TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 15.12.2008, 4Ob187/08s

OGH vom 15.12.2008, 4Ob187/08s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Schenk und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. K*****, 2. M*****, beide vertreten durch die Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Sicherungsverfahren 70.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 5 R 95/08i-9, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 10 Cg 46/08g-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in Ansehung der gegen die zweitbeklagte Partei erlassenen einstweiligen Verfügung aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zurückverwiesen und diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Im Sportteil der K*****-Zeitung vom erschien die nach den Feststelllungen der Vorinstanzen unrichtige Behauptung, die K***** hätte das erste Interview mit dem Schiläufer L***** nach dessen Sturz geführt.

Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der K*****-Zeitung, die Zweitbeklagte wird im Impressum als deren Verlegerin angeführt. Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrt die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb periodischer Druckwerke, insbesondere der Tageszeitung „K*****-Zeitung", einen nicht zutreffenden zeitlichen Vorsprung ihrer redaktionellen Berichterstattung zu behaupten und/oder zu verbreiten, insbesondere zu behaupten, dass die „K*****-Zeitung" das erste Interview mit dem namentlich genannten Schiläufer nach dessen folgenschwerem Sturz veröffentlicht hätte.

Die Erstbeklagte beteiligte sich am Sicherungsverfahren nicht. Die Zweitbeklagte wendete mangelnde Passivlegitimation ein. Sie hafte nicht für den beanstandeten Artikel, auch nicht nach § 18 UWG. Sie habe im Zuge des Zusammenschlusses der ehemaligen Tageszeitungsverlagsunternehmen K*****-Zeitung und K***** lediglich den Verlag übernommen, der redaktionelle Teil werde von spezialisierten Redaktionsgesellschaften erstellt, denen auch die redaktionelle Verantwortung zukomme. Die Zweitbeklagte habe insofern keine rechtliche Möglichkeit, der Medieninhaberin Weisungen zu erteilen. Für den vorliegenden redaktionellen Artikel hafte demnach nur die Erstbeklagte. Die in der Entscheidung 4 Ob 4/02w vertretene Auffassung des Obersten Gerichtshofs sei seit der MedienG-Nov 2005 „nicht mehr aktuell", weil § 1 Abs 1 Z 8 MedienG idF dieser Novelle in einem hier maßgebenden Punkt geändert sei. Der Begriff des Verlegers sei aus dem Mediengesetz entfernt worden, er sei deshalb nicht mehr mit dem Medieninhaber gleichzusetzen. Eine Rechtspflicht, die vertraglichen Beziehungen zu den Redaktionsgesellschaften so zu gestalten, dass die Zweitbeklagte auf deren Verhalten rechtlich Einfluss nehmen könne, bestehe nicht.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung gegen die Erst- und die Zweitbeklagte antragsgemäß. Die unrichtige Behauptung, über ein Thema früher als andere Medien berichtet zu haben, verstoße gegen § 2 UWG. Die Zweitbeklagte sei als Verlegerin des Mediums für die darin verbreiteten Inhalte verantwortlich. Sie habe auch die Möglichkeit, eine Verletzung des Lauterkeitsrechts zu verhindern. Die Erstbeklagte ließ die einstweilige Verfügung unbekämpft, sie ist insoweit in Rechtskraft erwachsen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Zweitbeklagten nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei. Der behauptete Verstoß sei im Betrieb des Unternehmens der Zweitbeklagten begangen worden. Die Zweitbeklagte besorge das Erscheinen und Verbreiten von Medienstücken und erfülle dadurch ein wesentliches Merkmal eines Medienunternehmens und Medieninhabers, der die inhaltliche Verantwortung für den „content" habe. Sie hafte als Verlegerin nach § 18 UWG aufgrund ihrer rechtlichen Einflussmöglichkeit. Sie habe nämlich hinsichtlich der Gestaltung des redaktionellen Teils einen Werkvertrag mit der Erstbeklagten geschlossen, der ihr die Möglichkeit gebe, auf deren Verhalten Einfluss zu nehmen und allfällige Verstöße zu verhindern.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Zweitbeklagten ist zulässig, weil die Vorinstanzen die Unternehmerhaftung des Verlegers unrichtig beurteilt haben. Das Rechtsmittel ist im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. § 18 UWG regelt die Haftung des Unternehmers für Wettbewerbsverstöße, die im Betrieb seines Unternehmens begangen wurden. Im „Betrieb seines Unternehmens" werden Personen tätig, die im Auftrag des Unternehmers bestimmte Arbeiten für das Unternehmen verrichten. Handeln sie im Zusammenhang damit wettbewerbswidrig, so hat der Unternehmer für ihr Handeln einzustehen, wenn er kraft seiner Beziehung zum Handelnden die rechtliche Möglichkeit hat, eine allfällige Verletzung des Lauterkeitsrechts zu verhindern oder abzustellen (RIS-Justiz RS0079809 [T1]; RS0079628 [T2, T 11]; RS0079799 [T5]). Diese Möglichkeit wird etwa dann bejaht, wenn der Handelnde Auftragnehmer des Unternehmens (etwa aufgrund eines Werkvertrags) ist und der Unternehmer daher befugt ist, ihm Weisungen zu erteilen. Entscheidend sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse (4 Ob 249/05d). Der Unternehmer ist aber nicht verpflichtet, seine vertraglichen Beziehungen zu Dritten so zu gestalten, dass er auf deren Verhalten rechtlich Einfluss nehmen kann (4 Ob 249/05d; 4 Ob 83/93 = ÖBl 1993, 256 - Vorsicht bei Lockvogelangeboten II).

