OGH vom 13.07.2007, 6Ob150/07p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Leon H*****, geboren am *****, vertreten durch den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, 4040 Linz, Hauptstraße 1-5, wider die Antragsgegner 1. Alexander H*****, geboren am *****, unbekannten Aufenthalts, und 2. Michael K*****, geboren am *****, wegen Feststellung der Abstammung, über den Revisionsrekurs des für den Erstantragsgegner bestellten Prozesskurators Dr. Helmut Trenkwalder, Rechtsanwalt, 4020 Linz, Kaisergasse 17, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 501/06m-21, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom , GZ 3 Fam 6/06i-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG). Das Erstgericht bestellte in dem bei ihm anhängigen, auf Antrag gemäß § 163b ABGB des Kindes eingeleiteten Abstammungsverfahren den Revisionsrekurswerber zum Abwesenheitskurator des Erstantragsgegners, der als Ehemann der Mutter des antragstellenden Kindes als dessen Vater gilt.
Über Rekurs des Abwesenheitskurators änderte das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es den Abwesenheitskurator gemäß § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG zum Prozesskurator des Erstantragsgegners bestellte. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Judikatur zur Frage der Zulässigkeit des „Abwesenheitskurators-Prozesskurators nunmehr im Hinblick auf die geänderte Rechtslage nach § 158 ABGB" nicht vorliege. Der gegen diesen Beschluss vom Prozesskurator erhobene Revisionsrekurs ist mangels einer iSd § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Rekursgericht bezeichnete Rechtsfrage stellt sich nicht, liegt doch dem Verfahren kein Antrag auf Feststellung, dass das Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt (§§ 156, 158 ABGB idF FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58), sondern ein Antrag nach § 163b ABGB idF FamErbRÄG 2004 zugrunde. Nach dieser Bestimmung kann das Kind die Feststellung seiner Abstammung auch beantragen, wenn die Vaterschaft eines anderen Mannes bereits feststeht. In einem solchen Fall hat die Feststellung der Abstammung die vom Gericht auszusprechende Wirkung, dass das Kind nicht vom anderen Mann abstammt. Mit diesem „Vätertauschverfahren" kann nur das Kind (oder sein Rechtsnachfolger) unter anderem eine kraft Geburt feststehende (auch eheliche) Vaterschaft (§ 138 Abs 1 Z 1, § 138c Abs 1 ABGB jeweils idF FamErbRÄG 2004) beseitigen und überdies die Feststellung der Vaterschaft eines anderen Mannes erwirken (Hopf in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 163b Rz 1 ff; Schwimann in Schwimann, ABGB³ § 163b Rz 1 ff; Simotta, Das neue Abstammungsrecht, ÖA 2004, 175 [187 f]). Gemäß § 82 Abs 2 AußStrG sind in Verfahren über die Abstammung jedenfalls das Kind, die Person, deren Elternschaft durch das Verfahren begründet, beseitigt oder wieder begründet kann, und der andere Elternteil des Kindes, sofern er einsichts- und urteilsfähig sowie am Leben ist, Parteien. Dazu heißt es in den ErläutRV 224 BlgNR
22. GP 63:
„Im Rahmen der Reform des Verfahrensrechts ist vorzukehren, dass den Personen, die in den Schutzbereich der Art 6 und 8 EMRK fallen, nämlich dem Kind, dessen Abstammung Verfahrensgegenstand ist, dem Elternteil, um dessen Elternschaft es im Verfahren geht, und dem anderen Elternteil - es wird sich in der Regel um die Mutter handeln -, Parteistellung zukommt. Die Frage, welche andere Person neben ihr Elternteil des Kindes ist, berührt zwar nicht ihre rechtlich geschützte Stellung unmittelbar, gibt aber doch eine dem besonders nahe kommende Betroffenheit. Diese Betroffenheit ist freilich eine höchstpersönliche. Daher soll sie nur dann gegeben sein, wenn der „andere" Elternteil noch am Leben ist (keine Parteistellung ihrer Rechtsnachfolger) und wenn er einsichts- und urteilsfähig ist. Rechtliches Gehör soll nämlich hier nur der Mutter selbst, nicht aber ihrem gesetzlichen Vertreter (dies betrifft also - unverheiratete - minderjährige Mütter oder solche, denen ein Sachwalter bestellt worden ist) eingeräumt sein, geht es doch nicht um die Wahrung von Rechten, sondern von intimen Betroffenheiten. Daraus folgt aber auch umgekehrt, dass die Mutter selbst - ihre Einsichts- und Urteilsfähigkeit vorausgesetzt -, nicht aber ihr gesetzlicher Vertreter in das Verfahren einzubeziehen ist."
