Suchen Hilfe
OGH 15.10.1985, 4Ob513/84

OGH 15.10.1985, 4Ob513/84

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
RS0008824
Die bloße Möglichkeit, daß ein Gesetz ohnehin "verfassungskonform" ausgelegt wird, reicht - wenn auch eine solche Auslegung im Zweifel geboten erscheint - solange nicht aus, Bedenken gegen dessen Verfassungsmäßigkeit zu beseitigen, als auch die "verfassungswidrige" Auslegung bei der Anwendung des Gesetzes in Frage kommt.

(Anrufung des VfGH)
Norm
RS0010825
Es wäre aber dann, wenn sich ein Entschädigungsanspruch bereits aus § 365 ABGB ableiten ließe, auch überflüssig, in späteren Enteignungsgesetzen ausdrücklich einen Entschädigungsanspruch festzulegen.
Norm
RS0010827
Wollte man anerkennen, daß ein Entschädigungsanspruch auch bei Eigentumsbeschränkungen, die eine "materielle Enteignung" bedeuten, aus § 365 ABGB abgeleitet werden kann, dann wären für die Entschädigungspflicht die von der Literatur doch geforderten besonderen Qualifikationen der Eigentumsbeschränkung als Voraussetzung für die Bejahung des Entschädigungsanspruches nicht erforderlich; der Entschädigungsanspruch stünde jedenfalls zu. Die als Qualifikationskriterien angeführten Gesichtspunkte hätten nur Bedeutung für die Frage, ob überhaupt eine "materielle" Enteignung vorliegt. Das spricht wieder dafür, daß diese Frage im Bereich der Enteignung selbst, somit dem des öffentlich-rechtlichen, und nicht als Vorfrage für den dem Privatrecht zugeordneten Entschädigungsanspruch zu prüfen und zu entscheiden ist.
Normen
RS0010828
Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob ein Entschädigungsanspruch der aus einem anderen Gesetz durch Auslegung abgeleitet werden soll, oder die Frage zu prüfen ist, ob die Enteignung oder die Eigentumsbeschränkung ohne Verletzung verfassungsrechtlich gewährter Grundrechte überhaupt in einem einfachen Gesetz vorgesehen werden durfte. Die Prüfung dieser letztangeführten und für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes entscheidenen Frage fällt aber grundsätzlich in die Kompetenz des VfGH. Wollte man sie durch "verfassungskonforme" Auslegung lösen, müßten nicht nur die ordentlichen Gerichte Verfassungsfragen als bloße Vorfragen prüfen, es müßte vielmehr bei durch den ( einfachen ) Gesetzgeber statuierten Enteignungen oder Eigentumsbeschränkungen sein Schweigen in der Entschädigungsfrage verschieden ausgelegt werden, je nachdem, ob in der entschädigungslosen Enteignung oder Eigentumsbeschränkung im konkreten Fall eine Verletzung eines Grundrechtes gesehen wird oder nicht.
Norm
AtomsperrG §1
RS0051426
Da das AtomsperrG nach Inhalt und Zielsetzung nur auf eine Gesellschaft Anwendung finden konnte, bestehen verfassungsrechtliche Bedenken schon in der Richtung, daß es sich dabei um ein verfassungsrechtlich unzulässiges "Maßnahmengesetz" handelt.
Normen
AtomsperrG §1
B - VG Art7
RS0051428
Bedenken bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 1 des AtomsperrG, jedenfalls gegen dessen Satz 2, unter dem Gesichtspunkt des "Sonderopfers".
Normen
AtomsperrG §1
B - VG Art7
RS0051445
Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichverteilung verletzt den Gleichheitsgrundsatz auch dann, wenn der Vorteil der Nichtbelasteten ("nur") darin besteht, daß sie eben zu dieser Last nichts beitragen brauchen. Eine derartige Verletzung des Gleichheitsgebotes im Extrem bedeutet es, wenn die sachlich die Allgemeinheit treffenden Lasten nur einer einzigen (natürlichen oder juristischen) Person zugeordnet werden. Diese Wirkung kommt dem AtomsperrG trotz seiner formal allgemein gehaltenen Fassung zu.
Normen
AtomsperrG §1
B - VG Art7
RS0051449
§ 1 des AtomsperrG ist als verfassungswidrig anzusehen, wenn diese Bestimmung ein "Sonderopfer" statuiert, also die Lasten aus dem intentional der Sicherheit und dem Schutz der Bevölkerung, deren Angst vor Atomkraft bei Verwendung im Megawatt - Bereich es Rechnung trägt (VfGH - Erkenntnis vom , Pkt 2.2.2.4.1.), dienenden Gesetz in unsachlicher Weise einem Einzelnen (oder einer Gruppe) eine weitgehende (in der Wirkung an eine Enteignung heranreichende) Eigentumsbeschränkung auferlegt (siehe dazu Pkt 2.2.2.4.2. am Ende des VfGH - Erkenntnisses vom ), ohne zugleich einen Ausgleich durch Gewährung eines Entschädigungsanspruches festzulegen.
Normen
AtomsperrG §1
B - VG Art140 Abs1
RS0051463
Gemäß Art 140 Abs 1 B - VG wird an den VfGH der Antrag gestellt, den § 1 des Gesetzes vom , BGBl 676/78, über das Verbot der Nutzung der Kernspaltung für die Energieversorgung in Österreich ("AtomsperrG") als verfassungswidrig aufzuheben.
Normen
AtomsperrG §1
B - VG Art7
RS0053478
Bedenken bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 1 des AtomsperrG, jedenfalls gegen dessen Satz 2, unter dem Gesichtspunkt des "Sonderopfers".

(Anrufung des VfGH)
Normen
AtomsperrG §1
B-VG Art7
RS0053489
§ 1 des AtomsperrG ist als verfassungswidrig anzusehen, wenn diese Bestimmung ein "Sonderopfer" statuiert, also die Lasten aus dem intentional der Sicherheit und dem Schutz der Bevölkerung, deren Angst vor Atomkraft bei Verwendung im Megawatt - Bereich es Rechnung trägt (VfGH - Erkenntnis vom , Pkt 2.2.2.4.1.), dienenden Gesetz in unsachlicher Weise einem Einzelnen (oder einer Gruppe) eine weitgehende (in der Wirkung an eine Enteignung heranreichende) Eigentumsbeschränkung auferlegt (siehe dazu Pkt 2.2.2.4.2. am Ende des VfGH - Erkenntnisses vom ), ohne zugleich einen Ausgleich durch Gewährung eines Entschädigungsanspruches festzulegen. (Anrufung des VfGH)
Normen
AtomsperrG §1
B-VG Art7
RS0053495
Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichverteilung verletzt den Gleichheitsgrundsatz auch dann, wenn der Vorteil der Nichtbelasteten ("nur") darin besteht, daß sie eben zu dieser Last nichts beitragen brauchen. Eine derartige Verletzung des Gleichheitsgebotes im Extrem bedeutet es, wenn die sachlich die Allgemeinheit treffenden Lasten nur einer einzigen (natürlichen oder juristischen) Person zugeordnet werden. Diese Wirkung kommt dem AtomsperrG trotz seiner formal allgemein gehaltenen Fassung zu.
Normen
RS0053603
Ein Verbot der Inbetriebnahme von Atomkraftwerken, gegen das der Bauherr eines Kraftwerkes eine verfassungswidrige entschädigungslose Eigentumsbeschränkung behauptet, verletzt weder das Gleichheitsrecht noch das Eigentumsrecht. Das "Atomsperrgesetz" (BGBl 1978/676) ist nicht verfassungswidrig: In ihm ist keine Enteignung, sondern nur eine - den Wesenskern des Grundrechtes auf Eigentum (Art 5 StGG) nicht berührende - Eigentumsbeschränkung enthalten, und diese muß zwar im Allgemeininteresse liegen, aber nicht den Kriterien des "öffentlichen Wohles" genügen. Das Allgemeininteresse im Sinne des Art 1 (2) 1 ZP zur MRK kann etwa aus der manifesten Ablehnung von Atomkraftwerken durch einen Teil der österreichischen Bevölkerung erschlossen werden. Auch in der entschädigungslosen Eigentumsbeschränkung - das Atomsperrgesetz enthält keine Entschädigungsregelung - wird vom VfGH keine Verletzung des Art 5 StGG gesehen. Eine Verletzung des Gleichheitsrechtes (Art 7 B-VG) liegt nicht vor, da sich die - vom Gesetzgeber allein verbotene - Stromerzeugung aus Atomenergie signifikant von anderen Arten der Energieerzeugung und der Verwendung der Atomenergie unterscheidet, so daß ein Verbot nur der Atomstromerzeugung sachlich gerechtfertigt ist.

; Veröff: EuGRZ 1984, 324 ff
Norm
RS0072904
Art 5 StGG hatte aber gerade den Zweck, Enteignungen nur mehr auf Grund (oder durch) besondere Gesetze zuzulassen (siehe VfGH E v , B 206/75, JBl 1981,305 ff (309); auch Pkt 2.2.2.2.).
Norm
AtomsperrG §1
RS0051424
Aus dem AtomsperrG ist die Absicht des Gesetzgebers erkennbar, daß die Betroffene diese Maßnahme ohne Anspruch auf eine Enteignungsentschädigung hinnehmen müsse. Insofern ist der Auffassung zu folgen, daß die durch das AtomsperrG getroffene Regelung "abschließend" sei.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin A B Gesellschaft

m. b.H., 3435 Zwentendorf, vertreten durch DDr.Walter Barfuß, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien, wegen Festsetzung einer Enteignungsentschädigung (S 7,213.998.293,04 s.A.), infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom , GZ R 56/84-22, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Tulln vom , GZ 1 Nc 114/81-14, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1)

Das Revisionsrekursverfahren wird unterbrochen.

