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OGH vom 30.10.2018, 2Ob157/18d

OGH vom 30.10.2018, 2Ob157/18d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der ***** 2014 verstorbenen B***** M*****, im Verfahren über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Verlassenschaft nach *****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator DI M***** M*****, dieser vertreten durch Mag. Andreas Berchtold und Dr. Norbert Kollerics, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 303/17h-158, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-West vom , GZ 217 A 143/14t-151, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

A. Der Oberste Gerichtshof beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge folgende Bestimmungen des Außerstreitgesetzes als verfassungswidrig aufheben:

1. In § 63 in der Fassung des BG BGBl I 2009/52 in Absatz 2 die Wortfolge: „binnen 14 Tagen“;

2. in § 65 in der Stammfassung, BGBl I 2003/111, in Absatz 1 die Wortfolge: „beträgt 14 Tage. Sie“;

3. in § 68 in der Stammfassung, BGBl I 2003/111, in Absatz 1 Satz 2 die Wortfolge: „binnen 14 Tagen“.

B. Hilfsweise beantragt der Oberste Gerichtshof, der Verfassungsgerichtshof möge auch folgende Bestimmungen des Außerstreitgesetzes als verfassungswidrig aufheben:

1. In § 46 in der Fassung des BG BGBl I 2010/111, in Absatz 1 die Wortfolge: „beträgt vierzehn Tage. Sie“;

2. in § 48 in der Stammfassung BGBl I 2003/111, in Absatz 2 die Wortfolge: „binnen 14 Tagen ab dem Zeitpunkt der Zustellung an sie“.

C. Mit dem Verfahren wird bis zur Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.

Text

Begründung:

B***** M***** und Dr. A***** M***** kamen bei einem Verkehrsunfall am ums Leben. Im Verlassenschaftsverfahren nach B***** M***** gaben deren Kinder aufgrund des Gesetzes bedingte Erbantrittserklärungen je zur Hälfte des Nachlasses ab; die von einem Kurator vertretene Verlassenschaft nach Dr. A***** M***** (idF: Verlassenschaft) gab aufgrund des Gesetzes eine bedingte Erbantrittserklärung zu einem Drittel des Nachlasses ab. Aufgrund dieser widerstreitenden Erbantrittserklärungen leitete das Erstgericht ein Verfahren über das Erbrecht iSd § 161 ff AußStrG ein. Kern des Streits ist die Frage, ob Dr. A***** M***** die Erblasserin überlebt hat oder nicht.

Das stellte das Erbrecht der Kinder fest und wies die Erbantrittserklärung der Verlassenschaft ab.

Das gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Verlassenschaft nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Entscheidung wurde dem Vertreter der Verlassenschaft am im Elektronischen Rechtsverkehr zugestellt.

Die erhob gegen diese Entscheidung einen , den sie am im Elektronischen Rechtsverkehr beim Erstgericht einbrachte. Das Erstgericht legte die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1. Im Verfahren über den Revisionsrekurs ist zunächst dessen Rechtzeitigkeit zu prüfen, da (jedenfalls) der Oberste Gerichtshof einen verspäteten Revisionsrekurs nach § 71 Abs 3 iVm § 54 Abs 1 Z 1 AußStrG unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen hat (Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I § 67 Rz 8 f mwN). Anzuwenden ist in diesem Zusammenhang § 65 Abs 1 AußStrG, wonach die Frist für den Revisionsrekurs 14 Tage beträgt. Im vorliegenden Fall wurde der Revisionsrekurs nach Ablauf dieser Frist erhoben. Dies müsste nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zu dessen Zurückweisung führen.

2. Allerdings verstößt die in § 65 Abs 1 AußStrG angeordnete Frist von 14 Tagen nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs in Verfahren über das Erbrecht gegen den Gleichheitssatz (Art 7 BVG).

2.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001, zuletzt etwa G409/2017). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001; zuletzt etwa G 409/2017). Diese Schranken sind nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs im vorliegenden Fall überschritten.

