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OGH vom 20.02.2013, 3Ob209/12z

OGH vom 20.02.2013, 3Ob209/12z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Mag. F*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der W***** GmbH, gegen die beklagten Parteien 1. W*****, und 2. P*****, beide vertreten durch Mörth Ecker Filzmaier Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, wegen 305.480 EUR sA und 540.000 EUR sA (Revisionsinteresse 180.000 EUR sA und 540.000 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 130/12y 32, womit über Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 15 Cg 57/11x (15 Cg 56/11z) 28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile lauten:

1. Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution 11.033,84 EUR samt 4 % Zinsen seit zu zahlen.

2. Das Mehrbegehren,

a) die erstbeklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen weiteren Betrag von 294.446,16 EUR samt 4 % Zinsen seit zu zahlen,

b) die zweitbeklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von 540.000 EUR samt 4 % Zinsen seit zu zahlen,

wird abgewiesen.

3. Die klagende Partei ist schuldig,

a) dem Erstbeklagten die mit 4.183,98 EUR (darin 697,33 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz,

b) der Zweitbeklagten die mit 4.798,02 EUR (darin 799,67 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz,

c) den beklagten Parteien die (für das Verfahren ab der Verbindung) mit 18.868,01 EUR (darin 3.144,67 EUR Umsatzsteuer) bestimmten weiteren Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 23.815,86 EUR (darin 773,31 EUR Umsatzsteuer und 19.176 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 28.895,04 EUR (darin 554,34 EUR Umsatzsteuer und 25.569 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über Eigenantrag wurde am über das Vermögen der Schuldnerin, einer Transport GmbH, das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Der Erstbeklagte ist seit Gründung der Schuldnerin deren 25%iger Gesellschafter und allein vertretungsbefugter Geschäftsführer; die Zweitbeklagte ist 75%ige Gesellschafterin und Prokuristin der Schuldnerin.

Die Schuldnerin erzielte im Geschäftsjahr 2008 einen Gewinn von 746.750,85 EUR, über dessen Verwendung die Generalversammlung am den Beschluss fasste, davon 17.500 EUR zur Zahlung des offenen Stammkapitals zu verwenden, 9.250,85 EUR als Gewinnvortrag zu verbuchen und 720.000 EUR als Gewinn auszuschütten. Der Erstbeklagte erhielt 180.000 EUR brutto, nach Abzug von 45.000 EUR Kapitalertragssteuer 135.000 EUR netto. Die Zweitbeklagte erhielt 540.000 EUR brutto, nach Abzug von 135.000 EUR Kapitalertragssteuer 405.000 EUR netto.

Die Schuldnerin hatte praktisch nur einen Auftraggeber, der sie mit Transportaufträgen auslastete. Im Februar 2009 hatte dieser Auftraggeber mit einem Konkurrenzunternehmen Verhandlungen über eine Geschäftsbeziehung aufgenommen; kurz nach dem Beginn der Verhandlungen wurde darüber eine Geheimhaltungs-vereinbarung geschlossen. Am kam eine Vereinbarung zustande, die am in einer Pressemitteilung bekannt gegeben wurde. Den Beklagten wurde diese Pressemitteilung noch am bekannt. Ab Kenntnis vom Vertragsabschluss zwischen dem (Haupt-)Auftraggeber der Schuldnerin und dem Konkurrenzunternehmen war den Beklagten klar, dass der Geschäftsbereich, in dem die Schuldnerin maßgeblich tätig war, wegfallen wird; tatsächlich wurde das Konkurrenzunternehmen ab in diesem Geschäftsbereich tätig, was zu einer negativen Auswirkung auf die Auslastung der Schuldnerin führte.

Es ist nicht feststellbar, ob in der Branche des Transportgewerbes Informationen über die angeführten Vertragsverhandlungen bekannt wurden und ob solche Informationen den Beklagten bekannt geworden sind.

Soweit für das Revisionsverfahren noch relevant, begehrt der klagende Masseverwalter von den beiden Beklagten, gestützt auf § 28 Z 3 KO (nun IO), die Rückzahlung der Gewinnauszahlung von 180.000 EUR sA bzw 540.000 EUR sA. Anlässlich des Gewinnverwendungs-beschlusses vom sei für die beiden den Beschluss fassenden Beklagten die Neuvergabe der Transportaufträge des Hauptumsatzträgers und damit ein bevorstehender Umsatz und Gewinneinbruch vorhersehbar gewesen.

Die Beklagten wandten im Wesentlichen ein, dass ihnen in den Zeitpunkten des Gewinnverwendungsbeschlusses und der Gewinnauszahlung die nachfolgende wirtschaftliche Entwicklung nicht erkennbar gewesen sei, weshalb kein Benachteiligungsvorsatz vorgelegen sei. Die Gesellschaft habe über hinreichende Liquidität verfügt. Bis Februar 2010 seien alle Verbindlichkeiten ohne „Fremdmitteleinsatz“ bei Fälligkeit bezahlt worden. Im Zeitpunkt der Gewinnausschüttung habe sich die Transport-GmbH auf dem Höhepunkt des wirtschaftlichen Erfolgs befunden.