2)

Gemäß Art 140 Abs. 1 B-VG wird an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, den § 1 des Gesetzes vom , BGBl 676/78, über das Verbot der Nutzung der Kernspaltung für die Energieversorgung in Österreich ("Atomsperrgesetz") als verfassungswidrig aufzuheben.

Text

Begründung:

A) Die Antragstellerin, A B

Ges.m.b.H. (C) begehrt eine Enteignungsentschädigung unter Berufung darauf, daß Zweck dieser Gesellschaft der Bau und der Betrieb von Gemeinschaftskraftwerksanlagen im Tullnerfeld und die Abgabe der gesamten erzeugten elektrischen Energie an ihre Gesellschafter sei, sie zu diesem Zweck das Kernkraftwerk Zwentendorf bereits technisch fertig errichtet und wegen Erfüllung aller erteilten Auflagen einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Betriebsbewilligung erworben habe, aber wegen des § 1 des Gesetzes vom , BGBl 676/78 über das Verbot der Nutzung der Kernspaltung für die Energieversorgung in Österreich (sogenannt: Atomsperrgesetz) diese Anlagen nicht in Betrieb genommen werden dürfen, sodaß dieses Gesetz eine Enteignung bewirkt habe. Der Antrag wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Tulln vom , 1 Nc 114/81-14, abgewiesen; mit Beschluß des Kreisgerichtes St.Pölten vom , R 56/84-22, wurde dem Antrag dahin stattgegeben, daß ausgesprochen wurde, daß die Antragsgegnerin, R*** Ö***, der Antragstellerin eine angemessene

Schadloshaltung zu leisten habe. Gegen diesen Beschluß erhob die Antragsgegnerin einen Revisionsrekurs, über den der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hat. Dieser hat hiebei insbesondere zu prüfen, ob das Atomsperrgesetz eine einer Enteignung gleichzuhaltende Eigentumsbeschränkung bewirkte, für die eine Entschädigung zu leisten ist. Der Oberste Gerichtshof hat damit das Atomsperrgesetz - unabhängig davon, wie er diese Fragen beantwortet - "anzuwenden". Seine Legitimation zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof auf Überprüfung des § 1 des Atomsperrgesetzes ist daher gegeben (Art. 140 B-VG; siehe auch Pkt. 2.1 des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G 46/82-15).

Rechtliche Beurteilung

B) Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis den Antrag

des Kreisgerichtes St.Pölten auf Aufhebung des § 1 des Atomsperrgesetzes wegen Verfassungswidrigkeit abgewiesen. Er ist hiebei davon ausgegangen, daß eine Enteignung im eigentlichen (engeren) Sinn nicht vorliege, weil das Atomsperrgesetz das Eigentum der Antragstellerin an ihrer Liegenschaft samt Aufbauten an sich unangetastet lasse, vielmehr nur die Inbetriebnahme und damit die künftige wirtschaftliche Nutzung des errichteten Werkes verhindere. Ein Verstoß gegen das durch Art. 5 StGG (in Verbindung mit Art. 149 Abs. 1 B-VG) gewährleistete Grundrecht der Unverletzlichkeit des Eigentums liege daher nicht vor (Pkt. 2.2.2.1 bis 2.2.2.3.); es sei somit auch Art. 1 Abs. 1 des (1.) ZP zur MRK nicht anwendbar (Pkt. 2.2.2.4.1.). Die durch das Atomsperrgesetz verfügte Beschränkung der aus dem Eigentum fließenden Rechte der Antragstellerin gehe auch nicht so weit, daß der gesetzesfeste Wesensgehalt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie verletzt werde, weil das Verbot der Nutzung der Kernspaltung für die volkswirtschaftliche Energieversorgung die weitgespannten Möglichkeiten der Energiegewinnung im Grunde nur partiell einenge (Pkt. 2.2.2.4.2.). Zum Einwand, das Atomsperrgesetz stehe im Widerspruch zu Art. 5 StGG, weil es keine - verfassungsrechtlich grundsätzlich gebotene - Entschädigungspflicht statuiere, verwies der Verfassungsgerichtshof darauf, daß aus dieser Verfassungsnorm eine Entschädigungspflicht für Enteignungen - und so jedenfalls auch für Eigentumsbeschränkungen - nicht ableitbar sei (Pkt. 2.2.2.4.3.). Der Verfassungsgerichtshof verneinte auch den behaupteten Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 B-VG, der darin gesehen wurde, daß eine Ungleichbehandlung der sogenannten Atomkrafterzeugungsanlagen für die Energieversorgung gegenüber jenen für andere Zwecke sachlich nicht gerechtfertigt sei, weil die Atomkraft entweder gefährlich sei oder nicht. Der Verfassungsgerichtshof hielt dem entgegen, daß die offenkundige Annahme, daß sich die typische und derzeit einzig übliche großtechnologische Verwendung der Atomenergie zur volkswirtschaftlichen Energieversorgung allein unter dem Gesichtspunkt der vornehmlich ihr zugemessenen Umweltgefährlichkeit von anderen Verwendungsformen geringeren Umfanges (z.B. zu Versuchs- oder Forschungszwecken) klar unterscheide (Pkt. 2.2.2.4.4.).

C) Offen ließ der Verfassungsgerichtshof die Frage, ob das Atomsperrgesetz deswegen verfassungswidrig sei, weil es unter Statuierung eines "Sonderopfers" (weitgehende Eigentumsbeschränkung eines Einzelnen oder einer Gruppe von Personen bei Vorteilen oder Nutzen für die Allgemeinheit oder auch andere Personengruppen ohne gleichzeitige Festlegung eines Entschädigungsanspruches des Betroffenen) das Gleichbehandlungsgebot des Art. 7 B-VG verletzt. Der Verfassungsgerichtshof verwies dazu ausdrücklich darauf, daß dieser Gesichtspunkt im Antrag des Kreisgerichtes St.Pölten nicht geltend gemacht worden sei und der Verfassungsgerichtshof das Prüfungsverfahren auf die vorgebrachten Bedenken zu beschränken habe (Pkt. 2.2.2.4.3. Abs. 2 und Pkt. 2.2.4.).

D) Aus diesem bisher nicht geltend gemachten und daher nicht

geprüften Gesichtspunkt bestehen aber Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 1 des Atomsperrgesetzes, jedenfalls gegen dessen Satz 2, sodaß ein nochmaliger Überprüfungsantrag geboten erscheint. Dazu ist festzuhalten, daß der Oberste Gerichtshof (der zur Entscheidung über den in dieser Rechtssache erhobenen Revisionsrekurs zuständige 4. Senat; zur Legitimationsfrage:

VfSlg. 3.992/1961 und Fasching, Lehrbuch des ZPR Rz 83) gemäß Art. 89 Abs. 2 B-VG zur Stellung eines solchen Antrages nicht erst dann verpflichtet ist, wenn er von der Verfassungswidrigkeit des anzuwendenden Gesetzes überzeugt ist, ihn diese Verpflichtung vielmehr schon dann trifft, wenn gegen die Verfassungsmäßigkeit Bedenken bestehen ( = JBl. 1981, 423, s. a. Fasching a.a.O.). Diese Bedenken bestehen aber auf Grund folgender Überlegungen:

a) Das Bundesgesetz vom über das Verbot der Nutzung der Kernspaltung für die Energieversorgung in Österreich, BGBl. Nr. 676/1978, lautet:

"§ 1: Anlagen, mit denen zum Zwecke der Energieversorgung elektrische Energie durch Kernspaltung erzeugt werden soll, dürfen in Österreich nicht errichtet werden. Sofern jedoch derartige Anlagen bereits bestehen, dürfen sie nicht in Betrieb genommen werden.

§ 2: Die Vollziehung dieses Bundesgesetzes obliegt der Bundesregierung."

b) Zur sogenannten "Sonderopfer"-Theorie verweist Korinek in seiner Abhandlung "Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Raumplanung", Linz 1977, (S. 35 f), darauf, daß der Verfassungsgerichtshof in den "Wohnsiedlungsgesetz-Erkenntnissen" (VfSlg. 6.884/1972 und 7.234/1973) eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes darin sah, daß Grundstückseigentümer durch einfaches Gesetz zur Abtretung von Grundstücken für Zwecke des Straßenbaues ohne Entschädigung verpflichtet wurden. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, der unter Hinweis auf seine Judikatur davon ausging, daß der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber verbietet, Differenzierungen zu schaffen, die sachlich nicht begründbar sind, war es in diesen Fällen durchaus zu rechtfertigen, daß gerade der Grundstückseigentümer einer bestimmten Liegenschaft zur Abtretung verhalten wurde, es gab aber nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes keine sachliche Begründung dafür, daß die Abtretung ohne Entschädigung erfolgen muß, daß also eine Vermögenseinbuße in unterschiedlichem Umfang (nicht bloß eine Vermögensumschichtung) statuiert wird, sodaß der eine mehr, der andere weniger oder gar kein Vermögen an Gegenwert für die Aufschließungsvorteile hingeben muß. Korinek verweist auch (vor und in Anmerkung 75) darauf, daß der Verfassungsgerichtshof damit einen Gedanken aufgenommen habe, den grundsätzlich schon Zeiller formuliert habe, als er ausführte, daß die öffentlichen Lasten von allen Bürgern verhältnismäßig getragen werden sollen und der Eigentümer mit Recht fordern könne, daß ihm für die Überlassung seines Eigentums eine dem Wert desselben angemessene Schadloshaltung geleistet werde. Schließlich führt Korinek noch aus, daß dieser Gedanke insbesondere in der deutschen und schweizerischen Literatur und Rechtsprechung als "Sonderopfer-Theorie" entwickelt (vor und in Anmerkung 76) und dessen Anwendbarkeit für die österreichische Rechtslage von der jüngeren Lehre postuliert wurde (vor und in Anmerkung 77).

