OGH vom 17.01.1984, 2Ob614/83
Norm
Kopf
SZ 57/10
Spruch
Die zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche eines ehelichen Kindes zum besonderen Kurator bestellte Bezirksverwaltungsbehörde hat in Fragen der Verwaltung des Vermögens des Kindes keine Vertretungsbefugnis
(LGZ Wien 43 R 1014/83; BG Hernals 3 P 31/79)
Text
Die Ehe der Eltern des mj. Thomas R ist aufrecht. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom wurde auf Antrag der Mutter das Bezirksjugendamt für den Wiener 16. Bezirk zum besonderen Kurator für den Minderjährigen zur Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche gegen den Vater bestellt. Mit Eingabe vom regte das Bezirksjugendamt eine pflegschaftsgerichtliche Verfügung an. Es bestehe zugunsten des Minderjährigen ein Bausparvertrag mit der Allgemeinen Bausparkasse der Volksbanken, der am fällig werde. Der Sparbetrag könne vom Vater und von der Mutter behoben werden. Da es in keiner Angelegenheit des Kindes zu einem Einvernehmen der Eltern mehr komme, sei eine Anlegung des Geldes iS des § 230 ABGB nicht gewährleistet. Es bestehe vielmehr die Gefahr, daß der Vater den Sparbetrag für sich verbrauche. Am beantragte die Mutter, den Sparbetrag auf ein auf den Namen des Minderjährigen lautendes Sparbuch anzulegen.
Das Erstgericht wies die Allgemeine Bausparkasse der Volksbanken an, das Guthaben aus dem Bausparvertrag an die Creditanstalt-Bankverein, Zweigstelle Rudolfsplatz, zu überweisen. Dieser wurde der Auftrag erteilt, den Betrag auf ein auf den Namen des Minderjährigen lautendes Sparbuch zu buchen. Eine Sperre des Sparbuches wurde unter einem angeordnet. Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß es sich bei dem Bausparvertrag um eine Schenkung an den Minderjährigen handle. Das Sparguthaben sei daher Mundelvermögen. Die Unterhaltsrückstände des Vaters, zu deren teilweiser Abdeckung der Vater der Heranziehung des Bausparbetrages zugestimmt habe, könnten nicht mit dem Vermögen des Kindes getilgt werden.
Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung auf. Die Mutter habe zwar vorgebracht, daß der Sparbetrag Eigentum des Kindes sei. Der Vater, der hiezu vom Erstgericht nicht gehört worden sei, vertrete jedoch den Standpunkt, daß mit dem Abschluß des Bausparvertrages keine Schenkung an das Kind beabsichtigt gewesen sei; der Bausparvertrag habe lediglich dazu gedient, die Steuerabzugsmöglichkeiten des Vaters voll auszuschöpfen. Es könne noch nicht abschließend beurteilt werden, ob das Sparguthaben Vermögen des Kindes sei. Es sei eine Vernehmung der Eltern erforderlich.
Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Bezirksverwaltungsbehörde zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten umfassen die Pflege und Erziehung, die Vermögensverwaltung und die Vertretung (§ 144 ABGB). Diese Rechte und Pflichten stehen grundsätzlich beiden Elternteilen zu. Ausnahmen sind in den Bestimmungen der §§ 145 f. ABGB vorgesehen. Liegt ein Ausnahmetatbestand nicht vor, haben die Eltern die Rechtspflicht zum gemeinsamen Vorgehen (§ 144 zweiter Halbsatz ABGB). Die Vermögensverwaltung ist in den §§ 149, 150 ABGB geregelt. Vermögen ist der Inbegriff der geldwerten Rechte und Verbindlichkeiten einer Person. Im Rahmen der Vermögensverwaltung obliegt den Eltern die Erhaltung und Mehrung des Vermögens des Kindes innerhalb der rechtlichen Grenzen (Pichler in Rummel, ABGB, Rdz. 1 zu §§ 149, 150). Zur Erhaltungspflicht muß auch die Wahrung vermögensrechtlicher Ansprüche gerechnet werden. Wird trotz des Einvernehmlichkeitsgebotes von den Eltern ein Einvernehmen nicht erzielt, wird nach § 176 ABGB vorzugehen sein. Zur Anrufung des Gerichtes nach § 176 ABGB ist auch die Bezirksverwaltungsbehörde berufen ("von wem immer"); diese hat allenfalls auch das Recht auf Anhörung. Die vom Pflegschaftsgericht innerhalb der rechtlichen Grenzen und unter Beachtung der Rechte der Eltern und Dritter (vgl. Pichler aaO Rd. 4 zu § 176 ABGB) zu treffenden Vorkehrungen richten sich nach der Lage des Einzelfalles. Der Umstand, daß ein Bausparvertrag auf den Namen des Minderjährigen lautet, wird in der Regel ein Indiz dafür sein, daß es sich zumindest möglicherweise um Vermögen des Kindes handelt. Wenn ein Elternteil geltend macht, die Ansparbeträge gehörten dem Kind, während der andere behauptet, sie stunden ihm selbst zu, wird das Gericht regelmäßig jene Verfügungen zu treffen haben, die eine eigenmächtige Verfügung eines Elternteiles bis zur endgültigen Feststellung der Rechtsverhältnisse hintanzuhalten geeignet sind (3 Ob 598, 608/83). Durch die Anrufung des Gerichtes in diesem Belange konnte aber das Bezirksjugendamt weder Parteistellung noch Rechtsmittellegitimation erlangen, es sei denn, es hätte eigene Rechte (Pichler aaO Rdz. 3 zu § 176). Das Bezirksjugendamt wurde zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Minderjährigen zum besonderen Kurator bestellt. Damit erhielt es zwar das Recht und die Pflicht, alle mit der Hereinbringung des Unterhaltes vom Vater zusammenhängenden Aufgaben zu erfüllen, wozu nicht nur die Geltendmachung der dem Kinde zustehenden Alimentationsansprüche gegenüber dem Vater oder durch entsprechende Antragstellung beim Pflegschaftsgericht, sondern auch die Empfangnahme der freiwillig oder zwangsweise hereingebrachten Unterhaltsbeträge gehört (ÖAV 1975, 16; 7 Ob 555/78 ua.). Der Begriff der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche ist zwar in weitem Sinne zu verstehen (4 Ob 582/83). Die Rechtsstellung des zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen bestellten besonderen Kurators ist aber dahin abzugrenzen, daß Vorkehrungen, die weder die Feststellung der Unterhaltspflicht, die Festlegung der Höhe des vom Unterhaltspflichtigen zu leistenden Betrages, die Hereinbringung der laufenden oder rückständigen Alimente oder die Disposition über die einlangenden Beträge betreffen, seiner Einflußnahme entzogen sind. Solche Maßnahmen betrifft aber die Entscheidung des Rekursgerichtes, sodaß durch sie keine rechtlich anerkannten Interessen, die das Bezirksjugendamt zu vertreten hätte, berührt werden. Es kommt ihm daher keine Rechtsmittellegitimation zu (vgl. RZ 1981/64; RZ 1975/88).