2.2. Das Außerstreitverfahren differenziert bei den Fristen für Rekurse und Revisionsrekurse.

Grundsätzlich beträgt diese Frist 14 Tage (§ 46 Abs 1 AußStrG [Rekurs], § 65 Abs 1 AußStrG [Revisionsrekurs]), wobei das Gesetz nicht zwischen (nach § 45 AußStrG nur ausnahmsweise anfechtbaren) verfahrensleitenden Beschlüssen und Beschlüssen über die Sache unterscheidet. Sowohl im Stammgesetz als auch in Sondergesetzen finden sich jedoch auch abweichende Regelungen. Einige davon sind auf Vorgaben des Europäischen Zivilverfahrensrechts (zB § 98 Abs 4 AußStrG;§ 114 Abs 3 AußStrG), auf Besonderheiten der Fristberechnung im Grundbuchsverfahren (§ 123 GBG) und auf die Übernahme von Vorgängerbestimmungen aus anderen Rechtsbereichen (§ 139 Z 2 und § 140 Abs 2 Z 1 PatG 1970, gegebenenfalls iVm § 37 f MSchG,§ 33 Abs 2 GMG) zurückzuführen. Sie sind für die Beurteilung des vorliegenden Falls irrelevant. Von Interesse sind demgegenüber folgende Abweichungen von der 14tägigen Regelfrist:

(a) Kürzere Fristen gelten für Rekurse, mit denen die Unzulässigerklärung einer Maßnahme des Kinder- und Jugendhilfeträgers nach § 211 Abs 1 Satz 2 ABGB angefochten wird (§ 107a Abs 1 Satz 4 AußStrG: drei Tage), weiters für die Anfechtung der Unzulässigerklärung einer Freiheitsbeschränkung oder Unterbringung (§ 13 Abs 2 und § 16 Abs 2 HeimAufG; § 20 Abs 2 und § 28 Abs 2 UbG: drei bzw sieben Tage).

(b) Eine vierwöchige Frist gilt demgegenüber für Sachbeschlüsse im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren (§ 37 Abs 3 Z 15 und Z 16 MRG, gegebenenfalls iVm § 52 Abs 2 WEG, § 22 Abs 4 WGG; vgl auch § 12 Z 6 LPG), für Beschlüsse über die Enteignungsentschädigung (§ 30 Abs 3 EisbEG) und für Endentscheidungen im Kartellverfahren (§ 49 Abs 2 KartG). Diese Bestimmungen betreffen jeweils die Sachentscheidung im Verfahren; für andere (ausnahmsweise) anfechtbare Beschlüsse gilt die allgemeine Frist von 14 Tagen.

2.3. Die Gründe für diese Differenzierung liegen in den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstands:

(a) Für den Regelfall hat der Gesetzgeber des (neuen) Außerstreitgesetzes das Beibehalten der (zuletzt) im AußStrG 1854 geltenden 14tägigen Rechtsmittelfristen vorgesehen. Zur Begründung verweisen die Materialien auf die „bewährte“ Vorgängerregelung; eine Verlängerung auf vier Wochen hätte – zusammen mit der Einführung der generellen Zweiseitigkeit des Rechtsmittelsystems – zu einer „Vervierfachung“ der Rechtsmittelfristen geführt (EB zur RV, 224 BlgNR XXII. GP 47). Diese vom Zivilprozess abweichende Regelung lässt sich vor allem mit dem Rechtsfürsorgecharakter des (traditionellen) Außerstreitverfahrens (Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I Einleitung Rz 1 mwN) rechtfertigen: Im Vordergrund stand ursprünglich nicht die Streitentscheidung, sondern das Wahrnehmen staatlicher Verantwortung für schutzbedürftige Personen (Minderjährige, schutzbedürftige Erwachsene) und für die Wahrung des Rechtsfriedens (Verlassenschaftsverfahren). Diese Regelungszwecke werden in Teilbereichen des Außerstreitgesetzes weiter verfolgt. Die (nur) 14tägigen Rechtsmittelfristen ermöglichen hier eine im Interesse aller Beteiligten liegende rasche Erledigung.

