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OGH vom 29.09.1967, 5Ob187/67

OGH vom 29.09.1967, 5Ob187/67

Norm

ABGB § 914;

AO § 48;

AO § 63;

KO § 176;

Kopf

SZ 40/121

Spruch

Nach § 48 AO. genügt ein positives Handeln des Gläubigers, aus dem seine Absicht, den Vorschlag anzunehmen, völlig eindeutig hervorgeht.

Auch das Rekursgericht ist gemäß § 176 (3) KO. und § 63 (2) AO. berechtigt, seine Entscheidung auf Grund eines an den OGH. gerichteten Rekurses abzuändern, wenn hiedurch kein Beteiligter benachteiligt wird.

Entscheidung vom , 5 Ob 187/67.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach dem bei der Tagsatzung vom modifizierten und von den Gläubigern mit entsprechenden Mehrheiten angenommenen Ausgleichsvorschlag der Schuldnerin erhalten die Gläubiger, deren Forderungen kein Vorrecht genießen, eine durch eine Bürgschaftserklärung gesicherte Quote von 70% in zwei gleichen Raten und zwar die erste Rate innerhalb von zehn Tagen nach Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses und die zweite Rate bis spätestens . Der Ausgleich enthält ferner eine Bestimmung, laut der sämtliche Gläubiger auf ihre Ansprüche, sowohl gegen die Ausgleichsschuldnerin als auch deren seinerzeitigen Geschäftsführer, verzichten, insofern diese ihre angemeldeten Forderungen im Verhältnis zur Quote übersteigen.

Das Erstgericht bestätigte den Ausgleich. Dagegen erhob allein die Quotengläubigerin Anna S., die eine Forderung von 123.143.40 S angemeldet (davon wurden 119.104 S von der Schuldnerin anerkannt) und gegen den Ausgleich gestimmt hatte, Rekurs mit dem Antrag, "den Beschluß dahin abzuändern, daß sich die Wirkungen des Ausgleiches nicht auf den seinerzeitigen Geschäftsführer persönlich beziehen".

Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß dem abgeschlossenen Ausgleich die Bestätigung versagt wurde. Der Ausgleichsvorschlag widerspreche in bezug auf die vorgesehene Beschränkung der Haftung des Mitschuldners der Vorschrift des § 48 AO., es liege somit ein Grund zur Versagung der Bestätigung des Ausgleichs nach § 50 Z. 1 AO. vor. Da eine teilweise Bestätigung des Ausgleichs nicht zulässig sei, könne der Rekursantrag nicht berücksichtigt werden.

