OGH vom 27.02.2013, 3Nc3/13s

OGH vom 27.02.2013, 3Nc3/13s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Roch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen J*****, vertreten durch Wetzl Partner Rechtsanwälte GmbH in Steyr, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom , GZ 20 P 4/13w 33, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Sachwalterschaftssache an das Bezirksgericht Salzburg wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.

Text

Begründung:

Das Sachwalterschaftsverfahren war im Hinblick auf den damaligen Wohnort der Betroffenen beim Bezirksgericht Baden anhängig, das nach einer Erstanhörung am einen Rechtsanwalt sowohl zum Verfahrenssachwalter als auch zum einstweiligen Sachwalter (Überprüfung einer Vorsorgevollmacht) bestellte (ON 8). Nachdem die Betroffene einen selbst gewählten Rechtsvertreter bekannt gab und einen (erfolglosen) Rekurs (ON 10) gegen den Beschluss ON 8 erhob, wurde der Verfahrenssachwalter enthoben, gleichzeitig aber sein Wirkungskreis als einstweiliger Sachwalter (auf eigene Anregung) ua zur Erforschung der Einkommens und Vermögensverhältnisse der Betroffenen erweitert (ON 18). Sodann gab die Betroffene bekannt, dass sie ihren Hauptwohnsitz (dauernd) nach Salzburg verlegt habe (ON 25 und 29). Sie bekämpfte auch den Beschluss ON 18 mit Rekurs (ON 23), der dem Rekursgericht allerdings noch nicht vorgelegt wurde.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom (ON 33) übertrug das Bezirksgericht Baden seine Zuständigkeit unter Hinweis auf den neuen ständigen Aufenthalt der Betroffenen an das Bezirksgericht Salzburg und übermittelte den Akt am (ON 40).

Das Bezirksgericht Salzburg lehnte eine Übernahme der Zuständigkeit mit Note vom mit der Begründung ab, das übertragende Gericht und der einstweilige Sachwalter würden über besondere Sachkenntnisse verfügen, weil sie sich bereits eingehend mit der komplizierten Vermögensfeststellung befasst und durch unmittelbare Einvernahme maßgeblicher Personen Kenntnisse über offenkundig widerstreitende Interessen von Angehörigen der Betroffenen erlangt hätten (ON 41).

Das Bezirksgericht Baden legte daraufhin den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor (ON 42). In der Vorlagenote findet sich die unzutreffende Rechtsansicht, der Beschluss ON 18 sei durch die bestätigenden Rechtsmittelentscheidungen (richtig: gegen den Beschluss ON 8) in Rechtskraft erwachsen, und der Hinweis, beim Bezirksgericht Baden sei es in dieser Sachwalterschaftssache zu einem Richterwechsel gekommen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Bezirksgericht Baden verfügte Übertragung der Zuständigkeit ist gerechtfertigt.

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache an jenes Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Betroffenen liegt, wo dieser also seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (vgl RIS Justiz RS0046971). Nach der Aktenlage ist die Betroffene seit Juli 2012 in Salzburg wohnhaft. Da ihr Lebensschwerpunkt nunmehr offenbar im Sprengel des Bezirksgerichts Salzburg liegt, ist dieses am besten geeignet, im Interesse der Betroffenen Maßnahmen zu setzen.

Es kann aufgrund der Aktenlage auch keine Rede davon sein, dass das bisher zuständige Bezirksgericht wegen seiner Tatsachenkenntnisse oder seiner eingehenden Vertrautheit mit den Problemen zur Entscheidung besser geeignet wäre, zumal dort ein Richterwechsel stattgefunden hat; die Übertragung der Zuständigkeit muss auch keineswegs zwingend die Umbestellung eines einstweiligen Sachwalters zur Folge haben. Dass im fortgesetzten Verfahren eine mündliche Verhandlung mit der Betroffenen abzuhalten sein wird (§ 121 AußStrG), spricht gerade dafür, dass die Übertragung der Zuständigkeit an das Wohnsitzgericht der Betroffenen zweckmäßig ist (vgl 5 Nc 18/09f mwN).

Auch der Umstand, dass der Beschluss ON 18 noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, steht der Übertragung nicht entgegen. Da dieser Beschluss nur die Erweiterung des Wirkungskreises des Sachwalters betrifft, hindert die fehlende Rechtskraft die dringend gebotene Fortsetzung des Verfahrens (zB durch Einholung eines Gutachtens) nicht, zumal ein paralleles Vorgehen mit Hilfe einer Aktenkopie leicht möglich ist.