Eine vom Erstgericht dem Erstbeklagten auferlegte Zahlungsverpflichtung von 11.033,84 EUR sA ist ebenso bereits in Rechtskraft erwachsen wie die Abweisung eines gegenüber dem Erstbeklagten gestellten Mehrbegehrens von 114.446,16 EUR sA; diese Beträge bilden daher keinen Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Das Erstgericht verpflichtete die beiden Beklagten zur Zahlung der beiden Beträge von 180.000 EUR sA und 540.000 EUR sA. Sie seien nahe Angehörige iSd § 5 Abs 1 Z 2 EKEG (§ 32 Abs 2 Z 3 IO); der Erstbeklagte sei als Geschäftsführer der Schuldnerin auch naher Angehöriger iSd § 32 Abs 2 Z 1 IO. Angesichts der Negativfeststellung zur Kenntnis von den Vertragsverhandlungen sei den Beklagten der ihnen obliegende Beweis, dass ihnen die Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin zur Zeit der Vornahme der Gewinnausschüttung nicht bekannt sein habe müssen, nicht gelungen. Den Beklagten wäre der Beweis oblegen, dass sie im Zeitpunkt des Generalversammlungsbeschlusses vom keine Kenntnis von den Verhandlungen (die zum Vertragsabschluss vom und damit zum Wegfall ihres Geschäftsbereichs geführt hätten) gehabt hätten.

Das Berufungsgericht verneinte den Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts.

Um den Erfolg der Anfechtung abzuwenden, hätten die Beklagten, die als deren Gesellschafter in der Generalversammlung den Willen der Schuldnerin allein gebildet hätten, durch den Beweis „positiver Tatsachen“ die gesetzliche Vermutung der Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin und der Erkennbarkeit dieser Benachteiligungsabsicht für die Beklagten anlässlich des Gewinnverwendungsbeschlusses vom widerlegen müssen. Nach dem Sachverhalt habe der die Schuldnerin voll auslastende, nahezu einzige Kunde schon Wochen vor dem Gewinnverwendungsbeschluss über das von der Schuldnerin nicht verhinderbare Abziehen des einzigen Geschäftsfeldes der Schuldnerin zu einem anderen Transporteur verhandelt, ohne dass den Beklagten der Beweis gelungen sei, dass für sie der drohende Wegfall ihres nahezu einzigen Geschäfts nicht erkennbar gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Parteien aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klageabweisenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs und Zurückverweisungs-antrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Klarstellung zulässig; sie ist auch berechtigt.

Das umfangreiche Vorbringen der beklagten Parteien in ihrer außerordentlichen Revision lässt sich verkürzt dahin zusammenfassen, dass ihnen das Berufungsgericht zu Unrecht eine Beweislast auferlegt habe, die sich einer unwiderlegbaren Vermutung annähere; damit werde die Beweispflicht der Beklagten in unzumutbarer Weise überspannt. Gerade bei Fehlen einer materiellen Insolvenz und überhaupt einer Krise des Unternehmens sei vom Fehlen einer Benachteiligungsabsicht auszugehen. Eine Beweislastumkehr setze eine feststellbare Anfechtungsgrundlage (eine objektivierbare Voraussetzung der Anfechtung) voraus, die aber im vorliegenden Fall fehle. Allein die (im Übrigen für den konkreten Fall widerlegte) Möglichkeit von Indiskretionen sei nicht ausreichend. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass bis zum keine Informationen über die Vertragsverhandlungen nach außen gedrungen seien.

Dazu wurde erwogen:

1. § 28 Z 3 KO (inhaltlich gleichlautend nun § 28 Z 3 IO) erklärt alle Rechtshandlungen für anfechtbar, durch welche die Gläubiger des Schuldners benachteiligt werden und die er in den letzten zwei Jahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber seinem Ehegatten oder gegenüber anderen nahen Angehörigen oder zugunsten der genannten Personen vorgenommen hat, es sei denn, dass dem anderen Teil zur Vornahme der Rechtshandlung eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners weder bekannt war noch bekannt sein musste. Unzweifelhaft ist, dass die beiden Beklagten zur Gruppe der „nahen Angehörigen“ der Schuldnerin gehören (§ 32 IO).

2. Bei Anfechtung einer Rechtshandlung nach § 28 Z 3 IO muss der Kläger lediglich die in den letzten zwei Jahren erfolgte Vornahme einer benachteiligenden Rechtshandlung des Schuldners, die Beteiligung des Beklagten als anderer Teil und dessen Qualifikation als naher Angehöriger beweisen (RIS Justiz RS0064269). Seine eigene Redlichkeit („es sei denn ...“) muss hingegen der Anfechtungsgegner behaupten und beweisen (RIS Justiz RS0050779 [T1]). In diesem Sinn kann der Anfechtungsgegner die Anfechtung durch die Behauptung und den Beweis solcher konkreter Tatsachen abwehren, die den Schluss rechtfertigen, dass überhaupt keine Benachteiligungsabsicht des Schuldners zur Zeit der Vornahme der Rechtshandlung bestand oder dass ihm eine solche Benachteiligungsabsicht des Schuldners weder bekannt war noch bekannt sein musste. Bleibt etwas unklar, hat die Anfechtung Erfolg (RIS Justiz RS0050779 [T2]; RS0064277).

