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OGH vom 19.02.2004, 6Ob151/03d

OGH vom 19.02.2004, 6Ob151/03d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, Kroatien, vertreten durch Dorda Brugger & Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei L*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Hausmaninger Herbst Rechtsanwälte-Gesellschaft mbH in Wien, wegen 299.081,60 US-Dollar, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 2 R 197/02h-14, mit dem der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 18 Cg 222/01p-10, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin (mit Sitz in Kroatien) erzeugt Kunstharze und andere Chemikalien. Sie schloss mit der Beklagten (mit Sitz in Wien) zwei Verträge über den Vertrieb ihrer Produkte in der Ukraine. Beide Verträge enthalten jeweils Schiedsgerichtsklauseln. Die Klägerin begehrte den Kaufpreis ihrer Warenlieferungen an die Beklagte von insgesamt 299.081,60 US-Dollar. Zur Zuständigkeit des Erstgerichtes berief sie sich auf die §§ 65, 66 und 99 JN und behauptete, dass die Schiedsklauseln ungültig seien. Zugleich erklärte sie den Rücktritt von den "ohnehin unwirksamen" Schiedsgerichtsvereinbarungen.

Das Erstgericht wies die Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ab, weil die Schiedsgerichtsklauseln auch bei ihrer Auslegung nach dem hier anzuwendenden schweizerischen Recht undeutlich seien und ein Dissens zwischen den Parteien bestanden habe, sodass die Schiedsgerichtsvereinbarung nicht wirksam zustande gekommen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob den Beschluss des Erstgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede nach Verfahrensergänzung auf. Die Schiedsgerichtsklausel umfasse auch Streitigkeiten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses der Streitteile. Die Aufkündigung durch die Beklagte sei unwirksam. Nach dem anzuwendenden schweizerischen Recht sei bei Beurteilung eines Vertrages der übereinstimmende wirkliche Wille der Parteien und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten (Artikel 18 Schweizerisches Obligationenrecht). Die Parteien hätten sich hiezu auf ihre Einvernahme berufen, die vom Erstgericht jedoch unterlassen worden sei. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren den wahren Willen der Parteien zu erforschen und nach schweizerischem Recht neuerlich zu prüfen haben, ob Dissens vorliege oder ob die Parteien nicht ohnedies von denselben Vorstellungen über die in den Verträgen genannten Schiedsgerichte ausgegangen seien. Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung von Schiedsklauseln und damit zusammenhängenden Zuständigkeitsfragen nach schweizerischem Recht fehle.

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist jedoch entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 bzw § 526 Abs 2 ZPO nicht bindenden Ausspruch mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 528 Abs 1 ZPO unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsfrage, nach welchem Recht bei einer Auslandsbeziehung die Gültigkeit oder Ungültigkeit eines Schiedsvertrages wegen Unbestimmtheit zu beurteilen ist, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits dahin beantwortet, dass mangels anderer Parteienvereinbarung das Recht des Landes maßgebend ist, in welchem der Schiedsspruch zu fällen ist (8 Ob 233/71 = JBl 1974, 629; 2 Ob 566/94 = RdW 1995, 99). Dass hier demnach schweizerisches Recht zur Anwendung kommt, ist im Übrigen zwischen den Parteien gar nicht strittig. Beide Streitteile haben sich selbst insoweit auf dieses Recht berufen. Die Ansicht des Rekursgerichtes, dass die Schiedsgerichtsklauseln, die eine Zuständigkeit der Schiedsgerichte für alle Streitigkeiten aus den jeweiligen Verträgen vorsehen, mangels anderer Anhaltspunkte über die Geltungsdauer des materiellen Vertrages hinauswirken und nicht durch einseitige Erklärung grundlos aufgekündigt werden können, entspricht ebenfalls der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (2 Ob 566/94 mwN).

