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OGH vom 18.01.2011, 4Ob186/10x

OGH vom 18.01.2011, 4Ob186/10x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** W*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krump, Rechtsanwalt in Hausmannstätten, wider die beklagte Partei M***** K*****, vertreten durch Mag. Heinz Kupferschmid und Mag. Gerhard Kuntner, Rechtsanwälte in Graz, wegen 23.469,82 EUR sA und Feststellung (Streitwert 4.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 105/10v 23, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 18 Cg 180/09d 17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.538,28 EUR (darin 256,38 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin hat über Vermittlung des beklagten Immobilienmaklers eine Eigentumswohnung gekauft und nimmt den Beklagten nach Geschäftsabschluss auf Schadenersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten mit dem Vorbringen in Anspruch, der Beklagte habe sie pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt, dass der von den Verkäufern verlangte Preis nicht marktkonform sei und dass sich die Wohnung in schlechtem Zustand befinde. Erst nach Kaufabschluss habe sich herausgestellt, dass der gezahlte Kaufpreis weit über dem Verkehrswert gelegen und die Wohnung infolge vorhandener Mängel reparaturbedürftig sei. Die Klägerin begehrt als Schadenersatz die Differenz zwischen Kaufpreis und Verkehrswert der Wohnung und die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle Nachteile aus der Verletzung von Pflichten aus dem Maklervertrag.

Nach den Feststellungen wusste die Klägerin (wenn auch nicht vom Beklagten), dass der Beklagte als Doppelmakler sowohl für die Verkäufer als auch für die klagende Käuferin tätig ist. Dem Beklagten erschien der Kaufpreis für das Objekt angemessen. Die Klägerin hat die Wohnung vor Kaufabschluss mehrmals besichtigt, ein Mal mit dem Beklagten, ein anderes Mal mit einem Bekannten, der selbst Makler ist und sie in der Frage der Preisangemessenheit bestärkte. Zum Zeitpunkt der gemeinsamen Besichtigung durch die Streitteile wies die Wohnung ihrem Alter entsprechende Abnützungen auf; darüber hinaus gehende Mängel wurden bei der Besichtigung nicht erkannt. Der Kaufpreis betrug 157.469,82 EUR inklusive Inventar. Die Bandbreite der tatsächlichen Kaufpreise derartiger Objekte bewegt sich zwischen +/ 15 % des Verkehrswerts, der für das gegenständliche Objekt bei entsprechendem Erhaltungszustand 141.000 EUR betragen hätte (Bandobergrenze demnach 162.150 EUR). Die im Übergabezeitpunkt vorhandenen Mängel berücksichtigte der Sachverständige im Vorverfahren über die Provisionsforderung des Beklagten mit einem Abschlag in Höhe von 5 %. Damit ergibt sich ein Verkehrswert der Wohnung von 133.950 EUR. Der Kaufpreis lag somit nur geringfügig (3.427 EUR) über der Obergrenze der Bandbreite tatsächlicher Kaufpreise vergleichbarer Objekte (154.042 EUR).

Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Schadenersatz setze eine Pflichtverletzung des beklagten Maklers voraus; eine solche liege nicht vor. Die Doppelmaklertätigkeit sei der Klägerin ohnehin bekannt gewesen, die unterlassene Aufklärung des Beklagten begründe keinen Ersatzanspruch. Die dem Alter der Wohnung nicht entsprechenden Mängel seien dem Beklagten schuldlos nicht aufgefallen; eine besondere Nachforschungspflicht habe gegenüber der Klägerin infolge der aufgrund der Doppeltätigkeit reduzierten Pflichten des Beklagten nicht bestanden. Der Beklagte habe davon ausgehen können, dass die Klägerin nach mehrmaligen Besichtigungen der Wohnung unter anderem mit einem ihr bekannten Makler eine für ihre Willensbildung ausreichende Vorstellung vom Kaufobjekt gewonnen habe. Zur Aufklärung der Klägerin über den Verkehrswert der Immobilie sei der Beklagte nicht verpflichtet gewesen. Er hafte ohne besonderen Auftrag nicht als Sachverständiger für die Schätzung des Verkehrswerts. Der Beklagte müsse als Doppelmakler auch die Interessen seiner Auftraggeber berücksichtigen. In krassen Fällen könne auch beim Doppelmakler eine Pflicht zur Aufklärung über einen unangemessenen Preis bestehen; ein solcher liege hier nicht vor. Da der Beklagte die ungewöhnlichen Mängel ohne Pflichtverletzung nicht erkannt habe, habe er von einem dem Alter der Wohnung entsprechenden Erhaltungszustand und einem Verkehrswert von 141.000 EUR ausgehen dürfen; berücksichtige man die Bandbreite der tatsächlichen Kaufpreise vergleichbarer Objekte, liege der Kaufpreis erheblich innerhalb dieser Bandbreite. Selbst unter Berücksichtigung aller Mängel liege der Kaufpreis nur geringfügig ober der Bandbreite, was noch keine Pflichtverletzung begründe, zumal der Verkehrswert einer Immobilie nur geschätzt werde, was geringfügige Abweichungen zumal bei der einem Doppelmakler zuzubilligenden Pflichtenreduktion nicht vorwerfbar mache.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig. Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

1.1. Der Beklagte ist als Doppelmakler tätig geworden. Das Verbot der sogenannten Doppeltätigkeit gemäß § 5 Abs 1 MaklerG besteht unter anderem dann nicht, wenn für den betreffenden Geschäftszweig ein abweichender Geschäftsgebrauch existiert. Für den Geschäftszweig der Immobilienmakler besteht ein derartiger abweichender Geschäftsgebrauch (RIS Justiz RS0062688).