c) Wenngleich - oder gerade weil - in dieser Frage - soweit ersichtlich - noch keine gefestigte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes besteht (vgl. dazu VfSlg. 7.759/1976), lassen seine Ausführungen in den angeführten Entscheidungen und die erwähnten Literaturhinweise wegen der beim Obersten Gerichtshof gegen das anzuwendende Gesetz entstandenen verfassungsrechtlichen Bedenken es geboten erscheinen, diese Frage zur Prüfung im Zusammenhang mit § 1 des Atomsperrgesetzes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Diese Bestimmung ist nach diesen Ausführungen als verfassungswidrig anzusehen, wenn sie ein "Sonderopfer" statuiert, also die Lasten aus dem intentional der Sicherheit und dem Schutz der Bevölkerung, deren Angst vor Atomkraft bei Verwendung im Megawatt-Bereich es Rechnung trägt (VfGH-Erkenntnis vom , Pkt. 2.2.2.4.1.), dienenden Gesetz in unsachlicher Weise einem Einzelnen (oder einer Gruppe) eine weitgehende (in der Wirkung an eine Enteignung heranreichende) Eigentumsbeschränkung auferlegt (siehe dazu Pkt. 2.2.2.4.2. am Ende des VfGH-Erkenntnisses vom ), ohne zugleich einen Ausgleich durch Gewährung eines Entschädigungsanspruches festzulegen (s.a. Spielbüchler in Rummel ABGB Rdz 9 zu § 365).

d) Bei der Beurteilung der Frage, ob das Atomsperrgesetz ein "Sonderopfer" festlegt, ist davon auszugehen, daß nach dem Bericht des Handelsausschusses (1134 Blg NR 14. GP) mit diesem Gesetz dem Ergebnis der Volksabstimmung vom , das ohne Zweifel "als Auftrag zur Nichtinbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf zu werten" sei, Rechnung getragen wurde; die Volksabstimmung erfolgte gemäß BGBl. Nr. 628/1978 über den Gesetzesbeschluß des Nationalrates vom betreffend das "Bundesgesetz vom über die friedliche Nutzung der Kernenergie in Österreich (Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf)". Diese Entstehungsgeschichte und die Begründung des Atomsperrgesetzes sowie der Umstand, daß offenkundig in Österreich außer der Antragstellerin niemand zur Errichtung von Atomkraftwerken befugt war und außer dem von dieser Gesellschaft errichteten Atomkraftwerk Zwentendorf kein weiteres bestand, lassen keinen Zweifel daran, daß durch das Atomsperrgesetz gerade und nur die Antragstellerin und das von ihr errichtete Werk getroffen werden sollten und auch getroffen wurden. Da dieses Gesetz somit nach Inhalt und Zielsetzung nur auf eine Gesellschaft - die Antragstellerin - Anwendung finden konnte, bestehen verfassungsrechtliche Bedenken schon in der Richtung, daß es sich dabei um ein verfassungsrechtlich unzulässiges "Maßnahmengesetz" oder - wie die Antragstellerin (AS 54) behauptet - um ein "Individualgesetz" handelt. Jedenfalls hatte damit die Antragstellerin alle Lasten, welche dieses Gesetz zur Folge hatte, allein zu tragen, während der durch das Gesetz angestrebte und erreichte Nutzen, nämlich die Befriedigung des durch die Angst der Bevölkerung vor der Verwendung von Atomkraft im Megawatt-Bereich ausgelösten Schutz- und Sicherheitsbedürfnisses der Allgemeinheit zugute kam. Es hätte aber dem Gleichheitsgebot entsprochen, daß die durch eine im allgemeinen Interesse gelegene und der Allgemeinheit zugute kommende Maßnahme entstehenden Lasten auch auf die Allgemeinheit (oder den durch eine sachgerechte Differenzierung bestimmten Teil der Allgemeinheit) aufgeteilt würden (vgl. dazu VfSlg. 7.234/1973 unter Punkt II/2). Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichverteilung verletzt den Gleichheitsgrundsatz auch dann, wenn der Vorteil der Nichtbelasteten ("nur") darin besteht, daß sie eben zu dieser Last nichts beitragen brauchen. Eine derartige Verletzung des Gleichheitsgebotes im Extrem bedeutet es, wenn - wie hier - die sachlich die Allgemeinheit treffenden Lasten nur einer einzigen (natürlichen oder juristischen) Person zugeordnet werden. Diese Wirkung kommt dem Atomsperrgesetz trotz seiner formal allgemein gehaltenen Fassung gegenüber der Antragstellerin zu. Die eher theoretische Frage, ob das Atomsperrgesetz auch wegen der Auswirkungen auf andere (künftige) Kernkraftwerkserrichter oder -betreiber verfassungswidrig sein könnte (was wohl zu verneinen wäre), kann unerörtert bleiben, weil die verfassungsrechtlichen Bedenken gerade in die Richtung gehen, daß mit diesem Gesetz seinem Inhalt und der Zielsetzung nach nur die Antragstellerin getroffen werden sollte und dieser allein wegen der Nichtfestlegung eines Entschädigungsanspruches alle daraus entspringenden Lasten ohne ausreichende sachliche Grundlage auferlegt wurden, diese also für einen für die Allgemeinheit angestrebten Nutzen allein aufkommen muß. Zu den Ausführungen im Bericht des Handelsausschusses vom , 1134 Blg NR 14. GP, wonach das Atomsperrgesetz den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt, weil es in den (dem einfachen Gesetzgeber ... zustehenden) rechtspolitischen Spielraum falle, darüber zu befinden, ob Kernkraftwerke für Zwecke der Energieversorgung zulässig sein sollen oder nicht, ist darauf zu verweisen, daß diese Überlegungen darüber nichts besagen, ob ein Verbot der Errichtung und/oder der Inbetriebnahme solcher Anlagen (auch) ohne Entschädigung für davon Betroffene verfassungskonform ist.

e) Die Auffassung, daß bei dieser Sachlage die Beschränkung des Eigentums der Antragstellerin durch das Atomsperrgesetz über das von vielen Gesetzen vorgesehene und von den Betroffenen auch ohne Entschädigung hinzunehmende Maß (z.B. VfSlg. 5.208/1966 [Beschränkung des Auspflanzens von Weinreben], 6.735/1972 und 6.780/1972 [Beschränkungen durch Grundverkehrsgesetze], 7.306/1974 [Beschränkung durch Denkmalschutz] u.a.) hinausgehe, ist durchaus vertretbar (vgl. auch VfGH-Erkenntnis vom , Pkt. 2.2.2.4.2. am Ende). Ob diese Auffassung tatsächlich zutrifft, ist erst und nur durch die Anwendung des Atomsperrgesetzes zu entscheiden. Die Möglichkeit, daß dabei diese Frage bejaht wird, besteht jedenfalls. Um aber das Gesetz (auch nach diesem Kriterium) als verfassungsrechtlich unbedenklich ansehen zu können, müßte eindeutig feststehen, daß sich die Eigentumsbeschränkungen im vom Betroffenen auch ohne Entschädigung hinzunehmenden Rahmen halten, die gegenteilige Auffassung also offenkundig unrichtig und unvertretbar (denkunmöglich) wäre. Die bloße Möglichkeit, daß das Gesetz ohnehin "verfassungskonform" ausgelegt wird, reicht - wenn auch eine solche Auslegung im Zweifel geboten erscheint - solange nicht aus, Bedenken gegen dessen Verfassungsmäßigkeit zu beseitigen, als auch die "verfassungswidrige" Auslegung bei der Anwendung des Gesetzes in Frage kommt. Es ist nicht nur ein Gebot der Rechtssicherheit, sondern auch ein Erfordernis des Verständnisses der Rechtsordnung als umfassende Einheit, daß bei Legalenteignungen Bedenken, ob bei der Erlassung des betreffenden Gesetzes verfassungsmäßige Grundrechte verletzt wurden, nicht von den ordentlichen Gerichten als Vorfrage bei der Entscheidung über ein Entschädigungsbegehren, sondern durch den Verfassungsgerichtshof geprüft und beurteilt werden (vgl. Morscher, JBl. 1981 S. 316, Anderluh, JBl. 1963, S. 611). Dies trägt auch dem Rechnung, daß die Enteignung selbst öffentlich-rechtlichen Charakter hat, während die Entschädigungsfrage privatrechtlich zu beurteilen ist (VfGH

v. , B 206/75, JBl. 1981, S. 313 unter Hinweis auf VfSlg. 8.065/1977).

