OGH vom 29.08.2019, 6Ob142/19d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei C***** S.A., *****, Brasilien, vertreten durch Knoetzl Haugender Netal Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die Gegner der gefährdeten Partei 1. E***** S.A., *****, Brasilien, 2. C***** GmbH, 3. E***** GmbH, beide *****, 4. R*****, Zweit- bis Viertantragsgegner vertreten durch Binder Größwang Rechtsanwälte GmbH in Wien, 5. G*****, 6. R*****, beide *****, Brasilien, wegen Unterlassung, über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 158/19k-25, mit dem die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 6 C 205/19v-6, hinsichtlich der Zweit- bis Viertantragsgegner als nichtig aufgehoben und der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung insoweit zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird .
Die angefochtene Entscheidung wird und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Zweit- bis Viertantragsgegner unter Abstandnahme vom gebrauchten Nichtigkeitsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die gefährdete Partei und Antragstellerin ist zu 49,41 % Minderheitsgesellschafterin, die J***** S.A. zu 50,59 % Mehrheitsgesellschafterin der Erstantragsgegnerin. Diese Gesellschaft ist die Muttergesellschaft eines weltweit agierenden Konzerns im Bereich der Zellstoffherstellung mit Sitz in Brasilien. Die Zweitantragsgegnerin ist deren 100%ige Tochter und 100%ige Mutter der Drittantragsgegnerin. Die Viert- bis Sechstantragsgegner sind jeweils Geschäftsführer der Zweit- und der Drittantragsgegnerinnen.
Mit Share Purchase Agreement (SPA) von erwarb die Antragstellerin von der Mehrheitsgesellschafterin deren sämtliche direkten und indirekten Beteiligungen an der Gesellschaft und deren Tochter- sowie Enkelunternehmen. Zur Sicherstellung der Vermeidung wesentlicher Veränderungen an diesen Gesellschaften wurde zusätzlich zu diesem Aktienkaufvertrag ein Syndikatsvertrag geschlossen, dem die Gesellschaft am als zusätzliche Partei beitrat. Am trat die Gesellschaft auch dem Aktienkaufvertrag bei, dessen Abwicklung mit geplant war. Die Antragstellerin erwarb 49,41 % der Aktien an der Gesellschaft sofort, über den Kauf der restlichen Aktien entstand Streit.
Im Aktienkaufvertrag wird die gewöhnliche Geschäftstätigkeit in Punkt 1.1 definiert als Geschäft des Unternehmens, insbesondere in der gewöhnlichen und üblichen Geschäftstätigkeit und unter Bedachtnahme auf das anzuwendende Recht: (i) in Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis des Unternehmens, oder (ii) wenn eine solche Praxis nicht besteht, ähnlich in Inhalt, Umfang und Ausmaß zu Tätigkeiten, die verständlicherweise im Rahmen des gewöhnlichen und täglichen Geschäftsbetriebs anderer Personen gleicher wirtschaftlicher Größe, die im gleichen örtlichen Umfeld und Industriezweig tätig sind, wie die Unternehmen. In Punkt 7.1 verpflichtete sich die Mehrheitsgesellschafterin, vom Tag der Fertigstellung der due diligence bis zum Tag des zweiten Verkaufs Handlungen zu unterlassen, soweit es sich um solche handelt, die ein Mehrheitsgesellschafter direkt unterlassen kann, und die Geschäftsführung der Unternehmen anzuweisen, ihre Handlungen im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit durchzuführen, soweit es sich um Handlungen in Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Unternehmen und weiterer Konzernunternehmen handelt.
