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OGH vom 21.11.2006, 4Ob178/06i

OGH vom 21.11.2006, 4Ob178/06i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** mbH, *****, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dr. Jörg H*****, 2. B*****, beide vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 5 R 75/06w-13, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 18 Cg 26/06x-6, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass die einstweilige Verfügung für die Dauer dieses Rechtsstreits befristet wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagten haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin stellt gewerbsmäßig Filme her. Zu ihren Produktionen zählen der Film „St. Stephan Der lebende Dom" und ein Film über österreichische Sehenswürdigkeiten; beide wurden schon im ORF gezeigt. Die Zweitbeklagte ist eine politische Partei, ihr Obmann ist der Erstbeklagte. Am war auf der Homepage der Zweitbeklagten ein Videodokument in der Länge von zwei Minuten und 15 Sekunden abrufbar, das insgesamt sieben Sekunden und 27 Kader aus den beiden zuvor genannten Filmen der Klägerin - ohne jeden Hinweis auf die Herstellerin - enthielt. Diese Aufnahmen sind technisch einzigartig, weil die Klägerin über besondere Aufnahmesysteme verfügt, die Luftaufnahmen über verbautem Gebiet aus niedrigen Höhen ermöglichen. Die Zeitrafferaufnahmen wurden mit einer Kameratechnik hergestellt, die weltweit ausschließlich der Klägerin zur Verfügung steht; für die Aufnahmen vom Stephansdom wurde ein einzigartiger Fesselballon benützt. Die Klägerin hat den Beklagten keine Verwertungs- oder Nutzungsrechte an ihren Filmen eingeräumt. Die Beklagten haben nach Aufforderung zwar eine Unterlassungserklärung abgegeben, deren Veröffentlichung aber nicht zugestimmt. Sie haben das ursprünglich auf der Startseite der Website abrufbare Videodokument von dort entfernt, es ist aber weiterhin - ebenso wie eine Datei mit fünf weiteren Aufnahmen aus einem Film der Klägerin - auf Unterseiten der Website der Zweitbeklagten abrufbar. Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es zu unterlassen, für die Klägerin geschützte Filmwerke, so insbesondere eine Zeitraffer-Schwenkaufnahme über Wien, CamCat-Aufnahme in der Nationalbibliothek, Starraufnahme auf das Burgtheater, Ballonaufnahme St. Stephan, Zeitraffer-Schwenkaufnahme Schönbrunn, Zeitraffer-Aufnahme Schönbrunn und Zeitrafferschwenk-Aufnahme mit Fahrt über die Hofburg, zu vervielfältigen, zu veröffentlichen, zu verbreiten und/oder zur Verfügung zu stellen. Die Beklagten hielten weiterhin unbefugt Vervielfältigungen von Werken der Klägerin aufrecht und stellten diese zum öffentlichen Abruf zur Verfügung.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrags. Das Sicherungsbegehren sei nicht hinreichend bestimmt und zu weit gefasst, soweit es auch ein Verbreitungsverbot einschließe. Dem begehrten Veröffentlichungsverbot liege kein urheberrechtliches Verwertungsrecht zugrunde.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Die von den Beklagten in Teilen verwerteten Filme der Klägerin seien Werke der Filmkunst. Verwertungsrechte an gewerbsmäßig hergestellten Filmwerken stünden gemäß § 38 Abs 1 UrhG dem Inhaber des den Film herstellenden Unternehmens zu. Die der Klägerin als herstellendem Unternehmen zustehenden Verwertungsrechte seien durch die festgestellten Eingriffshandlungen der Beklagten verletzt worden. Dies begründe einen Unterlassungsanspruch nach § 81 UrhG, der durch einstweilige Verfügung gesichert werden könne. Die umfangreichen Verletzungshandlungen der Beklagten rechtfertigten ein weites Unterlassungsgebot, damit es nicht allzu leicht durch Verwendung anderer von der Klägerin hergestellter Werke umgangen werden könne. Das Rekursgericht trug den Beklagten mit einstweiliger Verfügung auf, es „bis auf weiteres" zu unterlassen, für die Klägerin geschützte - so insbesondere die im Begehren näher beschriebenen - Filmwerke „im Internet" zu vervielfältigen, zu verbreiten und/oder zur Verfügung zu stellen. Das Mehrbegehren, den Beklagten zu verbieten, a) für die Klägerin geschützte Filmwerke generell zu vervielfältigen, zu verbreiten und/oder zur Verfügung zu stellen, und b) für die Klägerin geschützte Filmwerke zu veröffentlichen, wies es ab. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Sicherungsbegehren sei nicht unbestimmt, weil es sich auf die Filmwerke der Klägerin beziehe und bestimmte Werke davon besonders umschreibe. Ein allgemeines Verbot künftiger Eingriffe in Urheber- oder Werknutzungsrechte der Klägerin sei unzulässig; die zu unterlassende Handlung müsse schon im Klagebegehren konkretisiert werden. Es sei daher kein allgemeines Unterlassungsgebot, sondern nur eines bezogen auf den Internetauftritt der Beklagten zu erlassen. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, die Beklagten würden Filmmaterial der Klägerin etwa für einen Werbeprospekt verwenden. Das auf Verbreitung von Filmmaterial der Klägerin gerichtete Sicherungsbegehren sei berechtigt, weil die Wiedergabe von Filmen in einem Internetauftritt eine dem Urheber vorbehaltene Vervielfältigung und Verbreitung sei. Unberechtigt sei hingegen das Verbot, für die Klägerin geschützte Filmwerke zu veröffentlichen. Zwar stehe dem Urheber das Recht zu, sein bisher nicht veröffentlichtes Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen; die Klägerin habe jedoch selbst zugestanden, dass ihre von den Beklagten ausschnittsweise verwendeten Filmwerke schon im Fernsehen gezeigt worden seien. Mit dieser Ausstrahlung seien die Filmwerke schon vor den beanstandeten Handlungen der Beklagten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Fortentwicklung der Rechtsprechung zur Fassung des Unterlassungsgebots bei Urheberrechtsverletzungen zulässig; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