f) Diese Überlegungen gelten auch bei der Beurteilung des Umstandes, daß im Atomsperrgesetz über die Entschädigungsfrage nichts enthalten ist. Der Auffassung, daß das Gesetz im Zweifel "verfassungskonform" - und damit im Sinn einer Bejahung eines Entschädigungsanspruches - auszulegen sei und sich der Entschädigungsanspruch bei Fehlen einer besonderen Regelung bereits aus § 365 ABGB ergebe, muß entgegengehalten werden, daß auch für die gegenteilige Auffassung beachtliche Gründe geltend gemacht werden können. Zur Beseitigung der verfassungsrechtlichen Bedenken wäre aber auch hier erforderlich, daß zweifelsfrei feststeht, daß diese gegenteilige Auffassung als offenbar unrichtige und unvertretbare (denkunmögliche) Auslegung bei der Anwendung des Gesetzes außer Betracht zu bleiben habe. Auch eine "verfassungskonforme Auslegung" eines Gesetzes muß ihre Grundlage im Gesetz selbst haben. Die Auslegung kann die fehlende gesetzliche Grundlage - also "das" oder "das andere" (fehlende) Gesetz - nicht ersetzen (vgl. auch Morscher JBl. 1981, 315 "... das demokratische Grundprinzip verbietet es auch, generelle Normen letztlich durch 'Interpretation' entstehen zu lassen ..." und Korinek a.a.O. 28 f, wonach die "nachprüfende Kontrolle", ob der einfache Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen beachtet hat, dem Verfassungsgerichtshof zukommt). Es ist auch ein wesentlicher Unterschied, ob ein Entschädigungsanspruch, der aus einem anderen Gesetz durch Auslegung abgeleitet werden soll, oder die Frage zu prüfen ist, ob die Enteignung oder die Eigentumsbeschränkung ohne Verletzung verfassungsrechtlich gewährter Grundrechte überhaupt in einem einfachen Gesetz vorgesehen werden durfte. Die Prüfung dieser letztangeführten und für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes entscheidenden Frage fällt aber grundsätzlich in die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes (vgl. Morscher, JBl. 1981, 316). Wollte man sie durch "verfassungskonforme" Auslegung lösen, müßten nicht nur die ordentlichen Gerichte Verfassungsfragen als bloße Vorfragen prüfen, es müßte vielmehr bei durch den (einfachen) Gesetzgeber statuierten Enteignungen oder Eigentumsbeschränkungen sein Schweigen in der Entschädigungsfrage verschieden ausgelegt werden, je nachdem, ob in der entschädigungslosen Enteignung oder Eigentumsbeschränkung im konkreten Fall eine Verletzung eines Grundrechtes gesehen wird oder nicht. Zu der im Schrifttum (Korinek a.a.O. 43 f; Aicher, Grundfragen der Staatshaftung bei rechtmäßigen hoheitsrechtlichen Eigentumsbeeinträchtigungen S. 430; Rummel-Schlager, Enteignungsentschädigung, S. 58 f u.a.) vertretenen Auffassung, daß bei besonders qualifizierten Eigentumseinschränkungen ein Entschädigungsanspruch zustehe, ist darauf zu verweisen, daß damit noch nichts für die Frage gewonnen ist, ob die Prüfung und Entscheidung dieser Frage dem ordentlichen Gericht als Vorfrage bei der Beurteilung eines geltend gemachten Entschädigungsanspruches oder dem Verfassungsgerichtshof bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer ohne Festlegung eines Entschädigungsanspruches gesetzlich angeordneten Eigentumsbeschränkung zukommen soll. Die bereits angeführten Gründe sprechen für die letztangeführte Auffassung.

g) Gegen die Auffassung, ein Entschädigungsanspruch könne bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung bereits aus § 365 ABGB, wonach ein Mitglied des Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige Eigentum einer Sache abtreten muß, abgeleitet werden, bei deren Richtigkeit die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Atomsperrgesetz aus dem Gesichtspunkt eines "Sonderopfers" wegfielen, werden nicht zu übersehende Gründe gelten gemacht. Anderluh (JBl. 1963, S. 609) verweist darauf, daß in Artikel 5 des StGG, wonach eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers nur in den Fällen und in der Art eintreten kann, welche "das Gesetz" bestimmt, der Ausdruck "das Gesetz" nicht auf § 365 ABGB bezogen werden könne, weil es zur Zeit der Erlassung des StGG auch andere Gesetze als den § 365 ABGB gab, die Enteignungen vorsahen, und dann, wenn als "das Gesetz" § 365 ABGB gemeint gewesen wäre, weitere besondere Enteignungsgesetze überflüssig gewesen wären. Art. 5 StGG hatte aber gerade den Zweck, Enteignungen nur mehr auf Grund (oder durch) besondere Gesetze zuzulassen (s. VfGH E v. ,

B 206/75, JBl. 1981 S. 305 ff [309]; auch Pkt. 2.2.2.2.). Es wäre aber dann, wenn sich ein Entschädigungsanspruch bereits aus § 365 ABGB ableiten ließe, auch überflüssig, in späteren Enteignungsgesetzen ausdrücklich einen Entschädigungsanspruch festzulegen. Dies ist jedoch z.B. in den Verstaatlichungsgesetzen (§ 1 Abs. 2, BGBl. Nr. 168/1946 und § 2, BGBl. Nr. 81/1947) dennoch geschehen. Zu bedenken ist dazu auch, daß es sich bei diesen Gesetzen um Enteignungen im eigentlichen (engeren) Sinn handelte, während das Atomsperrgesetz nur eine Eigentumsbeschränkung verfügt. Auf (bloße) Eigentumsbeschränkungen ist aber § 365 ABGB schon nach seinem Wortlaut nicht (unmittelbar) anwendbar ("... vollständiges Eigentum ..."). Dafür aber, daß Enteignungen im engeren Sinne und (bloße) Eigentumsbeschränkungen nicht ohne weiteres gleichgestellt werden können, gibt Art. 1 des

(1.) ZP zur MRK (BGBl. Nr. 210/1958) einen Anhaltspunkt, da dort ausdrücklich Enteignungen im eigentlichen Sinn und Eigentumsbeschränkungen verschieden behandelt werden (vgl. Pkt. 2.2.2.4.1.). Wollte man anerkennen, daß ein Entschädigungsanspruch auch bei Eigentumsbeschränkungen, die eine "materielle Enteignung" bedeuten, aus § 365 ABGB abgeleitet werden kann, dann wären für die Entschädigungspflicht die von der Literatur doch geforderten besonderen Qualifikationen der Eigentumsbeschränkung als Voraussetzung für die Bejahung des Entschädigungsanspruches nicht erforderlich; der Entschädigungsanspruch stünde jedenfalls zu. Die als Qualifikationskriterien angeführten Gesichtspunkte hätten nur Bedeutung für die Frage, ob überhaupt eine "materielle" Enteignung vorliegt. Das spricht wieder dafür, daß diese Frage im Bereich der Enteignung selbst, somit dem des öffentlich-rechtlichen, und nicht als Vorfrage für den dem Privatrecht zugeordneten Entschädigungsanspruch zu prüfen und zu entscheiden ist. Dementsprechend hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 3 Ob 500/60 vom (EvBl. 1962/55) ausgesprochen, daß dem Enteigneten ein Entschädigungsanspruch bei einer Enteignung, die das Gesetz selbst verfügt, nur dann zusteht, wenn dieses oder ein besonderes Gesetz eine Entschädigungspflicht ausspricht; da dies im dort anzuwenden gewesenen Gesetz (Art. 23 des Staatsvertrages) nicht geschehen sei, bestehe der Entschädigungsanspruch nicht. Der Oberste Gerichtshof bezog sich - allerdings nur zur Bekräftigung seiner allgemein ausgesprochenen Rechtsansicht - für den damals zu entscheidenden Fall auch noch auf die amtlichen Erläuterungen zu dieser Gesetzesstelle, wonach erst nach einer Klarstellung der durch den Verzicht getroffenen Forderungskategorien sich beurteilen lassen werde, inwieweit österreichische Staatsangehörige zu entschädigen sein werden. Der Oberste Gerichtshof verwies auch ausdrücklich darauf, daß § 365 ABGB nicht hindere, daß ein späteres Gesetz eine Enteignung ohne Entschädigung zulasse.

Da das im vorliegenden Fall anzuwendende Atomsperrgesetz ebenfalls nichts über eine Entschädigung der von der Maßnahme Betroffenen sagt, können diese Überlegungen durchaus auch hier zum Tragen kommen, sodaß die Möglichkeit, es im Sinne einer Verneinung des Entschädigungsanspruches auszulegen, gegeben ist. Dafür, daß der Gesetzgeber eine Entschädigung für die durch das Atomsperrgesetz Betroffenen nicht vorsehen wollte - wohl deswegen, weil er in dieser Maßnahme keine Enteignung und auch keine eine Entschädigungspflicht auslösende Eigentumsbeschränkung sah - können aus dem Bundesgesetz vom betreffend die Sanierung der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG (Verbundgesellschaft), Anhaltspunkte gewonnen werden. Mit diesem Gesetz wurde verfügt, daß die dem Bund als Hauptaktionär der Tauernkraftwerke AG und der Österreichischen Donaukraftwerke AG aus Aktienkapitalherabsetzungen bei diesen Gesellschaften zufließenden Beträge zur teilweisen Abdeckung des Bilanzverlustes der Verbundgesellschaft zu verwenden sind, der dieser auf Grund der Nichtinbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf erwächst. In der Begründung dieser gesetzlichen Maßnahme wird darauf verwiesen, daß die Verbundgesellschaft mit 50 % an der hier als Antragstellerin einschreitenden Gesellschaft beteiligt, vom Atomsperrgesetz am stärksten betroffen ist und der dadurch bewirkte Verlust das Eigenkapital der Verbundgesellschaft aufzehren und den Tatbestand der Überschuldung im Sinne des § 69 Abs. 1 KO ergeben würde; daraus ergebe sich die Notwendigkeit, daß der Bund als Alleinaktionär der Verbundgesellschaft eine Sanierung der Verbundgesellschaft vornehme. Durch diese Vorgangsweise wurde der Hauptgesellschafterin - der antragstellenden Gesellschaft - wenn auch nicht formellrechtlich, so doch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Entschädigung gewährt, die überflüssig gewesen wäre, hätte das Atomsperrgesetz ausdrücklich oder auch nur stillschweigend einen Entschädigungsanspruch der antragstellenden Gesellschaft vorgesehen. Da jedoch die Sanierung nur einen Gesellschafter der antragstellenden Gesellschaft betraf, die übrigen aber nicht berücksichtigt wurden, kann auch nicht mit der zur Verneinung der verfassungsrechtlichen Bedenken erforderlichen Sicherheit gesagt werden, daß durch dieses Sanierungsgesetz die im Atomsperrgesetz offengelassene Entschädigungsfrage bereits im vom Gesetzgeber für nötig und gerechtfertigt gehaltenen Umfang gelöst sei und daher - weil die damit vorgesehene Entschädigung als ausreichend und somit als verfassungsrechtlich unbedenkliche Lösung zu beurteilen sei - ein "Sonderopfer" nicht vorliege. Auch diese Fragen müßten erst bei der Anwendung des Atomsperrgesetzes entschieden werden.