In weiterer Folge torpedierte die Mehrheitsgesellschafterin allerdings den Aktienkaufvertrag, woraufhin die Antragstellerin am beim Superior Court of Justice of the State of Sao Paulo eine einstweilige Verfügung erwirkte, die anordnet, dass bis zur Konstituierung des in der Hauptsache zur Entscheidung berufenen Schiedsgerichts gemäß Aktienkaufvertrag Verfügungen über die der Mehrheitsgesellschafterin verbleibenden Aktien an der Gesellschaft zu unterlassen und die Geschäfte nur im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs fortzuführen sind. Am brachte die Antragstellerin gemäß Art 4 der ICC-Schiedsgerichtsordnung beim Sekretariat des Internationalen Schiedsgerichtshofs von Brasilien (SCIAB) in Sao Paulo Schiedsklage gegen die Mehrheitsgesellschafterin und die Gesellschaft ein, woraufhin sich am das Schiedsgericht formell konstituierte. Sie begehrte darin unter anderem, ihr die Ausübung der in Punkt 7. des Aktienkaufvertrags beschriebenen Rechte bis zur effektiven Übertragung der von der Mehrheitsgesellschafterin an der Gesellschaft gehaltenen Aktien zu sichern, die bis zum endgültigen Schiedsspruch in diesem Schiedsverfahren nicht verkauft oder belastet werden dürfen (Punkt a des Begehrens), und die Mehrheitsgesellschafterin zur Übertragung der Gesamtheit der von dieser gehaltenen Aktien der Gesellschaft zu dem im Vertrag festgesetzten Preis unter Einbeziehung des Abschlusses zum an die Antragstellerin zu verpflichten und dazu alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die betreffende Übertragung zu erleichtern (Punkt d des Begehrens).
Dennoch berief der Aufsichtsrat der Gesellschaft am ein Boardmeeting für den ein, wofür ein einseitiges Dokument mit der Bezeichnung eines Vorschlags für eine Anleiheemission zur Verfügung gestellt wurde. Erstmalig in der Aufsichtsratssitzung wurde sodann der Vorschlag, Anleihen über die Drittantragsgegnerin zu begeben, auf den Tisch gebracht und mit Mehrheit auf Weisung der Mehrheitsgesellschafterin beschlossen. Zehn Tage später begann die Medienkampagne für die Emission, wobei bereits am der Emissionsprospekt erstellt war, der 370 Seiten umfasst. Dieser besagt, dass die Drittantragsgegnerin den Kaufvertrag mit den vier Banken, die darin genannt sind, jederzeit unterzeichnen könne, womit die schnelle Platzierung auf den internationalen Kapitalmärkten von statten ginge, die Drittantragsgegnerin Emittentin der Anleihe, die Gesellschaft Muttergarantin und die Zweitantragsgegnerin Tochtergarantin seien. Das geplante Emissionsvolumen liege zwischen 350 und 500 Mio US-$, für die konkrete Umsetzung seien die Geschäftsführer der Zweit- und Drittantragsgegnerinnen verantwortlich.
Am wurde die Emission von Anleihen über die Drittantragsgegnerin in Höhe von bis zu 500 Mio US-$ beschlossen, des Weiteren eine Garantie der Verpflichtungen, die die Drittantragsgegnerin in diesem Rahmen eingehen werde, welche von der Gesellschaft und der Zweitantragsgegnerin gewährt wird, sowie eine Ermächtigung an den Vorstand der Gesellschaft, alle Handlungen vorzunehmen und Dokumente zu unterzeichnen, die für die Emission der Anleihen und die entsprechenden Garantien erforderlich sind. Der Vertreter der Antragstellerin stimmte dagegen.
Um die beabsichtigte Notierung der Anleiheemission zu verhindern, rief die Antragstellerin den High Court of the Republik of Singapore gegen die Gesellschaft und deren Tochter- bzw Enkelunternehmen an, welches die Emission der Anleihe und die Veröffentlichung des Emissionsprospekts in Singapur mit Beschluss vom untersagte. Ein weiterer Antrag auf einstweilige Verfügung wurde am selben Tag beim Gericht in Sao Paulo eingebracht.