Partei im Verfahren nach § 163b ABGB ist demnach - neben dem Kind, dem Antragsgegner (dem Mann, dessen Vaterschaft festgestellt werden soll) und der Mutter - auch der Mann, dessen Vaterschaft durch die positive Erledigung des Antrags verdrängt würde.
Der Revisionsrekurswerber macht nur geltend, der in den oben wiedergegebenen Materialien zur Parteistellung des „anderen Elternteils" hervortretende Grundgedanke sei auch auf den bisherigen Vater als Partei im Abstammungsverfahren nach § 163b ABGB übertragbar. Es gehe nämlich im Rahmen seines rechtlichen Gehörs neben der Wahrung eigener rechtlich geschützter Positionen auch um die Wahrnehmung intimer Betroffenheiten. Sowohl die rechtlich geschützte Position als Vater als auch die damit verbundene intime Betroffenheit stellten höchstpersönliche Rechtspositionen dar, die nur vom bisherigen Vater selbst, nicht aber im Weg gesetzlicher Vertreter sinnvoll beurteilt und wahrgenommen werden könnten. In diesem Sinn habe der Oberste Gerichtshof schon bisher ausgesprochen, dass die Bestellung eines Abwesenheitskurators zur Wahrung höchstpersönlicher Rechte nicht zulässig sei.
Mit diesen Ausführungen legt der Rechtsmittelwerber keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage dar:
Für den nach der alten Rechtslage vom unehelichen Kind einzuleitenden Vaterschaftsprozess hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 452/61 (= EvBl 1962/156) erkannt, dass der Prozess gegen einen durch einen Kurator vertretenen abwesenden Beklagten geführt werden kann. Dem ist der vorliegende Fall vergleichbar. Ohne Beteiligung des Mannes, dessen Vaterschaft durch die positive Erledigung des Antrags verdrängt würde, ist das Verfahren nach § 163b ABGB ebenso wie der Vaterschaftsprozess nach früherem Recht nicht durchführbar. Diese Beteiligung dient nicht der Geltendmachung oder Wahrung höchstpersönlicher Rechte des bisherigen Vaters, sondern der Wahrung seines rechtlichen Gehörs im Verfahren, von dessen Ausgang das Statusverhältnis zwischen ihm und dem Kind betroffen sein kann. Schon die durch das KindRÄG 1989 geschaffene Bestimmung des § 164d ABGB legitimiert den jeweiligen „Rechtsnachfolger" von Vater oder Kind zur aktiven wie passiven Parteirolle bei der Vaterschaftsklage (9 Ob 79/99d). Daran hat sich durch die mit dem FamErbRÄG 2004 geschaffene Bestimmung des § 138a Abs 2 ABGB nichts geändert. Unter den „Rechtsnachfolgern" waren und sind nach Rechtsprechung und Lehre die Gesamtrechtsnachfolger, also die Erben zu verstehen. Bis zur Einantwortung ist jedoch der Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers der ruhende Nachlass, nicht aber ein einzelner Erbanwärter (7 Ob 38/06y). Ferner ergibt sich aus § 138b ABGB idF FamErbRÄG 2004 klar, dass ein gesetzlicher Vertreter des bisherigen Vaters dem Verfahren beizuziehen ist. Die Regelung des § 82 Abs 2 AußStrG und die Ausführungen der Materialien zur Einschränkung der Parteistellung der Mutter („des anderen Elternteils") im Abstammungsverfahren sprechen nicht für, sondern gegen den Standpunkt des Revisionsrekurswerbers. Die Einschränkung auf höchstpersönliche Parteirechte betrifft nach der gesetzlichen Anordnung nämlich eben nur den „anderen Elternteil", nicht aber die anderen (dem Kind gegenüberstehenden) Parteien.