h) Aus Artikel 13 VEG kann ein Entschädigungsanspruch nicht abgeleitet werden, weil diese Bestimmung nur das Verfahren betrifft und diese Frage "gänzlich losgelöst" von der Frage ist, welche materiell-rechtliche Bedeutung dem Fehlen einer eine Entschädigung vorsehenden gesetzlichen Bestimmung zukommt, die Anwendbarkeit des Artikels 13 VEG also über den Bestand des Entschädigungsanspruches nichts aussagt (; ÖRZ 1977, 239 ff unter Hinweis auf VfSlg. 2.431/1952).

i) Bei dieser Sachlage ist die Möglichkeit, daß das Atomsperrgesetz bei seiner Anwendung dahin ausgelegt wird, daß ein Entschädigungsanspruch zu verneinen ist, durchaus gegeben, wodurch aber im Zusammenhalt mit den bereits oben angeführten Gesichtspunkten eines "Sonderopfers" Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 1 des Atomsperrgesetzes bestehen. Allenfalls wäre die Ansicht vertretbar, daß die Bedenken nur hinsichtlich des zweiten Satzes dieser Gesetzesstelle gerechtfertigt sind, der das bereits errichtete Kernkraftwerk Zwentendorf unmittelbar betrifft und damit die eigentliche wirtschaftliche Beeinträchtigung der Antragstellerin bewirkt, während der erste Satz nur zur Folge hat, daß die antragstellende Gesellschaft kein weiteres Kernkraftwerk errichten darf. Da damit aber ihr allleiniger statutarischer Zweck verhindert würde, scheint auch hinsichtlich dieser Gesetzesstelle die Annahme eines unzulässigen "Sonderopfers" begründet und die Bestimmung daher verfassungsrechtlich bedenklich. Jedenfalls bestehen die bereits angeführten Bedenken, daß es sich beim Atomsperrgesetz um ein verfassungsrechtlich unzulässiges "Maßnahmengesetz" handelt, hinsichtlich des ganzen Gesetzes.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin G*** T*** Gesellschaft

m. b.H., 3435 Zwentendorf, vertreten durch DDr. Walter Barfuß, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien, wegen Festsetzung einer Enteignungsentschädigung (S 7,213.998.293,04 s.A.), infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom , GZ R 56/84-22, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Tulln vom , GZ 1 Nc 114/81-14, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin G*** T*** GesmbH

(GKT) ist eine Sondergesellschaft im Sinn des zweiten Verstaatlichungsgesetzes, BGBl.81/1947, deren Anteilsrechte zu 50 % der (im Eigentum des Bundes stehenden) Verbundgesellschaft und im übrigen den Landeselektrizitätsgesellschaften von Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg gehören. Die antragstellende Gesellschaft behauptet, daß ihr Zweck der Bau und der Betrieb von Gemeinschaftskraftwerksanlagen im Tullnerfeld und die Abgabe der gesamten erzeugten elektrischen Energie an ihre Gesellschafter sei; sie habe zu diesem Zweck das Kernkraftwerk Zwentendorf bereits technisch fertig errichtet und wegen Erfüllung aller Auflagen einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Betriebsgenehmigung erworben. Wegen des § 1 des Gesetzes vom , BGBl.676/1978 über das Verbot der Kernspaltung für die Energieversorgung in Österreich (sogenanntes: Atomsperrgesetz) hätten aber diese Anlagen nicht in Betrieb genommen werden dürfen, so daß dieses Gesetz eine Enteignung bewirkt habe. Die Antragstellerin begehrt - da das Atomsperrgesetz die Entschädigungsfrage nicht regle - unter Berufung auf § 365 ABGB eine Enteignungsentschädigung, die sie mit S 7,213.998.293,04 s.A. berechnet.

Die Antragsgegnerin beantragte Abweisung dieses Begehrens. Durch das Atomsperrgesetz sei der Antragstellerin weder das Eigentumsrecht an ihrer Kernkraftwerksanlage noch ein Recht zu deren Betrieb genommen worden; die Antragstellerin habe nämlich mangels behördlicher Betriebsbewilligung, deren Erteilung im Ermessen der Behörde gelegen wäre, noch keine Befugnis gehabt, ihre Anlagen zur Energieerzeugung zu nutzen. Es liege aber auch keine so weitgehende Einschränkung des Eigentums vor, daß sie einer Enteignung gleichzustellen wäre. Jedenfalls könnten Eigentumsbeschränkungen (auch) durch einfache Gesetze entschädigungslos angeordnet werden. Ein Entschädigungsanspruch bestünde nur, wenn er ausdrücklich vom Gesetzgeber festgelegt worden wäre.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es ging davon aus, daß der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Atomsperrgesetzes die Bewilligung nach dem Strahlenschutzgesetz (BGBl.1969/227) zur Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes noch nicht erteilt worden war und die Antragstellerin auf Grund des Eigentumsrechtes allein kein Recht auf diese Inbetriebnahme gehabt habe. Die Antragstellerin habe somit über einen Vermögenswert, der ihr durch das Atomsperrgesetz entzogen worden wäre, nicht verfügt. Die - allerdings weitgehenden - wirtschaftlichen Folgen könnten nicht als eine Enteignung angesehen werden. Aber selbst wenn man diese Folgen als eine "Enteignung" wertete, bestünde kein Entschädigungsanspruch, weil das Atomsperrgesetz eine Entschädigung nicht festlege und ein Anspruch auf eine solche nicht schon aus § 365 ABGB abgeleitet werden könne; ein Entschädigungsanspruch stehe bei einer durch ein Gesetz festgelegten Enteignung nur zu, wenn dieses oder ein besonderes Gesetz eine Entschädigungspflicht ausspreche.

Das Rekursgericht stellte aus Anlaß des Rekurses der Antragstellerin zunächst beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 1 des Atomsperrgesetzes als verfassungswidrig aufzuheben, da dieses im Widerspruch zu Art.5 StGG (Art.1 des [1.] ZP zur MRK) und zu Art.7 Abs.1 B-VG (Art.2 StGG) stehe. Der Verfassungsgerichtshof wies diesen Antrag mit Erkenntnis vom , G 46/82-15, ab. Er führte im wesentlichen aus, daß der Gesetzgeber verfassungsrechtlich einwandfrei Eigentumsbeschränkungen verfügen könne, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt. Das Atomsperrgesetz verfüge - mangels Vermögensverschiebung - keine Enteignung im eigentlichen Sinn, sondern (nur) eine Eigentumsbeschränkung. Damit stelle sich zunächst die für Enteignungen im eigentlichen Sinn zu prüfende Frage, ob die Maßnahme durch das "öffentliche Wohl" im Sinn aller in der Judikatur entwickelten besonderen (Enteignungs-)Voraussetzungen geboten sei, nicht, da sich die konkreten Handlungsanweisungen an den Enteignungsgesetzgeber ihrer Natur und Beschaffenheit nach auf den Bereich der bloßen Eigentumsbeschränkung nicht anwenden ließen. Für Eigentumsbeschränkungen habe Abs.2 des Art.1 des (1.) ZP zur MRK nur festgelegt, daß sie im "allgemeinen Interesse" liegen müßten. Das sei beim Atomsperrgesetz der Fall, weil es, wie sich aus seiner Entstehungsgeschichte entnehmen lasse, in Berücksichtigung der in Teilen der Bevölkerung vorherrschenden Angst vor der Atomkraft erlassen worden sei und damit dem Schutz und der Sicherheit der Bevölkerung diene. Die durch das Atomsperrgesetz bewirkte Minderung der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der betroffenen Gebäude könne keinesfalls der Aufhebung des Grundrechtes des Eigentums selbst gleichgehalten werden. Aus der Verfassungsnorm des Art.5 StGG sei eine Entschädigungspflicht für Enteignungen - und so jedenfalls auch für Eigentumsbeschränkungen - nicht ableitbar. Ausdrücklich wies der Verfassungsgerichtshof darauf hin, daß eine Verletzung des Gleichheitsgebotes nur wegen einer unterschiedlichen Behandlung der Verwendung der Atomenergie zur Energieversorgung auf der einen und für sonstige Zwecke auf der anderen Seite, nicht aber wegen Vorliegens eines sogenannten "Sonderopfers" geltend gemacht worden sei und die Frage des Vorliegens eines solchen "Sonderopfers" daher nicht zu prüfen sei.

