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OGH 17.12.2012, 5Ob187/12d

OGH 17.12.2012, 5Ob187/12d

Rechtssatz


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Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft M*****, vertreten durch Dr. Eva Maria Hausmann, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A***** J*****, vertreten durch Rechtsanwälte Knirsch-Braun-Fellner, Rechtsanwälte in Wien, wegen (restlich) 8.293,20 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 212/11v-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 4 Cg 51/09p-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 698,04 EUR (darin enthalten 116,34 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Miteigentümer der Liegenschaft EZ 1388 KG ***** mit der Grundstücksadresse M*****. Er hat mit Kaufvertrag vom 275/20150 Anteile, verbunden mit der Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts an Top 26, mit Kaufvertrag vom weitere 275/20150 Anteile, verbunden mit der Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums an Top 27, und durch Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren im Jahr 2006 weitere 272/20150 Anteile, mit denen die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum an der Wohnung Top 21d verbunden ist, erworben. Die Wohnungen befinden sich im Hoftrakt der Liegenschaft. Das Wohnungseigentum ist in Vorbereitung, was im Grundbuch seit dem Jahr 2001 angemerkt ist.

Auf der Liegenschaft befinden sich ein straßenseitiger Bauteil, der nach dem Krieg mit Mitteln des Wiederaufbaufonds neu errichtet worden war, und ein Hoftrakt, in dem sich die Wohnungen des Beklagten befinden.

Mit „Kaufvertrag und Übereinkommen“ vom wurden Miteigentumsanteile an der Liegenschaft veräußert, mit denen Wohnungseigentum an im straßenseitigen Trakt gelegenen Objekten verbunden wurde. Demgegenüber blieben die mit dem hofseitigen Trakt verbundenen Miteigentumsanteile der ausschließlichen Nutzung einer Miteigentümerin vorbehalten. Diese übernahm für sich und ihre Rechtsnachfolger in Punkt XVII. dieses Übereinkommens die Verpflichtung, die Mit- und Wohnungseigentümer des straßenseitigen Neubaus und deren Rechtsnachfolger hinsichtlich der im straßenseitigen Trakt gelegenen Eigentumsobjekte klag- und schadlos zu halten, wenn diese aus ihrem formellen Miteigentumsrecht aus einem wie immer gearteten Titel in Anspruch genommen werden oder irgendeinen vermögensrechtlichen Nachteil erleiden sollten. In gleicher Weise verpflichteten die Mit- und Wohnungseigentümer des straßenseitigen Neubaus sich und ihre Rechtsnachfolger zur Klag- und Schadloshaltung gegenüber dieser und deren Rechtsnachfolger, wenn diese aufgrund der Schuldübernahme gemäß Punkt XI. des Vertrags (betreffend einen Kredit des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds zur Wiederherstellung des straßenseitigen Bauteils) hinsichtlich der Objekte des Hoftrakts in Anspruch genommen werden oder einen vermögensrechtlichen Nachteil erleiden sollten. Andere schriftliche oder mündliche Vereinbarungen, die die Tragung von Kosten der gesamten Liegenschaft betrafen, schlossen die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft M***** nicht ab.

Von 1958 bis Ende 2008 wurden der straßenseitige Neubau und der Hoftrakt von der Hausverwaltung stets getrennt abgerechnet. Die Gebäudeteile wurden dabei als eigenständige Häuser behandelt. Diese Art der Verrechnung wurde von den Mit- und Wohnungseigentümern nie beanstandet. Dass den Rechtsvorgängern des Beklagten die getrennte Abrechnung der beiden Trakte schriftlich überbunden worden wäre, ließ sich nicht feststellen. Dem Beklagten war nie mitgeteilt worden, dass die Gebäude der Liegenschaft getrennt und nicht entsprechend dem Grundbuchsstand verrechnet werden.

Die Klägerin begehrte 14.635,72 EUR sA an Beiträgen zur Sonderreparaturrücklage für die Monate Juli bis Dezember 2008. Der Anteil des Beklagten am hofseitigen Trakt betrage insgesamt 24,66 %. Zur Sanierung des hofseitigen Laubengangs sei ein Betrag von 40.000 EUR erforderlich, dem ein zu erwartender Ausfall von 20.000 EUR hinzuzuschlagen gewesen sei, weil sowohl der Beklagte als auch andere Miteigentümer dieses Trakts mit ihren Zahlungen immer wieder in Rückstand geraten seien.

