das regelmäßige Entgelt der letzten 13 Wochen ohne Rücksicht auf Schlechtwetterzeiten im Krankenstand habe.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung dieser Begehren, weil der Kläger nach den Bestimmungen des EFZG im Krankenstand nur auf jenes Entgelt Anspruch gehabt habe, das er bei Arbeitsfähigkeit verdient hätte. Das sei aber für die angeführten 31 Stunden nur die Schlechtwetterentschädigung für Bauarbeiter gewesen. Außer Streit gestellt wurde, daß der Kläger während seines Krankenstandes jener Arbeitspartie angehörte, die Schlechtwetterentschädigung bezog.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, da sich der Entgeltanspruch des Dienstnehmers nach dem EFZG nach dem "regelmäßigen" Entgelt bestimme und Schlechtwetter nicht die Regel, sondern die Ausnahme sei.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens verneinte es ein rechtliches Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung, weil er damit nicht mehr erreichen könne als mit dem Leistungsbegehren. Zu diesem vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß nach § 3 Abs. 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes unter dem "regelmäßigen" Entgelt, das dem Dienstnehmer bei Arbeitsverhinderung durch Krankheit gebühre, jenes zu verstehen sei, das ihm ohne die Arbeitsverhinderung zu zahlen gewesen wäre. Da außer Streit stehe, daß der Kläger ohne die Arbeitsverhinderung im strittigen Zeitraum Schlechtwetterentschädigung bezogen hätte, gebühre ihm das Entgelt für die Arbeitsverhinderung nur in deren Höhe. Es sei daher auch das Leistungsbegehren abzuweisen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger macht zunächst geltend, daß hinsichtlich des Feststellungsbegehrens ein rechtliches Interesse im Sinn des § 228 ZPO anzunehmen gewesen wäre, weil dieses Begehren geeignet gewesen sei, klarzustellen, in welcher Art in ähnlichen Fällen Krankenentgelt zu leisten sei. Damit verkennt der Kläger aber das Wesen und den Umfang der Rechtskraftwirkung eines Urteils, das nur hinsichtlich des Anspruches, über den entschieden wurde, und grundsätzlich nur zwischen den Parteien verbindlich ist. Für ähnliche Fälle mag es eine praktische Wirkung haben; eine rechtliche Bindung, die ein Feststellungsinteresse rechtfertigen könnte, tritt aber nicht ein. Der Kläger übersieht offenbar, daß auch das gestellte Feststellungsbegehren nur auf den Zeitraum abgestellt war, für den die Leistung bereits verlangt wurde, und daß das Feststellungsbegehren somit keine über die Entscheidung hinsichtlich des gestellten Leistungsbegehrens hinausgehende Wirkung haben konnte. Dies wäre für die Parteien auch deswegen nicht mehr möglich, weil das Dienstverhältnis schon beendet ist und daher Ansprüche des Klägers nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz wegen Arbeitsverhinderung gegenüber der beklagten Partei auf Grund dieses Dienstverhältnisses nicht mehr entstehen können. Die Abweisung des Feststellungsbegehrens erfolgte daher bereits aus diesem Gründe zu Recht.
Zum Leistungsbegehren gibt der Kläger als richtig zu, daß sich die Höhe des fortzuzahlenden Entgeltes im Sinn des EFZG nach dem Entgelt richtet, das dem Dienstnehmer ohne die Arbeitsverhinderung zugestanden wäre. Der Kläger meint aber, die Schlechtwetterentschädigung sei einem "regelmäßigen Entgelt" nicht gleichzusetzen. Der Arbeitnehmer sei nämlich verpflichtet, bei Schlechtwetter ohne Schmälerung seines Entgeltes eine andere ihm zumutbare Arbeit im Betrieb zu verrichten.
Der Dienstgeber hätte es daher bei der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung in der Hand, durch "Anordnung von Schlechtwetter" die Berechnung des Krankenentgeltes zu beeinflussen.
Es hätte untersucht werden müsse, was die Arbeitspartie des Klägers während seines Krankenstandes - und auch früher bei Schlechtwetter - tatsächlich gemacht habe. Da Schlechtwetter nicht die Regel, sondern die Ausnahme sei, müsse das Krankenentgelt nach dem Durchschnitt der letzten Wochen berechnet werden.
Gegenüber diesen Ausführungen ist aber darauf zu verweisen, daß das Berufungsgericht zutreffend von der Außerstreitstellung ausgegangen ist, wonach "der Kläger im fraglichen Zeitraum jener Arbeitspartie angehört hatte, die damals Schlechtwetterentgelt bezog". Diese Außerstreitstellung besagt bei ungezwungener Auslegung klar, daß der Kläger ohne die Arbeitsverhinderung durch Krankheit auch nur Schlechtwetterentschädigung im Sinne des § 4 Abs. 1 Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz (BGBl. 129/1957) und nicht den vollen Lohn erhalten hätte. Daraus folgt aber, daß dem Kläger bei Arbeitsverhinderung für diese Zeit ein Entgelt nur in der Höhe der Schlechtwetterentschädigung zusteht.
Nach § 3 Abs. 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. 399/1974, bemißt sich nämlich der Anspruch, der einem Arbeitnehmer im Falle einer Arbeitsverhinderung nach diesem Gesetz zusteht, dann, wenn der Arbeitnehmer - wie der Kläger - nach Stunden entlohnt wird, nach dem "regelmäßigen" Entgelt. Dieser Begriff wird in Abs. 3 des § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes ausdrücklich dahin erläutert, daß als "regelmäßiges" Entgelt jenes gilt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Unter "Arbeitsverhinderung" im Sinne dieser Gesetzesstelle kann aber nur jene verstanden werden, welche den Anspruch des betreffenden Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung nach diesem Gesetz auslöst. Es ist daher der Auffassung zuzustimmen, daß ein "allgemeiner" Arbeitsausfall, der alle Dienstnehmer des Betriebes oder einen Teil davon ohne Rücksicht auf eine Krankheit (oder einen Unglücksfall) des einzelnen Arbeitnehmers betrifft, der Arbeitsverhinderung des einzelnen Dienstnehmers durch Krankheit oder Unglücksfall vorgeht und zu untersuchen ist, ob der wegen Krankheit an der Arbeit verhinderte Arbeitnehmer ohne diese Krankheit gearbeitet oder Schlechtwetterentschädigung bezogen hätte (Basalka im Kommentar zum EFZG, 86). Darauf, ob Schlechtwetter die Regel oder die Ausnahme ist, kommt es nach der angeführten Bestimmung des § 3 Abs. 3 EFZG nicht an; wesentlich ist nur, welches Entgelt der Arbeitnehmer ohne die durch seine Krankheit (oder den Unglücksfall) eingetretene Arbeitsverhinderung erhalten hätte. Da die Arbeitnehmer jener Arbeitspartie, welcher der Kläger angehörte, während der fraglichen Zeit nur Schlechtwetterentschädigung erhielten und daher auch der Kläger ohne seine Krankheit nur eine Schlechtwetterentschädigung erhalten hätte, wurde ihm das Entgelt nach dem EFZG mit Recht nur in dieser Höhe ausgezahlt. Daß für die Arbeitspartie, welcher der Kläger angehörte, deswegen "Schlechtwetter angeordnet" worden sei, um den Anspruch des Klägers zu schmälern, wurde weder behauptet noch erwiesen; die Ausführungen der Revision über eine solche Möglichkeit sind daher bei dem tatsächlich gegebenen Sachverhalt nicht erheblich. Das Klagebegehren des Klägers wurde vielmehr vom Berufungsgericht abgewiesen.