1.2. Nach § 3 Abs 1 MaklerG hat der Makler die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren. Dies gilt auch, wenn er zugleich für den Dritten tätig ist. Sobald der Makler als Doppelmakler tätig wird, hat er dies beiden Auftraggebern mitzuteilen. Diese Mitteilungspflicht entfällt, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass seine Doppeltätigkeit bekannt ist (§ 5 Abs 3 MaklerG). Letzteres traf im Anlassfall den Feststellungen der Vorinstanzen zufolge zu.

1.3. Aus § 3 Abs 1 iVm § 5 Abs 3 MaklerG lässt sich ableiten, dass im Fall der zulässigen Doppelbeauftragung anders als im Fall der Einzelbeauftragung die beiden Maklerverträge dahin gehend zu interpretieren sind, dass der Makler zur Wahrung der Interessen der Auftraggeber lediglich im Rahmen des zu erwirkenden Interessenausgleichs verpflichtet ist (6 Ob 71/07w mwN = RIS Justiz RS0123712). Fromherz (Kommentar zum MaklerG § 3 Rz 33) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Pflichtenreduktion“ bei zulässiger Doppeltätigkeit.

2.1. Gemäß § 3 Abs 1 MaklerG hat der Makler die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren. Nach Abs 3 dieser Gesetzesstelle sind Makler und Auftraggeber verpflichtet, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben. Gemäß § 30b Abs 2 KSchG zählen zu den erforderlichen Nachrichten, die der Immobilienmakler dem Auftraggeber nach § 3 Abs 3 MaklerG zu geben hat, jedenfalls auch sämtliche Umstände, die für die Beurteilung des zu vermittelnden Geschäfts wesentlich sind. Diese Bestimmung spricht die Fachkenntnisse des Immobilienmaklers an, der seine Marktkenntnisse und sein Hintergrundwissen beratend einzubringen hat (4 Ob 8/02h unter Hinweis auf die Materialien).

2.2. Der Immobilienmakler ist Sachverständiger iSd § 1299 ABGB, weshalb von ihm erwartet werden kann, über einschlägige Probleme Bescheid zu wissen und richtige Auskünfte zu erteilen (RIS Justiz RS0109996 [T7]). Er hat den Auftraggeber jedenfalls über sämtliche Umstände zu unterrichten, die für die Beurteilung des zu vermittelnden Geschäfts wesentlich sind (4 Ob 8/02h mwN; RIS Justiz RS0109996 [T8]). Eine besondere Nachforschungspflicht des Maklers besteht nicht; ihn trifft auch keine Aufklärungspflicht, die einer anwaltlichen Beratungstätigkeit gleichkommt (RIS Justiz RS0112587). Die Beurteilung einer Pflichtverletzung ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen (RIS Justiz RS0109996 [T9]).

3. Die Verletzung von Aufklärungspflichten macht den Immobilienmakler gegenüber seinem Auftraggeber nach den allgemeinen Grundsätzen des ABGB ex contractu schadenersatzpflichtig; § 3 Abs 4 erster Satz MaklerG verweist lediglich auf allgemeines Schadenersatzrecht (vgl 5 Ob 43/02p = RIS Justiz RS0116638).

4.1. Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung von diesen Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht abgewichen, wenn es nach den vorliegenden Umständen des Einzelfalls davon ausgeht, dass ein Doppelmakler im Rahmen des zwischen beiden Auftraggebern zu erwirkenden Interessenausgleichs nicht verpflichtet ist, dem Alter der Wohnung nicht entsprechenden Mängeln nachzuforschen, einen Kaufinteressenten im Rahmen der gemeinsamen Besichtigung einer Wohnung auf sichtbare Schäden am Kaufobjekt hinzuweisen und diesen ohne besonderen Auftrag von sich aus darüber aufzuklären, dass der begehrte Kaufpreis den Verkehrswert bei Berücksichtigung dem Makler unbekannter, dem Alter der Wohnung nicht entsprechender Mängel geringfügig übersteigt. Dass ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt wurde, begründet noch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS Justiz RS0110702, RS0102181).

4.2. Nur ergänzend ist darauf zu verweisen, dass auch im jüngeren Schrifttum vertreten wird, ein Makler sei zu besonderen Informationen zur Angemessenheit des Kaufpreises unter Berücksichtigung der Situation am Wohnungsmarkt abgesehen von einem expliziten Auftrag oder auffälligen Preisdifferenzen nicht generell verpflichtet ( Kolba in Kosesnik Wehrle , KSchG³ § 30b Rz 34; ebenso Lehofer in der Vorauflage, zitiert bei Kriegner , Der Immobilienmakler Pflichten und vertragliche Haftung, 101). Keiner der genannten Ausnahmetatbestände liegt im Anlassfall vor.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.