Das Rekursgericht gab in der Folge dem Rekurs der Antragstellerin teilweise Folge, sprach aus, daß die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine angemessene Schadloshaltung zu leisten habe und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens zur Prüfung der Höhe der Entschädigung auf. Das Rekursgericht ging dabei davon aus, daß durch das Atomsperrgesetz keine Enteignung der Liegenschaft samt den darauf errichteten Anlagen der Antragstellerin im eigentlichen Sinn, sondern (nur) eine Eigentumsbeschränkung erfolgt sei. Die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, daß aus Art.5 StGG eine Entschädigungspflicht für diese Eigentumsbeschränkung nicht ableitbar sei, betreffe nur die verfassungsrechtliche Seite, besage aber nichts darüber, ob ein Entschädigungsanspruch auf Grund einfachgesetzlicher Grundlage gegeben sei. Dazu kam das Rekursgericht unter Hinweis auf in der Literatur vertretene Ansichten (Korinek, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Raumplanung Linz 1977, 43 f, Aicher, Grundfragen der Staatshaftung bei rechtmäßigen hoheitlichen Eigentumsbeeinträchtigungen 430, Rummel-Schlager, Enteignungsentschädigung 58 f, Bydlinski, Probleme der Planungsfolgen 49, Floßmann, Der Eigentumsschutz im sozialen Rechtsstaat 58 f) zur Auffassung, daß im vorliegenden Fall eine entschädigungspflichtige Eigentumsbeschränkung erfolgt sei: Das Atomsperrgesetz habe die Ausübungsbefugnis der Antragstellerin prinzipiell verändert, die Belastung, die offenbar von Dauer sei, nur einen Eigentümer treffe und auch nicht ortsüblich sei, habe das Eigentumsrecht zu einem "nudum jus" gemacht; es müsse von einem unvorhersehbaren Eingriff gesprochen werden, der die mit dem Objekt typischerweise verbundene Nutzung praktisch überhaupt nicht ermögliche; es liege ein erheblicher und wesentlicher Eingriff vor, der bei Bedachtnahme auf den Zweck der betroffenen Anlage und die von der Antragstellerin nun zu tragenden wirtschaftlichen Belastungen zu deren Existenzgefährdung, wenn nicht Existenzvernichtung führe. Schließlich müsse es mangels einer Bestimmung zur Entschädigungsfrage im Atomsperrgesetz bei der (einen Entschädigungsanspruch allgemein anerkennenden) Regelung des § 365 ABGB bleiben. Das Rekursgericht könne sich der in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 3 Ob 500/60 (EvBl.1962/55) vertretenen Auffassung, daß ein Entschädigungsanspruch nur dann bestehe, wenn ein besonderes Gesetz dies ausspreche, nicht anschließen, zumal dieser oberstgerichtlicher Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrundegelegen habe als dem vorliegenden Fall.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern, allenfalls den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung aufzutragen. Im Rechtsmittel werden im wesentlichen die bereits in erster Instanz gegen den geltend gemachten Entschädigungsanspruch erhobenen Einwände wiederholt. Insbesondere wird betont, daß aus § 365 ABGB, der überdies nur bei Enteignungen im eigentlichen Sinn und nicht auch bei bloßen Eigentumsbeschränkungen, wie sie im vorliegenden Fall gegeben sei, in Betracht gezogen werden könne, ein Entschädigungsanspruch nicht abgeleitet werden könne und das Atomsperrgesetz eine abschließende Regelung - (auch) im Sinn eines Ausschlusses einer Enteignungsentschädigung - sei.

Demgegenüber hielt die Antragstellerin in ihrer Rekursbeantwortung ihre bisherige Begründung ihres Begehrens aufrecht und vertrat vor allem weiterhin den Standpunkt, daß sich der Anspruch auf eine Enteignungsentschädigung mangels einer Regelung im Atomsperrgesetz aus § 365 ABGB ergebe. Diese Bestimmung sei zwar keine Grundlage für eine Enteignung, wohl aber für einen Entschädigungsanspruch, wenn enteignet wird; ein eigenes Gesetz, in welcher dieser Anspruch festgelegt werde, sei nicht erforderlich.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof stellte aus Anlaß des an ihn gerichteten Rechtsmittels einen neuerlichen Antrag an den Verfassungsgerichtshof, § 1 Atomsperrgesetz als verfassungswidrig aufzuheben, da Bedenken in der Richtung bestünden, daß diese Bestimmung ein gegen das Gleichheitsgebot verstoßendes und damit verfassungswidriges "Sonderopfer" festlege. Dabei wurde unter Bezugnahme auf Korinek (aaO 35 f) und die sogenannten Wohnsiedlungsgesetz-Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg.6.884/1972 und 7.234/1973) davon ausgegangen, daß es einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot bedeute, in einem intentional der Sicherheit und dem Schutz der Bevölkerung dienenden Gesetz in unsachlicher Weise einem einzelnen (oder einer Gruppe) eine so weitgehende (in ihrer Wirkung an eine Enteignung heranreichende) Eigentumsbeschränkung aufzuerlegen, ohne zugleich einen Ausgleich durch Gewährung eines Entschädigungsanspruches festzulegen. Tatsächlich habe die Antragstellerin alle Lasten, die sich aus dem Atomsperrgesetz ergeben, allein zu tragen, während der durch das Gesetz angestrebte und erreichte Nutzen der Allgemeinheit zugutekomme. Es wurde vom Obersten Gerichtshof auch darauf hingewiesen, daß die Frage, ob die Beschränkung des Eigentumsrechtes der Antragstellerin durch das Atomsperrgesetz überhaupt über das von vielen Gesetzen vorgesehene und von den Betroffenen auch ohne Entschädigung hinzunehmende Maß (dazu etwa VfSlg.5.208/1966, betreffend Beschränkung des Auspflanzens von Weinreben, 6.735/1972 und 6.780/1972, betreffend Beschränkungen durch Grundverkehrsgesetze, 7.306/1974, betreffend Beschränkung durch Denkmalschutz u.a.) hinausgehe, ebenso erst bei der Anwendung dieses Gesetzes und nicht schon bei der Beurteilung, ob es wegen Verletzung des Gleichheitsgebotes verfassungswidrig ist, zu beurteilen sei wie jene, ob das Fehlen einer Bestimmung über einen Entschädigungsanspruch in diesem Gesetz im Sinne seiner Verneinung oder seiner Bejahung auszulegen sei.

Der Verfassungsgerichtshof wies den vom Obersten Gerichtshof gestellten Antrag mit seinem Erkenntnis vom , G 224/85-15, ab. Er führte zunächst aus, daß der Gesetzgeber in allen seinen Maßnahmen an den Gleichheitssatz gebunden sei. Daher seien Regelungen welcher Art immer verfassungswidrig, wenn sie einzelne oder bestimmte Personengruppen unsachlich bevorzugen oder benachteiligen; das gelte für Eigentumsbeschränkungen ebenso wie für sonstige Beeinträchtigungen. Bei der Prüfung, ob es sachliche Gründe gebe, den (einzigen) Eigentümer eines (nahezu fertiggestellten) Kernkraftwerkes die Nachteile des Verbotes von dessen Betrieb allein tragen zu lassen, ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß diese Frage nicht allgemein und losgelöst vom konkreten Fall zu beurteilen sei. Der durch § 1 Atomsperrgesetz beschwerte (einzige) Eigentümer eines zur Energieversorgung bestimmten Kernkraftwerkes, nämlich die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren, sei eine Sondergesellschaft iS des § 4 des zweiten Verstaatlichungsgesetzes, deren Anteilsrechte nach Abs.2 Satz 1 dieser Gesetzesstelle im Eigentum der öffentlichen Hand stehen müssen und auch tatsächlich stehen. Materiell treffe daher die Belastung der Antragstellerin ausschließlich die öffentliche Hand. Eine von der öffentlichen Hand gehaltene Gesellschaft könne sich zwar der jedermann zustehenden Rechtsbehelfe bedienen (Klagen erheben, behördliche Maßnahmen bekämpfen ua), doch dürfe der Gesetzgeber nach sachlichen Merkmalen der hinter einer juristischen Person stehenden Rechtsträger unterscheiden, sodaß gesetzliche Regelungen zu Lasten einer solchen Gesellschaft - ohne Rücksicht auf die subjektiven Gründe des Gesetzgebers - auch dann zulässig sein können, wenn ein solcher Durchblick sie objektiv als sachlich erweise. Der Umstand, daß nach Lage der Dinge das Atomsperrgesetz allein bei der Antragstellerin einen einschneidenden Eingriff bewirkt und daher ohnedies nur die öffentliche Hand vermögensmäßig belastete, schließe den Vorwurf einer gleichheitswidrigen Belastung Einzelner zugunsten der Allgemeinheit aus. Es sei auch eine unsachlich verschiedene Behandlung von Gebietskörperschaften nicht gegeben. Die innere Struktur der verstaatlichten Elektrizitäts-Wirtschaft sei nicht das Ergebnis einer mehr oder minder zufälligen Beteiligung von Gebietskörperschaften am allgemeinen Wirtschaftsleben (wie etwa der Grundbesitz der von einer Straßenbaumaßnahme betroffenen Gemeinde), vielmehr Gegenstand von eingehenden gesetzlichen Regelungen mit dem Ziel, die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe durch Zusammenwirken mehrerer Gebietskörperschaften sicherzustellen; die Antragstellerin verkörpere somit die Elektrizitäts-Wirtschaft insgesamt. Die Frage, ob und - gegebenenfalls - auf welche Weise und in welchem Ausmaß ein finanzieller Ausgleich zwischen den Gebietskörperschaften erforderlich sein werde, könne unter Bedachtnahme auf die sonstigen Beziehungen sämtlicher Beteiligten innerhalb der Organisation der staatlichen Elektrizitäts-Wirtschaft gelöst werden. Der Gesetzgeber des Atomsperrgesetzes sei daher nicht gehalten, die wirtschaftliche Lage der Gebietskörperschaften durch Gewährung einer Entschädigung an die zunächst betroffene Gesellschaft in einem ganz bestimmten Sinn zu gestalten.

Die Antragstellerin hat mit Eingabe vom einen nochmaligen Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung des Atomsperrgesetzes wegen Verfassungswidrigkeit angeregt, weil es kompetenzwidrig erlassen worden sei und auch Bedenken in der Richtung bestünden, daß es nicht ordnungsgemäß gegengezeichnet und kundgemacht worden sei. In der Kundmachung des Gesetzes fehle nämlich ein Hinweis auf die Unterschrift des damaligen Außenministers Dr. P***. Die Kompetenzwidrigkeit wird darin gesehen, daß das Atomsperrgesetz seinem Inhalt nach ein Bundesgesetz auf dem Gebiet des Elektrizitätswesens sei, bei dem gemäß Art.12 B-VG nur die Grundsatzgesetzgebung Bundessache sei.

Demgegenüber ist darauf zu verweisen, daß das Atomsperrgesetz erlassen wurde, um der bei der Volksabstimmung zum Ausdruck gebrachten Angst der Mehrheit der Stimmberechtigten vor Schäden durch ionisierende Strahlen Rechnung zu tragen und es somit - so wie das Strahlenschutzgesetz (VfSlg.3.650) - als Angelegenheit des Gesundheitswesens (Art.10 Abs.1 Z 12 B-VG) in die Kompetenz des Bundes in Gesetzgebung und Vollziehung fällt.