Der Beklagte wendete, soweit für das Revisionsverfahren noch von Relevanz, ein, dass ein vom Gesetz abweichender Aufteilungsschlüssel nicht wirksam vereinbart worden sei; jedenfalls sei nach Inkrafttreten des WEG 1975 weder seinen Rechtsvorgängern noch ihm selbst eine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Aufteilungsvereinbarung überbunden worden.

Als Ergebnis des ersten Rechtsgangs erwuchsen der Zuspruch eines Betrags von 1.121,91 EUR an die Klägerin sowie die Abweisung von 5.220,61 EUR sA in Rechtskraft.

Mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil wies das Erstgericht das restliche Klagebegehren von 8.293,20 EUR sA ab. Die Vorschreibungen gegenüber dem Beklagten zur Bildung einer Sonderreparaturrücklage seien nicht entsprechend dem Verhältnis der sich aus dem Grundbuch ergebenden Miteigentumsanteile erfolgt. Eine nach § 8 Abs 4 WEG 1948 allenfalls zulässigerweise zustandegekommene schlüssige Vereinbarung sei auf den jeweiligen Einzelrechtsnachfolger hinsichtlich der hier gegenständlichen Miteigentumsanteile nach dem Inkrafttreten des WEG 1975 nicht überbunden worden. Die voraussichtlichen Sanierungsaufwendungen hätten daher nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile vorgeschrieben werden müssen. Über den im ersten Rechtsgang rechtskräftig zugesprochenen Betrag hinaus, habe die Klägerin daher keinen weiteren Anspruch.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Der Ausschluss von Einwendungen gegen Akontovorschreibungen der Eigentümergemeinschaft werde nur für „im Rahmen der ordentlichen Verwaltung zulässige“ Vorschreibungen anerkannt, weswegen der Ansicht der Klägerin, gegen ihr Begehren seien Einwendungen überhaupt unzulässig, nicht gefolgt werden könne.

Ab dem Inkrafttreten des WEG 1975 seien solche Vereinbarungen, ob schriftlich oder mündlich abgeschlossen, wegen des ab diesem Zeitpunkt durchgehend geltenden Schriftlichkeitsgebots gegenüber einem Einzelrechts-
nachfolger nur dann gültig gewesen, wenn dieser der Vereinbarung in Schriftform beigetreten oder in einer ebenfalls dem Schriftlichkeitserfordernis genügenden Weise in die Rechtsstellung des früheren Miteigentümers, seines Einzelrechtsvorgängers, eingetreten sei. Weder für den Beklagten noch für dessen Einzelrechtsvorgänger sei eine schriftliche Überbindung einer allfälligen seinerzeitigen Vereinbarung über eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Aufteilung von Liegenschaftsaufwendungen erwiesen.

Die Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den erörterten Fragen fehle.

Die Klägerin begehrt mit ihrer wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin, dass ihrem (restlichen) Klagebegehren stattgegeben werde.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil es einer Klarstellung der Rechtslage bedarf; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rücklage dient der Eigentümergemeinschaft zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben als Verwaltungsgemeinschaft (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 31 WEG Rz 14). Durch die in § 31 Abs 1 WEG verpflichtend vorgesehene Ansparung von Mitteln soll Vorsorge für alle Arten von Liegenschaftsaufwendungen, insbesondere für nicht jährlich wiederkehrende Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten, getroffen werden (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 II § 31 WEG Rz 2). Wenngleich der primäre Zweck der Rücklage nach dem Gesetzeswortlaut in der Vorsorge für künftige Aufwendungen liegt, nimmt die Rechtsprechung eine Leistung in die Rücklage auch bei Bevorschussung eines bestimmten Erhaltungsaufwands an (5 Ob 10/78 MietSlg 30.564/20). Auch die dem Beklagten als Beitrag zur Sonderrücklage im Zeitraum Juli 2008 bis Dezember 2008 vorgeschriebenen Beträge sind Leistungen in die Rücklage nach § 31 Abs 1 WEG.