1. Die Klägerin macht geltend, das Unterlassungsgebot sei zu eng gefasst, weil es nur Verwertungshandlungen im Internet umfasse. Die Beklagten könnten künftig in Rechte der Klägerin auch dadurch eingreifen, dass sie für die Klägerin geschützte Filmwerke auf einem Videorecorder abspielten, in Werbeprospekten abdruckten (gemeint: einzelne Bilder daraus), im für Mitarbeiter der Beklagten zugänglichen Intranet sichtbar machten oder auf CD brennten. Nach der vom Rekursgericht gewählten Fassung decke das Gebot nicht einmal das - unzweifelhaft erfolgte - Kopieren des Werks auf die Festplatte des Servers der Zweitbeklagten. Auch sei das Verbot, für die Klägerin geschützte Filmwerke zu veröffentlichen, zu Unrecht abgewiesen worden.

2. Nach den - zuletzt vom Senat in der Entscheidung 4 Ob 49/06v zusammengefassten - Grundsätzen zur Fassung von Unterlassungsgeboten, die für Wettbewerbs- und Urheberrechtsverstöße gleichermaßen gelten, hat sich das Unterlassungsgebot immer am konkreten Verstoß zu orientieren (RIS-Justiz RS0037607[T34]); es ist daher auf die konkrete Verletzungshandlung sowie – um Umgehungen durch den Verpflichteten nicht allzu leicht zu machen (vgl RIS-Justiz RS0037607 und RS0037733) - auf ähnliche Fälle einzuengen (4 Ob 172/00y; 4 Ob 54/05b).

3. Urheberrechte verletzt, wer ohne Bewilligung des Urhebers in die dem Urheber ausschließlich (vgl § 14 Abs 1 UrhG) zustehenden Verwertungsrechte eingreift. Die urheberrechtlich relevante Verletzungshandlung betrifft demnach regelmäßig eines oder mehrere der nach den §§ 15 - 18a UrhG vorgegebenen Verwertungsrechte der Vervielfältigung, Verbreitung, Sendung, Aufführung und Zurverfügungstellung zum interaktiven Abruf.

4. Die Fassung des Unterlassungsgebots bei Urheberrechtsverletzungen hat daher in erster Linie auf jenes Verwertungsrecht abzustellen, das durch die konkrete Verletzungshandlung berührt wird, darüber hinaus jedoch - aus Gründen des Umgehungsschutzes - auch der konkreten Verletzungshandlung ähnliche Fälle zu berücksichtigen.

5. Nach der mit der UrhG-Nov 2003 neu geschaffenen Bestimmung des § 18a UrhG besitzt der Urheber das ausschließliche Recht, das Werk der Öffentlichkeit drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist („Zurverfügungstellungsrecht"). Dieses Verwertungsrecht ist für das Internet und andere Netztechnologien von Bedeutung (vgl Dillenz in Dillenz/Gutman, UrhG² § 18a Rz 7 f). Wer unbefugt Sprachwerke, Lichtbilder oder Filmwerke in einen Internetauftritt zum interaktiven Abruf eingliedert, verstößt gegen das Verwertungsrecht des § 18a UrhG (zur früheren Rechtslage vgl 4 Ob 127/01g = MR 2001, 304 - Medienprofessor).

6. Technische Voraussetzung dafür, den Inhalt einer Website (Texte,

Bilder, Videodokumente uä) über das Internet abrufen zu können, ist

die (digitale) Speicherung dieses Inhalts auf der Festplatte eines

Servers (das sind Computer, auf denen Dienstprogramme laufen; vgl

Tonninger, Copyright und Urheberrecht im Internet, 15, 18). Wird ein

urheberrechtlich geschütztes Werk auf diese Weise zu Zwecken der

Sichtbarmachung im Internet auf einem Server abgespeichert

(„uploading"; zum Begriff Ensthaler/Bosch/Völker, Handbuch

Urheberrecht und Internet, 174), handelt es sich urheberrechtlich um

einen Vervielfältigungsvorgang iSd § 15 UrhG, weil dadurch ein neues

Werkstück erzeugt wird (zur digitalen Speicherung vgl 4 Ob 345/98h =

SZ 72/11 = ÖBl 2000, 86 - Radio Melody III; RIS-Justiz RS0111448;

Dillenz aaO § 15 Rz 6).