Zur Frage der gehörigen Kundmachung des am vom Nationalrat beschlossenen Atomsperrgesetzes ist darauf zu verweisen, daß nach der im Amtlichen Teil zur Wiener Zeitung vom enthaltenen Verlautbarung vom der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers Dr. P*** innerhalb des Zeitraumes vom 18.12. bis den Bundesminister L*** mit der Vertretung betraute. Es besteht kein Grund zur Annahme, daß die Beurkundung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten, jedenfalls aber die Gegenzeichnung durch die Bundesregierung, nicht in jenem Zeitraum stattfanden, in welchem der Bundesminister Dr. P***, dessen Name bei der Verlautbarung des Gesetzestextes nicht angeführt ist, durch den Bundesminister L*** vertreten wurde.

Der Oberste Gerichtshof teilt daher die von der Antragstellerin erhobenen Bedenken nicht, so daß kein Anlaß besteht, nochmals einen Aufhebungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Im übrigen ist der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin berechtigt.

Bei der Beurteilung des von der Antragstellerin behaupteten Anspruches auf eine Enteignungsentschädigung ist davon auszugehen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg.2.572/1953, 2.618/1954), die er auch im vorliegenden Fall ausdrücklich aufrecht hielt (Punkt 2.2.4.3 des Erkenntnisses G 46/82-15) aus der Verfassungsbestimmung des Art.5 StGG, wonach das Eigentum unverletzlich ist und eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers nur in den Fällen und in der Art eintreten kann, welche das Gesetz bestimmt, eine Entschädigungspflicht für Enteignungen und so auch jedenfalls für Eigentumsbeschränkungen nicht ableitbar und § 365 ABGB nicht Bestandteil der Verfassung geworden ist. Daraus folgt, daß eine Enteignung oder eine ihr gleichzuhaltende Eigentumsbeschränkung jedenfalls auch unter ausdrücklichem Ausschluß eines Anspruches auf eine Enteignungsentschädigung durch einfaches Gesetz erfolgen kann, wie dies auch mehrfach geschehen ist (vgl. Klang in Klang II/2 195, VfSlg.1123).

Bei der Prüfung der Frage, ob dann, wenn das die Enteignung oder die Eigentumsbeschränkung anordnende Gesetz - so wie das Atomsperrgesetz - zur Frage einer Entschädigung des oder der Betroffenen nichts bestimmt, ein Anspruch auf Enteignungsentschädigung aus anderen Gesetzen abgeleitet werden kann, ist zunächst darauf zu verweisen, daß Art.13 des Verwaltungsentlastungsgesetzes, BGBl.277/1925 (VEG), dessen Heranziehung die Antragstellerin bei ihrer Behauptung, es dürften "die konkretisierenden einfachgesetzlichen Regelungen des hier anwendbaren Eisenbahnenteignungsgesetzes" nicht vergessen werden, anscheinend für möglich hält, keine Grundlage für einen Anspruch auf eine Enteignungsentschädigung in solchen Fällen bilden kann. Art.13 VEG legt fest, daß dann, wenn Gesetze Enteignungen zulassen und nichts anderes anordnen, für das bei der Durchführung der Enteignung und bei der Festsetzung der Entschädigung zu beobachtende Verfahren sinngemäß die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes anzuwenden sind. Diese Bestimmung betrifft somit nur die Frage des Verfahrens, die aber "gänzlich losgelöst" von der Frage ist, welche materiell-rechtliche Bedeutung dem Fehlen einer Bestimmung über eine Entschädigung zukommt; Art.13 VEG sagt somit über den Bestand eines Entschädigungsanspruches nichts aus (, ÖRZ 1977, 239 f unter Hinweis auf VfSlg.2.431/1952). Das Rekursgericht hat - der Auffassung der Antragstellerin folgend - den Entschädigungsanspruch deswegen bejaht, weil es mangels einer Regelung im Atomsperrgesetz bei der Bestimmung des § 365 ABGB zu bleiben habe, wonach ein Mitglied des Staates dann, wenn es das allgemeine Beste erheischt, "gegen eine angemessene Schadloshaltung" selbst das vollständige Eigentum abtreten müsse. Zur Frage, ob dann, wenn das eine Enteignung bestimmende Gesetz zur Entschädigungsfrage nichts enthält, ein Anspruch auf eine Enteignungsentschädigung aus § 365 ABGB abgeleitet werden kann, hat Anderluh (JBl.1963, S 609) darauf verwiesen, daß im Art.5 des StGG, wonach eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers nur in den Fällen und in der Art eintreten kann, welche "das Gesetz" bestimmt, der Ausdruck "das Gesetz" nicht auf § 365 ABGB bezogen werden könne, weil es zur Zeit der Erlassung des StGG auch andere Gesetze, die Enteignungen vorsahen, als den § 365 ABGB gegeben habe (s. dazu auch VfSlg.1123) und dann, wenn als "das Gesetz" § 365 ABGB gemeint gewesen wäre, weitere besondere Enteignungsgesetze überflüssig gewesen wären. Art.5 StGG habe aber gerade den Zweck gehabt, Enteignungen nur mehr auf Grund (oder durch) besondere (2) Gesetze zuzulassen (VfGH E. vom , B 206/75, JBl.1981, S 305 ff [309]). Es wäre aber dann, wenn sich ein Entschädigungsanspruch bereits aus § 365 ABGB ableiten ließe, auch überflüssig gewesen, in späteren Enteignungsgesetzen ausdrücklich einen Entschädigungsanspruch festzulegen. Dies ist jedoch zB. in den Verstaatlichungsgesetzen (§ 1 Abs.2, BGBl. Nr.168/1946 und § 2, BGBl. Nr.81/1947) dennoch geschehen, wobei der Entschädigungsanspruch nur grundsätzlich anerkannt, seine Regelung aber "besonderen Gesetzen" vorbehalten wurde. Es wurde somit keineswegs § 365 ABGB (im Zusammenhalt mit Art.13 VEG) als taugliche Grundlage für die Gewährung einer Entschädigung angesehen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß diese Folgerung nicht berechtigt sei, weil bei Verneinung des § 365 ABGB als Grundlage eines allgemeinen Entschädigungsanspruches auch die erwähnte ausdrückliche Ablehnung eines solchen Anspruches in mehreren Gesetzen nicht erforderlich gewesen wäre. Der Entschädigungsanspruch wurde dort nämlich nicht schlechthin abgelehnt, sondern einer differenzierten Regelung unterworfen, die auch eine Verneinung des Anspruches bei Fehlen bestimmter Voraussetzungen enthielt. Zu bedenken ist auch, daß es sich bei Verstaatlichungsgesetzen um Enteignungen im eigentlichen (engeren) Sinn handelte, während das Atomsperrgesetz nur eine Eigentumsbeschränkung verfügt. Auf (bloße) Eigentumsbeschränkungen ist § 365 ABGB schon nach seinem Wortlaut nicht (unmittelbar) anwendbar ("...vollständiges Eigentum..."). Dafür aber, daß Enteignungen im engeren Sinn und (bloße) Eigentumsbeschränkungen nicht ohne weiteres gleichgestellt werden können, gibt Art.1 des

(1.) ZP zur MRK, BGBl. Nr.210/1958) einen Anhaltspunkt, da dort ausdrücklich Enteignungen im eigentlichen Sinn und Eigentumsbeschränkungen verschieden behandelt werden. Auch der Verfassungsgerichtshof hat - wie bereits angeführt - in seinem Erkenntnis G 46/82-15 unter Hinweis auf diese Bestimmung betont, daß bei bloßen Eigentumsbeschränkungen die besonderen, für eine Enteignung erforderlichen Voraussetzungen nicht verlangt werden können, weil sich die konkreten Handlungsanweisungen an den Enteignungsgesetzgeber ihrer Natur und Beschaffenheit nach nicht auf den Bereich der bloßen Eigentumsbeschränkungen anwenden lassen. Der Verfassungsgerichtshof hat auch darauf hingewiesen, daß aus der Verfassungsnorm des Art.5 StGG eine Entschädigungspflicht für Enteignungen und "so jedenfalls auch für Eigentumsbeschränkungen" nicht ableiten lasse. Der Verfassungsgerichtshof geht somit auch davon aus, daß Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen nicht ohneweiters gleichgestellt werden und die strengeren Voraussetzungen und Folgen für erstere nicht in gleicher Weise auch auf letztere übertragen werden können. Es müßte daher auch dann, wenn man § 365 ABGB als eine allgemeine Grundlage für einen Entschädigungsanspruch bei Enteignungen ansähe, noch geprüft werden, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Bestimmung auch bei bloßen Eigentumsbeschränkungen angewendet werden kann.