Noch vor Zustellung dieser Entscheidung an die Rekurswerberin Anna S. zog diese ihr Rechtsmittel zurück.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erheben nun die Ausgleichsschuldnerin und der Quotengläubiger Anton M. der mit einer im wesentlichen von der Schuldnerin anerkannten Forderung von 230.360 S für die Annahme des Ausgleichs gestimmt hatte, Revisionsrekurs. Beide Rechtsmittelwerber beantragen die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Der Oberste Gerichtshof gab beiden Revisionsrekursen Folge und stellte die Entscheidung des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 176 (3) KO. können das Konkursgericht und der Konkurskommissär Rekursen außer in den im § 522 ZPO. verzeichneten Fällen selbst stattgeben, wenn ihre Verfügung oder Entscheidung ohne Nachteil eines Beteiligten geändert werden kann. Nach § 63 (2) AO. ist diese Vorschrift auf das Ausgleichsverfahren sinngemäß anzuwenden. Es ist nun nicht einzusehen, daß die genannte Erächtigung nur für das Gericht erster Instanz gelten sollte. Deshalb ist auch das Rekursgericht, dessen Entscheidung angefochten wird, in Konkurs- und Ausgleichssachen berechtigt, dem an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rechtmittel selbst stattzugeben, wenn dies ohne Nachteil eines Beteiligten geschehen kann (vgl. Bartsch - Pollak, Komm. II, S. 28, Anm. 53 zur Einleitung). Diesfalls hat sich nun nach der Entscheidung der zweiten Instanz der Sachverhalt insofern geändert, als die Ausgleichsgläubigerin Anna S., die allein gegen den den Ausgleich bestätigenden Beschluß der ersten Instanz Rekurs erhoben hatte, ihren Rekurs zurückzog. Da im Zeitpunkt der Überreichung dieser Eingabe die Entscheidung des Rekursgerichtes zwar gefällt, der Rekurswerberin aber noch nicht zugestellt war, kann ihre zunächst nur prozessuale Erklärung der Zurücknahme des Rechtsmittels bei Anwendung des Grundsatzes des § 914 ABGB., der auch zur Auslegung einseitiger Parteiwillenserklärungen heranzuziehen ist (vgl. Gschnitzer im Klang[2] IV 402 und die dort zitierten Entscheidungen SZ. XI 71 und GlU. 15.371), nicht anders verstanden werden, als daß die genannte Ausgleichsgläubigerin damit nachträglich ihr Einverständnis zum angebotenen und von der qualifizierten Gläubigermehrheit angenommenen Ausgleichsvorschlag des Schuldners zum Ausdruck brachte. Es enthält somit die Zurücknahme des Rechtsmittels die materiellrechtlich bedeutsame Zustimmungserklärung dieser Gläubigerin zu den im Ausgleich vorgesehenen Vereinbarungen. Nach § 48 AO. können allerdings die Rechte der Gläubiger gegen Bürgen oder Mitschuldner des Schuldners sowie gegen Rückgriffsverpflichtete ohne ausdrückliche Zustimmung der Berechtigten durch den Ausgleich nicht beschränkt werden. Das Erfordernis der ausdrücklichen Zustimmung der Berechtigten zu einer derartigen Beschränkung ihrer Ansprüche ist dahin zu verstehen, daß ihr Stillschweigen allein, also etwa ihre Nichtbeteiligung an der Ausgleichstagsatzung, bei der die Abstimmung über den Ausgleichsvorschlag erfolgt, noch nicht zum Verlust ihrer Rechte führt. Es ist jedoch auch nicht notwendig, daß die Berechtigten ihre Zustimmung zu der vorgeschlagenen Beschränkung ihrer Ansprüche mit bestimmten Worten erklären, vielmehr genügt ein positives Handeln des Gläubigers, aus dem seine Absicht, den Vorschlag anzunehmen, völlig eindeutig hervorgeht. Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 48 AO. macht nun allerdings die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens unzulässig (§ 3 (1) Z. 3 AO.), bzw. ist sofern - wie hier - der Ausgleichsvorschlag erst nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens durch Aufnahme einer solchen Beschränkung abgeändert wurde und es dennoch zur Annahme dieses Vorschlages durch die entsprechenden Mehrheiten, aber gegen die Stimme auch nur eines einzelnen Berechtigten kam, die Bestätigung eines derartigen Ausgleiches zu versagen (§ 50 Z. 1 AO.). Diesbezüglich ist also dem Rekursgericht durchaus beizustimmen. Da jedoch die einzige Partei, die die Bestätigung des Ausgleichs bekämpft hatte, der darin vorgesehenen Beschränkung ihrer Rechte im Sinne des § 48 AO. zustimmte, ist der vom Rekursgericht herangezogene Grund zur Versagung der Bestätigung nachträglich weggefallen. Ein anderer Versagungsgrund nach § 50 AO. liegt nicht vor. Überdies ist nach der jetzt maßgebenden gegenwärtigen Sachlage (vgl. Bartsch - Pollak, a. a. O. S. 27, Anm. 50 zur Einleitung, Fußnote 146, und Rintelen, Handbuch d. österr. Konkurs- und Ausgleichsrechtes S. 45, wonach bei der Entscheidung über ein Rechtsmittel auch Ereignisse nach der Erlassung des angefochtenen Beschlusses zu berücksichtigen sind) durch die Bestätigung des Ausgleiches niemand beschwert, weshalb das Rekursgericht ohne Nachteil eines Beteiligten seine Entscheidung selbst im Sinne der §§ 176 (3) KO., 63 (2) AO. dahin abändern hätte können, daß es den Beschluß des Erstgerichtes wiederherstellte. Da das Rekursgericht von der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ermächtigung keinen Gebrauch machte, war es Sache des Obersten Gerichtshofes, auf Grund des neuen Sachverhaltes die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.