(b) Kürzere Fristen sind dort angeordnet, wo die besondere Schutzbedürftigkeit der jeweils betroffenen Personen eine noch raschere abschließende Erledigung erfordert (oben 2.2.a.). Diese Fristen sind daher eine spezielle Ausprägung des Rechtsfürsorgeprinzips, das dem (traditionellen) Außerstreitverfahren ganz allgemein zugrunde liegt.

(c) Vierwöchige Fristen gelten demgegenüber dort, wo typischerweise streitige Materien vom Zivilprozess in das Außerstreitverfahren verschoben wurden (oben 2.2.b.), wo also der Rechtsfürsorgecharakter des Außerstreitverfahrens gegenüber der Streitentscheidung in den Hintergrund tritt. Dabei wird differenziert: Die vierwöchige Frist gilt nur für das Bekämpfen der Sachentscheidung; für andere Beschlüsse bleibt es bei der 14tägigen Frist von § 46 und § 65 AußStrG. Damit übernimmt das Außerstreitverfahren das Regelungsmodell des Zivilprozesses: Auch dort gilt für Rechtsmittel gegen Entscheidungen über die Sache (Urteil oder Aufhebungsbeschluss iSv § 519 Abs 1 Z 2 ZPO) eine vierwöchige Frist (§ 464 Abs 1, § 505 Abs 2 und § 521 Abs 1 Satz 2 ZPO), für andere – in Beschlussform ergehende – Entscheidungen hingegen die 14tägige Rekursfrist (§ 521 Abs 1 Satz 1 ZPO).

2.4. Dieses in sich schlüssige Regelungskonzept – Abhängigkeit der Rechtsmittelfristen vom Zweck des Verfahrens – gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Denn der Gesetzgeber hat im Laufe der Zeit auch andere an sich streitige Materien, bei denen kein besonderer Bedarf nach staatlicher Rechtsfürsorge besteht, in das Außerstreitverfahren verlagert (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 1 Rz 71 f), ohne dass er insofern auch das Rechtsmittelrecht angepasst hätte. Im Zusammenhang mit der Außerstreitreform betraf das insbesondere Streitigkeiten unter (schlichten) Miteigentümern (§ 838a ABGB) und – hier relevant – zwischen mehreren Erbansprechern während eines Verlassenschaftsverfahrens (§§ 161 ff AußStrG). In diesen Materien gilt daher trotz ihres eindeutig streitigen Charakters auch für die Entscheidung über die Sache eine 14tägige Frist für den Rekurs und den Revisionsrekurs.

2.5. Jedenfalls beim hier zu beurteilenden Verfahren über das Erbrecht (§§ 161 ff AußStrG) fehlt dafür eine sachliche Rechtfertigung.

(a) Bis zur Erlassung des (neuen) Außerstreitgesetzes waren die Parteien im Fall widersprechender Erbserklärungen auf den Rechtsweg zu verweisen, wobei das Außerstreitgericht nur die Parteirollen festzulegen hatte (§ 125 AußStrG 1854). Die Entscheidung über das bessere Erbrecht erfolgte daher in einem Zivilprozess, was zur Anwendung der dort geltenden Rechtsmittelfristen (einschließlich der Regeln über die Fristenhemmung während der Gerichtsferien) führte. Damit hing die Länge der Rechtsmittelfristen nicht davon ab, ob der Streit über das bessere Erbrecht der Einantwortung (Erbrechtsklage iSv § 125 AußStrG 1854) oder (Erbschaftsklage iSv § 823 ABGB) geführt wurde. Das war sachgerecht, da beide Verfahren grundsätzlich dieselben Rechtsfragen – zB die Testierfähigkeit oder die materielle und formelle Gültigkeit und die Auslegung von Testamenten – betreffen konnten und auch dieselben wirtschaftlichen Auswirkungen hatten.