Die Bildung einer angemessenen Rücklage ist eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung (§ 28 Abs 1 Z 2 WEG). Die Festsetzung der an die Eigentümergemeinschaft zu leistenden Vorauszahlungen der Mit- und Wohnungseigentümer auf die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage sowie das Inkasso (dazu § 20 Abs 5 WEG 2002) gehören als Maßnahme der Verwaltung zu den Aufgaben eines bestellten Verwalters (§ 20 Abs 2 WEG 2002; vgl auch RIS-Justiz RS0083581). Solange keine gegenteilige Weisung vorliegt, ist der Verwalter daher befugt und verpflichtet, die Modalitäten der Einhebung und den Umfang der Rücklage festzulegen (Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 31 WEG Rz 5). Die vorgeschriebenen Akonti, also die monatlichen Zahlungen an den Verwalter, damit dieser die laufend fällig werdenden Aufwendungen für die Liegenschaft decken kann, sind für den Wohnungseigentümer grundsätzlich bindend (vgl RIS-Justiz RS0083581; vgl Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 20 WEG Rz 20 f).

Aus der Akontierung der hier in Rede stehenden Beiträge zur Sonderrücklage leitet die Klägerin ab, dass die Vorschreibungen zur Rücklage wie auch sonst die Vorauszahlungen auf die Aufwendungen für die Liegenschaft keinen Einwendungen unterliegen würden und daher jeder gerichtlichen Überprüfung entzogen wären. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden.

Richtig ist, dass die Verpflichtung zur Leistung der vorgeschriebenen Akontozahlungen grundsätzlich unabhängig davon besteht, ob der Verwalter seiner Rechnungslegungspflicht nachgekommen ist und fällige Akontozahlungen auch dann noch eingehoben werden können, wenn die Aufwendungen, für die sie vorgeschrieben wurden, bereits abgerechnet sind oder Streit darüber besteht, ob die Abrechnung ordnungsgemäß, vollständig oder richtig ist (5 Ob 103/00h; RIS-Justiz RS0083521; RS0112884). Solange die Mehrheit der Miteigentümer dem Verwalter keine entsprechende bindende Weisung erteilt hat, sind die vom Verwalter vorgeschriebenen Akontozahlungen für den Miteigentümer daher bindend (5 Ob 11/93; 5 Ob 12/93; 5 Ob 171/02m). Der Grund, warum recte vorgeschriebene Akontozahlungen für den einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer grundsätzlich bindend sind, liegt darin, die Finanzierung der gesamten Wohnungseigentumsanlage zu gewährleisten und im Interesse aller Wohnungseigentümer Liquiditätsengpässe bei der Bestreitung der Liegenschaftsaufwendungen zu vermeiden (5 Ob 111/97b wobl 1999, 135/62 [Call]; 5 Ob 328/99d). Der Bedeutung der Liquiditätssicherung zur laufenden Bewirtschaftung wird von der Rechtsprechung auch dadurch Rechnung getragen, dass gegen Bewirtschaftungskostenvorschreibungen die Aufrechnung in der Regel unzulässig ist. Aus dem Zweck des Wohnungseigentumsvertrags wird ein schlüssiger Verzicht der Wohnungseigentümer darauf abgeleitet, gegen Akontovorschreibungen mit eigenen Ansprüchen gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft aufzurechnen (vgl RIS-Justiz RS0109647; 5 Ob 255/06w wobl 2007/120 [Call]).

Bei der Rücklagenbildung steht nicht die Vermeidung von Liquiditätsengpässen zur Bewirtschaftung der Liegenschaft, sondern die Herstellung der vom Gesetz geforderten gleichen (anteiligen) Belastung der Wohnungseigentümer bei der finanziellen Vorsorge zur Deckung des Instandhaltungsaufwands im Vordergrund. Zur Kompensation mit Beitragsleistungen zum Reparaturfonds hat der Oberste Gerichtshof daher bereits die Meinung vertreten, dass das Argument des Vorrangs der Gemeinschaftsinteressen auf die Rücklagenbildung nicht ohne weiteres übertragbar ist (5 Ob 135/04w RIS-Justiz RS0119211). Einem Wohnungseigentümer, der überproportionale und damit dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechende Beitrags-
leistungen zur Rücklage behaupte, könne demnach eine Aufrechnung mit dem Argument eines schlüssigen Aufrechnungsverzichts nicht generell versagt werden (5 Ob 135/04w RIS-Justiz RS0119211; 5 Ob 19/07s wobl 2007/113 [Call] = immolex 2007/131 [Prader]).

Diese Überlegungen können auch für den hier vorliegenden Fall nutzbar gemacht werden, weil der Beklagte mit seinem Hinweis auf die Vorschreibung der Beiträge zur Sonderrücklage nach einem nicht gültigen, ihn benachteiligenden Aufteilungsschlüssel ebenfalls die Gleichbehandlung mit den übrigen Wohnungseigentümern einfordert.