Wenn sich eine Partei bezüglich des Inhaltes ihrer mit der Gegenseite abgeschlossenen Vereinbarung außer auf die Vertragsurkunde auch auf die Einvernahme der Parteien (oder Zeugen) beruft, ist davon auszugehen, dass sie auch behauptet, die Urkunde sei nicht die einzige Erkenntnisquelle des Vertragsinhaltes (RIS-Justiz RS0017842). Die Beklagte hat sich zur Frage der Auslegung und der Wirksamkeit der Schiedsgerichtsklauseln (vgl SZ 70/156; SZ 71/82) auf die Einvernahme der Parteien berufen und zudem ausdrücklich auf telefonische Besprechungen zwischen den Repräsentanten der Streitteile über die Zuständigkeitsfrage im Fall von Streitigkeiten hingewiesen. In der Ansicht des Rekursgerichtes, dass daher zur Erforschung der auch nach schweizerischem Recht bei der Vertragsauslegung primär maßgebenden Parteiabsicht (§ 18 [Schweizerisches] Obligationenrecht) das angebotene Beweismittel der Parteieneinvernahme aufzunehmen und in der Unterlassung dieser Beweisaufnahme der von der Beklagten in ihrem Rekurs gerügte Verfahrensmangel zu erblicken ist, ist eine zu korrigierende Rechtsansicht nicht zu erkennen. Für die Rechtsanwendung des fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich (§ 3 IPRG) fehlt es dem Obersten Gerichtshof an der in § 502 Abs 1 und § 528 Abs 1 ZPO normierten Leitfunktion (6 Ob 666/84 = EvBl 1985/172 [757]). Das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum anzuwendenden ausländischen Sachrecht begründet keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn dieser Bestimmungen (1 Ob 215/98v). Dass das fremde Recht vom Rekursgericht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich dieses Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden wäre (vgl 8 Ob 64/99s), zeigt der Revisionsrekurs nicht auf. Die Entscheidungsbegründung des Rekursgerichtes steht auch nicht mit dem Vorbringen der Parteien zum schweizerischen Recht betreffend Vertragsgrundsätze im Allgemeinen und Schiedsgerichtsvereinbarungen im Besonderen in Widerspruch. Dem in Artikel 178 Abs 1 des schweizerischen IPRG und in Artikel II. des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, BGBl 1961/200 (vgl 8 Ob 233/71) für Schiedsgerichtsvereinbarungen normierten Formgebot (Schriftlichkeit) wurde entsprochen. Den Vereinbarungen lässt sich auch entnehmen, dass der Sitz des Schiedsgerichtes in der Schweiz liegen soll (Zürich bzw Genf), sodass zumindest nach dem Vertragstext die Voraussetzung des Art 176 IPRG zur Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzes über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit (12. Kapitel, Art 176 ff) gegeben ist (Vischer in Heni/Keller/Siehr/Vischer/Volken, IPRG-Kommentar [1993] Art 176 Rz 4; Siehr, Das internationale Privatrecht in der Schweiz [2002], 710).

Ob zur Erforschung des Parteiwillens, auf den bei der Vertragsauslegung abzustellen ist, weitere Beweisaufnahmen erforderlich sind, ist eine vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbare Frage der Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0043414). Hält das Rechtsmittelgericht - ausgehend von einer richtigen Rechtsansicht - die Tatsachengrundlagen noch für ergänzungsbedürftig, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (1 Ob 169/97h). Der vom Rekursgericht erteilte Auftrag zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage, die es als Folge seiner keine erhebliche Rechtsfrage betreffenden Rechtsansicht zur Auslegung der Schiedsgerichtsklauseln für notwendig erachtete, unterliegt nicht der Prüfung des Obersten Gerichtshofes (vgl 7 Ob 63/98k). Der Revisionsrekurs ist daher mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Revisionsrekursbeantwortung enthält keine Ausführungen zur Unzulässigkeit des Revisionsrekurses und war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, sodass die Beklagte die diesbezüglichen Kosten gemäß den §§ 40 und 50 ZPO selbst zu tragen hat.