(b) Mit den § 161 ff AußStrG wurde der der Einantwortung geführte Streit über das bessere Erbrecht– ohne dass sich dessen möglicher Inhalt geändert hätte – vom Zivilprozess in das Außerstreitverfahren verlagert. Das führte zu Rechtsmittelfristen von 14 Tagen und zur Unanwendbarkeit der (nun) in § 222 ZPO vorgesehenen Fristenhemmung zum Jahreswechsel und im Sommer. Ein Rekurs oder Revisionsrekurs gegen einen am zugestellten Beschluss über die Feststellung des Erbrechts (§ 161 Abs 1 AußStrG) wäre daher bis zum einzubringen, während die Frist für die Berufung oder Revision gegen ein Urteil in einem inhaltlich dieselben Fragen betreffenden Erbschaftsprozess (§ 823 ABGB) erst am endete. Die Rechtsmittelfristen im Verfahren über das Erbrecht sind daher jedenfalls um 14 Tage kürzer als jene im Erbschafts- und früher im Erbrechtsprozess; wäre im Prozess die Fristenhemmung nach § 222 ZPO anwendbar, läge eine noch deutlichere Verkürzung vor.

(c) Ein Grund für diese Differenzierung ist nicht erkennbar. Die Anforderungen an den Inhalt eines Rekurses oder Revisionsrekurses entsprechen grundsätzlich jenen bei einer Berufung oder Revision; der Rechtsmittelwerber hat den geltend gemachten Rechtsmittelgrund auszuführen und bei Rechtsmitteln an den Obersten Gerichtshof auch das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage darzutun (§ 502 Abs 1 ZPO,§ 62 Abs 1 AußStrG). Dabei kann die Rechtslage im Verfahren nach den § 161 ff AußStrG sogar noch komplexer sein als in einem Erbschafts- oder (früheren) Erbrechtsprozess, weil nun nicht nur zwischen zwei Parteien das bessere, sondern unter Umständen zwischen mehreren Parteien das beste Erbrecht festzustellen ist. Die Ermöglichung eines solchen Mehrparteienverfahrens war im Übrigen das Hauptargument für die Verlagerung des Erbrechtsstreits in das Außerstreitverfahren, wobei aber auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Außerstreitgesetzes (224 BlgNR XXII. GP 105) anerkannten, dass

„der 'Streit um das Erbrecht' verfahrens-strukturell einen vom mehr verwaltenden Charakter des Abhandlungsverfahrens verschiedenen Aufbau und Ablauf aufweist, weshalb der streitähnliche Charakter dieses Verfahrensteils nicht völlig geleugnet werden kann.“

(c) Auf dieser Grundlage können die bloß 14tägigen Rechtsmittelfristen auch nicht mit einem besonderen Interesse an einem raschen Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens gerechtfertigt werden. Denn zur Verwaltung des Nachlasses ist bei widerstreitenden Erbantrittserklärungen, wenn erforderlich, ein Verlassenschaftskurator zu bestellen (§ 173 Abs 1 AußStrG), sodass der Rechtsfrieden für die Dauer des Erbrechtsstreits ohnehin gewahrt ist; es ist daher nicht erforderlich, diesen Streit in besonderer Weise zu beschleunigen, um das Verlassenschaftsverfahren zu einem raschen Ende führen zu können. Der Entfall der in § 222 ZPO vorgesehenen Fristenhemmung läge zwar wohl noch im Regelungsspielraum des Gesetzgebers, wenn die Rechtsmittelfristen als solche vier Wochen betrügen; insofern enthält ja auch § 222 Abs 2 ZPO differenzierende Regelungen für bestimmte Verfahren. Bei einer bloß 14tägigen Frist kann aber (auch) das Unterbleiben der Hemmung zu einer sachlich nicht mehr zu rechtfertigenden Verkürzung des Rechtsschutzes führen.

