OGH vom 19.01.2011, 7Ob242/10d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Reinold, Rechtsanwalt in Wien, wegen Teilkündigung, über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 39 R 249/10x 20, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine Teilkündigung von Nebenflächen (etwa wie hier eine Dachterrasse) entweder einen Kündigungsgrund nach § 30 MRG oder dringenden Eigenbedarf des Vermieters im Sinn des § 31 Abs 1 MRG voraus (RIS Justiz RS0070833). Davon geht auch die Revisionswerberin aus. Sie meint, es liege eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor, weil zur Frage, ob auch eine juristische Person Eigenbedarf an einer Nebenfläche geltend machen könne, noch keine oberstgerichtliche Judikatur existiere. Unter welchen Voraussetzungen der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs von juristischen Personen geltend gemacht werden kann, hat der Oberste Gerichtshof aber bereits klargestellt (RIS Justiz RS0067746; vgl auch RS0068576). Danach muss die juristische Person die von ihr vermieteten Räume zur Erfüllung ihrer Zwecke dringend benötigen. Weiters muss die unabweisliche Notwendigkeit bestehen, den derzeitigen Zustand sobald als möglich zu beheben und dass dies nur durch Aufkündigung des Bestandverhältnisses erreicht werden kann. Dabei muss es sich aber um einen Bedarf der juristischen Person selbst handeln. So begründet etwa die Unterbringung von Bediensteten, die sonst über keine Wohnmöglichkeiten verfügen, keinen Eigenbedarf der juristischen Person (10 Ob 2428/96y, SZ 70/25 = RIS Justiz RS0067746 [T1]).
Dass diese Voraussetzungen auch bei einer Teilkündigung von Nebenflächen vorhanden sein müssen, liegt auf der Hand. Da sich die von der Revisionswerberin für erheblich erachtete Rechtsfrage demnach durch Anwendung bestehender Rechtsprechung klären lässt, ist diese Frage grundsätzlich nicht revisibel (vgl RIS Justiz RS0118640). Zulässig wäre das außerordentliche Rechtsmittel der Klägerin daher nur dann, wenn dem Gericht zweiter Instanz eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Dies ist nicht der Fall:
Die Ansicht des Rekursgerichts, Eigenbedarf der Klägerin scheide schon deshalb aus, weil diese die Terrasse nicht für sich selbst, sondern für die Errichtung einer weiteren Mietwohnung benötige, steht mit den von der Judikatur entwickelten, zitierten Rechtssätzen in Einklang. Dass Eigenbedarf für den Betrieb der juristischen Person als Vermieterin selbst gegeben sein muss, hat entgegen der Ansicht der Revisionswerberin auch für eine „als Wohnbauträgerin etablierte“ Gesellschaft zu gelten. Ansonsten könnte eine solche Gesellschaft stets ohne weiteres vermietete Nebenflächen für Um oder Ausbauten zwecks Schaffung neuer Wohn- oder Geschäftsräume mit der Behauptung eines Eigenbedarfs beanspruchen. Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang die Vornahme einer Interessenabwägung fordert, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine Interessenabwägung nach ständiger Rechtsprechung erst dann zu erfolgen hat, wenn der Eigenbedarf und seine Dringlichkeit bejaht wurden (RIS Justiz RS0070482).
Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Verkennung der Rechtslage kann entgegen der Ansicht der Revisionswerberin auch nicht darin erblickt werden, dass das Berufungsgericht das Vorliegen des weiters noch geltend gemachten Kündigungsgrundes des erheblich nachteiligen Gebrauchs nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG ebenfalls verneint hat. Dieser Kündigungsgrund ist nach herrschender Meinung gegeben, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen wichtige Interessen des Vermieters verletzt werden oder eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (RIS Justiz RS0067832 und RS0068076; Würth / Zingher / Kovanyi , Miet und Wohnrecht I 23 § 30 MRG Rz 17 mwN). Ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch in diesem Sinn anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0021018; RS0068103).
Die Revisionswerberin hält diesen Kündigungsgrund weiterhin für gegeben, weil die Beklagte ihre vertraglich übernommene Pflicht zur Instandhaltung der Dachterrasse dadurch verletzt habe, dass sie sich nach Wassereinbrüchen nicht an den Reparaturkosten beteiligt habe. Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigt allerdings nicht jede gesetz oder vertragswidrige Verwendung des Bestandgegenstands durch den Mieter (oder jedes sonstige vertragswidrige Verhalten des Mieters im aufgezeigten Sinn) die Aufkündigung aus diesem Grund; der Vermieter hat vielmehr in erster Linie bloß das Recht, die Unterlassung der unzulässigen Benützung (oder des vertragswidrigen Verhaltens) zu begehren (1 Ob 117/00p mwN). Im vorliegenden Fall hat es die Klägerin verabsäumt, ein ihrer Ansicht nach vereinbartes Verhalten der Beklagten (die Tragung zumindest eines Teils der Reparaturkosten, wozu die Klägerin die Beklagte im Jahr 2001, also acht Jahre vor Einbringung der Aufkündigung aufgefordert hat) allenfalls auch klagsweise - durchzusetzen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, auch dieser Kündigungsgrund sei nicht verwirklicht, ist unter den festgestellten Umständen vertretbar. Eine im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Bestandverhältnisses (vgl RIS Justiz RS0113693) liegt auch insoweit nicht vor.
Insgesamt vermag die Klägerin sohin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen. Dies bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.