Die Beiträge zur Rücklage sind allen Wohnungseigentümern nach dem gültigen Aufteilungsschlüssel vorzuschreiben (E. M. Hausmann aaO § 32 WEG Rz 26a). Nur eine darauf beruhende Vorschreibung entspricht dem Gebot der Gleichbehandlung bei der finanziellen Vorsorge zur Deckung des Instandhaltungsaufwands. Davon darf der Verwalter nur bei einer schriftlichen Vereinbarung aller Miteigentümer oder aufgrund einer gerichtlichen Abänderung des Aufteilungsschlüssels abgehen (5 Ob 247/04s; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 32 WEG Rz 12).

Indem der Beklagte geltend macht, die ihm vorgeschriebenen Beiträge zur Sonderrücklage seien ihm nicht nach dem gesetzlichen als dem gültigen Aufteilungsschlüssel vorgeschrieben worden, macht er eine dem Gleichheitsgebot widersprechende Belastung mit Beiträgen zur Rücklage geltend. Dieser Einwand kann ihm nicht schon allein mit dem Hinweis, es handle sich um eine Akontierung, verwehrt werden. Dem steht hier auch nicht entgegen, dass seit dem 3. WÄG (BGBl 1993/800) eine Zweckwidmung der Rücklage nicht mehr besteht und als Folge daraus bei Vorschreibung von Akontobeträgen gegenüber den Wohnungseigentümern keine Aufschlüsselung mehr in Bewirtschaftungskosten und Erhaltungskosten erforderlich ist (vgl RIS-Justiz RS0108664 [T6]).

Zu Recht haben die Vorinstanzen daher den Einwand des Beklagten einer inhaltlichen Prüfung unterzogen. Dass § 52 Abs 1 Z 9 WEG die Prüfung der Zulässigkeit eines vereinbarten abweichenden Aufteilungsschlüssels nach § 32 Abs 2 erster Fall WEG oder die Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels nach § 32 Abs 5 WEG in das Verfahren außer Streit verweist, bedeutet entgegen der Auffassung der Revisionswerberin nicht, dass das Bestehen des hier von der Klägerin behaupteten abweichenden Aufteilungsschlüssels im streitigen Verfahren nicht als Vorfrage zu prüfen wäre (§ 190 Abs 1 ZPO).

Die Klägerin beruft sich auf die Vereinbarung der Klag- und Schadloshaltung im „Kaufvertrag und Übereinkommen“ vom , welche als Vereinbarung einer vom Gesetz abweichenden Verteilungsordnung zu verstehen sei; jedenfalls sei aber durch die jahrelange Praxis einer getrennten Verrechnung eine in diesem Sinn von der Gesetzeslage abweichende Verteilungsordnung konkludent vereinbart worden, zu deren Außerkraftsetzung die Ablehnung eines Beitritts durch einen Miteigentümer, dem unter dem Regime des WEG 1975 die Verteilungsordnung schriftlich nicht überbunden worden sei, schriftlich erklärt werden hätte müssen. Nach § 32 Abs 7 WEG 2002 werde der Aufteilungsschlüssel durch den Wechsel eines Wohnungseigentümers nicht berührt, sodass der bis zur Erklärung des neu Hinzugetretenen gegebene Schwebezustand mit dem Inkrafttreten des WEG 2002 im Sinne einer Bindung aller künftigen Erwerber beendet worden sei.

Das WEG 1975 ist mit in Kraft getreten. Sowohl das WEG 1948, nach dessen § 8 Abs 4 auch formlose, selbst konkludente Vereinbarungen aller Miteigentümer wirksam waren (Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 32 WEG Rz 7; 5 Ob 73/89 wobl 1990, 105/64 [Call] = MietSlg 42.451/10), als auch das WEG 1975 idF vor dem 3. WÄG forderten für die Wirksamkeit einer von der gesetzlichen Regelung abweichenden Vereinbarung über die Aufteilung der Aufwendungen ein Übereinkommen aller Miteigentümer. Eine danach zu beurteilende Vereinbarung hatte aber bloß schuldrechtliche Wirkung und blieb im Fall eines Eigentümerwechsels nur dann bestehen, wenn sie vom Rechtsvorgänger auf seinen Nachfolger vertraglich überbunden oder von diesem durch schriftlichen Beitritt übernommen wurde, um das Schriftformgebot des § 19 Abs 1 Z 2 WEG idF vor dem 3. WÄG zu erfüllen (5 Ob 73/89; 5 Ob 277/01y).