Das Erstgericht verbot über Antrag der Antragstellerin „zur Sicherung der Ansprüche der gefährdeten Partei auf Beschränkung der [Gesellschaft] auf den 'gewöhnlichen Geschäftsgang' zur Abwehr eines unwiederbringlichen Schadens“ mittels einstweiliger Verfügung den Antragsgegnern „bis zur wirksamen Übertragung sämtlicher Aktien der [Gesellschaft] an die [Antragstellerin] oder der rechtskräftigen Abweisung des Anspruchs auf Übertragung derselben
a) die im [Emissionsprospekt] vom vorgesehene Anleihe oder eine Anleihe, die auf ein vergleichbares wirtschaftliches Ergebnis abzielt, zu begeben oder zu besichern oder an der Begebung oder Besicherung einer derartigen Anleihe durch [die Erst- bis Drittantragsgegnerinnen] mitzuwirken, und/oder
b) [den Emissionsprospekt] vom oder eine ergänzende und/oder geänderte Fassung desselben zu erstellen, zu veröffentlichen oder zu verbreiten oder sonst daran mitzuwirken, und/oder an der Erstellung, Veröffentlichung oder Verbreitung eines sonstigen Prospekts zur Begebung der im [Emissionsprospekt] vom vorgesehenen Anleihe durch [die Erst- bis Drittantragsgegnerinnen] oder einer ähnlichen Anleihe, die auf ein vergleichbares wirtschaftliches Ergebnis abzieht, mitzuwirken, und/oder
c) eine Garantie, Bürgschaft oder sonstiges Sicherungsrecht zur Besicherung einer Anleihe der [Erst- bis Drittantragsgegnerinnen] im Sinne des Punktes a zu gewähren oder daran mitzuwirken, und/oder
d) Maßnahmen zu setzen oder [dabei] mitzuwirken, die auf ein vergleichbares wirtschaftliches Ergebnis abzielen [wie jene in den] Punkten a, b und/oder c beschriebenen Handlungen, insbesondere durch Aufnahme von Fremdmitteln durch [die Erst- bis Drittantragsgegnerinnen] in dreistelliger Millionenhöhe in Euro oder in vergleichbarer Größenordnung in anderen Währungen und/oder durch die Gewährung von Sicherheiten zur Besicherung derartiger Fremdmittel.“
Das Erstgericht bejahte seine Zuständigkeit hinsichtlich der Zweit- bis Viertantragsgegner aufgrund deren allgemeinen Gerichtsstands in Österreich und hinsichtlich der in Brasilien situierten Antragsgegner aufgrund § 387 Abs 2 letzter Satz EO. Die Antragstellerin begehre im Wesentlichen eine Sicherung ihrer Ansprüche aus dem Aktienkaufvertrag vom . Die Mehrheitsgesellschafterin und die Gesellschaft, die Teilnehmer dieses Vertrags sei, beförderten die Vereitelung der vertraglichen Verpflichtungen dadurch, dass sie eine vertragliche Regelung, welche den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Zustand der Gesellschaft sichern sollte, missachteten und durch Nutzung der Mehrheitsgesellschafterstellung eine Maßnahme der außerordentlichen Geschäftsgebarung durchsetzten, welche eine wesentliche Veränderung der Gesellschaft und somit des bestehenden Zustands nach sich zieht. Die beschlossene Anleiheemission trotz laufenden Rechtsstreits den Kaufvertrag betreffend sei ein Geschäft, welches keinesfalls als Geschäft angesehen werden könne, welches in der gewöhnlichen und üblichen Geschäftstätigkeit selbst begründet ist. Die Gesellschaft sei in der Zelluloseindustrie tätig und habe zwar 2016 eine Anleihe begeben, welche selbst wie die 2019 beschlossene, vom Aufsichtsrat und Hauptversammlung beschlossen worden sei; ein solches Geschäft sei aber keineswegs als eines des täglichen Geschäftsbetriebs eines Unternehmens gleicher Art und Größe im selben Geschäftszweig zu erkennen. Die tatsächliche Durchführung der Emission sei der Drittantragsgegnerin, einer Enkeltochter der Gesellschaft, überbunden worden; Zweitantragsgegnerin und Gesellschaft seien Garantinnen der Anleihe. Die tatsächlich handelnden Personen seien deren Geschäftsführer. Aufgrund des gefassten Emissionsbeschlusses und fortgeschrittener Vorbereitung der Emission in der Öffentlichkeit sei zu besorgen, dass die Verwirklichung des Anspruchs der Antragstellerin, 100 % Aktien der Gesellschaft in unverändertem Zustand wie zum Kaufvertragszeitpunkt zu erhalten, durch Veränderung des bestehenden Zustands des Unternehmens, nämlich durch Ausgabe einer bis zu 500 Mio US-$ dotierten Anleihe und damit dem Eingehen langfristiger Verpflichtungen in dieser Höhe, verhindert wird.