7.1. Die Beklagten haben unbefugt Teile von Filmen, an denen die Verwertungsrechte der Klägerin zustehen, in den von ihnen zu verantwortenden Internetauftritt integriert. Kern ihrer Verletzungshandlung ist somit nach dem zuvor Gesagten die Verletzung des Vervielfältigungsrechts sowie des Zurverfügungstellungsrechts der Klägerin. Der Ausnahmetatbestand des § 41a UrhG ist schon deshalb nicht erfüllt, weil es sich um keine Vervielfältigung im Rahmen einer rechtmäßigen Nutzung handelt (vgl Dillenz aaO § 41a Rz 19 zum hier gegebenen Fall des unbefugten Anbietens zum Abruf eines Inhalts im Internet). Das Unterlassungsgebot entspricht daher dem konkreten Verstoß, soweit es den Beklagten aufträgt, es zu unterlassen, für die Klägerin geschützte Filmwerke zu vervielfältigen und/oder zur Verfügung zu stellen.

7.2. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts war das Unterlassungsgebot nicht auf das Internet einzuschränken. Es liegt nämlich nahe, den Inhalt eines Internetauftritts auch für die Werbung in anderen Medien zu verwenden. Dass es hier anders wäre, haben die Beklagten weder behauptet noch bescheinigt. Auch in der von den Beklagten in der Äußerung zitierten Entscheidung 4 Ob 58/04i (= MR 2004, 331 [Walter] - Fragespiel) wurde bei einem Urheberrechtsverstoß im Internet das Unterlassungsgebot nicht auf Verletzungen im Internet eingeschränkt; abgewiesen wurde nur das über die Verbreitung und Vervielfältigung hinausgehende Mehrbegehren „auf welche Art auch immer". Das Unterlassungsgebot muss daher nicht auf den Kern der Verletzungshandlung beschränkt werden, sondern darf auch dieser ähnliche Fälle umfassen.

8.1. Das Rekursgericht meint, dass nur dann in das dem Urheber zustehende - hier der Klägerin eingeräumte - Veröffentlichungsrecht eingegriffen werden könne, wenn es sich um ein noch nicht veröffentlichtes Werk handle; diese Bedingung sei hier nicht erfüllt. Es verwechselt damit offenbar das - hier von der Klägerin gar nicht angesprochene - Recht des Urhebers, ein Werk erstmals der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (wodurch es zum veröffentlichten Werk iSd § 8 UrhG wird), mit dem (auch für bereits veröffentlichte Werke bestehenden) Verbreitungsrecht des Urhebers iSd § 16 Abs 1 UrhG, welches das Recht einschließt, darüber zu entscheiden, wann, wo und wie sein Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

8.2. Aus dem Gesamtzusammenhang ihres Vorbringens ergibt sich, dass die Klägerin bei der Fassung des Unterlassungsbegehrens mit den Wendungen „zu veröffentlichen" und „zu verbreiten" offenbar die beanstandete Verletzungshandlung „[im Internet] zur Verfügung zu stellen" näher erläutern und konkretisieren wollte. Versteht man ihr Begehren in diesem Sinn, ist es auch berechtigt:

8.3. Jede Veröffentlichung enthält gleichzeitig auch einen Akt der Werknutzung (Dillenz aaO § 8 Rz 6; 4 Ob 2363/96 = SZ 69/283 = MR 1997, 93 [M. Walter] - Head-Kaufvertrag). Dies gilt freilich auch umgekehrt: Durch eine der Öffentlichkeit zugängliche Werknutzung (hier: Verwendung des Werks zur Sichtbarmachung im Rahmen des Internet-Auftritts der Zweitbeklagten) wird das Werk gleichzeitig auch (wiederholte Male) veröffentlicht und verbreitet. Das in diesem Sinn aufzufassende Begehren - verboten soll ja insbesondere nicht werden, das Werk erstmals zu veröffentlichen - ist dann aber berechtigt, weil es das von den Beklagten verletzte Verwertungsrecht nach § 18a UrhG nur mit anderen als den verba legalia näher umschreibt.

9. Gemäß § 391 Abs 1 Satz 1 EO hat der Beschluss, durch welchen eine einstweilige Verfügung bewilligt wird, die Zeit zu bestimmen, für welche diese Verfügung getroffen wird. Das Gericht ist dabei nicht an Anträge der Parteien gebunden, sondern hat die einstweilige Verfügung auch von Amts wegen zu befristen (Kodek in Angst, EO § 391 Rz 1 mwN; 4 Ob 244/02i).

10. Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und der erstgerichtliche Beschluss mit der Maßgabe wiederherzustellen, dass die fehlende Befristung zu ergänzen ist.

11. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 393 Abs 1 EO iVm 40, 50 ZPO.