(d) Eine unsachliche Differenzierung besteht im Übrigen nicht nur gegenüber der Rechtslage im Zivilprozess, sondern auch gegenüber den bereits dargestellten Sonderregeln des Außerstreitverfahrens für bestimmte „streitige“ Materien (oben 2.2.b.). Nach Ansicht des Senats fehlt eine sachliche Rechtfertigung, bestimmte wohnrechtliche Verfahren – etwa zur Rückforderung einer unzulässigen Ablöse – in Bezug auf die Rechtsmittelfristen dem Zivilprozess anzugleichen, nicht aber Verfahren über die Feststellung des Erbrechts. Denn diese betreffen regelmäßig deutlich höhere Streitwerte und sind inhaltlich zumindest in tatsächlicher Hinsicht (zB Feststellungen zur Testierfähigkeit, zu Willensmängeln oder zu Fragen der Echtheit eines Testaments) nicht weniger komplex als jene. Die 14tägige Frist führt daher auch innerhalb des Regelungskonzepts des Außerstreitverfahrens zu einem Verstoß gegen Art 7 BVG.

2.6. Aus diesen Gründen ist der Senat der Auffassung, dass die bloß 14tägige Frist für den Revisionsrekurs gegen Entscheidungen über die Feststellung des Erbrechts – also in einer „streitigen“ Materie des Außerstreitverfahrens – in sachlich nicht gerechtfertigter Weise von der Regelung für vergleichbare Rechtsmittel in streitigen Verfahren nach der ZPO und in anderen „streitigen“ Materien des Außerstreitverfahrens abweicht (ebenso Scheuba, Erbrechtsstreit in der Praxis, AnwBl 2018, 433 [438 f]). Sie kann nicht durch den Rechtsfürsorgecharakter des (traditionellen) Außerstreitverfahrens oder durch ein besonderes Interesse an einer raschen Erledigung der Sache gerechtfertigt werden. Soweit der bisherigen Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0089360) auch für „streitige“ Materien des Außerstreitverfahrens Gegenteiliges entnommen werden könnte, hält der Senat das nicht aufrecht.

2.7. Der Senat verkennt nicht, dass es dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs grundsätzlich offensteht, sich in unterschiedlichen Verfahrensbereichen für eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die deren jeweiligen Erfordernissen und Besonderheiten Rechnung tragen, sofern nur die betreffenden Verfahrensgesetze in sich gleichheitskonform ausgestaltet sind (zuletzt etwa G 44/2018 [Straf- und Verwaltungsstrafverfahren] mwN; G 241/2017 [allgemeines Strafrecht und Finanzstrafrecht]). Allerdings wurden in anderen Erkenntnissen die Regelung derselben Materie in unterschiedlichen Verfahrensgesetzen als Ansatzpunkt für eine vergleichende Prüfung herangezogen, wenn systemübergreifende Wertungsgesichtspunkte die unterschiedliche verfahrensrechtliche Ausgestaltung als sachfremd und daher verfassungswidrig erscheinen ließen (Holoubek in Korinek/Holoubek et al, Österreichisches Bundesverfassungsrecht [August 2018] Art 7/15 1,2 BVG Rz 200; Berka in Rill/Schäffer/Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht [2018] Art 7 BVG Rz 77; vgl zuletzt G 253/2016: Verschiedenbehandlung der Wiedereinsetzung im Zivilverfahren und im damit zusammenhängenden verfassungsgerichtlichen Verfahren). Ein solcher systemübergreifender Gesichtspunkt sind hier die grundsätzlich übereinstimmenden Anforderungen, denen ein Rechtsmittel gegen eine Sachentscheidung im Streit über das Erbrecht zu entsprechen hat, und zwar unabhängig davon, ob es im streitigen (Erbschaftsklage) oder im außerstreitigen Verfahren erhoben werden muss. Zudem besteht eine unsachliche Differenzierung auch innerhalb des Außerstreitverfahrens, weil an sich gleichwertige „streitige“ Angelegenheiten in Bezug auf die Rechtsmittelfristen unterschiedlich behandelt werden.

3. Zum Anfechtungsumfang

3.1. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichts eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994; zuletzt etwa G 311/2016). Dies erfordert im vorliegenden Fall jedenfalls die Anfechtung der für die Entscheidung über die Rechtzeitigkeit des Revisionsrekurses präjudiziellen Wortfolge „binnen 14 Tagen“ in § 65 Abs 1 AußStrG.