Das Rekursgericht hob aus Anlass des Rekurses der Zweit- bis Viertantragsgegner in Ansehung dieser Parteien die einstweilige Verfügung wegen fehlender inländischer Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) als nichtig auf und wies den Provisorialantrag hinsichtlich dieser Antragsgegner zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; die zu lösenden Rechtsfragen hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit seien strittig.
In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, mangelnde Vollstreckbarkeit einer Entscheidung eines ausländischen Gerichts im Inland hindere die inländische Gerichtsbarkeit für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Es wäre ein Wertungswiderspruch, die Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung über einen konkreten Anspruch nicht anzuerkennen, aber diesen Anspruch durch eine einstweilige Verfügung zu sichern, ohne gleichzeitig eine vollstreckbare Rechtfertigungshandlung zu verlangen. Weder Entscheidungen aus Singapur noch solche aus Brasilien seien in Österreich vollstreckbar. Im Übrigen gehe aus dem Vorbringen der Antragstellerin nicht hervor, dass sie (irgend-)einen Anspruch gegen die Zweit- bis Viertantragsgegner habe, den sie in Österreich zur Rechtfertigung geltend machen wolle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Nach § 27a Abs 1 JN besteht die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) dann, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts gegeben sind, ohne dass eine sonstige Voraussetzung erfüllt sein muss; abweichende Bestimmungen im Völkerrecht, die nach § 27a Abs 2 JN vorrangig zu beachten wären, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Liegt demnach ein inländischer Zuständigkeitstatbestand vor, dann ist auch die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) für das Verfahren über die einstweilige Verfügung gegeben (E. Kodek in Angst/Oberhammer, EO³ [2015] § 387 Rz 19 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Für die Bewilligung einstweiliger Verfügungen ist gemäß § 387 Abs 1 EO das Gericht zuständig, vor welchem der Prozess in der Hauptsache zur Zeit des ersten Antrags anhängig ist. Für einstweilige Verfügungen vor Einleitung eines Rechtsstreits ist gemäß § 387 Abs 2 EO das Bezirksgericht zuständig, bei dem der Gegner der gefährdeten Partei zur Zeit der ersten Antragstellung seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat.