2. Die Zweitbeklagte hat unter Hinweis auf § 1 Abs 1 Z 8 MedienG idgF geltend gemacht, der redaktionelle Teil der K*****-Zeitung werde von der Erstbeklagten in deren Alleinverantwortung erstellt, sie selbst habe nach dem mit der Erstbeklagten geschlossenen Werkvertrag keine rechtliche Möglichkeit, auf die Gestaltung des redaktionellen Teils der Zeitung Einfluss zu nehmen. Sie nehme nur die Funktion eines zivilrechtlichen Verlegers wahr, die Funktion des Medieninhabers komme ihr nicht zu.

3. Als zivilrechtlicher Verleger im Sinn des § 1172 ABGB wird derjenige verstanden, der berechtigt und verpflichtet ist, ein ihm vom Urheber überlassenes Werk auf eigene Rechnung zu vervielfältigen und zu vertreiben. Die (bloße) Eigenschaft als zivilrechtlicher Verleger der Zeitung begründet die für eine Haftung nach § 18 UWG erforderliche rechtliche Einflussmöglichkeit auf deren Inhalt (noch) nicht.

Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 4 Ob 4/02w (= MR 2002, 172 - 107,5 gewinnt, Antenne verliert) leitete die Unternehmerhaftung der Zweitbeklagten für wettbewerbswidrige Inhalte im redaktionellen Teil der K*****-Zeitung aus § 1 Abs 1 Z 8 MedienG in der damals geltenden Fassung ab. § 1 Abs 1 Z 8 MedienG idF vor der MedienG-Nov 2005 stellte nämlich den medienrechtlichen „Verleger" begrifflich einem „Medieninhaber" gleich. Beide Bezeichnungen wurden synonym für diejenige (natürliche oder juristische) Person verstanden, die sowohl an der inhaltlichen Gestaltung als auch an der Herstellung und Verbreitung des Mediums beteiligt ist (Brandstetter/Schmid, MedienG² § 1 Rz 42, 44 und 47). Demgegenüber kennt das Mediengesetz seit der MedienG-Nov 2005 nur mehr den Begriff des „Medieninhabers". Darunter versteht § 1 Abs 1 Z 8 MedienG idgF denjenigen, der „a) ein Medienunternehmen oder einen Mediendienst betreibt oder b) sonst die inhaltliche Gestaltung eines Medienwerks besorgt und dessen Herstellung und Verbreitung entweder besorgt oder veranlasst oder c) sonst im Fall eines elektronischen Mediums dessen inhaltliche Gestaltung besorgt und dessen Ausstrahlung, Abrufbarkeit oder Verbreitung entweder besorgt oder veranlasst oder d) sonst die inhaltliche Gestaltung eines Mediums zum Zweck der nachfolgenden Ausstrahlung, Abrufbarkeit oder Verbreitung besorgt". Entscheidend ist demnach die Möglichkeit der Einflussnahme auf die inhaltliche Gestaltung und die Verantwortung für den „content" (Noll in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz² § 1 Rz 30).

Mangels einer derartigen Einflussnahme auf redaktionelle Inhalte kann der (bloß) zivilrechtliche Verleger eines Mediums weder dem Medieninhaber im Sinn des § 1 Abs 1 Z 8 MedienG idgF, noch weniger einem Medienunternehmen im Sinn des § 1 Abs 1 Z 6 MedienG idgF gleichgestellt werden.

Sollte daher die Zweitbeklagte tatsächlich keine rechtliche Möglichkeit haben, auf die inhaltliche Gestaltung des redaktionellen Teils einzuwirken, um dadurch unlauteres Verhalten zu verhindern, kann sie auch nicht für einen derartigen Verstoß nach § 18 UWG in Anspruch genommen werden.

4. Eine abschließende Beurteilung einer allfälligen Unternehmerhaftung der Zweitbeklagten ist mangels Klärung der Rechtsbeziehungen zwischen den Beklagten derzeit nicht möglich. Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen über die zwischen den Streitteilen bestehenden Vereinbarungen zu treffen haben, die eine Beurteilung der Rechtsposition der Zweitbeklagten dahingehend zulassen, ob ihr eine (rechtliche) Einflussmöglichkeit auf redaktionelle Inhalte der K*****-Zeitung tatsächlich zukommt, oder ob dies nicht der Fall ist.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.