OGH vom 22.10.2019, 2Ob161/19v

OGH vom 22.10.2019, 2Ob161/19v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. E***** M*****, vertreten durch Stadler Völkel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. R***** M*****, vertreten durch Dr. Diethard Schimmer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 892.500 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 40/19t-25, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, bzw wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0042828). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstieße (RS0042828 [T11]).

1.1. Die hier vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, die Klägerin habe in erster Instanz kein ausreichendes Tatsachenvorbringen zum in der Berufung behaupteten Wuchertatbestand (§ 879 Abs 2 Z 4 ABGB) erstattet, weshalb das diesbezügliche Vorbringen in der Berufung gegen das Neuerungsverbot verstoße, ist nicht korrekturbedürftig.

Selbst wenn man die von der Klägerin in erster Instanz mehrfach behauptete, angeblich (auch) vom Beklagten verursachte „Drucksituation“ als „Zwangslage“ iSv § 879 Abs 2 Z 4 ABGB bewertete, fehlte es an einem ausreichenden Vorbringen in erster Instanz zum (für den Wuchertatbestand ebenfalls erforderlichen) „auffallenden Missverhältnis“ der beiderseitigen im Vertrag vereinbarten Leistungen zu Lasten der Klägerin: Mit der in Rede stehenden Vereinbarung vom sollten sämtliche erbrechtlichen Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Beklagten, ihrem Bruder, aus dem ihr von ihrer 1990 verstorbenen Mutter hinterlassenen fideikommissarischen Substitutionslegat abgefunden werden. Bei dieser Vereinbarung handelt es sich der Sache nach um einen Vergleich iSd § 1380 ABGB. Es hätte somit eines Tatsachenvorbringens bedurft, wonach die Klägerin durch den Vergleich auffallend schlechter gestellt worden wäre, als ihre rechtliche Position ohne den Vergleich gewesen wäre. Ein solches Vorbringen liegt nicht vor: Die Klägerin hat zwar behauptet, der im Vertrag genannte „Fruchtgenuss“ habe nicht annähernd jenen Beträgen entsprochen, die die Klägerin in der Vergangenheit erhalten habe bzw erhalten hätte sollen. Nach den Feststellungen hatte die Klägerin ursprünglich aus den Mieteinnahmen einer Liegenschaft ihren vollen Gewinnanteil ausbezahlt erhalten. Diese Liegenschaft wurde 2012 verkauft. Der Entfall der Einnahmen aus den Mieterlösen war somit ein Resultat des Liegenschaftsverkaufs und nicht der Vereinbarung vom .

Das nunmehr in der Revision erstattete Vorbringen zum „groben Missverhältnis“ der Leistungen verstößt gegen das Neuerungsverbot.

1.2. Ebenso nicht korrekturbedürftig ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe in erster Instanz kein Vorbringen zur laesio enormis (§ 934 ABGB) erstattet. Das dazu auch in der Revision erstattete Vorbringen verstößt ebenso gegen das Neuerungsverbot.

2. Soweit sich die Revisionswerberin auf (allgemeine) Sittenwidrigkeit gemäß § 879 Abs 1 ABGB im Zusammenhang mit der Sicherstellung der Ansprüche des Beklagten beruft, ist ihr zu entgegnen, dass das darin enthaltene Tatsachenvorbringen, die Klägerin hätte vom Verkaufserlös eine Liegenschaft erworben und dem Beklagten dort eine Hypothek einräumen können, eine in dritter Instanz unbeachtliche Neuerung ist. Auf der Basis der Feststellungen der Vorinstanzen über Zustandekommen und Inhalt des Vertrags vom ist die Verneinung einer Sittenwidrigkeit durch das Berufungsgericht jedenfalls keine korrekturbedürftige Rechtsansicht.

3. Davon ausgehend stellen sich sämtliche von der Revisionswerberin im Zusammenhang mit der Nacherbschaft und dem Fruchtgenuss (vgl § 613 ABGB aF) erörterten Rechtsfragen zur Bewertung nicht, weil die Streitteile mit der Vereinbarung vom (vgl deren Punkt 4.) alle erbrechtlichen Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Beklagten aus der Verlassenschaft nach ihrer Mutter verglichen haben.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00161.19V.1022.000

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