2. Nach herrschender Auffassung wird unter dem Gericht des Hauptverfahrens im Sinn des § 387 Abs 1 EO nur ein inländisches Gericht verstanden (Zeiler, Internationales Sicherungsverfahren [1996] 45; G. Kodek in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO [2015] § 387 Rz 37). Bereits in der Entscheidung 1 R 59/19 (SZ 1/26 = RS0005126) wurde aber klargestellt, dass bei Anhängigkeit der Klage im Ausland die Zuständigkeit zur Bewilligung der einstweiligen Verfügung nach § 387 Abs 2 EO in Anspruch genommen werden kann; somit ist Abs 2 auch dann anwendbar, wenn das Hauptverfahren im Ausland anhängig ist (1 Ob 140/02y). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Entscheidung im ausländischen Hauptverfahren in Österreich anerkannt und vollstreckt wird (1 R 59/19; 1 Ob 616/92; Heller/Berger/Stix, Exekutionsordnung [1976] 2821 [ansonsten wäre die Sicherung in Österreich zwecklos]; Konecny, Aktuelle Verfahrensfragen bei einstweiligen Verfügungen gegen den Mißbrauch von Bankgarantien, ÖBA 1989, 848; Zeiler aaO 74). Ob § 387 Abs 2 EO auch dann anwendbar ist, wenn die Entscheidung im ausländischen Hauptverfahren in Österreich nicht anerkennt und vollstreckt wird (in diesem Sinn König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren5 [2017] Rz 6/17; G. Kodek aaO Rz 47; möglicherweise auch 1 Ob 140/02y), kann hier dahingestellt bleiben:
3.1. Nach § 614 Abs 1 ZPO richten sich Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung, soweit nicht nach Völkerrecht oder in Rechtsakten der Europäischen Union anderes bestimmt ist; hiezu gehört unter anderem das New Yorker UNÜbereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom , BGBl 1961/200 (vgl Hausmaninger in Fasching/Konecny IV/2³ [2016] § 614 ZPO Rz 31). Dieses ist auf die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen anzuwenden, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen natürlichen oder juristischen Personen in dem Hoheitsgebiet eines anderen Staats als desjenigen ergangen sind, in dem die Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird (Art I Abs 1 Satz 1). Jeder Staat, der dieses Übereinkommen unterzeichnet oder ratifiziert, ihm Beitritt oder dessen Ausdehnung gemäß Art X notifiziert, kann gleichzeitig auf der Grundlage der Gegenseitigkeit erklären, dass er das Übereinkommen nur auf die Anerkennung und Vollstreckung solcher Schiedssprüche anwenden werde, die in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats ergangen sind (Art I Abs 3 Satz 1). Der von der Republik Österreich gemäß Art I Abs 3 Satz 1 des New Yorker UNÜbereinkommens erklärte Vorbehalt (kundgemacht in BGBl 1961/200) wurde mit Wirkung vom zurückgezogen (BGBl 1988/161). Die Universalität des Übereinkommens, das auch auf Schiedssprüche Anwendung findet, die in einem Nichtvertragsstaat ergangen sind, wird von Österreich nicht mehr ausgeschlossen. Österreich anerkennt und vollstreckt auf der Grundlage dieses Abkommens jeden, woher auch immer stammenden Schiedsspruch (3 Ob 164/94; 3 Ob 1075/95; Hausmaninger aaO Rz 27). Im Übrigen ist im vorliegenden Fall darauf hinzuweisen, dass Brasilien ohnehin Vertragsstaat des New Yorker UNÜbereinkommens ist (BGBl III 2002/145).
3.2. In dem seit in Sao Paulo anhängigen Schiedsverfahren nach der ICC-Schiedsgerichtsordnung strebt die Antragstellerin gegen die Mehrheitsgesellschafterin und die Gesellschaft an, erstere zur Übertragung der Gesamtheit der von dieser gehaltenen Aktien der Gesellschaft zu dem im Vertrag festgesetzten Preis unter Einbeziehung des Abschlusses zum an die Antragstellerin zu verpflichten und dazu alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die betreffende Übertragung zu erleichtern (Punkt d des Begehrens). Sollte die Antragstellerin in diesem Schiedsverfahren obsiegen – dieses Verfahrensergebnis würde in Österreich anerkannt und vollstreckt –, so wäre sie ab diesem Zeitpunkt alleinige Gesellschafterin der Gesellschaft; bis zu diesem Zeitpunkt sollen aber mit der hier beantragten einstweiligen Verfügung ihre Ansprüche aus dem Aktienkaufvertrag auf Durchführung lediglich von Handlungen im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, wozu Anleiheemissionen nicht gehören (sollen), gesichert werden. Das Schiedsverfahren in Brasilien stellt somit das (zuständigkeitsbegründende [§ 387 Abs 2 EO] und rechtfertigende [§ 391 EO]) Hauptverfahren für die beantragte und vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung dar. Darauf hat sich die Antragstellerin sowohl im Verfahren erster Instanz (insbesondere AS 22 f) als auch im Revisionsrekursverfahren (371 ff) gestützt; die Revisionsrekursbeantwortung enthält dazu keine substanziellen Ausführungen.