Gesamt- und Einzelrechtsnachfolger, die diese Pflicht durch Überbindungsklausel übernommen hatten, waren an diese Vereinbarung gebunden. Ein Einzelrechtsnachfolger konnte jedoch den Beitritt zur seinerzeitigen Vereinbarung ablehnen, womit die gesetzlich geforderte Übereinstimmung aller Miteigentümer nicht mehr erreicht wurde und die Vereinbarung hinfällig war (5 Ob 277/01y mwN). Solange ein neuer Miteigentümer im Anwendungsbereich des § 19 WEG idF vor dem 3. WÄG die Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung nicht abgelehnt hatte, bestand ein Schwebezustand, während dessen Dauer die anderen Miteigentümer (als Vertragspartner der ursprünglichen Vereinbarung) gebunden blieben (5 Ob 73/89).

Seit dem mit in Kraft getretenen 3. WÄG (zunächst gemäß § 19 Abs 5 WEG, für das geltende Recht gemäß § 32 Abs 7 WEG 2002) gilt, dass durch den Wechsel eines Wohnungseigentümers die Verteilungsordnung nicht berührt wird. Für nach dem einer Gemeinschaft neu hinzugetretene Einzelrechtsnachfolger besteht daher grundsätzlich eine unbedingte Bindung an bestehende Vereinbarungen, und zwar ohne Rücksicht auf die Kenntnis und das Fehlen einer Ersichtlichmachung im Grundbuch (vgl 5 Ob 277/01y; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 32 WEG Rz 14). Voraussetzung für eine solche Bindung ist aber, dass es sich um eine Vereinbarung handelt, die Dritten gegenüber nicht wirkungslos ist.

Die Klägerin sieht in Punkt XVII. des Vertrags vom eine Vereinbarung über die Aufwendungen für die Liegenschaft.

Die Rechtswirksamkeit einer vor dem abgeschlossenen Vereinbarung über eine vom Gesetz abweichende Aufteilung von Aufwendungen ist gemäß § 29 Abs 1 Z 2 WEG 1975 iVm § 55 WEG 2002 weiterhin nach den zum Zeitpunkt ihres Abschlusses geltenden Vorschriften zu beurteilen (vgl auch Faistenberger/Barta/Call, Kommentar zum WEG 1975, § 29 Rz 9). § 8 Abs 4 WEG 1948 normiert ausdrücklich, dass eine von den gesetzlichen Aufteilungsvorgaben abweichende vertragliche Regelung dritten Personen gegenüber keine Wirksamkeit erlangt. Dazu wurde in Rechtsprechung und Lehre einhellig der Standpunkt vertreten, dass eine solche Vereinbarung, mag sie auch rechtswirksam zustande gekommen sein, jedenfalls gegenüber einem Einzelrechtsnachfolger keine Wirksamkeit entfaltet (vgl 5 Ob 1074/92 = RIS-Justiz RS0082848; Klang in Klang² III, 1172; Faistenberger/Barta/Call aaO § 29 Rz 8). Eine nach dieser Gesetzesbestimmung abgeschlossene Vereinbarung bindet daher nur die beteiligten Miteigentümer, hat aber keine unmittelbare Wirkung für Dritte. Folge der bloß eingeschränkten Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung ist, dass derjenige Einzelrechtsnachfolger, der der schuldrechtlichen Vereinbarung nicht (seit schriftlich) beigetreten ist und dem sie auch nicht überbunden wurde, nach dem gesetzlichen Aufteilungsschlüssel an den Aufwendungen zu beteiligen ist.

Fest steht, dass weder dem Beklagten noch einem seiner Rechtsvorgänger im Eigentum eine allfällige von der gesetzlich vorgesehenen Aufteilung abweichende Vereinbarung überbunden wurde. Einen schriftlichen Beitritt des Beklagten zu einer solchen Vereinbarung macht die Revisionswerberin nicht geltend. Nach § 8 Abs 4 WEG 1948 entfaltet damit eine allenfalls vor dem zwischen den damaligen Mit- und Wohnungseigentümern abgeschlossene Vereinbarung keine Rechtswirksamkeit gegenüber dem Beklagten. An eine ihm gegenüber nicht rechtswirksame Vereinbarung ist der Beklagte auch nicht gemäß § 32 Abs 7 WEG 2002 gebunden. Der gegenteiligen Ansicht der Klägerin, wonach der Beklagte, weil er seine Miteigentumsanteile unter dem Regime des WEG 2002 erworben habe, müsse er auch eine bestehende Verteilungsordnung gegen sich gelten lassen, steht der klare Wortlaut des § 8 Abs 4 WEG 1948 entgegen.