3. Der klagende Masseverwalter hat im Verfahren erster Instanz zur Anfechtung nach § 28 Z 3 KO im Wesentlichen vorgebracht, dass im Zusammenhang mit der Ausschüttung des Großteils des Jahresgewinns 2008 in Höhe von 746.750,85 EUR, wovon rund 350.000 EUR auf den Verkauf von Anlagevermögen zurückzuführen seien, von Benachteiligungsabsicht auszugehen sei. Die beiden Gesellschafter seien in Kenntnis der Tatsache gewesen, dass es zu einer Neuvergabe des Auftrags des Hauptumsatzträgers der Gesellschaft gekommen sei. Der Umsatz wie auch der Gewinn seien im Jahr 2009 dramatisch eingebrochen, was nach dem ersten Quartal 2009 bereits erkennbar gewesen sei. Am sei bereits bekannt gewesen, dass sich die Differenz zwischen Erlösen und Aufwendungen im Vergleich der 1. Quartale der Jahre 2008 und 2009 halbiert habe (2008: 146.699 EUR bzw 74.711 EUR. Mit Sicherheit sei den beiden Beklagten der Umsatzeinbruch im Jahr 2009 bereits im ersten Quartal aufgefallen. Die massive Verschlechterung des Geschäftsgangs sei beiden Gesellschaftern bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung am bekannt gewesen.

4. Diese Behauptungen konnten vom Kläger nicht positiv unter Beweis gestellt werden; das Erstgericht konnte lediglich eine Negativfeststellung zur Frage treffen, ob die Vertragsverhandlungen innerhalb der Transportbranche bekannt wurden, ebenso auch zur Frage, ob solche Informationen den beklagten Parteien bekannt wurden.

5. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen lässt sich aus den getroffenen Feststellungen nicht auf einen Benachteiligungsvorsatz der Beklagten schließen. Der Oberste Gerichtshof hat sich zuletzt in der Entscheidung 3 Ob 90/11y (= RWZ 2012/3, 5 [ Wenger ]) eingehend mit der Frage des Benachteiligungsvorsatzes auseinandergesetzt und unter anderem ausgeführt, dass demjenigen, der eine mögliche Insolvenz und Gläubigerbenachteiligung nicht bedenkt, kein Vorsatz unterstellt werden kann.

Folgt man den unter 4. genannten Negativfeststellungen zu Lasten der Beklagten, waren zum Zeitpunkt der Fassung des Gewinnausschüttungsbeschlusses (eine materielle Insolvenz der Transport-GmbH lag damals nicht vor) lediglich Vertragsverhandlungen im Gange, die sich denkbarerweise in Zukunft zu Lasten der Transport-GmbH auswirken konnten. Auf einen bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch gab es aber keine Hinweise. Mit einer Veränderung der Marktsituation und der Auftragslage muss immer gerechnet werden, ohne dass deshalb eine Gewinnausschüttung unzulässig würde. Daher kann aus den Negativfeststellungen zu den Vertragsverhandlungen auch kein Schluss auf eine Gläubigerbenachteiligung im Zusammenhang mit einer künftigen Insolvenz gezogen werden. Es bedeutete eine Überspannung der Beweislast der Anfechtungsgegner, wenn sie den kaum zu erbringenden Beweis führen müssten, dass es in der Branche keine Gerüchte über die Vertragsverhandlungen gab. Dazu kommt, dass solche Gerüchte ja noch nichts über einen unmittelbar bevorstehenden, für das Unternehmen der Beklagten bedrohlichen tatsächlichen Vertragsabschluss aussagen.

6. In diesem Sinn sind die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern, ohne dass auf die weiters geltend gemachten Revisionsgründe einzugehen ist.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41, § 43 Abs 2 1. Fall und § 50 ZPO.

Das Erstgericht hat die beiden vom Masseverwalter gegen die beiden Beklagten gesondert eingeleiteten Verfahren in der Streitverhandlung vom miteinander verbunden. Gegenüber der Zweitbeklagten ist der Masseverwalter zur Gänze unterlegen. Gegenüber dem Erstbeklagten ist er nur mit einem im Verhältnis zum Klagebegehren geringfügigen Betrag (11.033,84 EUR = 3,6 % von 305.480 EUR) durchgedrungen, weshalb es gerechtfertigt ist, auch dem Erstbeklagten vollen Kostenersatz zuzusprechen. Die von den beklagten Parteien zur Deckung von Zeugengebühren erlegten Kostenvorschüsse wurden nicht verbraucht.