Nach Spielbüchler (in Rummel ABGB, Rdz 8 zu § 365) ist die Frage, ob und in welchem Umfang die Enteignung eine Entschädigungspflicht des Begünstigten auslöst, nicht mehr nach § 365 ABGB, sondern nach dem betreffenden Enteignungsgesetz zu beurteilen. Der Wegfall der Ermächtigung an die Verwaltung zur Enteignung (durch Art.5 StGG) habe auch die an ihren Gebrauch geknüpfte Rechtsfolge gegenstandslos gemacht. Dem Einwand der Antragstellerin, es sei durch Art.5 StGG eine Verbesserung der rechtlichen Position der Betroffenen angestrebt worden, sie aber nicht erreicht würde, wenn durch diese Bestimmung der generell gegebene Entschädigungsanspruch nach § 365 ABGB beseitigt sein sollte, muß entgegengehalten werden, daß diese Überlegung deswegen nicht zwingend ist, weil sie nicht auf den Vorteil des Betroffenen im gesamten, nämlich die verfassungsmäßige Garantie, daß Enteignungen nicht mehr nach dem Ermessen der Verwaltung - wie dies § 365 ABGB dem System des Polizeistaates entsprechend vorsah, sondern dem Rechtsstaatsgedanken entsprechend nur in den vom Gesetzgeber bestimmten Fällen und in der von ihm bestimmten Weise erfolgen dürfen (s. dazu auch VfSlg 1123), abgestellt ist, sondern einen einzelnen Aspekt davon loslöst.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom , 3 Ob 500/60 (EvBl.1962/55 = JBl.1962 260) ausgesprochen, daß dem Enteigneten bei einer Enteignung, die das Gesetz selbst verfügt, ein Entschädigungsanspruch nur dann zusteht, wenn dieses oder ein besonderes Gesetz eine Entschädigungspflicht ausspricht. Da dies im dort anzuwenden gewesenen Gesetz (Art.23 des Staatsvertrages) nicht geschehen sei, bestehe der Entschädigungsanspruch nicht. Der Oberste Gerichtshof bezog sich - allerdings nur zur Bekräftigung seiner allgemein ausgesprochenen Rechtsansicht - für den damals zu entscheidenden Fall auch noch auf die amtlichen Erläuterungen zu dieser Gesetzesstelle, wonach erst nach einer Klarstellung der durch den Verzicht getroffenen Forderungskategorien sich beurteilen lassen werde, inwieweit österreichische Staatsangehörige zu entschädigen sein werden. Der Oberste Gerichtshof wies ausdrücklich darauf hin, daß § 365 ABGB nicht hindere, daß ein späteres Gesetz eine Enteignung ohne Entschädigung zulasse.

Der in dieser Entscheidung für den Fall einer Enteignung im engeren Sinn vertretenen Auffassung ist - hier für den Fall, daß die durch das Atomsperrgesetz verfügte Eignungsbeschränkung in ihrer Wirkung und ihren Folgen einer Enteignung gleichzusetzen wäre - jedenfalls so weit zu folgen, daß bei Fehlen einer Bestimmung über eine Entschädigung im die Enteignung verfügenden Gesetz diese (oder die Eigentumsbeschränkung) entschädigungslos hinzunehmen ist, wenn dies dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers entspricht. Dieser Wille des Gesetzgebers kann aber nicht nur wie im Fall der Entscheidung 3 Ob 500/60, der im übrigen ein durchaus dem vorliegenden Fall entsprechender Sachverhalt zugrunde lag, den amtlichen Erläuterungen des Gesetzesantrages entnommen, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte, dem Anlaß und dem erkennbaren Zweck des Gesetzes ermittelt werden; auch daraus kann festgestellt werden, ob das Schweigen des Gesetzgebers zu der Entschädigungsfrage die Bedeutung hat, daß er diesen Anspruch bewußt nicht gewähren wollte oder ob eine planwidrige Lücke vorliegt, die nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen (siehe Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes I 7 24 ff) zu füllen wäre.

Zum Anlaß und zum Grund der Erlassung des Atomsperrgesetzes ist davon auszugehen, daß nach dem Bericht des Handelsausschusses (1134 BlgNR 14.GP) mit diesem Gesetz dem Ergebnis der Volksabstimmung vom , das ohne Zweifel als "Auftrag zur Nichtinbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf zu werten" sei, Rechnung getragen wurde. Die Volksabstimmung erfolgte gemäß BGBl. Nr.628/1978 über den Gesetzesbeschluß des Nationalrates vom , betreffend das Bundesgesetz vom über die friedliche Nutzung der Kernenergie in Österreich (Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf). Der Zweck des Gesetzes war die Befriedigung des durch die Angst der Bevölkerung vor der Verwendung von Atomkraft im Megawattbereich ausgelösten Schutz- und Sicherheitsbedürfnisses der Allgemeinheit. Der Gesetzgeber beschloß zur Erreichung dieses Zieles ein Gesetz, das - wie auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis G 224/85-15 hervorhob - materiell nur die Antragstellerin, somit auf Grund der gesetzlich vorgegebenen Beteiligungsverhältnisse nur die öffentliche Hand treffen sollte und auch nur diese traf. Da die Antragstellerin die Elektrizitätswirtschaft insgesamt verkörpert und die innere Struktur der Elektrizitätswirtschaft nicht das Ergebnis einer mehr oder minder zufälligen Beteiligung von Gebietskörperschaften am allgemeinen Wirtschaftsleben, sondern die Folge einer eingehenden gesetzlichen Regelung mit dem Ziel ist, die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe durch Zusammenwirken mehrerer Gebietskörperschaften sicherzustellen, und die Frage, ob - gegebenenfalls auf welche Weise und in welchem Ausmaß - ein finanzieller Ausgleich zwischen den Gebietskörperschaften erforderlich ist, unter Bedachtnahme auf die sonstigen Beziehungen sämtlicher Beteiligten innerhalb der Organisation der staatlichen Elektrizitätswirtschaft gelöst werden kann, kam der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, daß der Gesetzgeber des Atomsperrgesetzes nicht gehalten gewesen sei, die wirtschaftliche Lage der Gebietskörperschaften durch Gewährung einer Entschädigung an die zunächst betroffene Gesellschaft in einem bestimmten Sinn zu gestalten. Dieselben Überlegungen führen aber auch zu dem Schluß, daß der Gesetzgeber bei Erlassung des Atomsperrgesetzes einen Entschädigungsanspruch der offensichtlich und erkennbar allein betroffenen Antragstellerin nicht festlegen wollte. Es ist dabei unwesentlich, ob der Gesetzgeber in der von ihm getroffenen Maßnahme eine einer Enteignung gleichzusetzenden Beschränkung des Eigentums der Antragstellerin sah oder nicht; jedenfalls ist seine Absicht erkennbar, daß die Antragstellerin diese Maßnahme ohne Anspruch auf eine Enteignungsentschädigung hinnehmen müsse. Insofern ist der Auffassung der Antragsgegnerin zu folgen, daß die durch das Atomsperrgesetz getroffene Regelung "abschließend" sei. Diese schon bei Erlassen des Atomsperrgesetzes aus den angeführten Gründen erkennbare Absicht wird durch das weitere Verhalten des Gesetzgebers bestätigt. Es wurde nämlich mit Bundesgesetz vom , betreffend die Sanierung der Ö*** E***-Aktiengesellschaft

(Verbundgesellschaft), BGBl. Nr.571, verfügt, daß die dem Bund als Hauptaktionär der T*** AG und der Ö***

D*** AG aus Aktienkapitalherabsetzungen bei diesen Gesellschaften zufließenden Beträge zur teilweisen Abdeckung des Bilanzverlustes der Verbundgesellschaft zu verwenden sind, der dieser auf Grund der Nichtinbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf erwächst. In der Begründung dieser gesetzlichen Maßnahme 62 BlgNR 14.GP wird darauf verwiesen, daß die Verbundgesellschaft mit 50 % der hier als Antragstellerin einschreitenden Gesellschaft beteiligt, vom Atomsperrgesetz am stärksten betroffen ist und der dadurch bewirkte Verlust das Eigenkapital der Verbundgesellschaft aufzehren und den Tatbestand der Überschuldung im Sinn des § 69 Abs.1 KO ergeben würde; daraus ergebe sich die Notwendigkeit, daß der Bund als Alleinaktionär der Verbundgesellschaft eine Sanierung der Verbundgesellschaft vornehme.

Diese Vorgangsweise war nur dann sinnvoll, wenn der Gesetzgeber davon ausging, daß ein Entschädigungsanspruch der Antragstellerin weder nach dem Atomsperrgesetz, noch nach einer anderen gesetzlichen Bestimmung bestand. Ob es sich bei dieser Maßnahme um eine Entschädigung oder - wie die Antragstellerin meint - bloß um eine "bilanztechnische Operation zur Vermeidung der Konkursreife der Verbundgesellschaft" handelte, ist nicht wesentlich. Maßgeblich ist, daß das Gesetz eine Regelung, wie weit und in welcher Form die durch das Atomsperrgesetz eingetretenen Nachteile und Verluste beseitigt werden sollen, für notwendig erachtete und durch eine besondere Maßnahme, die den Nichtbestand eines Entschädigungsanspruches der Antragstellerin voraussetzte, auch traf. Damit wird auch die vom Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung G 224/85-15 ausgesprochene Ansicht bestätigt, daß der finanzielle Ausgleich zwischen den Gebietskörperschaften, die an der Elektrizitätswirtschaft beteiligt sind, unter Bedachtnahme auf die sonstigen Beziehungen dieser Beteiligten innerhalb der Organisation der staatlichen Elektrizitätswirtschaft gelöst werden können und der Gesetzgeber des Atomsperrgesetzes nicht gehalten war, die wirtschaftliche Lage der Gebietskörperschaften durch Gewährung einer Entschädigung an die zunächst betroffene Gesellschaft in einem ganz bestimmten Sinne, nämlich durch eine Enteignungsentschädigung, zu gestalten.

Bei dieser Sachlage erübrigt sich auch eine Stellungnahme zu der insbesondere auch in der vom Rekursgericht angeführten Literatur erörterten Frage, wann eine Eigentumsbeschränkung wie eine Enteignung zu behandeln sei und unter welchen Voraussetzungen dabei eine Enteignungsentschädigung zustehe. Alle dabei für die Bejahung eines Entschädigungsanspruches angeführten Gesichtspunkte kommen im vorliegenden Fall schon wegen der dargestellten Besonderheiten nicht zum Tragen.

Da zu der hier zu entscheidenden Frage weder eine ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt, von der die Entscheidung des erkennenden Senates abgeht, noch eine uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur entscheidenden Frage besteht, liegen die Voraussetzungen für eine - von der Antragstellerin angeregte - Befassung eines verstärkten Senates mit dieser Frage nicht vor.

Es war vielmehr in Stattgebung des Revisionsrekurses die den Antrag der Antragstellerin auf Zuspruch einer Enteignungsentschädigung abweisende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00513.84.1015.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAD-51966