Zusammengefasst ergibt sich damit, dass der Eintritt des Beklagten in die Eigentümergemeinschaft nicht dessen Bindung an eine allenfalls vor dem abgeschlossene Vereinbarung über die Aufteilung der Liegenschaftsaufwendungen bewirken konnte, weswegen er für sich die Aufteilung der Liegenschaftsaufwendungen nach der gesetzlichen Verteilungsordnung in Anspruch nehmen kann. Damit muss aber der Frage, ob die in Punkt XVII. des Vertrags vom enthaltene Vereinbarung der Klag-
und Schadloshaltung als vom Gesetz abweichende Regelung über die Aufteilung der Liegenschaftsaufwendungen, anzusehen ist, nicht mehr nachgegangen werden. Auch die Frage, ob im zeitlichen Geltungsbereich des WEG 1948 eine solche Vereinbarung konkludent tatsächlich zustande kam, kann, weil jedenfalls eine Überbindung nicht stattfand, damit dahinstehen.

Der Revision ist damit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Im Kostenverzeichnis des Beklagten war zu berücksichtigen, dass die Bemessungsgrundlage 8.293,20 EUR beträgt und auf seiner Seite keine Pauschalgebühr angefallen ist.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft M*****, vertreten durch Dr. Eva Maria Hausmann, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A***** J*****, vertreten durch Rechtsanwälte Knirsch-Braun-Fellner, Rechtsanwälte in Wien, wegen (restlich) 8.293,20 EUR sA, aus Anlass der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 212/11v-22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag der klagenden Partei auf Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 7 Abs 2 IO wird zurückgewiesen.

Die Mitteilung der klagenden Partei vom betreffend die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der beklagten Partei zu 28 S ***** des Handelsgerichts Wien wird zur Kenntnis genommen.

Text

Begründung:

Bereits mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom war über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet und Dr. S***** R***** zum Masseverwalter bestellt worden. Die Prüfungstagsatzung war für den anberaumt.

In Unkenntnis der Konkurseröffnung entschied der Oberste Gerichtshof am inhaltlich über die bei ihm anhängige Revision der Klägerin, der er nicht Folge gab. Die Abfertigung dieses Urteils durch die Geschäftsabteilung des Obersten Gerichtshofs an die Parteienvertreter erfolgte am , die Zustellung gemäß § 89d Abs 2 GOG mit .

Mit der an den Obersten Gerichtshof gerichteten Eingabe vom gab die Klägerin bekannt, dass über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet worden und die dem beim Obersten Gerichtshof anhängigen Verfahren zugrunde liegende Forderung durch den Masseverwalter in der Prüfungstagsatzung vom bestritten worden sei. Daher werde gemäß § 7 Abs 2 IO die Fortsetzung des Verfahrens beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidet der Oberste Gerichtshof - wie hier - in Unkenntnis der Konkurseröffnung über das Vermögen einer Prozesspartei über die bei ihm anhängige Revision, so erwächst dessen Urteil dennoch in Rechtskraft; eine Nichtigerklärung der Entscheidung wäre weder über Antrag noch von Amts wegen möglich und zulässig. Nach Eintritt der Rechtskraft einer Sachentscheidung kann keine Instanz - auch nicht das Höchstgericht - die eigene Entscheidung für nichtig erklären (8 Ob 305/97d = ZIK 1998, 197; 9 ObA 246/00t; 2 Ob 249/00g; RIS-Justiz RS0064051).

Aufgrund dieser Rechtslage bleibt es bei der vom Obersten Gerichtshof in Unkenntnis der Konkurseröffnung gefällten Entscheidung vom . Eine Fortsetzung des Verfahrens kommt damit nicht in Betracht, weswegen der darauf abzielende Antrag der Klägerin zurückzuweisen und die darin enthaltene Mitteilung über die Sachlage zur Kenntnis zu nehmen ist.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Streitiges Wohnrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2012:0050OB00187.12D.1217.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAD-50334

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