3.3. Dass die Zweit- bis Viertantragsgegner nicht Parteien dieses Schiedsverfahrens sind, stellt zum einen eine Frage der materiellen Berechtigung der beantragten einstweiligen Verfügung dar; im Revisionsrekursverfahren geht es aber nur um Zuständigkeitsfragen. Zum anderen hat der erkennende Senat in der Entscheidung 6 Ob 38/18h (NZ 2018/103 [Wimmer, 401] = GesRZ 2018, 303 [Zimmermann]) im Zusammenhang mit Beschlussanfechtungen nach § 41 ff GmbHG bereits klargestellt, dass eine Ansprüche gegen eine Gesellschaft sichernde einstweilige Verfügung „zur Verstärkung des Unterlassungsgebots“ auch gegen deren Geschäftsführer gerichtet werden kann (ErwGr 6.2.), selbst wenn dem Antragsteller gegen den Geschäftsführer ein eigener Anspruch nicht zusteht (ErwG 6.3.); die Gesellschaft handle ja ohnehin durch ihre Organe. Dieser Schutzgedanke ist auch dann anwendbar, wenn – wie im vorliegenden Fall – der zu sichernde (Unterlassungs)Anspruch zwar gegenüber der Gesellschaft besteht, das Unterlassungsgebot aber dadurch unterlaufen würde, dass (100%ige) Tochter- bzw Enkelunternehmen der Gesellschaft die verbotenen Handlungen und Maßnahmen setzen (vgl auch 7 Ob 2350/96f und 7 Ob 59/03g zur Sicherung von Ansprüchen aus Syndikatsverträgen nicht nur gegenüber Vertragspartnern, sondern auch gegenüber deren Töchterunternehmen).
4. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass dieser dann, wenn das Berufungsgericht über die Berufung nicht meritorisch, sondern formell im Sinne einer Nichtigerklärung und Zurückweisung der Klage entschieden hat, über berechtigten Rekurs dem Berufungsgericht nur die meritorische Entscheidung über die Berufung auftragen, nicht aber selbst in der Sache entscheiden kann (RS0065254). Von diesem Grundsatz abweichend wird für das Sicherungsverfahren vertreten – und dies mit der Eilbedürftigkeit bei Realisierung des Sicherungszwecks begründet –, dass die funktionelle Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Sicherungsantrag infolge eines Rekurses gegen einen Beschluss des Erstgerichts, mit dem über das Provisorialbegehren – sei es durch eine Zurückweisung aus formellen Gründen, sei es durch eine meritorische Erledigung – erkannt wurde, umfassend auf die zweite Instanz übergehe (Zechner in Fasching/Konecny IV/1² [2005] § 526 ZPO Rz 21; ebenso 1 Ob 159/02t [das Rekursgericht ist zur meritorischen Erledigung eines Sicherungsantrags funktionell auch dann zuständig, wenn ihn das Erstgericht aus formellen Gründen {mangelnde internationale Zuständigkeit} zurückwies]).
Damit ist die vorliegende Verfahrenskonstellation allerdings nicht vergleichbar: Hier hat nicht das Rekursgericht (bloß) einen Rekurs zurückgewiesen, sondern den erstinstanzlichen Beschluss als nichtig aufgehoben und den Sicherungsantrag selbst zurückgewiesen, in welcher Konstellation die Entscheidung 4 Ob 163/52 dem Rekursgericht eine sachliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Nichtigkeitsgrund auftrug und nicht selbst entschied. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (letztlich) über den Rekurs der Zweit- bis Viertantragsgegner, wie dies offensichtlich der Antragstellerin vorschwebt, kommt zur Vermeidung einer Verschiebung des Instanzenzugs nicht in Betracht.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO,§ 402, 78 EO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00142.19D.0829.000 |
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