3.2. Die Anfechtung ist jedoch nicht auf diese Bestimmung zu beschränken.

(a) Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs darf der Anfechtungsumfang nicht zu eng gewählt werden (VfSlg 8155/1977, 16.212/2001; zuletzt etwa G 311/2016). Anzufechten sind alle Normen, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofs, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichts teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 19.496/2011, 19.933/2014; zuletzt etwa G 311/2016).

(b) Eine untrennbare Einheit mit der präjudiziellen Bestimmung bilden im vorliegenden Fall die Regelungen zur Frist für die Zulassungsvorstellung in § 63 Abs 2 AußStrG und für die Revisionsrekursbeantwortung in § 68 Abs 1 AußStrG. Denn eine isolierte Aufhebung nur der Frist für den Revisionsrekurs würde dem Gesetz einen verfassungswidrigen und damit dem Gesetzgeber nicht zusinnbaren Inhalt geben: Während der Rechtsmittelwerber bei einem (nicht jedenfalls unzulässigen) Revisionsrekurs an keine gesetzliche Frist gebunden wäre, wäre eine allenfalls erforderliche Zulassungsvorstellung weiterhin binnen 14 Tagen einzubringen; ebenso wäre der Gegner an die 14tägige Frist für die Rechtsmittelbeantwortung gebunden. Für diese Verschiedenbehandlung bestünde keine sachliche Rechtfertigung.

(c) Hingegen stehen jene Bestimmungen, die auf die Fristen für die Rechtsmittelschriften und die Rechtzeitigkeit des Revisionsrekurses Bezug nehmen – also die verbleibenden Teile von § 63 Abs 2, § 65 Abs 1 und § 68 Abs 1 AußStrG,§ 68 Abs 3 AußStrG und der Hinweis auf die Rechtzeitigkeit in § 68 Abs 2 AußStrG – in keinem untrennbaren Zusammenhang mit den angefochtenen Bestimmungen. Denn bei deren Aufhebung wäre aufgrund des Verweises in § 23 Abs 1 AußStrG der § 123 ZPO anzuwenden, wonach bei Fehlen einer gesetzlichen Frist für die Vornahme einer Prozesshandlung „mit Rücksicht auf die Erfordernisse und die Beschaffenheit des einzelnen Falles“ eine gerichtliche Frist festzusetzen ist. Daher hätte das Gericht bei Zustellung der Entscheidung oder des Revisionsrekurses eine Frist für den Revisionsrekurs, die Zulassungsvorstellung oder die Revisionsrekursbeantwortung zu setzen. Die genannten Bestimmungen bezögen sich dann auf diese richterliche Frist und wären damit weiter anwendbar.

(d) Keine untrennbare Einheit mit den angefochtenen Bestimmungen bilden nach Ansicht des Senats die – hier jedenfalls nicht anwendbaren – Regelungen zur Frist für den Rekurs (§ 46 Abs 1 AußStrG) und für die Rekursbeantwortung (§ 48 Abs 2 AußStrG). Denn es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, für das Bekämpfen einer erstinstanzlichen Entscheidung kürzere Fristen vorzusehen als für das rechtlich möglicherweise aufwändigere Bekämpfen einer zweitinstanzlichen Entscheidung. Da diese Frage jedoch unter Umständen auch anders gesehen werden könnte, sind hilfsweise auch die in diesen Bestimmungen enthaltenen Regelungen zur Länge der Rechtsmittelfrist anzufechten.

4. Aus diesen Gründen stellt der Oberste Gerichtshof die aus dem Spruch ersichtlichen Anträge. Für den Fall der Aufhebung regt er an, eine Frist für das Außerkrafttreten zu setzen, um dem Gesetzgeber eine umfassende Neuregelung zu ermöglichen. Mit dem Verfahren über den Revisionsrekurs ist bis zur Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs innezuhalten (§ 62 Abs 3 VfGG).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00157.18D.1030.000

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